- Kapitel 89 -
Amara
16:54 Uhr
"Hast du alles ausgefüllt?", frage ich gähnend und greife nach meinem Weinglas, das auf dem Tisch vor mir steht.
"Ich denke ja. Hier ist zumindest nichts mehr frei."
Rio begutachtet noch einmal abschließend die Formulare, dann schiebt er sie zu mir herüber.
"Gut, ich bringe sie dann gleich zum Revier, bevor ich zum Flughafen fahre.", teile ich ihm mit und lehne mich erschöpft zurück.
"Willst du nicht noch bleiben? Wir haben dir ein Zimmer vorbereitet und es gibt ein leckeres Abendessen.", versucht er mich umzustimmen.
Ich werfe einen Blick auf die Uhr.
"Wann gibt es denn Abendessen? Vielleicht fliege ich erst danach.", überlege ich laut, da sich langsam mein Hunger meldet.
"Je nachdem, wie es dir passt.", zuckt er mit den Schultern und schließt die Ordner mit den vielen Unterlagen.
"Dann 18 Uhr. Dann kann ich um 19:30 Uhr den Flug zurück nach Mexiko nehmen.", mache ich ihm einen Vorschlag und stehe vom Stuhl auf. Wir müssen jetzt dringend die Unterlagen zum Revier bringen, damit morgen alles glatt läuft.
"Komm, wir fahren zum Revier. Kriegen deine Leute es hin, dass das Essen fertig ist, wenn wir wieder da sind?", merke ich an, dass ich wirklich zeitnah hier weg will.
"Ja, bestimmt. Ich gebe Bescheid, dann können wir los."
Während ich meine Schultern und meinen Nacken kreisen lasse, schaue ich ihm hinterher.
"Xaiver.", gähne ich laut.
"Ja, Amara?", meldet er sich das erste Mal seit unsere Ankunft zu Wort.
"Kannst du dafür sorgen, dass wir um 19:30 Uhr starten können? Und das mich jemand in Mexiko am Flughafen abholt?", frage ich ihn und massiere meine Schläfen.
Mein Kopf brummt höllisch und ich kann es kaum erwarten in zwei Stunden meine Augen zu schließen.
"Ich nehme an, dass Miguel nichts davon wissen soll?", hakt er nach und hält mir die Haustür auf.
Ich nicke.
"Ja, es soll sowas wie eine Überraschung sein."
"Er hasst Überraschungen, besonders wenn es um deine Sicherheit geht. Aber das lässt sich regeln.", zwinkert Xavier mir zu und läuft mit mir zum Wagen.
Da wir einen Augenblick auf Rio warten müssen, zünde ich mir seit langem mal wieder eine Zigarette an. Seit ich wieder in Kontakt mit Miguel bin, habe ich kaum noch das Verlangen nach dem giftigen Teil.
"Wie geht es dem kleinen Manuel?", schneide ich ein ungewöhnliches Thema an.
Xavier beginnt zu Lächeln.
"Gut, er ist gerade bei Sofia Vater und seiner Freundin. Ich glaube es gefällt ihm gut, zumindest macht er Abends immer einen fröhlichen Eindruck."
"Ihr telefoniert jeden Abend?", hake ich nach und puste den Rauch aus.
"Ja, FaceTime. Ehrlich gesagt, auch wenn ich es liebe Zeit mit meiner Frau zu verbringen, vermisse ich unseren Sohn. Wir wollen natürlich auch sicher gehen, dass es ihm gut geht. Ich denke, sobald er Heimweh hätte, würden wir die Reise abbrechen oder ihn zu uns holen.", lacht er.
Ich kann ihn verstehen. Manuel muss für die beiden ihr größtes Glück sein.
"Wir können.", unterbricht Rio uns.
Xavier dreht sich um und hält mir dir Tür des Wagens auf, sodass ich unbeschwert einsteigen kann. Dann lässt er sich auf den Beifahrersitz fallen, während Rio hinten neben mir Platz nimmt.
"Wo geht es diesmal hin?", erkundigt sich der Fahrer, während er den Wagen startet.
"Noch einmal zum Revier, Mike.", setzt Rio den Fahrer in Kenntnis.
Müde schaue ich aus dem Fenster. In ein paar Stunden bin ich zurück in Mexiko, kann ausschlafen und entspannt in den Urlaub gehen. Dann fahren Miguel und ich endlich nach Amerika und besuchen meinen Vater.
Miguel
01:24 Uhr
"Theo du musst versuchen die Lieferungen im Laufe des Tages loszuschicken. Das Koks muss heute noch raus, sonst gibt es einen riesigen Aufstand. Das passt mir jetzt zeitlich gerade gar nicht, ich will spätestens übermorgen in den Urlaub.", verdrehe ich die Augen.
Wenn es in den Favelas zu einem Aufstand kommt, dann muss ich zu 200% nach Brasilien. Die Politiker wollen Ruhe in ihrem Land und wenn sie merken, dass der Grund für den Aufstand mein verspätetes Koks ist, muss ich das klären.
"Wo gehts denn hin? Fährst du alleine?", lenkt Theo vom Thema ab.
"Theo, darum geht's jetzt nicht. Kriegst du das hin mit den Lieferungen? Ich schwöre dir, wenn es ein Problem da unten gibt dann fliegst du und klärst das!", werde ich deutlich.
Er hebt die Hände.
"Ja, ich kriege das hin.", beschwichtigt er mich.
"Gut. Pedro jetzt zu dir.", wechsel ich das Thema und widme mich meinem Bruder.
"Miguel, es ist halb zwei Nachts. Sag mir nicht du trägst noch deinen Anzug? Oder hast du nur das Hemd an? So alibimäßig?", lacht er laut.
Ich verdrehe die Augen.
"Pedro, nur weil wir Videokonferenz haben, ist sie nicht weniger wichtig. Das hier ist geschäftlich. Außerdem habe ich den ganzen Tag gearbeitet und noch keine Zeit mich umziehen.", erkläre ich ihm und schaue unauffällig an mir herunter.
"Wie dem auch sei.", wechsel ich das Thema.
"Das Lager auf der Isla Mujeres muss immer voll sein, hörst du? Da sind unsere Reserven."
Er nickt.
"Aber gehört die Isla Mujeres nicht jetzt Amara Ramirez?"
Ich seufze.
"Ja, aber das kriege ich schon irgendwie hin. Lass mich das mal klären. In den nächsten Tagen verhandeln wir über Mexiko, da werde ich das ansprechen.", murmel ich.
"Ich wusste, dass ihr beiden zusammen in den Urlaub fahrt!", ruft Theo laut und zieht damit unsere Aufmerksamkeit auf sich.
Auch Pedro fängt an wir ein Irrer zu grinsen.
"Sie ist auch in Amerika und deshalb verhandeln wir dort. Ganz einfach. Das ist reiner Zufall. Außerdem dauert es zu lange, wenn wir mit den Verhandlungen warten, bis wir beide wieder in Mexiko sind.", verdrehe ich die Augen und trinke einen Schluck Whiskey.
Ich möchte die Beziehung zwischen Amara und mir einfach noch nicht öffentlich machen. Dass könnte ihr einige Geschäfte versauen und ich könnte ihre Sicherheit nicht mehr garantieren. Außerdem soll meine Familie es persönlich erfahren und nicht durch die Medien oder irgendwelche Gerüchte.
Ich zucke zusammen, als sich die Wohnungstür öffnet. Schnelle greife ich nach meiner Waffe, die neben meinem Laptop auf dem Tisch liegt und umschließe sie fest.
"Alles in Ordnung?", mischt sich Pedro ein.
Als ich erkenne, dass es meine Freundin ist, lockert sich mein Griff.
"Ja, alles gut.", räuspere ich mich.
Mit langsamen, eleganten Schritten kommt sie den Flur entlang direkt auf mich zu. Immer wieder schaue ich über den Rand meines Laptops und blende die Stimmen von Theo und meinem Bruder gekonnt aus.
Viel zu atemberaubend ist der Anblick meiner Freundin.
Sie trägt einen schwarzen, knielangen Mantel und schwarze Highheels aus Lack. Hochglänzend.
"Was machst du schon hier?", flüstere ich und setze mich aufrecht hin.
"Bin eher fertig geworden.", flüstert sie ebenso leise zurück und führt ihre linke Hand an die Schleife, die den Mantel an Ort und stelle hält.
"Mit wem redest du, Miguel?", erschreckt mich Theo.
"Ich?", räuspere ich mich schnell.
"Mit niemandem. Ich höre euch zu.", verteidige ich mich und versuche mich nicht von Amara ablenken zu lassen.
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