Kapitel 6 - "Wo soll ich anfangen?"
"The nature of a truly desperate heart,
Give me something real,
That I can truly feel..."
- Kamelot; Liar Liar (Wasteland Monarchy)
Es vergingen drei weitere Tage, bis Stella begann, sich wieder in der Lage zu fühlen, längere Zeit wach zu bleiben, und bereit war, über das, was ihr widerahren, zu sprechen. Sie war noch immer geschwächt, doch selbst Felicità bemerkte, dass die Kraft der Frau zurückkehrte. Es würde lange dauern, bis sie wieder auf demselben Stand war, wie vor 26 Jahren, aber es war möglich.
Die Brünette saß aufrecht in ihrem Bett, die Decke über ihren Beinen. Jolly saß wie immer neben ihr, seine Hand in ihrer, und schwieg. Er war dagegen gewesen, dieses Gespräch jetzt schon zu führen, allerdings hatte Stella sich durchgesetzt, was zu diesem Augenblick geführt hatte.
Mondo und Sumire saßen ihr schräg gegenüber, die anderen Anführer im Raum verteilt. Auch Felicità war da, und betrachtete ihre beinahe-Patentante. Sie hatte Augenringe, weniger als vorher allerdings. Ihre Haut war noch immer blass, aber nun sauber, und ihre Haare gekämmt, doch sie hingen beinahe leblos herab. Ihre Augen schienen heimgesucht von der Vergangenheit, die sie nun der Arcana Famiglia eröffnen würde, als wäre sie noch immer darin gefangen. Felicità trat vor.
„Bist du dir sicher, dass du uns jetzt schon alles erzählen willst? Ich bezweifle, dass irgendwer hier dich dazu zwingen würde."
Stella sah zu ihr, in ihre grünen Augen, und lächelte schwach, wissend, dass die junge Frau einfach nur sichergehen wollte, dass sie damit einverstanden war. Sie wusste es zu schätzen, schüttelte jedoch den Kopf.
„Nein. Das würden sie nicht. Aber es ist besser, es jetzt zu tun, denn auch, wenn im Augenblick keine Gefahr bestehen dürfte, finde ich, dass wir es hinter uns bringen sollten."
„Felicità hat recht. Sie- Du bist noch sehr schwach. Ist es nicht viel zu anstrengend, sich jetzt dazu zu zwingen?", sagte Nova, und auch ihm schenkte sie ein Lächeln, wenn auch schwächer, als gewollt.
„Ich denke, dass ich dafür bereit bin."
Debito sah zu den beiden Oberhäuptern, die die Frau mindestens so besorgt wie die Jüngeren betrachteten. Er hielt sich davon zurück, die Nase zu rümpfen, bei dem Anblick von Jolly und ihren verschränkten Händen. Pace stand etwas hinter ihm, ohne Luca. Er wusste noch immer nicht, was er von der Situation halten sollte, vor allem, da letzterer fehlte.
Das Gespräch scheint dann ja nicht so gut gelaufen zu sein..., dachte er stirnrunzelnd, ohne, dass Pace etwas davon mitbekam. Sein Auge, das den Amethyst in sich trug, stach, aber der Schmerz verringerte sich.
„Du weißt, dass wir noch warten können, Stella. Es besteht kein Zeitdruck für diese Dinge, besonders in diesem Augenblick.", meinte Sumire leise, doch wieder schüttelte Stella den Kopf, auch, wenn Schmerz in ihren Augen deutlich wurde. Felicità meinte sogar, eine plötzliche Trauer in ihnen zu erkennen.
„Es ist okay, Sumi. Ich habe es bereits gesagt, ich bin bereit dazu." Wieder huschte ein kleines Lächeln über ihre Lippen. „Andernfalls hätte ich euch meinen Mann auf die Fersen gehetzt."
Es war leicht zu erkennen, dass einige noch protestieren wollten, und Felicità war überrascht, dass es Debito war, der zuerst etwas sagte.
„Sie hat es doch jetzt schon deutlich gemacht. Es ist ihre Entscheidung. Lasst sie doch einfach reden, oder stellt eure verdammten Fragen."
Stella sandte ihm einen dankbaren Blick, den er widerwillig abschüttelte. Ihr Lächeln schien nicht zu weichen, und die junge Rothaarige erkannte; sie wusste Bescheid.
Zurückgelehnt an die Lehne des Bettes, die Augen geschlossen, summte Stella, ohne feste Melodie. „Nun... Wo soll ich anfangen...?"
Dante sah zu ihr, die Stirn gerunzelt. „Wie wäre es mit dem Tag, an dem du verschwunden bist, oder warum sie dich überhaupt erst mitgenommen haben?"
Felicità's Augen weiteten sich. Natürlich... Es muss einen Grund gegeben haben für all das...
Ein heiseres, schwaches Lachen entkam Stella's Kehle. „Ich schätze, das wäre ein guter Anfang, nicht wahr?" Sie öffnete ihre Augen wieder, und sah an die gegenüberliegende Wand, ohne sie zu fixieren. „Die Piraten, die mich entführt hatten, waren Menschen, die von den Fähigkeiten der Arcana Famiglia erfahren haben. Sie kamen nicht von hier, aber sie hatten Geschichten gehört; von Menschen, die über besondere Kräfte verfügen, und von denen sie sich Kooperation erhofft hatten."
„Aber warum haben sie dann nur dich entführt? So wie ich es verstanden habe, wollten sie auch nur dich.", fragte Nova, der versuchte, das Wissen in das unvollständige Puzzle hinzuzufügen, zu verstehen. Es nahm nur schwerfällig Gestalt an.
„Ich denke, diese Ehre habe ich meinen Arcanen Fähigkeiten zu verdanken." erwiderte Stella nach einer kurzen Pause. Sie sah auf die Hand, die Jolly hielt, dann wieder auf. „Ich bin die Trägerin der 17. Karte, ‚La Stella'. Übersetzt ist sie als ‚Der Stern' bekannt, und durch sie bin ich in der Lage, die Wünsche anderer Menschen zu erfüllen."
Die Jugendlichen zogen scharf die Luft ein, nun verstehend.
„Damit..."
„...könnte man beinahe allmächtig werden, ja..", nickte Stella. „Die Sache hat Grenzen, das ist klar, und es zieht an dem Träger, diese Fähigkeiten einzusetzen. Je nach Größe des Wunsches verändert sich die Anstrengungen, die ich tragen muss, um ihn zu erfüllen. Aber im Grunde ist es eine sehr mächtige Kraft."
Ihr Blick wanderte zu den Gesichtern der Anwesenden, bevor sie wieder seufzte und fortfuhr;
„Wie ich bereits angedeutet habe, musste ihnen also jemand von dieser Situation erzählt haben. Es war zu derselben Zeit, in der Joshua und Kiara die Insel verlassen hatten, vielleicht zwei Wochen danach. Der Angriff kam unerwartet, aber das muss ich wohl nicht mehr erwähnen. Die Piraten wussten also von mir, und kamen, um mich zu zwingen, ihre Wünsche zu erfüllen, damit sie dadurch an Macht gelangen könnten."
Felicità sah zu ihrem Vater, der angespannt die Augenbrauen zusammengezogen hatte.
„Wer sind Joshua und Kiara, wenn ich fragen darf?"
Stella wirkte verdutzt, und wollte daher eher vorsichtig antworten. Mondo kam ihr zuvor, die Stimme leise;
„Joshua ist dein Halbbruder. Kiara ist seine Frau. Sie haben die Insel ebenfalls vor deiner Geburt verlassen, und sich nie wieder gemeldet."
Schock kleidete sich in ihr aus. „Ich habe einen Bruder?!"
Sumire nickte, nicht wagend, ihre Tochter anzusehen. „Einen Halbbruder, ja. Doch er hat uns deutlich klargemacht, dass er nichts mehr mit uns zu tun haben möchte."
„Warum wusste ich nichts davon?" Ihre Worte blieben von ihren Eltern unbeantwortet, dafür jedoch ragierte Stella;
„Joshua verhielt sich zu jener Zeit sehr seltsam, und begann, sich von uns allen zu distanzieren. Jolly und er waren einst einmal sehr gut befreundet, doch das änderte sich, als Joshua und Kiara die Insel verließen. Sie hatte Heimweh, wie sie behauptete, doch es schien noch mehr dahinterzustecken. Sie verließen die Insel ihretwillen."
„Und warum...?" Felicità beendete ihre Frage nicht, sichtlich überfordert. das war nun schon das zweite Mal, dass man ihr etwas wichtiges verschwiegen hatte, und sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Die Blicke auf den Gesichter ihrer Familie ließen sie schweigen.
„Joshua hinterließ eine Nachricht, in der er uns darlegte, dass er absolut nichts mehr mit der Arcana Famiglia zu tun haben wollte. Er wollte nicht, dass wir ihm folgen, und verweigerte jeden Kontakt.", antwortete Mondo. Felicità's Sicht der Welt wirkte zerstört von diesen Nachrichten, und Stella fühlte sich schuldig, dass sie es nun noch mehr zerstören musste.
„Aber warum das Ganze?", fragte Debito, der seine Arme mittlerweile verschränkt hatte.
Mondo und Sumire schwiegen unsicher, ein Zeichen für ihr Unwissen. Stella meldete sich wieder zu Wort, noch leiser als vorher;
„Es gab nie irgendwelche Zweifel daran, dass die beiden dazugehörten. Sie waren geschätzte Mitglieder, doch offenbar nicht nur unsere..."
„Du meinst..." Debito wirkte mehr als nur überrascht, und trat einen Schritt zurück, als die Realisation eintrat. Seine Stimme wurde zu einem Flüstern: „...sie waren in illegale Geschäfte verwickelt..."
Stella nickte, Bedauern in ihrer Haltung. „In all der Zeit, die sie hier in Regalo verbracht hatten, wurden sie keines Verbechens schuldig. So weit, wie ich weiß, ist Joshua's Weste rein, doch Kiara scheint in ihrer Vergangenheit in einige Dinge hereingeraten zu sein. Da sie sich nun weigerte, mussten sie fliehen, denn jemand scheint über ihren Aufenthaltsort herausgefunden zu haben."
Mondo kniff seine Brauen zusammen, in seinem Kopf einige Erinnerungen, die auf so etwas hinwiesen. Joshua hatte sich in der Tat eher seltsam verhalten, vor allem, was Dinge wie seinen Wohnort oder andere Bekannte, die nach ihm fragten, betraf.
„Ich hege keinen Verdacht über neue Taten, sie scheinen untergetaucht zu sein. Vermutlich wollte Kiara, nachdem sie Joshua geheiratet hatte, sich seinetwegen von ihrer Vergangenheit befreien. Allerdings muss sie sie an einem gewissen Punkt eingeholt haben." Die Frau sah auf die Decke, die ihre Beine wärmte. Sie erinnerte sich, dass sie sich eigentlich immer gut mit Kiara verstanden hatte, auch, wenn das nun vorbei wäre. „Sie haben sie aufgesucht, und nach Informationen gedrängt. Kiara musste sich entscheiden, ob sie das Leben ihrer kleinen Familie in Gefahr bringen wollte, den Mann, den sie liebte, oder das Leben der Menschen, die auf dieser Insel lebten. Sie war überrascht, dass die Piraten so viel bereits wussten, nehme ich an, sodass sie das meiste nur noch vertuschen konnte. Die Piraten mussten sie gefragt haben, was sie über die Gerüchte wusste, dass hier Menschen mit großartigen Fähigkeiten lebten. Einige waren detaillierter, und sie muss so viel abgestritten haben wie möglich..."
„Aber offensichtlich nicht alles...", sagte Nova, und wieder nickte Stella.
„Ja. Andernfalls würde die Arcana Famiglia heute nicht mehr existieren. Stritte sie alles ab, würden sie Joshua etwas antun, aber wenn sie so tat, als würde nur eines der Wahrheit entsprechen..."
„Dann würde das die gesamte Geschichte glaubwürdi machen...", murmelte Felicità.
„So ist es. Kiara stritt ab, irgendjemanden mit Fähigkeiten zu kennen, bis schließlich einer über die Fähigkeiten, Wünsche zu erfüllen sprachen. Es war eine Legende, schon bevor ich diesen Pakt überhaupt schloss, aber nun gab es so etwas wie Beweise. Also..."
Wieder war es jemand anderes, der ihren Satz beendete, mit vor Schock und Begreifen gedämpfter Stimme;
„Hat sie nur dieses eine bestätigt..."
Dante's Herz gefror beinahe, als seine alte Freundin ihre Zustimmung kundtat.
"Now I'm here and my pain is my companion;
Now I know it wasn't meant to heal,
The cut is way to deep..."
- Kamelot; Liar Liar (Wasteland Monarchy)
A/N;
Hey Leute ^^ Da bin ich wieder...
Kurze Frage; soll ich, wenn die Zitate am Anfang/Ende (manchmal Mitte) der Kapitel aus Liedern stammen die passenden Videos dazu verlinken? Dass ihr sie ebenfalls hören oder schneller finden könnt? Sie haben immer eine gewisse Verbindung zur Geschichte, auch, wenn nicht alles, was im Lied gesungen wird, zu 100 % passt. Bitte antworten, damit ich sie bald hinzufügen oder es lassen kann ^.^
Fukurota~
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