Kapitel 4 - "Ich habe viele Fehler gemacht."
"You wander in darkness,
Can't shelter your light..."
- Beyond The Black; Against The World
Seine Zunge war schwer wie blei.
„Wo ist Luca, Jolly? Wo ist unser Junge?"
Er konnte nicht anders, als zu schweigen. Stella's Griff um seine Hand wurde fester, ihre Augen feucht. Er konnte die Sorge und die Angst förmlich spüren, als sie ihn anflehte, etwas zu sagen.
„Wo ist er? Wo ist unser Kind?"
Die Emotionen in ihrer Stimme, wie auch die nahende Panik in ihrer Stimme bewegte ihn dazu, den Mund zu öffnen. Dennoch verließen seine Lippen kein Wort, und schon bald verspürte er seine eigene Angst, die langsam seinen Rachen hochkroch. Wie sollte er ihr erklären, dass ihr Sohn ihn hasste? Er dafür gesorgt hatte, dass er einen eigenen Pakt schloss? Allein gelassen hatte?
Stella beobachtete dies mit wachsender Furcht, und ein erschreckender Gedanke kam ihr in den Sinn. Ihre Augen waren weit, und ihre Stimme zitterte. „Sag mir nicht er ist..."
Jolly schüttelte den Kopf. „Nein. Er lebt."
„A-aber was...?" Sie hielt ein Schluchzen zurück. Jolly schloss seine Augen, nicht in der Lage, sie anzusehen. Das Beben in ihrer Stimme brach ihm das Herz. „Was ist mit unserem Kind...?"
„Ich..." Er stoppte. Dann sah er ihr gequält in die Augen. „Ich habe viele Fehler gemacht."
„Was...?"
Jolly wagte es nicht länger sie anzusehen. Die Schuldgefühle wuchsen, und das Atmen wurde ihm schwer. Eine Hand legte sich auf seine. Stella sah ihn an, und er erinnerte sich an ihr erstes Gespräch, das von seinen Befürchtungen um diese Rolle gehandelt hatte.
Sie lagen in ihrem gemeinsamen Bett, Stella's langsam wachsender Bauch von der Decke bedeckt. Sie hielt seine Hand, während er mit der anderen langsame Kreise über die Stelle malte, in der ihr erstes Kind heranwuchs. Sie lächelte, und auch er spürte das Glück in seinem Herzen. Vorsichtig küsste er ihren Bauch, und Stella kicherte leise. Sie stoppte, als sie ein Kicken von ihrem Nachwuchs spürte. Ein seliges Lächeln legte sich stattdessen auf ihre Züge, und Jolly, dessen Hand die Berührung gespürt hatte, lachte leise.
„Immer die Ruhe, Kleiner... Deine Mama spürt das doch alles..."
„Auch, wenn es schön ist, dass du ab und zu Bescheid gibst...", ergänzte die Schwangere, die mit ihrer freien Hand die Stelle liebkoste, an der sie ihn spürte. Als Antwort kam ein etwas leichterer Kick, was ein weiteres Lachen ihrerseits hervorrief. Jolly küsste ihre Stirn, und sie kuschelte sich etwas näher an ihn heran. „Wie, denkst du, sollen wir ihn nennen...?"
„Ich weiß es nicht. Sag du es mir.", antwortete Jolly mit liebevoller Stimme.
Sie überlegte einen Moment. „Also, ich fand den Namen Luca immer sehr schön..."
„Das ist er.", stimmte er zu. „Und wie gefällt er dir selbst, Luca?"
Die Antwort bestand aus einer dieses Mal sehr leichten Berührung, und Stella begann zu strahlen. „Scheint, als gefalle ihm der Name."
„Dann ist es beschlossen.", sagte Jolly mit breitem Lächeln. „Freut mich, dich bald kennenzulernen, Luca..."
Eine Weile der Stille folgte, in der sie einfach nur beieinander lagen, und die Nähe des anderen genossen. Stella seufzte zufrieden, legte sich so nah wie möglich an ihn heran. Seine Arme umschlossen ihren Körper fest, als hätte er Angst, sie loszulassen, und sein Kiefer spannte sich an. Das glückliche Schimmern in seinen Augen wurde durch Sorge ersetzt, die Stella auf irgendeine Art und Weise spürte.
„Wovor hast du Angst?", flüsterte sie, ohne die Augen zu öffnen.
Er spannte sich an, bevor er mit der Wahrheit herausrückte. „Davor, kein guter Vater zu sein. Nicht für unser Baby da zu sein. Alles falsch zu machen, was ich falsch machen kann."
Für einen Moment sagte sie nichts, bis er eine leichte Berührung spürte. „Mach dir keine Sorgen... Du wirst ein guter Vater werden..."
„Aber was wenn nicht?"
„Dann werden wir dir verzeihen. Niemand ist perfekt, und Fehler geschehen. Was zählt ist, dass du es versuchst..."
„Ich... ich habe alles falsch gemacht, was ich falsch machen konnte. Und nun ist es zu spät...", brachte er heraus. „Du hattest Unrecht. Ich bin kein guter Vater. Ich habe es versucht, aber... ich konnte es nicht. Ich konnte es einfach nicht..."
„Was ist geschehen?", fragte sie, Fassunglosigkeit in ihrer Stimme. Es darf doch nicht alles, was wir uns erträumt haben, zerschmettert sein...
„Es tut mir Leid... So Leid...", hörte Luca, als er an die Schwelle der Tür trat. Die Stimme seines ehemaligen Lehrmeisters schien gebrochen, als habe er diese Worte viel zu lange in sich getragen. Er hielt inne, seine Faust, die er zum Klopfen erhoben hatte, noch immer in der Luft. Beinahe angeekelt wollte er zurücktreten, bis er die Stimme einer Frau hörte, die Stimme seiner Mutter, die Mischung aus Angst und Unsicherheit. Wie musste es für sie sein, nach so vielen Jahren heimzukehren?
„Was ist geschehen?"
Ihre Stimme zog ihn in ihren Bann, und er konnte die Tränen, die aufkamen, nicht unterdrücken.
Meine Mutter... Sie ist meine Mutter...
Seine halb geschlossenen Augen waren fixiert auf die Tür, angetrieben von dem Wunsch, sie endlich zu sehen. Er legte eine Hand auf das Holz der Tür, senkte den Kopf ein wenig. Er wollte zu ihr, ihre Gestalt sehen und die Frau kennenlernen, die seine Mutter sein sollte, er jedoch nicht mehr in Erinnerung hatte. Doch noch war Jolly bei ihr, und zudem spürte er, dass dies nicht der rechte Zeitpunkt war. Etwas Persönliches ging darin vor, und er scholt sich innerlich dafür, abzudrehen, mit dem Gedanken später zurückzukehren. Später, wenn er weg wäre...
Die eingesunkene Gestalt verließ den Flur.
„Ich..."
Stella hielt seine Hand, als er ihr stockend beichtete, was sich die letzten Jahre zugetragen hatte. Er war nahe an einem Zusammenbruch, und sie konnte nichts anderes tun, als bei ihm zu sein. Zuhören, als er die Last, die er so lange gebürdet hatte, fallen ließ.
Er war erleichtert, diesen Kummer endlich loszuwerden. Beruhigt, endlich zugeben zu können, was er falsch gemacht hatte, wissend, dass er sich nirgends je so sicher wie bei ihr gefühlt hatte. Alles eingestehen zu können, sich endlich - endlich - fallen zu lassen. Er wusste, sie würde ihn fangen.
Stella lauschte ihm ohne dazwischen zu gehen, hörte sich alles in seltsamer Ruhe an. Zu ihrem Verständnis stellte hier und da eine Frage, und ließ ihn dann wieder fortfahren. Für sie war er wie ein Buch, dass sich allein für sie öffnete, von dem sie wusste, es würde niemand anderen an seine Geheimnisse heranlassen. Sie spürte, dass er alles, von dem er ihr berichtete, viel zu lange in sich hineingefressen hatte, in der Verzweiflung, niemanden seine Unsicherheit und Hilfslosigkeit sehen zu lassen. Seine Fassade war für die Menschen undurchdringbar geworden.
Wie ein Häufchen elend saß er schließlich neben ihr, unfähig sie anzusehen. Sie spürte seine Beschämtheit, ob wegen seiner Fehler oder seinem Zusammenbruch, obwohl er für sie hatte stark sein wollen. Sie erkannte, dass ihr Wiederauftauchen der Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Mit noch immer zitternder Hand, dessen Grund dieses Mal wieder die nagende Erschöpfung war, fuhr sie ihm über die Wange.
„Hey...", sagte sie sanft. „Es ist okay..."
„Nein, ich-"
Sie unterbrach ihn, indem sie ihm den Finger auf die Lippen legte. „Ich verzeihe dir."
Womit nur habe ich dich verdient, mia Stella..., dachte Jolly, als ihre Lippen sich trafen...
"But if you find me, we'll burn in the skies,
Take my hand and dry your eyes..."
- Beyond The Black; Against The World
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top