31. Schwarze Schwingen
Das Sirren der Nadel lullte mich ein, ließ mich endlich etwas der Ruhe finden, die mir die vergangenen Nächte gefehlt hatte.
Der sanfte Dämon und sein Kuss waren mir pausenlos durch den Kopf gegeistert, hatte mir keinen Schlaf gegönnt und ich begann es allmählich zu merken.
Junhong lag wieder ausgestreckt vor uns auf dem Tisch, die Arme dieses Mal unter seinem Kopf, während Yongguk über seinen unteren Rücken gebeugt war und seinem dunklen Kunstwerk die letzten Schliffe verpasste. Leider wusste ich das beinahe fertige Bild kaum zu schätzen, fielen mir doch ständig die Augen zu und ich wusste gar nicht, wie ich es bisher geschafft hatte noch nicht auf den einladend bequem aussehenden Rücken vor mir zu kippen.
Sie sprachen heute nicht, Junhong schien selbst müde und leise Klaviermusik spielte im Hintergrund, half mir auch nicht besonders beim wach bleiben.
Ich döste immer mal wieder vor mich hin, verlor jegliches Zeitgefühl, nur um dann langsam wieder zur Realität zu gleiten und kurz meine Hände aneinander zu spüren, um dann wieder weg zu nicken.
Als ich irgendwann zwischendurch mal wieder erwachte, war die Nadel verstummt und Junhong schlief friedlich, seine große Gestalt bequem ausgestreckt.
Ich schaffte es etwas wacher zu werden und mich mit verschwommener Sicht im Raum umzusehen, festzustellen, dass ich mit Junhong allein war und der residente Dämon spurlos verschwunden war.
Das weckte mich dann doch noch etwas auf und ich glitt schläfrig aus meinem Platz und stolperte nach vorne zum Eingangsbereich hin, nur um verwirrt zu verharren, als ich die Szene dort registrierte.
Da war ein Mann, den ich nicht kannte, ein wild wirkender Mann mit... offensichtlich einer Waffe auf dem Rücken, eine Art Gewehr, ich kannte mich dabei nicht aus. Er hatte außerdem zwei Pistolenholster um seine in schwarzes Leder gekleideten Oberschenkel geschnallt, in einem ruhte eine silbern glänzende Pistole, der zweite war leer.
Konfus glitten meine Augen an ihm herauf, über eine robuste Weste und eine schwarze Lederjacke, über behandschuhte Hände, von denen eine sich Yongguks Geweih an der Wurzel gepackt hatte, die zweite presste ihm die Mündung einer Pistole an die Schläfe.
In meinem schlaftrunkenen Status brauchte ich einen Ticken länger, als mir lieb gewesen wäre und als ich die Situation dann endlich verstanden hatte, herrschte augenblicklich eisige Kälte in meinem Körper und meine Augen wurden weit.
Es reichte dem Fremden bereits, um mich zu entdecken und kalte Augen glitten über mich, bevor er den Blick wieder zu einem absolut stillen Yongguk wandte, der mit undifferenzierten Augen zu ihm hinauf sah, die Hände hinter seinem Rücken.
"Doch nicht so allein, huh? Was ist das, deine Vampiraffäre?"
Ich begriff den Mann nicht. Begriff sein Dasein nicht.
Er war offensichtlich ein Mensch und schien dennoch Yongguks Geweih nicht nur zu sehen, sondern auch greifen zu können, durch die Fassade des Dämons blicken zu können.
Natürlich hatten wir über einige Menschen gelernt, die in der Tat dazu fähig waren die Wahrheit zu sehen, aber ich hatte nicht damit gerechnet einem zu begegnen und noch viel weniger ihn in einer solchen Lage vorzufinden.
"Sie hat nichts damit zu tun. Siehst du denn nicht, dass sie ein Wesen des Lichtes ist?", sagte Yongguk absolut ruhig und die Augen des Mannes verließen ihn erneut, um mich abschätzend zu mustern, lange über meinem Kopf zu verharren.
Ich schätzte es war die richtige Wahl still stehen zu bleiben und ihm keinen Grund zu geben Yongguk zu verletzen, aber so bleiben, konnten wir auch nicht bis in alle Ewigkeit.
Mit einem kurzen Blick auf seine jungen Züge, die vollen Lippen und ernsten Augen, das dunkle Haar, das seine leicht vom Kopf abstehenden Ohren nicht verbergen konnte, hob ich leise an zu sprechen.
"Gibt es ein Problem?"
"Was bist du?"
Er klang herrisch, dominierend in seiner Art, aber auch durchaus verwirrt von meinem Erscheinen.
"Ich bin sein Schutzengel. Kannst du mir sagen, was du für ein Problem mit ihm hast, denn es ist meine Aufgabe über ihn zu richten, nicht die deine.", gab ich kühl zurück, ließ es mir nicht anmerken, wie die Angst, dass eine Kugel sich durch Yongguks Kopf fressen könnte meinen Körper beherrschte.
Nun sah der Jäger in der Tat etwas konfus aus.
"Ich war mir relativ sicher, dass dieser hier seinen Engel gemordet hat... Aber es bist du?"
Ich nickte fest und Yongguk hielt nur weiter still, lieferte dem anderen keinen Grund ihn zu töten.
"Es könnte sein, dass du seinen Zwilling meintest. Aber er ist nicht mehr hier."
Er verzog bei meinen Worten das Gesicht und warf dann einen abfälligen Blick auf Yongguk, senkte allerdings die Waffe.
"Dämonenzwillinge? Verdammt. Es würde allerdings auch erklären, warum dieser hier ein ganz anderes Verhalten hat."
Damit ließ er auch Yongguks Geweih los und ich atmete kaum hörbar auf, als er die Waffe weg steckte. Endlich wagte ich es vorwärts zu treten und Yongguk wieder auf die Beine zu helfen, behutsam die Fesseln um seine Hände zu lösen.
"Du jagst diejenigen, die in Ungnade verfallen sind?", erkundigte ich mich leise bei dem Mann und der fuhr sich nickend durchs dunkle Haar, sah sich zum ersten Mal tatsächlich im Laden um.
"Jep. Mit Auftrag von oben, bevor du an mir zweifelst. Ich bin Park Jinyoung." Ich griff zögerlich um den stillen Yongguk herum, um seine Hand zu schütteln, erschauderte beim Gefühl seiner kalten Fingerspitzen auf meiner Haut und war sehr dankbar für die Handschuhe.
"Ah, dann kennst du Jaebeom?"
Jinyoung rollte mit den Augen und begann seine fingerlosen Handschuhe abzustreifen, in einer Jackentasche zu verstauen.
"Erinner mich nicht an diesen Idioten. Aber ja, er war derjenige, der mir den Job anvertraut hat."
Also war er nicht ganz menschlicher Abstammung. Jedoch schien sein übernatürliches Erbe weit genug zurück zu liegen, dass ich es nicht durchschauen konnte.
"Nun, ihr habt jedenfalls meine Entschuldigung für diesen Überfall. Solltet ihr jemals Hilfe brauchen..." Er kramte in seiner anderen Jackentasche und zog einen Stift hervor, um mir hastig eine Nummer auf den Arm zu kritzeln. "hier. Am besten bevor er dich abschlachtet, Schutzengel."
"Ich denke nicht, dass er das tun wird aber danke.", gab ich frostig zurück und er grinste bloß arrogant, bevor er den Laden wieder verließ, eine eigenartige Stimmung zurückließ.
Ich wandte mich zu Yongguk um, der sich abwesend die wunden Handgelenke rieb und ins Nichts starrte, seine Locken wild.
"Du hättest nach mir rufen können."
"Er hätte dich erschossen, wenn du heraus gerannt gekommen wärest."
"Er hätte dich fast erschossen."
Er schwieg lange und es brauchte kein Genie um seine Gedanken zu lesen.
Seufzend senkte ich den Blick und beobachtete, wie er die wütend roten Striemen auf seiner gebräunten Haut rieb, seine Finger sanft wie eh und je.
"Wollen wir Junhong wecken?"
"Ja. Wird Zeit, dass ich seinen Rücken fertig kriege." Damit ließ er das Thema fallen und kehrte wieder in den Hinterraum zurück, während ich mich noch darüber wunderte wie oft es mir wohl insgesamt passieren würden mit Dämonenjägern im Raum aufzuwachen.
Das, oder mit Yongguk, der mal wieder über die Klinge eines Messers balancierte.
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