"Z, ich brauche hier noch einen ganzen Haufen Efeu!"

"Sofort, eure Majestät!"

Strahlend verfolgte ich mit wie der wohl kaum noch Junge geschäftig in den Hinterraum rannte und Sekunden später stolpernd und taumelnd wieder hervor kam, die langen Arme voller Pflanzen. Mochii rannte ihm zusätzlich aufgeregt zwischen die Beine und der arme Riese gab alles nicht über das kleine Tier zu fallen, verstreute dabei nur fast überall Blätter.

Ich beobachtete das eigenartige Schauspiel lachend von meinem Platz auf der Leiter aus, begann dann begeistert zu applaudieren, als Junhong es unversehrt bis zu mir schaffte und dabei auch Mochii nicht versehentlich zum Mond gekickt hatte.

Schnaubend reichte der Mann mir seine Ranken und hob dann seinen Hund in ebenfalls behandschuhte Hände, die in inzwischen starke und männliche Arme über gingen, er hatte seine babyweiche Niedlichkeit großteils verloren, aber das kindliche Gesicht würde wohl für immer bleiben.

"Hey. Legst du es darauf an zerquetscht zu werden, hm, Kleiner?", schimpfte er kaum böse mit dem Tier, das ihn nur konfus anlächelte und dann versuchte sein Gesicht zu lecken. Das Lachen schüttelte Junhongs großen Leib, dann setzte er Mochii wieder ab und begann gefallene Ranken aufzusammeln, während ich mich bereits daran gemacht hatte sie artgerecht zur Dekoration zu machen.

Zum Herbst wurde auch unser kleiner Laden stets etwas angepasst und bekam hübsche neue Rot und Gelb Töne, die gesamte Ästhetik musste umgebaut werden, aber es gefiel mir. Es passte zu Junhongs ebenfalls derzeit braunen Haar. Und zu Mochiis Fell natürlich. Ich freute mich schon darauf ihn plötzlich zwischen den Körben hervor springen und kleine Kinder überraschen zu sehen.

Summend verrichtete ich meine Arbeit, während Junhong in einer anderen Ecke arbeitete und das Radio im Hintergrund ihn dazu brachte abwesend mit dem Kopf zu nicken und immer wieder einzelne Zeilen leise mitzusingen.

Seit Junhong hier angefangen hatte, waren zweieinhalb Jahre vergangen. Wir hatten so viel Zeit miteinander verbracht, dass wir kaum noch voneinander los ließen, meine Freundschaft zu ihm beinahe zu eng wie die zu Daehyun. Junhong hatte eine Lehre angefangen, sobald er mit der Schule fertig war und arbeitete nun darauf hin ebenfalls einen eigenen Laden zu eröffnen und bis dahin Mitbesitzer hier zu sein. Er wurde es nie müde jeden Morgen hier zu erscheinen und kichernde Mädchen oder alte Damen mit seinem Charme zu bezaubern, gab dem kleinen Geschäft einen warmen Atem, den er nur mit mir hier wohl nicht hätte.

Ich beobachtete ihn voller Zuneigung, gefüllt mit Wohlwollen beim Gedanken an alte Erinnerungen und diesem Raum überschwappend von endlosem Lachen und Licht.

"Habe ich wieder Moos auf dem Kopf?", erkundigte er sich lachend, Grübchen und alles, als er meinen verweilenden Blick auf sich bemerkte und kopfschüttelnd wandte ich mich wieder den Blättern in meinen Händen zu.

"Oh, aber apropos!", fiel es mir dann allerdings wieder ein und ich beeilte mich von der Leiter zu klettern und zum Tresen zu rennen, um dort die mittlere Schublade zu öffnen. 

Junhong verfolgte mich mit großen Augen durch den Raum, neugierig, aber ebenso skeptisch. 

Ich förderte triumphierend das Haarband mit den floppenden, braunen Hasenohren zu Tage und trat einen bedrohlichen Schritt auf ihn zu, woraufhin er sofort aus der Hocke herauf kam und zurück wich. 

"Hey, Moment, es ist kein Ostern! Nur Herbst!" In Protest deutete er mit seinem Seitenschneider auf mich.

"Der Hase ist ein Tier des Herbstes! Komm runter, ich habe das schon ohne dich beschlossen!", lachte ich ihm süßlich zu und kam weiter näher, während er sich panisch nach Fluchtmöglichkeiten umsah.

"Oh nein, warum muss ich der Hase sein?! Was ist mit einem Fuchs?"

"Yoo Youngjae."

"Ein Reh!"

"Jongup." Ich hob die Schultern bei seinem missbilligenden Blick.

"Okay schön, Hirsch."

"Daehyun." Siegreich streckte ich ihm die Zunge raus und er warf bloß frustriert seine Hände in die Luft, mied mich allerdings auch nicht weiter.

"Warum bist du nicht der Hase? Lass uns einfach tauschen, was auch immer du bist."

"Oh, ich dachte du wärest beleidigt als Maus, aber wir können natürlich auch-" Ehe ich geendet hatte, hatte Junhong mir bereits schweigend den Haarreif aus den Händen geschnappt und ihn entschlossen an seinem Haupt befestigt, ließ keine weitere Diskussion zu.

"Ist egal, jetzt lass uns arbeiten." Die Röte stand hoch auf seinen Wangen, als er verbissen wieder zu seinem Korb ging und ich kam nicht umhin begeistert ein paar Fotos von ihm zu schießen und erst dann wieder zu meiner Leiter hinüber zu gehen.

"Erntedank wird in voller Montur gefeiert.", warnte ich ihn lieblich vor und ein undefiniertes Stöhnen antwortete mir.

"Ich bitte dich, muss das sein? Du weißt genau, dass Daehyun als kompletter Furry hier auftaucht und das wollen wir beide nicht!"

Ich lachte bloß und griff gerade wieder nach meinen Handschuhen, als es klingelte.

Klingelte. Statt dass der Kunde einfach herein kam, um das Glockenspiel zu betätigen.

Junhong und ich tauschten einen Blick, dann grinste ich nur und ließ die Handschuhe auf der Leiter liegen, um zur Tür zu gehen.

"Das könnte ein Mörder sein, weißt du? Der dich nur nahe genug an der Tür will, um dich sofort abzustechen.", weissagte Junhong hohl und ich verdrehte nur die Augen, fuhr ihm achtsam auf die Ohren durchs Haar, als ich seine kauernde Gestalt passierte.

"Mit wem hast du dich wieder angelegt, hm? Keine Sorge, ich kläre das für dich, Baby."

Ich griff die Tür, um sie schwungvoll zu öffnen, noch über den empörten Laut des Jungen zu lachen, während der Aufwind mein Haar durcheinander brachte und eine kühle Brise sanft meine Wangen streichelte.

Oh.

Während ich in Überraschung erstarrte, bereitete sich im Gesicht meines Gegenübers nur ein vorsichtiges Lächeln aus, ein verhaltenes und unsicheres Lächeln, aber ein Lächeln.

"Hallo.", murmelte er schüchtern, seine Stimme etwas gehoben vom Lächeln in seiner Stimme, aber noch immer dunkler als jede andere, die ich kannte.

Ich konnte ihn nur atemlos anstarren, die Zeit wie still um uns, während der Wind spielerisch durch sein schwarzes Haar wirbelte und an seinem langen, grauen Mantel zerrte. Seine Hände ruhten verborgen vor mir in den Taschen seines Mantels und ich sah eine silberne Halskette um den Stoff seines schwarzen Rollkragenpullovers glitzern.

Wie auf Autopilot erwiderte ich seine kleine Verbeugung, brachte allerdings kein Wort heraus.

"Ich wollte mich bloß einmal vorstellen, ich ziehe gerade in der Wohnung oben ein und wollte mich im Voraus für den Lärm morgen entschuldigen.", fuhr er fort, seine Stimme wie Samt, wie Schokolade, wie ein... Wal.

"Ah.", machte ich eigenartig und immerhin zuckten meine Lippen durch die Walsache in ein Lächeln, aber so ganz gehorchen wollten sie mir weiterhin nicht.

"Freut mich jedenfalls sehr.", fuhr er weiter unbeirrt lächelnd fort, seine Augen weich auf meinem Gesicht und ich wusste nicht wohin mit mir, verlagerte nur hilflos mein Gewicht.

"Mich auch. Dann... gute Na-" Ich setzte gerade zu einer steifen Verbeugung an, dann dämmerte es mir langsam und ich verharrte in der Bewegung, um zu ihm aufzusehen, seinem breiten Grinsen zu begegnen, während hinter ihm der Wind tote Blätter durch die Lüfte wirbelte und ein fernes Grollen ein Gewitter im dunklen Himmel ankündigte.

"Hast du gerade wirklich..." Ich gestikulierte hilflos zwischen uns umher und seine Augen verschwanden unter der Wucht seines Grinsens, dann fand seine Hand meinen Kopf, strich eine verirrte Haarsträhne wieder an ihren Platz zurück.

"Du hast ausgezeichnet mitgespielt.", wandte er mir die Schuld zu und ich konnte nur ungläubig lachen, schaffte es nicht mich davon abzuhalten eine Hand nach ihm auszustrecken. Er war... wieder hier? Nach all der Zeit?

Meine Fingerkuppen trafen auf echten Stoff, legten sich staunend um diesen um sein Gefühl zwischen ihnen auszutesten, Signale an mein Gehirn zu senden, dass ja, echt. 100% echt.

"Du bist wieder da.", stellte ich fassungslos fest und er lachte leise, als er mit seiner Hand die meine griff, warme Haut sich an meine schmiegte.

"Bin ich. Und ich plane nicht noch einmal dir fort zu rennen."

Er war tatsächlich wieder da.

Yongguk war wieder da.