20. Oni
Der Raum roch unangenehm nach Blut und ich war mir nicht sicher, ob das gesund war.
Die Zwillinge hatten insofern gute Arbeit geliefert, dass mein Geruch zwischen ihnen kaum noch zu bemerken war und auch alles übrige von dem durchdringenden Gestank nach Blut überlagert wurde.
Es war nicht mein Blut, das derartig die Sinne vernebelte. Es war allerdings auch nicht das der beiden Dämonenbrüder. Nicht, dass deren Blut angenehm riechen würde, aber der beißend metallisch-tote Geruch kam ganz klar von einem Menschen.
Vermutlich hätte ich es selbst dann nicht gewagt aufzusehen und nach der armseligen Seele zu suchen, wenn Yongguks Hand nicht in meinen Haaren vergraben wäre, sein Bruder nicht die Zähne tief in meinem Hals versenkt hätte.
Allein von der Atmung her zählte ich vier Neuankömmlinge in unserer Nähe, große Eindringlinge mit schweren Luftzügen, um ihre Lungen damit zu füllen.
Die Oni waren eine weitere Form von vielen, was die Dämonen anging, eine menschenfressende Version ohne Flügel, aber nicht minder gefährlich für meine Art. Nur wenige wurden in der Tat zu den Tennin, die den Oni entgegen wirken mussten und ich hegte einen tiefen Respekt für diese Leute. Sie waren Kämpfer.
Ich war definitiv kein Tennin; ein Biestbändiger, sicher, aber keiner, der mit dieser Art von Magie umzugehen wusste.
Eine Entscheidung wurde von mir erwartet. Sich auf die Seite der dubiosen Zwillinge zu schlagen oder einen gewagten Fluchtversuch zu unternehmen, während die Oni sehr wahrscheinlich mit den Brüdern kämpften.
Schwere Schritte ließen den Raum erzittern und meinen Körper beben, jeder weitere Gedanke entkam mir, als ich mich schutzsuchend näher an Yongguk presste, instinktiv vor der gesichtslosen Bedrohung zurück wich.
Wir mussten wesentlich kleiner und wehrloser wirken, als die Neuankömmlinge. Wie Insekten im Angesicht eines Menschen. Schluckend hielt ich meine Augen eng geschlossen.
Ich atmete auch noch immer nicht und hätte es vermutlich auch weiterhin vernachlässigt, wenn nicht Yongnam kurz später meiner vorherigen Bewegung geflogt wäre und mich schier wie im Ofen backen ließ zwischen ihrer beider hitziger Leiber, um seine Zähne fieser in mein Fleisch zu bohren, mich in Protest wimmern zu lassen.
Der gequälte Laut öffnete meinen Mund weit genug, um mich wieder an meine Atmung zu erinnern und hektisch schnappte ich nach Luft, atmete nur noch mehr des Gestankes ein und versuchte deshalb eilig wieder auszuatmen, zuckte unkontrolliert in Yongguks Griff.
Yongnams Hände glitten zu meinen Schultern hinauf, um mich zusätzlich an meinem Platz zu halten, seine Fingerspitzen hart in meine Haut gegraben.
Ein bellendes Lachen, zu rau und knurrend, um von einer menschlichen Kehle zu kommen hallte durch den Raum und Yongguks Kinn streifte mein Haar, als er seinen Kopf zu ihnen wandte, seinen Griff an mir allerdings nicht lockerte.
"Was wollt ihr hier? Das hier ist unserer.", sagte er langsam und klar, seine tiefe Stimme dunkel genug, um bei mir einen Eindruck zu hinterlassen, aber bei denen wohl kaum.
Ich wimmerte wieder, als er mir die Finger in die Seite grub, ließ mich so schwach und wehrlos wie möglich in ihrer durchdringend nach Feuer riechenden Umarmung zu wirken.
Wieder dieses Lachen.
"Wir dachten, wir fänden hier Beute. So tief in den Bergen ist es schwer etwas zu finden, nicht?", sprach eines der Wesen grob und abgehackt, im Unterton allerdings amüsiert.
"Wir haben uns in der Stadt unten umgesehen. Wäre es nicht um eure hässlichen Fratzen, könntet ihr das sicher auch tun, nicht?", grinste Yongguk weiter provokant und ich erschauderte im Angesicht der gefährlichen Situation, die Spannung im Raum war beinahe greifbar.
"Leider ist hier nicht mehr viel übrig, sonst hätten wir diesen hier euch überlassen.", fuhr er fort, als die Oni nur lachten, dann waren weitere Schritte zu hören.
"Sehr edel von euch zwei. Aber wir sehen unseren Stolz darin uns selbst etwas zu fangen. Wohl dann, genießt euer Mahl." Damit machten sie sich lachend und grunzend wieder von dannen und für einen langen Moment noch stand ich starr in der Umarmung der beiden Dämonen, dann entließen mich beide gleichzeitig aus ihrem Griff und die Kälte des Raumes fuhr sofort in meine Glieder.
"Nam. Nam, hörst du mich?"
Ich presste mit einem tiefen Atemzug meine Hand auf die bereits wieder heilende Wunde und öffnete die Augen, um mich nach den Brüdern umzusehen, ignorierte die großen, blutig-dreckigen Fußspuren im Eingangsbereich.
Yongguk hatte seinen Bruder behutsam auf dem Boden abgesetzt und hielt seinen Oberkörper in einem Arm, mit dem anderen tätschelte er besorgt die bleichen Wangen des Älteren, fuhr unruhig durch sein Haar.
Hilflos stand ich anbei und versuchte mir auf ein neues einen Reim auf alles zu machen.
Sie hatten mich gerettet.
Und Yongnam definitiv zuvor schon das Blut eines Engels getrunken, wenn er so schwach davon wurde.
Also war sein gefangener Engel doch seine Arbeit? Wo versteckte sich die Wahrheit hinter all dieser Verwirrung?
Mit zusammengezogenen Augenbrauen starrte ich auf Yongguk hinab, versuchte einen Hinweis in seinem besorgten Gesicht zu finden, aber er schien nicht minder konfus mit den Aktionen seines Bruders wie ich.
Wenn es Yongnams Ziel gewesen sein sollte Yongguk zum Teufel zu machen... Warum würde er es dann jetzt riskieren ihn verlassen zu müssen und zum Engel zu werden? Es ergab keinen Sinn. Von der anderen Seite betrachtet ergab es dann auch keinen Sinn, dass Yongguk ihn getötet hatte.
Ich war mit meinem Latein am Ende.
"Ich muss mich um ihn kümmern.", informierte Yongguk mich rau und zögerlich beobachtete ich, wie er sich Yongnam auf die Arme hob, der Körper seines Bruder schlaff und aschfahl.
Es sah eigenartigerweise aus wie ein Spiegelbild. Wie zwei Seiten der gleichen Medaille. Mehr wie eine gespaltene Seele in zwei Körpern statt der Vollkommenheit von einer.
"Such mich nicht. Ich werde zurückkommen, wenn es so weit ist und wir werden diese Sache dann klären. Sei so gut und gib gut auf die beiden Kleinen acht."
Da war er wieder. Der Yongguk von zuvor mit den weichen Augen und den hilflos eingezogenen Schultern. Der Yongguk, der sich ratlos auf die Lippe biss, wenn er sich einem Problem entgegen sah.
Ich würde ihn gehen lassen.
"Tu das. Ich werde auf dich warten."
Damit war ich diejenige, die ihn zurück ließ. Ich machte einen großen Schritt über die Fußspuren an der Tür hinweg und trat hinaus in die ersten Flocken frisch fallenden Schnees, hob die Augen zu der grauen Wolkendecke über mir.
Er würde wiederkommen. Und dann würde sich all das endlich klären.
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