2. Aufprall

Mein Abschied von Daehyun war weniger dramatisch als ich erwartet hatte. Naürlich war es der Plan, dass wir uns so bald wie möglich wiedersahen und er würde auch nie zu weit weg von mir sein, aber dennoch hatte ich mit mehr gerechnet. Stattdessen klopfte er allerdings nur knapp meine Schulter und ging determiniert durch unser Portal hinein in ein neues Leben, hin zu dem ungnädigen Jungen.

Ich hatte nur die Achseln gezuckt und war ihm gefolgt, mein Dämon würde dann in seinem bisherigen Leben aufwachen, sobald ich die Menschenwelt berat. Natürlich war die Realität mit mir darin etwas verschoben, aber er sollte weiter ungestört als Mensch leben, während ich seine Fehler ausfindig machte und verbesserte.

Es regnete, als ich auf den tristen Asphalt hinaus trat, sofort umgeben war von dem beschäftigen Wuseln der Stadt. Laute Stimmen übertönten verwischt das Prasseln des Regens auf den Dächern und die Gerüche von unterschiedlichen Speisen mischten sich in meiner Nase, bildeten einen unangenehmen Mix.

Die meisten Menschen starrten beschäftigt auf ihre Handys hinab, als sie sich an mir vorbei drückten, keine Aufmerksamkeit übrig hatten für die einsame Gestalt im Regen.

Ich bemitleidete ihre Schwäche.

Langsam hob ich den Kopf und fasste das Gebäude vor mir in den Blick. Es war schlicht, eine schwarze Fassade auf der unteren Hälfte, eine weiße oben. An dem unteren Schaufenster waren Bilder aufgehängt, Fotografien von Tinte in unterschiedlichen Hautfarben, verwischt durch den Regen. In roten Neonbuchstaben stand 'OPEN' auf einem schwarzen Schild.

Ich konnte nicht viel erkennen, aber drinnen brannte eine kleine Lampe, der Schimmer kaum sichtbar und ich sah Leute umher gehen, schwarze Silhouetten durch die Räumlichkeiten gleiten.

Nicht weit über dem Neonschild hing ein weiteres Schild, weiß, verziert mit bunten Blumen und geschwungenen Buchstaben. 'Himmlische Blüten', hieß es und es hing an der weißen Fassade des ungleichen Gebäudes.

Der Alte hatte mir gesagt, dass wir einen Umzug schaustellen würden, morgen würden all die Möbel und Blumen ankommen, mein Geschäft würde laufen ohne sich auf andere Quellen verlassen zu müssen und ich würde meinen dämonischen Nachbar gut beobachten können.

Ich würde an meinem Arbeitsplatz leben, ein Luxus, den der Künstler sich nicht leisten konnte, es wäre zu unhygienisch in seinem Shop zu schlafen. Also gehörte ihm der Dachboden über meinem Stockwerk, eine lange Treppe an der Seite des Gebäudes verband uns miteinander.

Ich fragte mich für einen kurzen Moment, wie Daehyun wohl leben musste, ob er ebenfalls direkt in die Höhle des Löwen geworfen worden war, oder seine Ruhe woanders fand.

Für einen Moment blinzelte ich in den Himmel hinauf, genoss das beinahe vergessene Gefühl von Regen auf meiner Haut, dann begab ich mich zu der langen Treppe, um sie mit langsamen Schritten zu erklimmen, dem Himmel wieder ein Stück näher zu kommen.

Meine Wohnung war noch nicht fertig, die Küche und ein Bett bereits dort, aber mir fehlte eindeutig noch etwas mehr Wohnzimmer und Sanitär. Meinen Koffer vergessen auf dem Boden nahm ich zuerst eine lange Dusche, dann begann ich gelassen meine Habseligkeiten zu verstauen, fand bereits Gefallen an meinem ruhigen, menschlichen Leben hier. Sicherlich war es anders als der Himmel, aber es passte zu mir, Daehyun hatte recht gehabt.

Ich erkundete eine Weile lang und kochte dann etwas mit den paar Zutaten, die ich mit mir gebracht hatte, wartete noch eine ganze Weile, bis das leise Murmeln von Stimmen unter mir erstarb, eine Tür zu fiel und dann leise Schritte die Treppe erklommen. Eine halbe Stunde lang saß ich nervös auf brennenden Kohlen und legte mir meine Worte zurecht, dann brach ich auf mich ihm vorzustellen.

Der Himmel hatte sich in der Zeit wieder geschlossen und lag in dichten Wolken über uns, als ich behutsam seine Klingel betätigte, geduldig wartete.

Ich hatte die Hände in die Taschen meiner Jacke geschoben und der scharfe Wind zog drängend an meiner Gestalt, wie um mich von dort fort zu bewegen, hinauf in die Freiheit zu heben.

Der Dämon öffnete mir kurz später die Tür und mir fiel zumindest ein Stein vom Herzen, da er allein zu sein schien. Es war stets einfacher jemandem näher zu kommen, der auch die Zeit dafür hatte.

Das Licht umgab seine Gestalt von hinten und auch wenn sie nicht physisch da waren, so sah ich mit Leichtigkeit das mächtige Geweih auf seinem Haupt, wie in Tinte getränkt, die ledernen Schwingen dunkel und bedrohlich um seine schmale Gestalt.

Er trug sein Haar aus dem Gesicht gestrichen, hatte etwas wildes in seinen freiliegenden Augen, nun, direkt vor mir, obwohl er immernoch so dünn und klein wirkte, so war er es nicht. Er zeigte eine bisher ungesehene Stärke.

"Hallo.", erinnerte mich mein Kopf freundlich an die Worte und ich senkte das Haupt vor ihm, spürte das Gewicht meiner Hörner, auch wenn ich wusste, er konnte sie nicht sehen.

Er war still, sein Gesicht leer von Emotionen, als er die Geste langsam erwiderte, mich noch aufmerksam musterte.

"Ich wollte mich bloß einmal vorstellen, ich ziehe gerade in der Wohnung unten ein und wollte mich im Vorraus für den Lärm morgen entschuldigen.", glitt es mir geschickt über die Lippen, ich wusste nicht, woher die lockeren Worte kamen, aber ich war ihnen dankbar.

"Ah.", war alles, was er sagte und dann lächelte er etwas, nur vorsichtig, unwohl mit der Situation. Ich speicherte es aufmerksam ab, wie er in einem nervösen Ton den Kopf drehend zu seiner Schulter hin bewegte, nicht zu wissen schien wohin mit seinen Händen.

"Freut mich jedenfalls sehr.", murmelte ich ratlos, seine Nervosität färbte bereits auf mich ab und er nickte bloß, seine Augen hin und her wandernd, mein Gesicht meidend.

Was hatte das hier zu bedeuten?

"Mich auch. Dann... gute Nacht."

Wir verabschiedeten uns mit eigenartigen Verbeugungen voneinander, dann war die Tür wieder zu, aber ich glaubte im letzten Moment noch ein raschelndes Geräusch hinter ihm zu hören. Doch nicht ganz allein?

Verwundert ging ich wieder in mein Stockwerk hinab und bemerkte erst im Nachhinein, dass ich keinen Namen von ihm bekommen hatte, aber das musste nun wohl warten.

Zuerst würde ich aber Daehyun anrufen und mit ihm die neuesten Entwicklungen diskutieren.

Der andere Engel nahm beim zweiten Klingeln ab.

"Gott, bin ich froh, dass du dich meldest! Bitte sag, dass bei dir alles in Ordnung war, ich habe einen Höllenritt hinter mir!"

Ich musste leise lachen und lehnte mich gegen meine Kissen zurück, lauschte der lauten Stimme des anderen.

"Bei mir ist alles gut, wenn er auch sehr in sich gekehrt scheint. Erzähl mir von deinem Tag."

Und das tat er. Er erzählte, wie er seinen ersten Tag im Job sofort begonnen hatte und schon auf die schlechte Seite seines Chefs gekommen war, der nichts besseres zu tun hatte als ihn im Aufzug zu kritisieren. Es brachte mich zum Lachen, wie er seinen Dämon verfluchte, der sofort mit einem wissenden Grinsen auf ihm herum gehackt hatte, wie er sich in den Himmel zurück wünschte und sein einziger Freund der nörgelnde Abteilungschef Himchan war.

Er redete ohne Punkt und Komma und ehe ich es mir versah, hatte seine warme Stimme mich in den Schlaf gelullt, bescherte mir schöne Träume von bunten Wiesen und Feldern, der Schönheit des Himmels.

Ich ignorierte den Mann mit den starken Hörnern und Schwingen, der dunkel unter einem Baum lehnte und auf seinen Moment zu warten schien.

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