🌸Six - Le rendez-vous🌸

●Dhurata Dora ft.
Capital T - Bongo●

2. Februar 2010
{7 Jahre zuvor}

Stille umwarb sie von allen Seiten aus und während Kian das Lenkrad fest umschlungen hielt und in einem angemessenen Tempo das Stadtviertel entlang fuhr, bemerkte Amira aus dem Fenster blickend, dass sie die Gegend kaum kannte. Die deutlich hervorstechende extravagante Architektur der verschiedenen Gebäude, die großen Häuser, die sie bis jetzt nur in zahlreichen Filmen gesehen hatte, nahmen ihr Blickfeld ein. Das alles war neu für sie. Nein, es war fremdartig.

Die bereits von Anfang an angestaute Aufregung, wuchs in ihr, wie ein kleiner bunter Farbfleck und sie hatte Angst, dass es endgültig die Kontrolle über sie gewinnen würde. Die Zähne zusammenbeißend nahm sie ihre Lippen zwischen ihre Zähne und spielte nervös mit ihren schwarzen, an der Brust eng geschnittenen und unten locker fließenden Kleid, welcher ihre entblößen langen Beine deutlich zur Geltung brachte, herum. Des weiteren, bevor sie wieder einen Blick aus dem Fenster warf, klemmte sie sich die hellen geschmeidigen Haare hinters Ohr und atmete tief durch. Was war das nur für eine Aufregung, was war das nur für ein Konzert, das in ihr herrschte und das ganze Publikum mitriss ? fragte Amira sich verinnerlicht. Doch ehe sich ihre Gedanken intensivieren konnten, spürte sie, dass er ihr auf seinem Sitz auffällige Blicke zuwarf und sie somit in seine Observation einnahm.

»Nach diesem Essen werde ich dich überzeugt haben. Du wirst mir danach definitiv verfallen sein«, sprach Kian aus und blickte weiterhin, die Hände sicher auf dem Lenkrad haltend, nach vorne, während er gezielt auf der Straße fuhr.

Amira musste schmunzeln, weil sie einerseits diese arrogante selbstsicherer Art von ihm zum Würgen, gleichzeitig aber auch so anziehend an ihm fand. Natürlich würde sie ihm das nicht beichten, denn dann würde er erst recht denken, dass er sie in der Hand hätte und so wie sie Kian Barroso die letzten Wochen über kennengelernt hatte, nahm er nie eine Niederlage hin, sondern trat immer gerne als der Sieger in allem hervor, wie auch jetzt. Amiras Lächeln vergrößerte sich, als sie aus dem Fenster blickend, sich ein weiteres Mal in Gedanken rief, wie hartnäckig ihr Kian die ganze Zeit über hinterhergerannt war, um dieses eine Date zu bekommen. Sei es, wie er sie mit Geschenken überschüttet hatte, die sie alle abgeschlagen hatte, wie er mit ihr an den Vorlesungen für Mode teilgenommen hatte, wo er nach seinem Gesichtsausdruck zufolge nie nur ansatzweise etwas für übrig hatte und natürlich die ganz zufälligen Begegnungen in der Bibliothek oder in der Mensa. Er hatte einfach nicht locker gelassen, was dazu führte, dass sie es letztlich nicht mehr aushielt und unter einer Bedingung auf dieses Date einwilligte.

»Träum weiter Kian. Du weißt, was meine Forderung war. Wenn mir das Date nicht gefällt, wirst du mich ab sofort in Ruhe lassen.« Einen Augenblick lang sah Amira einen Schatten über Kians Gesicht huschen, nachdem sie diese Worte ausgesprochen hatte, doch dieser wurde mit einem selbstsicheren Grinsen wieder wettgemacht.

»Nach dem heutigen Tag wirst du eher diejenige sein, die von mir Träumen wird. Jeden Tag wirst du hoffnungsvoll darauf warten, dass ich dich um ein weiteres Date frage. Du wirst wollen, dass ich dir eine Nachricht schreibe, dich anrufe... Das will jedes Mädchen«, sagte er bewusst provozierend, da er so, eine auffällige Reaktion von Amira ausfindig machen wollte. Doch Amira verfiel weder in Eifersucht noch in Hysterie, sondern verdrehte lediglich die Augen.

Kian runzelte die Stirn. Er war es nicht gewohnt, dass ihm ein Mädchen so wenig aufmerksam schenkte, geschweige denn bei seinem Nachnamen nicht vor Aufregung umfiel. Seine Eltern hatten sich vor Jahren durch einen geschäftlichen Boom, weltweit einen Namen gemacht und angesichts dessen, als auch den guten portugiesischen wie britischen Genen, die er seinen Eltern zu verdanken hatte, hatte er bis jetzt jedes Mädchen um den Finger wickeln können, die er haben wollte. Bis auf sie. Amira Jaramago.

Mit einem Seitenblick nahm er die junge Modestudentin näher ins Visier, während er sein Auto weiterhin Richtung seines Lieblingsrestaurants fuhr. Die leichten Wellen ihrer braunen Haare lagen vornehm auf ihrer Brust, derweilen ein verträumter, gar entspannter Ausdruck sich in ihren Zügen breit gemacht hatte und sie seelenruhig aus dem Fenster blickte. Die feinen ausgeprägten Wangenknochen ließen ihr herzförmige Gesicht und ihre Wangen, die bei ihrem wunderschönen Lächeln wunderbar zur Geltung kamen, näher in den Fokus rücken. Ihre Augen hingegen sprachen eine Sprache für sich. Das helle Grün in ihnen wirkte so aufrichtig und ehrlich, dass Kian jedes Mal der Atem stockte, wenn ihre Blicke sich trafen, sodass er sich nur schwer zusammenreißen konnte, um sie nicht durchgängig anzustarren, wie auch jetzt der Fall eintrat. Zwar hatte Amira auch eine recht anzügliche Oberweite vorzuweisen, was Kian natürlich nicht entgangen war, aber wenn er ihr ins Gesicht blickte, wurde ihm ganz anders zumute. Es war, als würden ihre Augen ihm eine Geschichte erzählen, ihn in eine ganz andere Welt transportieren und ihr Lächeln, welches daraufhin entstand, holte sie zurück auf den Boden der Tatsachen, ganz langsam und sanft, sodass sie ihm das Gefühl gaben, nichts befürchten zu müssen. Weder den ganzen Unistress, noch die Familiengeschäfte, die er sich anhören musste und auch nicht die als seine Freunde geglaubten Leute, die der Ansicht waren Amira gehöre nicht in ihre Klasse, nur weil sie keine exklusiven Partys besuchte oder in einem der luxuriösen Restaurants speiste wie sie.

Zwar hatten sie recht, all das besaß Amira nicht, aber in all den Wochen, wo Kian ihr wegen des einen Dates hinterhergerannt war, hatte er bemerkt, dass sie etwas viel Kostbareres besaß, was er nie für möglich gehalten hätte. Die Ruhe und Freiheit. Und während Kian in ihrer Nähe war und ihre Präsenz und ihre eigene Art genießen konnte, hatte er das Gefühl, als würde es still um sie herum werden und er würde sich aus seinem Käfig befreien und der Freiheit die Hand ausstrecken können.

Eindeutig zu lange war er in seine Gedanken versunken, wie Kian im nächsten Augenblick plötzlich bemerkte, denn Amira räusperte sich und lief rot an, ehe sie ihr Gesicht von der Glasscheibe abwandte und auf ihre kleinen Hände niederblickte.

»Warum starrst du mich so an ?«, fragte sie nun etwas zurückhaltender, was Kian unwillkürlich dazu verleitete zu grinsen, weil er nun wieder bemerkte, dass sich hinter der schlagfertigen Amira, auch ein nervöses Küken versteckte, welches noch unsicher war seine Flügel auszubreiten und sich der großen weiten Welt hinzugeben. Kurz holte Kian aus, um etwas daraufhin zu erwidern, doch da japste Amira plötzlich erschrocken nach Luft und streckte die Hand nach vorne aus.

»Kian pass auf !« Gerade noch rechtzeitig hatte Kian nach Amiras laut nach vorne geschaut und das Lenkrad so hingebogen, dass er seine Spur beibehalten konnte. Seinen Oberkörper wieder ordentlich aufgerichtet, blickte er nun konzentriert nach vorne. Dennoch bekam er mit, wie Amira erleichtert aufatmete und die Fingernägel, die unbemerkt in das Polster ihres Sitzes eingesunken waren, wieder entfernte.

»Siehst du, du Möchtegerngenie, deinetwegen konnte ich mich nicht einmal aufs Autofahren konzentrieren ?«, sagte Kian gespielt beleidigt, um ihr ihre Anspannung wegnehmen zu können.

»Wie ? Was habe ich denn jetzt gemacht du Blödmann. Außerdem bin ich kein Möchtegerngenie. Ich bin intelligent im Gegensatz zu manch anderen hier im Auto«, sagte sie verärgert und betrachtete, die Wimpern klimpernd, ihre hellrosa lackierten Fingernägel. Natürlich meinte Amira das nicht im geringsten so, doch ihr war es zuwider, wenn Menschen sich über solche Angelegenheit lustig machten. Sie hatte es nie gemocht, wenn man sie oder andere Leute früher abschätzig Streber genannt hatte. Schlau oder ehrgeizig zu sein war keine Straftat und auch nichts weshalb Leute fertig gemacht werden sollten. Und genau deshalb hatte Amira sich versprochen sich von niemanden etwas sagen zu lassen, auch nicht, wenn es von einem süßen hasselnussbraunäugigen arroganten Typen wie Kian kam.

Kian musste schmunzeln, weil ihr offenes Mundwerk ihn wie immer äußerst erheiterte. Sie war immer so schnell beleidigt, stellte er fest und das war auch der Grund, weshalb er es mochte sie zu verärgern. Denn er fand, dass sie wütend noch schöner war als sonst. Über diesen absurden Gedanken grinsend klopfte er im Takt summend auf das Lenkrad, ehe er antwortete:

»Du hast ein Kleid an und man sieht deine Beine. Das heißt, du bist zu aufreizend gekleidet. Anschließend lächelst du mir noch so unschuldig zu und dann machst du mich blöd an, weil ich dabei vergessen habe wieder auf die Straße zu blicken ?«

Amira schnaubte auf und verschränkte die Arme vor der Brust, ehe sie antwortete:

»Das ist jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt um mit deinen schrecklichen Anmachsprüchen anzukommen, Kian. Das hätte schief gehen können. Schau bitte einfach auf die Straße«, sagte sie kühl und mit einem Blick zu ihr, bemerkte Kian, dass sie wirklich Panik gehabt haben musste, wenn selbst sie sich nicht sarkastisch zu seinem Anmachspruch geäußert hatte. Kian stutzte und tat wie ihm geheißen, weil er wusste, dass sich ihre Anspannung wie ätzende Säure auf ihn legen und ihn verseuchen würde. Der Griff um das Lenkrad verstärkte sich. Das ging, aber nun gewaltig nach hinten los überkam ihm das ungute Gefühl. Nichtsdestotrotz hatte er sich aber in einigen Sekunden wieder gefangen und das arrogante Lächeln nahm auf seine Lippen schnell erneut Stellung ein, ehe er in das kleine Fach zwischen seinen und Amiras Sitz griff und mit der Hand nach etwas suchte. Als er diese zu ertasten bekam, hob er es völlig begeistert, wie als hätte er höchstpersönlich die neue Trophäe gewonnen, in die Höhe und warf ihr einen kurzen Blick zu.

Amira runzelte die Stirn und blickte ihn ungläubig an, wie, als wollte sie ihn fragen, ob er noch alle Tassen im Schrank hatte.

»Einen Snickers ? Was soll ich mit einem Snickers ?«, fragte sie irritiert und Kian zuckte gelassen mit den Schultern.

»Wenn du hungrig bist, wirst du zur Diva. Iss einen Snickers und der Hunger ist gegessen«, sagte er den Standardspruch der Werbung auf, doch Amira blickte ihn weiterhin so an, als Stünde ein Alien vor ihm.

»Ich nehme meine Worte von gerade eben zurück. Also das war jetzt der schrecklichste Anmachspruch, den ich je gehört habe.«

Kian zuckte erneut mit der Schultern, als er die passive Haltung Amiras wahrnahm, ehe er selbst in den Snickers rein biss.

»Für alles gibt es das erste Mal. Ich übernehme gerne die Arbeit all deiner ersten Male«, posaunte er genüsslich kauend heraus, was Amira leicht die Augen aufreißen lief. Er nahm wirklich kein Blatt vor den Mund, dachte sie sich. Doch so wie Amira ihn einschätzte, machte er das extra, nur um sie in Verlegenheit zu bringen. Sie war kein graues Mauerblümchen, sprach sie sich verärgert zu. Das würde sie sich keineswegs gefallen lassen und deshalb lehnte sie sich auch im nächsten Moment schnaubend in ihrem Sitz zurück.

»Ich glaube, du sprichst hier von deinen ersten Malen. Schließlich werde ich die Erste sein, die deinem Charme nicht verfallen wird und die froh darüber sein wird, nach diesem Abend, nie wieder den Namen Kian Barroso hören zu müssen.«

Kian drückte augenblicklich auf die Bremse, ehe er selbstsicher grinsend sich erneut zu Amira drehte und sagte:

»Wir werden ja sehen.« Nach diesem Satz wandte er sich von ihr, schnallte seinen Gurt ab und trat aus dem Wagen heraus, anschließend er, wie Amira aus dem Auto noch wahrnehmen konnte, seine Autoschlüssel einem Mann zureichte, der wie ein Portier verkleidet war. In dem Augenblick hingegen durchsickerte Amira die Erkenntnis und sie hob verwundert die Augenbraue, denn genau da realisierte sie, dass sie am Restaurant angekommen waren.

***

30 Minuten später

Kian Barroso öffnete mit einem Ruck die Autotür und setzten sich hin. Wütend atmete er tief ein und aus und wartete darauf, dass sich die Tür neben ihm öffnete. Als dies geschah und auch Amira sich in ihren Sitz einnistete und die Tür schloss, wartete er nicht einmal darauf, dass sie sich sicher angeschnallt hatte, sondern flitzte mit dem Auto los.

Einige Sekunden lang lag peinliche Stille über Ihnen, was Kian dazu veranlasste, aufgelöst durch seine Haare zu fahren, ehe er tief ausatmend brummte:

»Ich schwöre es dir Amira, ich hatte keine Ahnung, dass...« Er brach mitten in seinem Satz ab und laut fluchend schlug er auf das Lenkrad vor ihm, während er weiter fuhr. Amira hatte die ganze Zeit über kommentarlos dagesessen, während sie ihn beobachtet hatte, doch nun ergriff auch sie das Wort.

»Du wusstest also nicht, dass sich zwei deiner Ex-Freundinnen in diesem Restaurant aufhielten ? Außerdem wüsstest du nicht, dass sie auf unser Tisch zukommen und auf eine herabwürdigende Art und Weise mit mir sprechen würden ?«

Als nach Amiras Worten Kian unmittelbar das Szenario im Restaurant vor Augen hatte, war er kurz davor wieder laut aufzuknurren. Wie dumm war er gewesen und hatte nicht mit einberechnet, dass sowas hätte passieren können ? Amira hatte sich zwar gut geschlagen neben diesen Püppchen, aber trotzdem konnte er nicht anders, als wütend zu werden, wenn er daran dachte, wie abschätzig sie Amira behandelt hatten. Das Date war dahin, es war katastrophal. Nun war das Ende angebrochen, bevor Kian sich überhaupt beweisen konnte. Er hatte verloren und nun Amira würde nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen.

Noch nie hatte ihn dieser Gedanke so sehr gestört wie jetzt. Für gewöhnlich war er sogar immer glücklich darüber gewesen, wenn Mädchen sich nicht wie eine Klette an ihm klammerten, aber heute konnte er diese Zufriedenheit nicht ausmachen. Dabei ging es ihm auch nicht um sein Ego, um sein Ansehen oder um seinen Ruf, welcher damit einen Knick erlitt. Nein, zum ersten Mal erschrak ihn nur der bloße Gedanke daran, dass er das zierliche junge Mädchen nie wieder sehen würde. Ihre Geschichte hier ein Ende finden und sie ihr Leben weiterleben würde, ohne ihn. Gestresst fuhr Kian erneut durch seine Haare und murmelte einen leisen Fluch vor sich hin.

Amira währenddessen schaute Kian von der Seite aus an und musste leicht schmunzeln. Der Abend war ruiniert und auch sie wusste, dass er verloren hatte. Doch trotz, dass sie gekränkt sein sollte oder wütend auf die Worte, die diese beiden Gören im Restaurant von sich gegeben hatten, hatte sie Kians Verzweiflung mehr als erheitert. Denn Kian sah es nicht, er bemerkte es einfach nicht. Kian hatte gedacht, dass ein Essen in einer der nobelsten Restaurants der Stadt Amira umstimmen und sie total begeistern lassen werden würde, denn er kannte es nicht anders. Dementsprechend glaubte er auch, dadurch dass er seinen Ansichten nach die beste Möglichkeit verloren hatte, er alles verlor. Er hatte sofort aufgeben, einfach so.

Ihr Grinsen gewann die Oberhand über sie, weshalb sie sich schnell auf die Unterlippe biss und sich aufrecht setzte. Auch in diesem Zustand und den zerzausten Haaren hatte er etwas an sich, was Amira absolut faszinierend fand, doch um ihm eins auszuwischen, dass er schnell aufgegeben hatte, tat sie so, als würde sie ernsthaft getroffen und beleidigt von seinen Worte sein, die an sie gerichtet waren. Sie ließ ihn absichtlich glauben er hätte verloren.

»Hast du jedes Mädchen, mit dem du ausgingst in dieses Restaurant gebracht ?«, fragte sie gespielt ernst, was ihn noch angespannter werden ließ, denn nun stachen selbst seine Armmuskeln hervor, trotz dass er eine Jacke anhatte.

»Nein. Nein natürlich nicht«, sagte er verärgert, ehe er ansetzte:

»Amira der Abend... Ich... das war nicht...« Er konnte einfach keinen richtigen Satz bilden. Es war, als würde er in eine Buchstabensuppe starren und dabei verzweifelt nach den richtigen Buchstaben suchen, um seinen Satz zu vollenden. Er wusste, dass er nichts mehr retten konnte. Ihr kalter Blick, der in die Ferne gerichtet war, zeigte ihm seine Niederlage mehr als deutlich auf. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sie nach Hause zu fahren und diesen Abend und auch den Rest ihrer Geschichte zu beenden.

»Es tut mir leid, Amira. Ich...«, fing er niedergeschlagen an und atmete tief aus.

»Gibt es hier in der Nähe einen McDonalds ?«, fragte Amira plötzlich völlig aus dem Konzept gerissen und blickte auf beiden Seiten suchend aus den Fenster raus, was Kian einen Moment lang innehalten ließ, ehe er verblüfft antwortete:

»Einen... einen McDonalds ?«

Das Grinsen aufgrund seines irritierten Gesichtsausdrucks nur schwer verbergend, nickte Amira heftig mit dem Kopf.

»Ich will zum McDrive.«

»Zum McDrive ?«

»Ja Kian, du brauchst meine Worte nicht immer zu wiederholen. Ich habe riesen Hunger und da wir gerade aufgrund deiner lieben kleinen Freundinnen nicht zum Essen kamen, schuldest du mir ein Essen.«

Kian starrte sie einige Sekunden lang, die ihm wie Minuten vorkamen, einfach nur an. Was hatte sie nur vor ? Gab sie ihm etwa noch eine Chance ? Unmerklich schüttelte er den Kopf. McDonalds war eine billige Fast-Food-Kette, was sollte das schon noch retten. Doch als er ihrem sturren Blick weiterhin ausgesetzt war, seufzte er auf und hielt Ausschau nach einem McDonalds in der Nähe. Wenigstens das konnte er für sie tun.

15 Minuten später saßen sie immer noch im Auto, der einzige Unterschied bestand nun lediglich darin, dass eine Tüte auf Amiras Schoß lag und sie gerade dabei war einen Cheeseburger zu verspeisen.

»Willst du wirklich nicht ?«, fragte sie ihn und deutete auf die Tüte, in der sich noch ein Chickenburger und weitere zwei McDouble Chili Cheeseburger befanden.

Kian blieb stumm und verneinte mit einer leichten Kopfbewegung.

»Auch nichts von meinem McFlurry ?«, fragte sie und deutete auf den Eisbecher, den sie zwischen beide Sitzen vorne eingeklemmt hatte.

Auch dieses Mal verneinte er und Amira biss weiterhin in den Burger ein. Minuten vergingen auf diese Weise und Kian fuhr gerade an einem See am Straßenrand vorbei, was ihn letztlich dazu veranlasste abzubiegen und dort zum Stoppen zu kommen, sodass beide geradewegs aus dem Auto heraus in den See blicken konnten. Kian stellte den Motor aus, hielt aber das Lenkrad mit beiden Hände immer noch fest umschlungen, sodass seine Fingerknöchel weiß hervorlugten. Amira gab keinen Ton von sich, obwohl sie ihren ersten Burger verspeist hatte und sehnsüchtig darauf wartete den nächsten aus der Tüte zu fischen. Doch ein Blick zur Seite wies sie daraufhin das nicht zu tun. Kian hatte die Kiefer gemahnt und wirkte angesichts Amiras Verhaltensweise irgendwie wütend.

Nach eine weiteren verstreichenden Sekunde fragte er tief ausatmend:

»Amira was soll das ?«

»Was soll was ?«, fragte sie völlig unschuldig, obwohl sie ganz genau wusste, worauf er hinaus wollte. Als dann jedoch keine Antwort von ihm folgte und er erneut tief ausatmete, fragte Amira ganz sachte:

»Hasst du es so sehr zu verlieren ?«

Erstaunt wandte er sich zu ihr um und ihre Blicke trafen sich. Er könnte sie anlügen, sie anfauchen für wen sie sich hielt, doch ihr aufrichtiger Blick sorgte dafür, dass er dies nicht tat, als er ihr antwortete.

»Ja, ich hasse es. Ich hasse es mehr als du je erahnen kannst. Ich habe noch nie verloren.«

Amira musste sich ein Grinsen verkneifen. Der niedergeschlagene Kian war so süß, dass sie am liebsten einen mitfühlenden Laut von sich gegeben und ihre gespielte Betroffenheit über Bord geworfen hätte, doch sie entschied sich dagegen.

»Also erzähl mir, was für Überraschungen hättest du heute Abend parat gehabt, wenn die beiden Furien nicht dazwischen gekommen wären ?«

»Amira...«, fing er schnaubend an, weil er nicht vorhatte all das auszupacken, was sowieso nicht mehr umsetzbar war.

»Komm schon, bitte«, sagte sie strahlend.

»Das schuldest du mir.«

Er seufzte auf.

»Wir hätten eines der besten Gerichte gegessen, die die portugiesische Küche zu bieten hat und die von Weltköchen zubereitet wird. Anschließend hätte ich dich zum Tanzen aufgefordert und hätte dir dabei eins zwei meiner Anmachsprüche reingedrückt«, sagte er, was Amira ein kleines Lächeln entlockte, den Kian aber nicht bemerkt hatte, da er immer noch geradeaus auf den See blickte.

»Das war alles ? Keine Highlights ? Keine Feuerwerke ? Von einem reichen Kerl wie dir hätte ich aber mehr erwartet«, sagte Amira spöttisch und sah, dass nach diesen Worten Kians Grübchen leicht zur Geltung kamen.

»Natürlich nicht. Das Highlight hätte erst später am Abend stattgefunden. Auf diesen Moment wartet jeder von euch während des Essens. Da spanne ich gerne einen auf die Folter.«

Da war er wieder, der arrogante Mistkerl. Doch auf eine unerklärliche Weise musste Amira trotzdem grinsen.

»Wirklich, ist das so ? Wie sieht denn dieses Highlight aus ?«

Er bückte sich gefährlich lächelnd am Sitz nach vorne und blickte ihr tief in die Augen

»Das wüsstest du wohl gern, was ?«, fragte er sie selbstsicher und in dem Moment bückte sie sich ebenfalls nach vorne, sodass ihre Gesichter relativ nah voneinander standen.

»Ja«, hauchte sie ihm entgegen und spürte, wie beider Atem ungleichmäßiger zu verlaufen begann und wie Kian seine Blicke zwischen ihren Lippen und ihren Augen hin und her wandern ließ.

»Soll ich es dir zeigen ?«, raunte er ihr zu, doch wartete er nicht auf eine Antwort von Amira, sondern näherte sein Gesicht immer näher und näher an ihres, bis Amira unauffällig den Eisbecher zwischen ihren Sitzen rausnahm und es plötzlich auf sein Mundbereich drückte, anschließend sie es fallen ließ.

Kian hielt in seiner Bewegung inne und fasste sich ins Gesicht, welcher vollgeschmiert war mit dem klebrigen Eis. Amira derweilen hatte sich in ihrem Sitz nach hinten geworfen und lachte ununterbrochen.

»Nicht schon wieder«, knurrte Kian und wischte sich das Gesicht mit der Hand sauber.

Dann blickte er mit einem schiefen Grinsen zu Amira rüber, was sie mitten in ihrem Gelächter innehalten ließ. Sie wusste, dass dieser Blick nichts Gutes zu bedeuten hatte, also befreite sie sich aus ihrem Gurt und öffnete noch rechtzeitig die Tür, denn da hörte sie nur noch wie Kian im Auto »Na warte«, rief und die Hand nach ihr ausstreckte. Als Amira das Auto verlassen hatte, sah sie, wie wenige Sekunden darauf auch er von der anderen Seite ausstieg und sein Blick immer noch höhnisch auf sie gerichtet hielt.

Langsam umrandete er das Auto und kam auf sie zu.

»Kian...«, fing Amira ängstlich an, konnte aber nicht anders als mittendrin auch nervös zu lachen. Kians Lächeln wurde breiter und kurz bevor er bei Amira ankam, realisierte diese, dass die Flucht die einzige Möglichkeit war, um dem zu entkommen. Sie hatte bereits einige zügige Schritte gemacht, doch da fasste sie eine Hand urplötzlich an der Taille und zog sie an sich. Amira schrie auf und hörte dicht an ihrem Ohr ein männliches Lachen:

»Na warte, jetzt werde ich dir zeigen was es heißt sich mit einem Barroso anzulegen«, war das Einzige, was sie noch mitbekam, ehe sie den Halt unter den Füßen verlor und im nächsten Moment spürte, wie Kian sie über die Schulter warf und zu laufen anfing.

»Kian lass mich runter !«, schrie Amira und zappelte mit den Füßen, doch er ließ sich nicht davon beirren und lief einfach weiter geradeaus.

»Du hast es nicht anders gewollt«, sagte er lachend und blieb auf einmal stehen. Ehe sie realisieren konnte, was los war, spürte sie auch schon, wie die Eiseskälte sie abrupt übermannte und erschrocken schnappte sie nach Luft, als sie erneut an die Oberfläche gelang. Ungläubig starrte Amira Kian an, dessen Kleidung und Haare ebenfalls nass waren.

»Du !«, fauchte sie.

»Du hast mich in den See geworfen.«

Kian lachte, er lachte so laut, dass es Amira wütend stimmte und ohne sich zurückhalten zu können, warf sie sich in der nächsten Sekunde auf ihn. Was soll's, dachte sie sich, denn nass waren sie beide sowieso schon.

So ging es weiter. 15, 20 Minuten, eine halbe Stunde lang und beide realisierten nicht, wie die Zeit dahinflog, während ihr Gelächter augenblicklich mit der hereinbrechenden Nacht eins wurde. Kian Borroso und Amira Jaramago küssten sich an diesem Tag nicht, sie kamen sich körperlich auch nur soweit nah, sodass der eine versuchte den anderen ins Wasser zu schubsen. Und während das Schicksal eine neue Geschichte für sie formte, bemerkte Kian nicht, dass er erstmals eine seiner Regeln gebrochen hatte. Er hatte sie an ihrem ersten Date nicht geküsst. Er hatte ihr ihren ersten Kuss nicht genommen, doch dafür hatte umgekehrt Amira einen seiner 'ersten Male' von vielen unzähligen, die darauf folgen würden, in Besitz genommen, für immer in seinem Gedächtnis verewigt.

Denn ab dem Augenblick war er ihr maßlos verfallen.

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