13. Cabin in the woods
Bild: etwa. Nicht ganz. I tried.
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Das Erwachen war selten ein so konfuses Erlebnis gewesen. Als jemand, der in seinem Leben schon einige Male erwacht war, dachte ich eigentlich, dass der Prozess des wach Werdens auf der Liste an Dingen stand, die ich halbwegs beherrschte, aber ich hatte mich wohl getäuscht.
Peinlicherweise dauerte es die längste Zeit, in der ich mich bloß wunderte, warum ich im Stockfinsteren lag, bis es mir auffiel, dass meine Lider noch geschlossen waren. Und als ich sie dann endlich verlegen öffnete, wusste ich weder, wo ich war, noch zu welcher Zeit das hier statt fand.
Wenn meine Erinnerungen mich nicht trogen, war meine letzte Heldentat gewesen in einen Baum zu fliegen, während ich nach Yongguk gesucht hatte. Nun war es aber deutlich zu angenehm warm um mich, als dass ich in den Hängen eines Gebirges liegen würde.
Immerhin hatte ich wieder genügend Kraft in den Armen, um mich langsam aufzusetzen, ein Gefühl für den Raum um mich zu bekommen.
Ich lag in einem großen, von Holz verkleideten Zimmer. Große Fenster nahmen beinahe die gesamte rechte Wand ein und das Zimmer wäre sicherlich bis in die kleinste Ecke lichtdurchflutet, wenn nicht die schweren Brokatvorhänge wären.
Es gab einen großen, beigen Fellteppich und eine eindrucksvolle Feuerstelle aus Stein an der gegenüber liegenden Wand, die Wärme eines prasselnden Feuers füllte heimatlich den Raum.
Ich fand noch eine passend beige Sitzgruppe an den Fenstern - oder war es eigentlich ein Ausgang? - und einen kunstvollen Kronleuchter, der in einem verschlungenen hölzernen Gebilde von der Decke hing.
Mein Körper ruhte in einem großen Bett, die Decken und Kissen verwühlt und eine Kiste mit Bandagen ruhte am fernen Fußende.
Blinzelnd sah ich mich nach einer Tür um und fand zwei zu meiner Linken, eine an der Wand mit der Feuerstelle und die zweite etwas schwerere und mit zwei Paar Schuhen ordentlich davor an der angrenzenden Wand. Ich erkannte meine schwarzen Stiefeletten wieder, aber das zweite Paar war mir fremd.
Die Realisation krachte eisig auf mich herunter.
Ich war allein mit einem Fremden in einer Hütte irgendwo im Nirgendwo, er hatte sehr wahrscheinlich meine Flügel und Hörner gesehen und ich wusste nicht, wie bereit ich für eine Flucht war.
Mein Herz fiel in meinen Magen herab, als ich mich nervös umsah, immerhin feststellen konnte, dass ich nicht angekettet war oder ähnliches. Aber die Schuhe hier bedeuteten, dass mein Mitbewohner derzeit wohl kaum außer Haus war.
Mit flinken Augen suchte ich meine Umgebung ab. Keine Spur von Gepäck oder Nahrungsmitteln. Eine weitere Tür rechts direkt neben dem Bett, vermutlich das Bad. Kein Geräusch abgesehen von dem leisen Prasseln des Feuers durchbrach den Raum, also nahm ich stark an, dass mein mysteriöser Entführer gerade im angrenzenden Raum - sinnvollerweise die Küche - war.
Ich könnte mit Leichtigkeit durch die Haustür fliehen, aber mit einem Blick auf meinen lustlos hängenden Flügel verwarf ich die Idee wieder.
Der Geruch traf mich wesentlich später als nötig gewesen wäre.
Mein Gehirn hatte den durchdringenden Geruch nach Rauch zuerst dem Holzfeuer abgeschrieben, aber nun machte ich die Feststellung, dass der gesamte Raum so roch, allerdings keineswegs gerade dabei war in Flammen aufzugehen, also blieb mir nur eine mögliche Erklärung.
Dämon.
Mit etwas Glück auch der, den ich gesucht hatte, ansonsten war ich wohl als Abendessen geplant.
Bei weiterem Nachdenken hätte auch Yongguk rein faktisch gesehen keinen Grund mich nicht zu essen, weswegen ich meine bebenden Hände zur Ruhe zwang und mir bloß einmal durch das wilde Haar fuhr, bevor ich mich auf machte ihn suchen.
In der Tat war er nicht in der Küche.
Er war auch nicht im Badezimmer, so wie ich es vermutet hatte und die Hütte wies keinerlei weiteren Raum auf.
Die Option, dass er mich bloß hier abgelegt hatte und dann gegangen war, klang plausibel, aber er hatte vermutlich nur ein Paar Schuhe bei sich, als er gegangen war und das mussten die an der Tür sein.
Also wo war er?
Ich suchte unter dem Bett, hinter dem Duschvorhang, warf sogar einen Blick vor die Tür, wo das Sausen inzwischen zu sanft hüpfenden Flocken herab gesunken war und nichts außer weißem Wald mich grüßte.
Die Lösung präsentierte sich mir, als ich die schweren Vorhänge öffnete.
In der Tat handelte es sich um eine Terrassentür anstelle von Fenstern und ich fand durch das saubere Glas mit Leichtigkeit den Mann, der barfuß an der massiven Holzreling lehnte. Seine dunklen Locken wurden liebevoll vom kalten Wind zersaust und ich sah eine feine Rauchfahne von seinen Händen kommen, wo er sie auf dem Geländer aufgestützt hatte.
So leise wie möglich schob ich die schwere Glastür auf und trat auf die überdachte Terrasse hinaus. Es lag hier kein Schnee, aber unangenehm kalt war es dennoch.
Der verschneite Wald lag unberührt vor uns, wunderschön in seiner Verlassenheit. Ich hatte keine Ahnung wie tief in den Bergen wir uns befanden.
Yongguk sah sich nicht nach mir um, als ich stumm an seine Seite trat, aber er nahm seine Ellenbogen etwas mehr zu sich, machte mir mehr Platz auf der ohnehin sehr großen Terrasse.
Ich schwieg kurz planlos, merkte mir immerhin, wie er wieder als Mensch unterwegs war, diese Form seinem dämonischen Ich vorzuziehen schien.
Er hatte die Umwandlung schnell durchschaut.
Ich beobachtete aus den Augenwinkeln, wie er die glimmende Zigarette zwischen seinen eleganten Fingern zu seinen Lippen hob und einen tiefen Zug nahm, eigenartig ästhetisch aussah, während er sich Schaden zufügte.
Meine Finger bewegten sich ohne mein Zutun. In seinem Moment der Ablenkung, in dem er seufzend den Kopf in den Nacken legte, um den Rauch in seinen Lungen eins mit den Schneeflocken werden zu lassen, schnappte ich ihm das weiße Objekt aus der Hand und schnippte es über das Geländer davon.
Er wartete.
"Es ist schlecht für dich...", murmelte ich kleinlaut, meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern, wie als habe sie Angst ein verborgenes Schneemonster aus einem jahrhundertelangen Schlummer zu wecken.
"Ich denke nicht, dass es mir tatsächlich Schaden zufügen kann." Seine Stimme war rau, lange nicht benutzt worden und bodenlos tief. Fröstelnd verschränkte ich die Arme unter der Brust.
Wir verfielen in ein unangenehmes Schweigen, ich suchte lange nach Worten, nach einer Erklärung und unzählige Fragen brannten mir auf der Zunge, die Verwirrung, warum er so ruhig zu sein schien zu groß, um mich normal operieren zu lassen.
Jedes Mal, wenn ich dachte, dass ich einen guten Anfang gefunden hatte, entglitt er mir wieder, bevor ich meine Lippen darum formen konnte.
Yongguk fragte auch nicht, er stand bloß schweigend und in viel zu dünnen Klamotten für das hiesige Wetter an meiner Seite, war so unscheinbar, als wäre er gar nicht erst anwesend.
Wer wusste schon, wie viel Zeit wir so verbrachten, aber irgendwann wurde mir die Spannung zu unangenehm und ich verließ ihn wieder, um drinnen alles für Tee zusammen zu suchen, meine zitternden Hände zu beschäftigen.
Dieses Mal folgte er mir und lehnte mit den Händen in seinen Hosentaschen gelassen im Türrahmen, beobachtete mich dabei, wie ich erst kaltes, dann heißes Wasser über meine Hände verschütterte, die Teebeutel wiederholt fallen ließ und auch eine Tasse erst im letzten Moment auffing.
Er machte mich nervös. Die ganze Zeit war ich gefasst gewesen mit einer tollwütigen Bestie umgehen zu müssen und nun war er gesammelter als ich. Er wirkte viel bedrohlicher so. Wie eine Schlange, die jeden Moment zum tödlichen Biss ansetzte.
Mir war es zu warm, viel zu warm und dennoch erschauderte ich andauernd, während ich mit dem Rücken zu ihm am Waschbecken stand und meine verbrannte Haut kühlte.
"Was machst du so weit hier draußen?", schaffte ich es irgendwann zu krächzen, die Welt drehte sich unangenehm, als ich zu ihm herum fuhr und sofort gegen den Tresen taumelte, als mein Körper nicht gänzlich mit der Bewegung einverstanden war.
Seine Augen waren verschlossen, die Lippen zu einer neutralen Linie gelegt, aber ich wusste, was dieses Gesicht verbarg. Dass jener unzufriedene Ausdruck nicht derjenige war, den ich mir dort wünschte, sondern ein strahlendes Lächeln, das Kinder zum Lachen brachte.
"Ich habe..." Meine Ohren rauschten, schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen und diffus schüttelte ich den Kopf, versuchte mich zu konzentrieren, ihn in den entgleitenden Fokus zu fassen. Seine Lippen bewegten sich weiter, aber ich verstand ihn nicht mehr, alles wurde zu viel.
War ich so schlimm verletzt? Krank geworden? Vergiftet? Wer wusste es schon. Ich nicht.
"...gesucht..."
Die Schwärze hinter meinen Augen nahm wieder Überhand.
"...töten..."
Meine Beine gaben unter mir nach und dann fehlte wieder alles.
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