26. Hot and Cold

Junhong hatte seine erste Session erfolgreich beendet und wartete nun sehnsüchtig auf die Zweite. Ich hatte ihn eines warmen Samstag mittags aus seinem hibbeligen Brüten geholt und mit den anderen Jungs zum Picknick geschleppt, Himchan und Jongup waren inzwischen mühelos Mitglieder unseres kleinen Kreises geworden. Auch Ganji und Mochii begleiteten uns nicht selten.

Wir sahen Jongup zwar nur ab und zu, da sein Engel etwas aufdringlich sein konnte, was ihn anging, jedoch freuten wir uns Mal ums Mal über seine Anwesenheit. Der Arme war vollkommen verwirrt gewesen, als er in sein Leben als Model hier eingewiesen wurde, aber mit Youngjaes griesgrämiger Hilfe, hatten wir ihn dann irgendwann so weit, dass er sich halbwegs wohl in seiner Haut fühlte.

Wir lachten immer viel miteinander, verzehrten die Lunchboxen, die Himchan uns abends machte und neckten Youngjae und Daehyun, die zwar offiziell ein Paar waren, aber eher wie verbitterte Erzfeinde wirkten mit all ihren Gemeinheiten und Hieben.

Ehe ich es mir versah, waren die zwei Wochen von Junhongs Heilzeit beinahe vorbei und ich hatte mich nicht selten dabei erwischt in meinem Notizbuch zu doodeln, mir Designs und Ideen für Tattoos zu überlegen.

Als mir die zündende Idee dann allerdings kam, schoss ich wie vom Blitz getroffen abends vom Tisch hoch und warf nur einen knappen Blick auf Mochii, der zusammengerollt in seinem Korb schlief, nicht allein bleiben sollte, während Junhong seine derzeit kranke Großmutter im Krankenhaus besuchte.

Ich schlich auf Zehenspitzen an ihm und meinen ebenso friedlich ruhenden Blumen vorbei, zog in Zeitlupe die Tür hinter mir ins Schloss.

Der Mond schien bleich und voll auf mich hinab, als ich durch die kalte Nachtluft die Stufen zu Yongguks Wohnung hinauf sprang und dort leise an der Tür klopfte.

Kurz fröstelte ich mit den Armen eng um meine Gestalt geschlungen, dann war die Tür bereits offen und Yongguk hob fragend eine Braue.

"Ich weiß, es ist wirklich spät, aber ich habe eine Tattooidee."

Daraufhin breitete sich bloß ein großes, zufriedenes Lächeln auf seinen Lippen aus und er winkte mich zu sich hinein. Ich tapste euphorisch hinter ihm her, konnte mir denken, dass er Überraschungen hasste, aber dieses Thema schien ihm doch wichtig genug, um mich in sein warmes Heim zu lassen.

"An was dachtest du?", erkundigte er sich neugierig und ich beeilte mich neben ihm auf seine Couch zu krabbeln, aufgeregt in meinen neuen Entdeckungen. Yongguk beobachtete mich amüsiert dabei, sein schlicht schwarzer Rollkragenpullover weich in seinem warmen Licht wirkend.

Er trug die Haare heute anders, glatter und hauptsächlich in seiner Stirn hängend, aber sie waren an einer Seite geteilt, entblößten etwas seiner Haut.

"Okay, also eine Kirschblüte.", begann ich ernst und gestikulierte wild, um eine Blüte zu veranschaulichen.

"Sie passt zu mir mit meinen Blumen und ich habe sie in Hokkaido wirklich geliebt!" Ich wusste ich war zu aufgeregt und laut für seinen Geschmack, doch seine Augen blieben geduldig, der Hauch eines Lächelns auf seinen Lippen.

"Wo?"

Mein Atem blieb mir für einen Moment im Hals stecken, als ich beinahe in Panik ausbrach, denn mir war vorerst nur das Design eingefallen, nicht der Ort, aber die Antwort kam problemlos auf mich herab und ehe ich rot werden konnte, zeigte mein Finger bereits auf exakt die Stelle unter meinem Ohr, die er vor kurzem berührt hatte.

Wenn er etwas dahinter las, so zeigte er es nicht, viel eher nickte er nur zufrieden mit meiner Wahl. 

"Sie steht für Aufbruch und Vergänglichkeit. Und für den Frühling! Ich betrachte sie als ein Zeichen des Neuanfangs, so wie ich hier unten ein neues Leben angefangen habe, so wie du es tatest."

Yongguk nickte zufrieden mit der Idee und sah dann kurz an sich herab, schien für einen Moment an seinen nächsten Worten zu zweifeln.

"Ich wollte dir eigentlich eines meiner Tattoos zeigen, aber ich bin dafür wohl nicht ganz passend gekleidet... Vielleicht ein anderes Mal."

Ich nickte mit wohl maskierter Enttäuschung, hätte mir seine eigenen Kunstwerke gerne genauer angesehen, aber es war eindeutig nicht der richtige Moment dazu.

"Oh, übrigens, ist es in Ordnung nächsten Montag wieder bei Junhongs Session dabei zu sein? Ich will dich nicht beim Arbeiten stören, auch wenn du wirklich cool dabei wirkst.", sprach ich stirnrunzelnd meine zweite Sorge an, er griff nach seinem Notizbuch und begann darin zu blättern.

"Ich habe mich schon damit angefreundet dich dort zu haben. Wenn ich ab und zu daran denke, wie sehr manche Engel an ihren Dämonen kleben, bin ich immer wieder froh darum, dass du meinen Platz respektierst, also danke dafür.", sagte er als sei es nichts und ich bewunderte ihn für einen Moment still von der Seite aus, wie seine eleganten Finger behutsam Seiten unter ihnen wendeten, wie fokussiert seine Augen waren.

Ich wusste genau, dass von seinen Seiten nie eine Regung kommen würde. Ich konnte noch so lange warten und ihm still hinterher sehen, aber wenn ich tatsächlich plante mehr daraus zu machen, musste ich diesen Schritt wohl selbst machen.

Ich zählte es schon als einen großen Pluspunkt für mich, mich überhaupt in seinem Leben eingegliedert zu haben und nicht verstoßen zu werden, nur war ich mir derzeit selbst nicht einmal sicher, was ich wollte.

Ganz offensichtlich wäre es kein Weltuntergang mit ihm zusammen zu sein oder ähnliches, aber ich wüsste nicht, wohin es mich bringen sollte. Es würde meine Arbeit nicht erleichtern und mich womöglich nur weiter betrüben, wenn ich an die Finsternis hinter seinen Augen dachte.

Dennoch war ich unvermeidlich zu ihm hingezogen und wusste nicht, was ich mit dieser Empfindung sollte.

Nachdenklich beobachtete ich ihn beim Zeichnen, wie seine Finger behutsam hübsche Linien auf dem Papier kreirten.

Als er fertig war, hob er sein Heft testweise an, seine Augen zuckten wiederholt vom Blatt zu meinem Ohr, aber er schien zufrieden.

"Hier, sag mir, was du denkst."

Ich nahm ihm ehrfürchtig sein Heiligtum aus den Fingern und warf einen Blick auf das Design, das er binnen weniger Minuten auf das Blatt gezaubert hatte. Es handelte sich um einen vollen Mond, um dessen linke Hälfte sich liebevoll ein blühender Sakurazweig schmiegte. Obwohl es nicht in Farbe war, sah ich den Charme bildlich vor mir und kaum eine Macht war in diesem Moment größer als der verzweifelte Willen es auf meiner Haut zu tragen.

Als ich begeistert zu Yongguk aufsah und seinen dunklen Blick traf, der mich intensiv beobachtete, jede Empfindung auf meinem Gesicht ablas, kam mir die Idee, dass doch, es gab wohl doch einen Wunsch, dem ich gerade noch viel eher nachkommen würde, wenn ich denn nur wüsste, wie ich es anstellen sollte.

"Ich liebe es. Vielen Dank."

Ich packte all meinen Mut beim Schopf und nutzte ihn, um mich in seine Richtung zu beugen, behutsam einen Kuss auf seine Wange zu pressen. Seine Haut war warm und weich unter meinen Lippen und der Geruch von Minze umfing mich, als er überrascht ausatmete, dann zog ich mich bereits wieder zurück und wandte mein glühendes Gesicht ab, studierte die Zeichnung mit neuem Fokus. Nicht, dass ich sie tatsächlich sah, meine Gedanken waren derzeit woanders.

Eine lange, ratlose Stille umhüllte uns, während mein Gehirn auf Hochtouren arbeitete um irgendwie meinen Reflex und die Bedeutungen von diesem zu verarbeiten, aber als Yongguk leise meinen Namen sagte, zuckte mein Kopf dennoch sofort hoch.

Seine Augen waren noch sanfter geworden, beinahe mitfühlend, als er mich auf ein Neues musterte, sich meine Züge im Gedächtnis einzuprägen schien.

"Du solltest das nicht tun. Du könntest fallen, wenn du nicht aufpasst.", warnte er mich sanft vor und zog mir behutsam das Buch aus den schlaffen Händen, legte es beiseite.

Ich sammelte mich für einen Moment, suchte nach passenden Worten.

"Ich denke nicht, dass mir das passieren könnte... Mein Sein ist zu sehr auf Engel ausgelegt." Hoffte ich. Vermutete ich. Dachte ich.

Nervös knotete ich meine Finger ineinander und versuchte es mit mir selbst zu vereinbaren, wie sicher ich mit dieser Sache war, doch momentan war eindeutig nicht die Zeit, um darüber nachzudenken. Ich war zu müde, mein Kopf ein Chaos.

Ruhelos sprang ich auf die Füße, sah mich wild im Raum um wie als habe ich vergessen, wo die Tür war. Ich lokalisierte sie und wandte mich dann wieder ruckartig zu Yongguk um.

"Lass uns wann anders darüber reden, okay? Ich renne nicht davon, ich muss nur... Zuerst denken."

Yongguk sah mich für einen Moment lang nur still an, dann seufzte er leise.

"Natürlich. Ich bin auch in keiner Position dir dabei Ratschläge zu geben, also vereinbare das mit dir selbst."

Und das war mein Signal zu fliehen, was ich auch sofort tat, nur um die gesamte Nacht mit wild klopfendem Herzen unter meiner Decke zu liegen.

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