27. Black and White
Ich hatte nach dem nächtlichen Treffen mit Yongguk wenig Lust mit Junhong stundenlang in seinem Studio zu sitzen, aber mir würde wohl nichts anderes übrig bleiben, wenn ich den Jungen nicht enttäuschen wollte.
Also ging ich nach einigen sehr erfolgreichen Tagen des Yongguk Meidens wieder hinab in die Höhle des Löwen, vermutete den ersten Schnee demnächst, der Himmel sah bereit aus sich zu entladen und die Luft roch bereits nach Holzfeuer und biss kalt an meiner Nase.
Innnerhalb des düsteren Tatooladens war es wie immer angenehm warm, gerade knapp an der Grenze zum Frösteln, weswegen ein einfaches T-Shirt wohl nicht mehr in Frage kam, doch ich hatte es in meinem (definitiv nicht Daehyuns) Hoodie mollig warm.
Yongguk war gerade allein und doodelte am Tresen Blumen in seinem Notizbuch, aber wir erhielten sofort seine ungeteilte Aufmerksamkeit, als wir eintraten.
"Da sind wir wieder.", grüßte Junhong ihn aufgeregt und Yongguk ließ es seufzend zu, dass der größere Mann ihn für einen Moment in seine Arme nahm, dann sah der Junge erwartungsvoll zwischen uns beiden hin und her.
"Was, werdet ihr euch nicht begrüßen? Du meintest doch vorhin noch, dass du ihn vermisst, weil du-" Ich beeilte mich Junhong und seine viel zu große Klappe in die Kniekehle zu kicken, beobachtete zufrieden, wie er lachend taumelte.
"So brutal...", jammerte er auch sofort los und rieb sich schmollend die betroffene Stelle, während Yongguk ihn nur augenverdrehend an der Schulter stützte.
"Komm, du großer Held, hör auf den Engel zu ärgern." Damit bugsierte er seinen Patienten geduldig in das bereits wartende Hinterzimmer und ließ sich eine kurze Zusammenfassung von seinem Heilungsprozess geben.
Junhong wurde aufgefordert sich auszuziehen, während ich mir wieder meinen Stuhl an seine Seite heran zog und den Strauß Blumen, den ich gebracht hatte, auf meinem Schoß ablegte.
"Sieht so aus, als hättest du so weit alle Anweisungen brav befolgt, ich hatte schon meine Sorgen, als du uns einfach eingepennt bist." Yongguks Finger wuschelten amüsiert durch Junhongs Haar und der Mann grinste ihm bloß frech zu, das Piercing an seiner Nase blitzend.
"Sag mal... Stichst du auch Piercings?", begann Junhong dieses Mal ein Gespräch, während er es sich bequem machte und Yongguk letzte Vorbereitungen traf und Musik auflegte.
Wenn er überrascht von der Frage war, so zeigte sich das nicht auf seinem ausgeglichenen Gesicht, viel eher begann der Künstler nur seelenruhig mit seiner Arbeit.
"Ich darf prinzipiell, aber ich biete es hier nicht an, weil ich den Prozess nicht besonders mag. Warum fragst du, brauchst du mehr Löcher im Körper?" Ich krümmte mich bei der Frage, beschäftigte meine Hände mit meinen Blumen, während Junhongs Daumen abwesend Kreise über mein Knie zog.
"Hmm, vielleicht denke ich darüber nach, wenn ich damit zu dir kann. Ich kenne ein paar deiner Tattoos, aber hast du auch Piercings, Yongguk?", war die Neugier des Jungen nicht zu sättigen und ich lauschte aufmerksam, ohne dabei meine Arbeit zu unterbrechen.
Die Stängel unter meinen Fingern fügten sich elegant meinen Befehlen, schienen sich wie von selbst ineinander zu flechten und die Nadel sirrte unheilvoll im Hintergrund.
"Nope. Das ist eher Yongnams Aufgabengebiet. Ich denke ich habe zu viele ekelhafte Entzündungen gesehen, um wirklich scharf darauf zu sein. Nicht, dass dir deiner nicht steht.", kam seine erwachsene Antwort von Junhongs Seite und ich beobachtete, wie seine schlanken Finger sicher um die Waffe in seiner Hand lagen, mit größter Vorsicht zeichneten.
"Und sagst du das nur, um 'den Engel' nicht mit zu intimen Fakten zu bombardieren, oder-"
"Darf ich dich daran erinnern, dass das Schicksal deines Rückens buchstäblich in meiner Hand liegt, Kleiner?"
Junhongs Mund klappte bei der dunklen Drohung in Yongguks ohnehin furchteinflößender Stimme sofort zu und endlich kehrte wieder genug Stille ein, um die Musik zu hören. Ich stellte fest, dass es heute kein Jazz, sondern R&B war. Etwas Abwechslung.
Ich rutschte etwas näher und begann die Blumen in winzigen Zöpfchen in Junhongs Haare zu flechten, hätte es zwar ebenso gerne bei Yongguk ausprobiert, aber der brauchte das momentan eher weniger. Der Dunkelhaarige unter mir jammerte den ganzen Prozess über vor sich hin, darüber wie männlich er doch war mit seiner Körpergröße und Tattoos und Piercings und warum es denn ausgerechnet Blumen sein mussten. Yongguk begann irgendwann eine hitzige Diskussion über das falsche Abbild von Geschlechterrollen und Stigma zu reden, nahm dem Jüngeren erfolgreich alle Argumente.
Allerdings entwickelte es sich in ein interessantes Gesrpäch, in dem auch ich mich etwas beteiligen konnte, die Zeit verging wie im Flug.
Die ersten zwei Stunden endeten schnell und Yongguk erhob sich, um sich zu strecken, traf fragend meinen suchenden Blick.
"Du hast Besuch, warst aber zu vertieft, um es zu merken."
"Oh, ist er schon-"
Der Besucher sah das als sein Zeichen elegant durch den Vorhang spaziert zu kommen, der Korb in seinem Arm gefüllt bis zum Rand mit Keksdosen.
"Himchan!", rief Junhong sofort begeistert den Namen des Anderen aus und rollte nur beinahe auf seinen Rücken, bevor Yongguk ihn warnend im Genick packte. Ich lächelte dem Mann ebenfalls grüßend zu.
Kim Himchan hätte mit seinem Aussehen jederzeit als gefallener Engel oder Vampir klassifizieren können, seine helle Haut rein und glatt wie edler Marmor und das Gesicht ebenfalls wie expertiv aus Stein gemeißelt. Der Rest von ihm war ziemlich normal, weder übermäßig sportlich, noch ungesund. Einfach... Himchan.
"Der Welpe hat mir ganz stolz erzählt, dass er heute seinen Termin hat, also dachte ich mir ich schneie mal wieder vorbei und zwinge euch ein paar der weltbesten Kekse auf.", sagte er vollkommen selbstsicher zu Yongguk und winkte mir dann konträr dazu mit einem süßen Lächeln zu.
Ich hatte die beiden nie zusammen in einem Raum gesehen, aber nun wurde ich doch neugierig über deren Beziehung. Warum hatte sie nicht funktioniert? Und wie war sie in erster Linie zu Stande gekommen?
Yongguk wirkte überrumpelt, hatte eindeutig zu viele Leute um sich herum und ich war schon dabei mich zu erheben und ihm etwas Luft zum Atmen zu geben, dann platzierte Himchan bereits seinen schweren Korb auf meinem Schoß, zwang mich schweigend zu bleiben.
"Komm her, du bist zu gut darin mich zu meiden.", beschwerte Himchan sich mit vorgeschobener Unterlippe bei Yongguk und legte ungefragt die Arme um dessen Hüften, um ihn nahe zu sich zu ziehen.
Ich beobachtete den Austausch neugierig, ohne Neid, bloß voller Fragen, während Junhongs Finger bereits klammheimlich versuchten die Dosen aufzuschieben.
Yongguk wirkte nicht mehr weiter perplex von Himchans eigenwilligen Handlungen, viel eher ließ er sich willig umarmen, wenn er auch die behandschuhten Hände delikat von Himchan weg hielt.
"Ich bin voller Tinte, Himchan."
"Ich auch, du bist nichts besonderes."
Ich verkniff mir ein Grinsen und begann friedlich Junhong Kekse zu füttern, schüttelte auf seinen fragenden Blick hin nur den Kopf.
"Dann lass mal sehen, Kleiner, wie verunstaltet er dich?" Himchan ließ Yongguk wieder frei, um sich aufmerksam Junhongs wasserfallartiges Geplapper über sein Tattoo anzuhören, lachte hier und da laut auf.
Himchan liebte Junhongs neue Frisur und lobte mich auch sofort dafür, bevor er ein paar Kekse in Yongguks Mund zwang.
"Oh, wenn ich hier bin, kann ich meiner Schwester auch gleich ein paar Blumen mitbringen. Könnt ihr uns kurz entbehren?"
Yongguk sah nur verdattert auf die Kekse zwischen seinen Lippen, Junhong nickte mampfend, also folgte ich Himchan die Treppe hinauf in meinen eigenen Laden.
Mochii stürzte uns sofort bellend entgegen und Himchan kniete sich hin, um den Kleinen zu bespaßen, während ich begann das Lager nach den liebsten Orchideen seiner Schwester zu durchsuchen.
"Wie geht es dem Kleinen?", erkundigte ich mich beiläufig, während ich die rosanen Blüten in einen Strauß band und Himchan high fivte den kleinen Hund - beziehungsweise versuchte es und lachte herzlich darüber, dass die Beine des Kleinen zu kurz waren und er nur hoffnungslos in der Luft ruderte.
"Könnte nicht besser sein. Wird Zeit, dass er alt genug wird, dass ich ihn betreuen darf, damit etwas gescheites aus ihm wird."
Himchan war vor kurzem Onkel geworden und verbrachte jede freie Minute mit seiner Schwester und ihrem Sohn, weswegen ich es sehr zu schätzen, dass er seine Mutterpflichten uns gegenüber weiterhin nicht vernachlässigte.
"Sei so gut und versuch Yongguk nach Möglichkeit viele Kekse aufzuzwingen. Der Idiot weiß sie selbst dann nicht zu schätzen, wenn es seine Liebsten sind." Himchan verdrehte gutmütig die Augen, während ich mir eine mentale Notiz machte.
"Darf ich dir eine eigenartige Frage stellen?"
"Es wäre beileibe nicht die erste, Schätzchen."
Ich errötete etwas und reichte ihm dann den Strauß hinüber, scheuchte Mochii in seinen Korb zurück.
"Wie kamst du dazu Yongguk du daten? Also... wie hast du ihn dazu bekommen?"
Himchan lachte laut auf und verdeckte sein aufgehendes Gesicht sofort mit einer Faust vor seinem Mund, dann platzierte er sehr ernst eine Hand auf meiner Schulter und suchte meinen Blick.
"Bei seinem Persönlichkeitstypen kannst du noch so oft gegen eine Wand rennen, er versteht es nicht. Wenn du stark genug bist - und das ist bei ihm nicht schwer - wirf ihn dir über die Schulter und führ ihn auf ein Date aus. Wenn er dich mag, lässt er es mit sich machen, wenn nicht, dann ist es keine schmerzhafte Ablehnung. Das kann er nicht."
Damit stolzierte er aufrecht aus dem Raum und ich blieb zurück, um mich zu wundern, wie ich es schaffen sollte mir einen Dämon über die Schulter zu werfen und ungeschoren davon zu kommen.
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