1. Neuanfang
"Daehyun! Daehyun, komm schnell her und sieh dir das an!"
Mein bester Freund stolperte über seine eigenen Füße in der Hast zu mir zu kommen und taumelte für einen Moment mit lächerlich weiten Augen und rudernden Armen im Raum umher, bis er notgedrungen die perlweißen Schwingen entfaltete und seine Balance wieder fand. Erst nachdem er tief durchgeatmet und ich ein weiteres Mal fordernd nach ihm gerufen hatte, kam er endlich grummelnd zu mir hinüber.
"Was ist es denn so wichtiges, ich habe selbst mit meinem Satansbraten zu tun, hast du das schon vergessen?" Er ließ sich lustlos an meiner Seite auf mein großes, rundes Bett sinken, lugte neugierig in die Schale auf meinem Schoß.
"Er hat... ein Katzenbaby gefunden?", hinterfragte er dann stockend das paradoxe Bild, das sich und bot und ich nickte eifrig, nahm die Augen nicht von meinem zugewiesenen Dämon, der behutsam schlanke Finger durch das graue Fell des kleinen Kätzchens gleiten ließ.
"Ich bin mir sicher er isst es gleich oder so, sieh lieber weg." Daehyun versuchte mir die Schale vom Schoß zu stehlen, doch ich schlug energisch seine Finger weg, beobachtete weiter.
"Das Kleine ist gestern durch seine Zellentür herein gekommen und hat ganz jämmerlich miaut. Vermutlich die Mutter irgendwo verloren, du weißt, wie gerne Katzen zwischen den Ebenen verschwinden..."
Daehyun rollte gutmütig die Augen.
"Klar weiß ich das. Jongup hat diesen armseligen Kater immernoch nicht frei gelassen, erinnerst du dich?"
Ich nickte nur und griff das Thema wieder auf.
"Er hat sein Essen mit ihr geteilt und sie die Nacht über warm gehalten."
Ich konnte es nicht glauben. Regelmäßig hatte ich vorm Schlafen gehen einen neugierigen Blick auf die Schale geworfen und immer dasselbe Bild. Ein winziges Katzenbaby, das weich schnurrend an der nackten Brust eines Dämons lag und von dessen schlanken Armen gewärmt wurde.
Es war eigenartig, wie friedlich er war. Daehyuns Dämon hatte bereits angefangen durch seine Zelle zu toben und Ausbruchsversuche unternommen, oder er fand den exakten Winkel, in dem wir ihn beobachteten und warf wütende oder gar lüsterne Blicke in unsere Richtung. Das war das erwartete Verhalten von Dämonen. Abneigung, Zorn oder Hass. Nicht sich ein Katzenjunges aufzutreiben und stumm in den Armen zu halten.
"Bist du dir sicher, dass es noch er ist und er sich nicht mit einer Wache ausgetauscht hat?", scherzte Daehyun amüsiert, aber auch er schien wachsam, traute der Taktik des Friedens nicht.
"Sehr, ja. Ich bin gespannt, wie er sein wird. Wer weiß, wenn schon so viel Gutes in ihm ist, kann ich ihn vielleicht einfacher zum Licht holen, was denkst du?" Ich stellte vorsichtig die Schale beiseite, um mich wieder dem Packen zu widmen, sortierte ordentlich meine Klamotten in einen kleinen Koffer ein.
"Wenn er so nett wäre, wäre er nicht in dieser Zelle.", murrte Daehyun nur und beobachtete mich für einen Moment reglos, dann erhob er sich ächzend, um mir wieder zur Hand zu gehen.
"Ich habe jedenfalls gute Lust meinem Dämon erstmal zu zeigen, dass nicht alle Engel so nett und friedlich sind, wie er zu denken scheint. Ich habe gehört er ist jünger als ich, wer glaubt er eigentlich, wer er ist..." Daehyun warf unnötig grob eine Tunika zu mir hinüber, seine Brauen finster zusammengezogen.
"Es gibt viele Dämonen, die gerne Dämonen sind. Zerbrich dir nicht den Kopf darüber. Solltest du tatsächlich scheitern, dann besser das, als wie wenn er dich befleckt." Ich wollte nicht, dass mein Freund so bekümmert war. Es war nie ehrenhaft seinen Dämon zu verlieren, doch es wäre besser als selbst zu fallen.
"Vermutlich hofft er ich sei ein schüchternes Mädchen oder dergleichen. Aber ich werde ihm zeigen, dass ich ihm die Stirn bieten kann." Seine Stimme war trotzig und er stampfte in meinem kleinen Haus umher wie ein aufgebrachtes Kind, aber das Schmollen seiner vollen Lippen hatte etwas niedliches. Ich verkniff mir ein Lachen und fuhr ihm bloß sanft durch das blonde Haar, als er sich das nächste Mal zum Koffer hinab beugte.
"Ich werde dir helfen, wo ich kann, Dae. Mach dir keinen Kopf."
Er erschien oftmals verloren in der großen, weiten Welt. Sicher, er war älter als ich, aber so viel mehr auf die Liebe angewiesen. Er trauerte um Menschen, die einander anlogen und betrugen, schenkte welken Blumen neues Leben und war beliebt im Dorf als ein warmer, fröhlicher Geselle mit einem Lächeln, das selbst unsere Welt noch weiter erhellte. Es war schwer ihn nicht zu mögen und auch für mich, die die Einsamkeit dem Trubel vorzog, die oftmals gespaltener Meinung war, wenn es um die Menschen ging, selbst für mich gab es keine Grenzen in seinen glücklichen Augen.
Wenn jemand es schaffen konnte einen Dämon zum Licht zu bekehren, dann wohl Daehyun. Ich zweifelte keine Sekunde daran und würde ihn auch vor jeder Gemeinheit seines Jungen schützen.
"Welches Leben hat der Weise für euch erkoren?", gab ich mir also Mühe ihn auf andere Gedanken zu bringen und Daehyun seufzte bloß tief, wie als sei er der Alte selbst.
"Er soll ein stinkreicher Firmendirektor sein und ich ein Praktikant. Kannst du es glauben? Was auch immer er verbrochen hat, sei es die Gier, der Hochmut, die Lust, was auch immer, in dieser Rolle wird er doch wohl kaum einen Dämpfer bekommen! Man sollte mir auch den Freiraum lassen ihn mit Licht zu füllen!"
Es war zu unterscheiden zwischen Dämonen, die nach ihrem menschlichen Tod zum Dämon wurden, weil sie eine Gräueltat verbracht hatten und Dämonen, die untreue Engel waren.
Dämonen, die neu zu Dämonen wurden, wurden vorerst weggesperrt und erneut in die Menschenwelt geschickt, sie trafen ihre Engel auf normalem Wege und erhielten eine neue Chance auf ein besseres Ende ohne zu wissen, wer die Engel oder sie selbst waren. Sie erhielten eine zweite Chance auf ein glückliches Ende, besonders die, die besonderes Potential dazu hatten.
Dämonen, die zuvor Engel waren hingegen, waren mit einer Todsünde in Ungnade verfallen und wussten exakt, dass ein Engel versuchte sie zurück zu bekommen. Also setzten sie alles daran nicht in den Himmel zurück zu kehren, aus dem sie gefallen waren. Sie erkannten die Engel und waren sich auch ihrer Rolle als Dämon bewusst.
Mein Dämon war vor kurzem gestorben und zu dem geworden, was er war. Daehyuns Dämon war einst ein Engel.
"Wer weiß, vielleicht wird er alles verlieren und in dir seine Rettung finden? Sie werden sicherlich einen Plan haben."
Daehyun stapfte noch immer frustriert und Haare raufend im Kreis umher. Seine Haare standen in alle Himmelsrichtungen ab, schmiegten sich unordentlich an sein weißes Geweih.
"Und du, als was darfst du dich ausgeben?", lenkte er dann ungeduldig das Thema ab und ich warf einen kurzen Blick auf die Schale, dann versank ich nachdenklich in Gedanken.
"Er ist ein Tattookünstler. Ich werde mit Blumen arbeiten."
In Daehyuns Augen erweichte etwas bei dem Satz und er nahm die Hände aus seinem wilden Haar, um mir strahlend zuzulächeln, wieder der zu sein, als der ich ihn kannte und der mir Kraft gab.
"Blumen, hm? Es passt zu dir. Wehe, er weiß sie nicht zu schätzen."
Etwas sagte mir, dass ich mir darüber keinen Sorgen machen müsste.
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