19. Tainted
Zu meiner Erleichterung erwachte ich nicht in Ketten.
Zu meinem Dilemma erwachte ich allerdings mit beiden Zwillingen im Raum.
Die beiden hatten sich einen weiteren Scherz mit mir erlaubt, hatten nicht nur ihre Haare auf dieselbe Art gestylt, sondern auch die exakt selben Klamotten an ihren Körpern und augenscheinlich sogar ihre unterschiedlichen Muttermale so gut vertuscht, dass man sie mit leeren Gesichtern kaum noch unterscheiden konnte.
Ich hätte sie sicherlich auch anhand des Körperbaus differenzieren können, aber wie das Schicksal - oder sie - es so wollten, trugen sie gut kaschierende, gleiche Klamotten.
"Bist du wach?", fragte einer von ihnen, der auf dem Sessel weiter hinten, neugierig mit einem Blick auf mich und konfus sah ich mich im Raum um, fand mich in der lauschigen Waldhütte von zuvor wieder.
Ein fabelhafter Ort, um ermordet zu werden, in der Tat.
Ehrlich gesagt erwartete ich nicht mehr viel. Sollten die beiden beschließen mich umbringen zu wollen, würde es wohl so sein und ganz offensichtlich waren sie beide auch wesentlich mehr in eine aktive Widerstandbewegung gegen ihre Engel und den Himmel verstrickt, als wir anfangs angenommen hatten. Plötzlich erschien die bisherige Heimat so weit weg, so fremd und Daehyuns Ansichten von Yoo Youngjae so harmlos und kleinlich im Vergleich hierzu.
Ich seufzte tief, betete bloß, dass sie die arme Frau von ihrem Schicksal erlöst hatten oder sie zumindest bald ein Ende von den Schmerzen fand. Was hatten sie wohl mit mir vor? Dasselbe? Schlimmeres?
Erschaudernd hob ich den Blick von meiner Decke wieder zu den Zwillingen, die in einem exakten eleganten Spiegelbild voneinander saßen und mich stumm beobachteten. Wozu die Fassade?
"Habt ihr vor mich zu töten?", erkundigte ich mich nüchtern und dachte schon jetzt über Methoden nach schneller ein Ende zu finden, meinem Tod kurzfristiger zu begegnen, bevor sie was auch immer spielen konnten.
Einer von beiden lachte laut auf und auch wenn sie exakt gleich lachten, so vermutete ich, dass dies hier Yongnam war. Der, der etwas näher bei mir saß.
"Ist es das, was sie euch da oben lehren? Her zu kommen und sich ermorden zu lassen?"
Ich fragte mich, was eigentlich die Erwartung gewesen war.
Ein Leben in Frieden im Blumenshop leben, mit Mochii spielen und Daehyun beim Jammern lauschen? Potenziell von Yongguk verführt werden, der mein Herz schon von Anfang an bewegt hatte? Jongup ein neues Lebensziel geben?
Es war so vorhersehbar gewesen, dass es auf diese Art enden würde und dennoch hatte ich mich leichtsinnig auf den Zauber der Menschlichkeit eingelassen.
Dumpf betrachtete ich die tanzenden Staubflusen in dem schmalen Spalt von Sonnenlicht, das durch die beinahe ganz geschlossenen Vorhänge filterte, einen goldenen Schimmer auf was ich vermutete Yongguks Haar warf.
Es war wie ein Heiligenschein. Was für eine tadellose Ironie.
"Wir lernen, dass die Dämonen nicht mehr wollen als uns verletzen, töten und in die Hölle hinab ziehen. Ich dachte naiverweise ihr wäret anders, aber siehe da, ich habe mich getäuscht.", gab ich also hart zurück, sah wütend zwischen beiden hin und her, Yongnam grinste bloß selbstgefällig.
"Moment, aber ist das nicht auch dein Ziel hier? Kommst du nicht voller Überzeugung her, um uns aus allem gewohnten heraus zu reißen und in den Himmel zu holen, in den wir nie wollten? Zufälle, hm? Wir haben ähnliche Ziele.", fuhr Yongnam das Gespräch fort, während sein Bruder nur stumm lauschte, ich fragte mich, was sie wohl besprochen hatten. Warum Yongguk aus seinen Ketten wieder draußen war.
Vermutlich hatten sie einfach ihre Masche aufgegeben, nachdem ich ohnehin alles gesehen hatte.
"Eure Taktiken sind anders. Wir erfüllen euch mit Licht und Freude, verbannen alles Böse und führen euch sanft. Ihr hingegen zerstört und verletzt. Wir redeten darüber wie Menschen stets zweigespalten sind, aber wir hier sind elementare Gegenteile." Nur waren sie zu zweit. Sah nicht gut aus für mich.
Yongguk sah nicht überzeugt aus, enttäuscht sogar, wie als sei alles, was er versucht hatte mir zu sagen, umsonst gewesen.
Letzten Endes hatte ich doch genau nichts über ihn gewusst.
Yongnam erhob sich schweigend und sein Ebenbild tat es ihm gleich, ebenso wie ich, als ich unruhig vom Bett sprang und zwischen ihnen und der Tür zur Freiheit hin und her sah, die deutlich näher bei mir war.
Wie ging es meinem Flügel? Er sollte eigentlich weit genug geheilt sein, dass ich eine Flucht wagen könnte. Wenn ich gen Himmel flog, könnte ich sie sogar abhängen.
Aber dann? Ich konnte nur mit Yongguk zurück, er war mein Ticket nach Hause. Wie also könnte ich ihnen jemals entkommen? Solange Yongguk nicht zur Besinnung kam und seinem eindeutig schlechten Bruder das Handwerk legte, gab es keinerlei Fluchtmöglichkeit für mich.
Wie es schien, sahen die Zwillinge das genauso, denn einer von ihnen - ich hatte den Überblick wieder verloren, war nun gemächlich auf mich zu gekommen, die Hände lässig in der Tasche seines Pullovers.
"Es gibt keinen Grund zur Sorge. Die Frau, die du sahest, war nicht diejenige, für die du sie halten magst. Sie versuchte ihr Leben selbst zu beenden und nahm sich auch die Flügel, nachdem sie fiel. Die Ketten sind zu ihrem eigenen Schutz und... auch dein Leben werden wir schützen, solltest du versuchen dich selbst in den Tod zu werfen." Seine Stimme war sanft und einlullend, so einfach Glauben zu schenken, und dennoch war ich hier und stand fest beiden gegenüber.
"Wie soll ich euch irgendwas glauben, bitte... Ich habe keinerlei Überblick, was alles gelogen war und was sich hinter eurer beiden Stirnen abspielt. Ich habe jeden Grund dazu anzunehmen, dass ihr beiden der armen Frau das angetan habt und das gleiche mit mir vorhabt.", murrte ich etwas störrischer als gewollt und begann wieder sinnlos meinen prokastinierenden Kreis zu ziehen, als er näher kam, versuchte sie beide im Blick zu behalten.
Sie sahen einander ratlos an, kommunizierten auf eine stumme Art, die ich nicht verstehen konnte und dann ging alles mit einem Mal viel zu schnell.
Eben noch stand einer von ihnen bei der Sitzgruppe, der andere gute drei Meter von mir weg im Raum und bereits im nächsten stolperte ich über insgesamt sechs Füße, als sie mir beide viel zu nahe waren, sich ihrer Schnelligkeit bedient hatten.
Mein Atem blieb mir im Hals stecken, jeglicher Gedankengang fror ein, als ich mich grob gegen den Körper hinter mir gequetscht spürte, wir nahe bei der Wand in einer dunklen Nische Platz fanden.
Mein Herz pochte wie wild an der stabilen Brust, die gegen meine gepresst war, kein Mann außer Daehyun war jemals so nahe an meinem Körper gewesen und erst recht kein wilder Dämon.
Oder zwei.
Ich atmete ohnehin nicht, aber wer auch immer hinter mir drückte meine Hüfte etwas, signalisierte mir still zu bleiben, während der Zwilling vor mir wie zum riechen seinen Kopf gen Tür gewandt hatte, diese aufmerksam im Blick behielt.
Ich wollte fragen, was er spürte, wer dort draußen war, aber biss mir unruhig auf die Lippe, um keinen Laut von mir zu geben, konzentrierte mich auf unsere gemeinsame Atmung.
"Oni.", war alles, was der Mann vor mir noch flüsterte, dann wandte er mir resolut sein stürmisches Gesicht zu, ich erkannte Yongnam darin, dass Yongguk seine Wut nie derart in der Mimik stehen hätte.
"Hör zu. Du wirst mitspielen müssen, wenn du leben willst. Wir sind die, die dich lebend wollen, sie nicht. Du entscheidest mit wem du dich verbündest, klar? Und jetzt halt bloß still, wenn dir deine Pulsader etwas bedeutet.", zischte er mir eilig ins Gesicht und ehe er fertig war, war Yongguks Hand bereits herauf gekommen, um mein Haar zu packen, meinen Kopf ruckartig rückwärts und gegen seine Schulter zu reissen.
Panisch erschwachte ich, als Yongnams Mund meinen entblößten Hals fand, heißer Atem unheilvoll über meine Haut geisterte. Meine Augen glitten zu, als Yongguks schützende Hand weiterhin nicht von meiner Hüfte wich und ich presste unruhig die Kiefer zusammen, als sein Bruder spitze Eckzähne in meinen Hals grub, genüsslich begann sich an meinem Blut zu laben, während hinter seinem Rücken nun doch endlich die Tür aus ihren Angeln flog und eine Reihe Horrorgestalten sich ihren Weg nach drinnen bahnte.
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