23. Red Wine
Daehyun hatte regelrecht Angst davor nach Hause zu gehen und wieder meiner Erwartungen würde das nicht an der Abwesenheit Katy Purrys und Tiggers in seinem Bett liegen.
Wie zuvor auch las er Lebewesen besser als Situationen, wusste insofern mehr über Yongguk als ich es tat, doch er wollte auch nichts davon hören, dass ich sicher war. Wie jedes Mal, wenn ihm ein solcher Tick kam, hatte er allerdings am nächsten Morgen früh Arbeit, weswegen Yongguks Argumentationen ihn nach Hause zu schicken nach langem Zweifeln irgendwann dann doch ihre Richtigkeit fanden.
Er ging also spät abends nach einem dramatischen Abschied von den beiden felligen Freunden endlich, ließ mich im gedimmten Licht von Yongguks Wohnzimmer mit dem Dämon allein.
Der Mann an meiner Seite sah wie üblich aus wie ein einsames Kind. Er hatte die Beine unter seinem Körper gefaltet und lehnte barfüßig an der Couchlehne, seine Locken ein weicher, dunkler Flaum auf seinem Haupt.
Die Ärmel seines Pullovers rutschten über seine heute unberingten Hände hinab.
Mir fiel zum ersten Mal auf seinen Fingernägeln ein bisschen Schwärze auf. Es waren weder Wunden, noch Ansätze seiner Klauen. Viel eher handelte es sich um dunklen Nagellack, an den Seiten nicht vorhanden - ob nie da gewesen oder hinfort gekratzt, wer wusste es schon -, hatte er kleine, dunkle Punkte in den Mitten seiner Nägel, ein sehr persönliches Merkmal.
Ich sprach ihn nicht darauf an, saß nur in einem Spiegelbild seiner selbst am anderen Ende der Couch und spielte träge mit meinen Händen auf meinem Schoß.
Daehyun hatte nicht mehr viel geredet. Hauptsächlich wild mit Drohungen um sich geworfen, die Yongguk bloß mit besorgten Augen entgegen nahm, ganz gleich wie unrealistisch sie klingen mochten. Viel eher hatten wir unsere Zeit damit verbracht über sinnlosen Smalltalk zu brüten, darüber, wie mein Geschäft gelaufen war und wie Daehyun mit Yoo Youngjae voran gekommen war.
Yongguk schien nur milde überrascht davon, dass die beiden Engel - gefallen und nicht -einander inzwischen dateten, beide stetig daran scheiterten dem anderen das Handwerk zu legen.
Er erinnerte sich sogar an Junhong und erkundigte sich mit einem leisen Lächeln nach meinem fleißigen Helfer.
Daehyun misstraute ihm.
Dennoch schaffte ich es jetzt nicht mich von meinem Polster zu lösen, fand seine schlichte, kahle Wohnung so bergend, dass ich sie nicht mehr verlassen vermochte.
"Magst du Rotwein?"
Seine Frage traf mich wie ein Blitz aus dem Himmel und für einen Moment notierte ich bloß wie seine tiefe Stimme mich kurzzeitig wohlig zum Schaudern brachte, dann erst wandte ich ihm meinen Blick zu.
Das Licht schmiegte sich liebevoll an seine Wange, streichelte seine goldene Haut wie eine stolze Mutter. Sein gewaltiges Geweih warf unsichtbare Schatten über sein Haupt.
"Hat Dae nicht explizit gesagt, dass er dich, Moment, 'ausstopfen und in Youngjaes Büro ausstellen' würde, wenn du mir Nahrung aufzwingst?", erinnerte ich ihn mit einem schelmischen Lächeln und er erhob sich grinsend, sein Blick schüchtern auf dem Boden.
"Hat er. Aber ich zwinge nicht."
Er ging davon, hinüber zur angrenzenden Küche und begann dort gelassen durch seine Schränke zu wühlen, ich beschränkte mich darauf weiter eigenartig mit meinen teilweise bereits schmerzenden Fingern zu spielen, versuchte mir die möglichen Ausgänge des Abends zu überlegen.
Unter Umständen tötete er mich, wenn ich das falsche sagte.
Natürlich könnte er mich allerdings auch sicher wieder die Treppe hinab schicken.
Was ich nicht beabsichtigte, war mit meinem Gesicht an seinem zu enden.
Ich hatte bisher gute Chancen ungeschoren davon zu kommen und die warme Atmosphäre seiner modernen Wohnung heil hinter mir zu lassen.
Yongguk kehrte mit zwei Weingläsern und einer grünen Flasche mit dunkler Flüssigkeit zu mir zurück und reichte mir elegant eines der Gläser, seine Finger schlank um das kühle Material.
Ich nahm es ihm so souverän wie möglich entgegen und beschäftigte mich damit meine Finger um den schlanken Stil gleiten zu lassen, während er es sich erneut in seiner Ecke bequem machte und die Flasche mühelos entkorkte. Mit seiner Kralle zwar. Aber er entkorkte sie erfolgreich.
Der Korken flog unbeachtet in eine Ecke hinweg und blutrote Flüssigkeit glitt geschmeidig über das Glas, ich hatte selten eine derartige Ästhetik darin gesehen, wie jemand Wein eingoss, aber Daehyun war nicht hier um mich zu lesen, also würde ich mir das verzeihen.
Er griff erneut nach meinem Glas und ich beschäftigte mich für einen Moment damit den Raum nach Tigger abzusuchen, fand ihn letzten Endes als tief schlummernder Fellhaufen in seinem Korb.
"Hier."
Ich griff das Glas ohne zu ihm aufzusehen, musste ihm ein weiteres Mal trauen, wenn es darum ging mich nicht zu vergiften.
"Wie geht es Yongnam?"
Er ließ den Wein in seinem Glas kreisen, beobachtete abwesend den Schimmer des Lichtes, der über die aufgebrachte Oberfläche glitt.
"Er ist gestorben. Nicht lange, nachdem du gingst."
Seine Stimme war eben, der Gedanke bereits abgehandelt in seinem Kopf, aber es riss mir nicht weniger den Teppich unter den Füßen weg.
"O-Oh... Ist er das...?"
Innerlich warf ich mich aus dem Fenster, als mein Blick nur geschockt zu meinem Glas zurück ging. Das letzte Mal, als ich seinen Zwilling gesehen hatte, war der noch quicklebendig gewesen, hatte mich mit einem zynischen Grinsen an der Nase herum geführt.
Es war eigenartig unglaublich ihn nicht mehr wieder zu sehen.
Dass Yongnam fort war, bedeutete allerdings auch, dass sein Engel fort war. Ich hoffte bloß sie war genesen und hatte nun ihren Freiraum im Himmel, statt den Dämonenbrüdern zu Opfer gefallen zu sein.
"Dein Blut war zu viel für ihn, nur bereut er es nicht. Er bat mich dir auszurichten, dass man sich immer zweimal im Leben sieht. Ohne Kontext, auf wen das bezogen war allerdings." Ein geheimnisvolles Lächeln geisterte über seine Lippen, während er an seinem Wein nippte, die Stimmung damit schon deutlich gelockert hatte.
Natürlich hatte ich es nicht versehentlich geschafft Yongnam zum Guten zu bekehren, viel eher hatte der Kampf meines köstlichen Blutes und dem seinen zu seinem Tod geführt. Allerdings zweifelte ich auch bei Yongguk nach so langer Zeit an meinen Fähigkeiten. Er war zufrieden mit seiner Seite.
Der Wein war fruchtig und schwer auf meiner Zunge, glitt kühl meine Kehle hinab und wärmte mein Inneres, balancierte sich gut aus.
"Danke dafür. Und entschuldige Daehyun. Von mir hat er diese Paranoia nicht."
Yongguk grinste nur in sich hinein und schwieg, ließ zu, dass eine angenehme Stille uns umhüllte, während wir den Wein teilten. Die Zeit verrann unbemerkt und die Müdigkeit trat an ihre Stelle, ließ sich schwer in meinen Gliedern nieder und mich wie Butter auf den weichen Polstern der Couch werden.
"Hey, Bang... Wie geht es jetzt weiter?", murmelte ich dem Mann irgendwann müde zu, meine Zunge lahm vom Alkohol und dem Schlaf, ich schaffte es kaum noch meinen Kopf zu ihm zu drehen.
Yongguk stellte sein Glas vor sich auf dem Boden ab und erhob sich, um leise eine Decke holen zu gehen, diese warm über mir auszubreiten.
"Wir werden sehen. Für heute reicht es aber."
Seine Stimme war angenehmer als jedes Schlaflied und ich bemerkte es schon gar nicht mehr, als er mir das Glas abnahm, driftete bereits in eine gnädige Dunkelheit über.
Ich träumte von dem breiten, strahlenden Lächeln eines Dämons, den ich zwei Jahre lang schrecklich vermisst hatte.
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