🍀Quinze🍀
●Emir - Mevsim Sonbahar ●
Ein wolkenbedeckter Himmel hatte seit Tagen die Stadt eingenommen. Der Regen prallte unausweichlich an die Fensterscheiben, ganz im Einklang, ruhig und ausgeglichen. Wie als hätten sie gespürt, dass sich im Haus der Barrosos die Stille vor dem Sturm gelegt hätte und die Regentropfen, das innerlich blutende Herz des Ehepaares besänftigen und somit die herannahende Katastrophe verhindern könnte. Doch wenn etwas zu Zerbrechen drohte, kleine Risse, Dellen vorhanden waren, konnte niemand der bitteren Wahrheit ausweichen, dass es letztlich keinen anderen Ausweg mehr gab. Denn es war nur eine Frage der Zeit, bis diese Risse sich zu Scherben umwandeln würden, sie schneiden und sie vor dem Schicksal mit aufgerissenen blutenden Knien niederfallen lassen würde. Eins stand nämlich auf alle Fälle fest: selbst die Mutternatur mit ihrem Eingriff würde nichts bezwecken können. Weder den starken aufbrausenden Sturm konnte es besänftigen, noch die anhaltende mörderische Stille.
Letzteres traf nämlich in dem Moment auf die Barrosos zu. Denn obwohl es vor einigen Tagen noch einigermaßen friedlich umherging, machte sich nun die Anspannung in jedem ausweichenden Blick, jedem unausgesprochenen Wort zwischen ihnen bemerkbar. Kian, der ahnungslos und verwirrt über diese Stimmung im Haus war, fragte sich seit Tagen, was nach seinem Aufbruch zur Apotheke zu Hause geschehen sein mag. Denn als dieser wieder mit den Medikamenten in der Hand nach Hause gekommen und den Weg ins Schlafzimmer angesteuert hatte, hatte er mit einem Blick auf Amira gespürt, dass die Stimmung eine 180 Grad Umdrehung gemacht hatte. Irgendetwas hatte sich verändert und es lag nicht einmal an der frischen Brise, die er von draußen mit ins Haus gebracht hatte.
Mit einem Blick auf Amira, wusste er, dass durch etwas anderes die Kälte über sie hergezogen und sie erneut eingenommen hatte. Ihre Augen wirkten erneut emotionslos und beim genauen betrachten sah er, dass sie leicht angeschwollen und rötlich hervorstachen. Erschrocken nach Luft schnappend hatte dieser daraufhin gefragt:
»Warum hast du geweint ?«
Amira hatte ihm, wie Kian schon angenommen hatte, auf die Frage nicht geantwortet. Sie hatte ihn nur stumm angeblickt. Als sie hingegen bemerkt hatte, dass er daraufhin einige Schritte auf sie zumachte, sagte sie schneidend:
»Ich möchte mich ausruhen. Lass mich bitte alleine.« Kians Züge hatten nach diesen Worten einen wütenden zugleich aber auch verletzten Ausdruck angenommen, welcher Amira erneut eine klaffende Wunde in der Brust bescherte. Aber trotz dessen zwang sie sich standhaft zu bleiben und im Bett gerade zu sitzen, bis er das Zimmer verlassen hatte. Kian, der wie als hätte er ins Leere getreten, ihrem Blick ausgesetzt war, erwiderte diese für einen kurzen Augenblick, ehe er auf die Tüte in seiner Hand hinabschaute. Er wollte es nicht, wollte seiner Frau nicht in die Augen schauen, die ihm einen so kalten Blick zuwarf, als stünde ein Fremder vor ihr. Er wollte ihre Lippen nicht mehr vor Augen haben, diese sanften kirschroten Lippen, die sich perfekt an seine fügten und ihn jedes Mal in den Himmel befördert hatten. Nun waren sie aber nichts weiter als Vorzeigeexemplare, die an einem Schaufenster aufgestellt wurde und Kian zur Versuchung zu führen bestrebten. Einen Moment fragte er sich, was er da überhaupt tat, warum er das überhaupt tat. Die sogenannten W-Fragen, die er sich seit Jahren durch die Bekanntschaft Amiras nicht mehr gestellt hatte, tauchte an diesem Abend von erneutem auf. Denn Kian wusste ab dem Augenblick nun endgültig, dass er mit der Frau vor ihm keinen erneuten Streit, keine erneute Diskussion führen würde, denn er erkannte sie nicht mehr. Und mit einer Fremden, solch einen Disput zu starten stand außer Frage für ihn. Einen letzten Blick hatte er Amira stumm daraufhin zugeworfen, hatte die Tüte auf den Nachttisch gelegt und hatte ohne ein weiteres Wort das Zimmer, seine Ehefrau verlassen. Amira hatte sich anschließend wieder hingelegt, sich zur Seite gedreht und hatte stumm weiterhin die Tränen laufen lassen, die sie kurz vor Kians Eintritt in das Haus schnell unterdrückt hatte. Denn was Kian gesehen hatte, war nicht das makellose Bild einer Eiskönigin, deren Herz aus Frost bestand. Nein, vor ihm hatte eine Frau gestanden, die einige Minuten zuvor endlich wieder mit ihrer besten Freundin telefoniert hatte und die ihr am Telefon ehrlich ihre Meinung gesagt hatte, was ihre Ehe betraf. Amira hatte sich das Herz ausgeschüttet, hatte ihrem Kummer offen Platz verschaffen, doch die größte aller Lasten hatte sie trotz dessen für sich behalten, sie nicht mit ihrer besten Freundin geteilt, weil sie so schreckliche Angst gehabt hatte. Angst davor nicht mehr auferstehen zu können und sich komplett fallen zu lassen. Sie hatte es nicht geschafft über diese Grenze zu treten. Genau deshalb hatte vor Kian das Porträt einer Frau gestanden, die mit ihrer letzten verbliebenen Kraft, stark zu bleiben versucht hatte. Für das Wohl aller. All das hatte Kian nicht gesehen.... aber er hätte es auch nicht sehen können, denn Amira glich nun endgültig einer Mumie. Einer Leiche, die sich vor der Verwesung schützen wollte.
Tage lang hatte Kian versucht auf Amiras schlechte Laune nicht zu reagieren. Es war nämlich, als bestünde sie regelrecht darauf einen erneuten Streit anzufechten, was hingegen auch daran lag, dass ihr Zustand sich immer weiter verschlechterte. Der Arzt hatte zwar beteuert, dass der Infekt nach einer Woche Bettruhe aus der Welt geschaffen werden würde. Doch wie es das Schicksal wollte, hatte sich Amira seit jeher eine zusätzliche Erkältung eingeholt, die sie noch missmutiger und schwacher stimmte. Amira wusste einfach nicht wohin mit ihrer Laune. Es war, als spielten sich Tias Worte, wie in einer Dauerschleife in ihrem Kopf ab und sie konnte dem, so sehr sie es auch wollte, einfach nicht entfliehen. Ihre Nachdenklichkeit und die Anhänglichkeit ihrer Gedanken bereiteten ihr üble Kopfschmerzen und nervten sie zutiefst. Doch den Gipfel des Eidberges erreichte für Amira eindeutig der heutige Tag.
Als sie wach wurde, bemerkte sie, dass Kian, wie schon die letzten Tage auch, nicht mehr im Bett vorzufinden war. Er hatte sich, da Amira nun ein viel stärkeres Husten vorwies eine weitere Woche auf der Arbeit freigenommen und bereitete nun höchstwahrscheinlich das Frühstück in der Küche für sie vor. Amira fiel es nicht leicht die Augen offen zu halten, da ihr Kopf härter denn je pochte. Vorsichtig betastete sie ihre Stirn, doch sie hatte das Gefühl, als würde sie mit jeder Berührung ihre Lage nur noch verschlimmern. Das war jedoch nicht das Einzige, was sie bedrückte. Langsam drehte sich Amira zur Seite um und als sie endlich auf den Beinen war, musste sie sich einen Augenblick lang am Nachttisch halten, da sie das Gefühl hatte kaum auf den Beinen stehen zu können. Nichtsdestotrotz als Amira einen erneuten Start hinlegte und gerade Richtung Tür ansteuern wollte, um Ausschau nach Kian zu halten, blieb ihr Blick auf dem roten mittelgroßen Fleck ihres Schlafanzugs hängen und die Stirn gekräuselt, fluchte Amira bei dessen Anblick leise vor sich hin:
»Na, ganz toll. Das hat mir noch gefehlt.«
Mit bedachten Schritten und sich am Bettgelände festhaltend, versuchte Amira in einer leicht gekrümmten Position das Badezimmer nebenan zu erreichen, doch der intensive Schmerz, den sie seit dem Anblick ihrer Hose nun deutlich im Unterleib zu spüren bekam, machten es ihr unmöglich ihr Tempo zu steigern, geschweige denn überhaupt aufrecht zu stehen.
Als sie das Badezimmer schließlich mit knapper Not erreichte, hielt sie sich mit beiden Händen an der Waschmaschine auf der rechten Seite fest und versuchte sich dabei aufrecht zu stellen. Mit einem Blick nach oben auf den kleinen Schrank, stellte sie jedoch mit Unbehagen fest, dass das nicht reichen würde, um diese zu öffnen und die Binden aus dieser zu entnehmen. Kian war derjenige gewesen, der ihr mit seiner herausragenden Größe immer wieder zur Hilfe geeilt war, wenn sie an die Schränke nicht rankam. Nun schien es Amira hingegen absurd ihn deswegen aufzusuchen und ihn um Hilfe zu bitten, da sie ihm die letzten Tage über sowieso nur die kalte Schulter gezeigt hatte. Bei dem Gedanken daran, wie leid es ihr innerlich eigentlich tat und wie qualvoll sie es selbst empfand ihn so zu behandeln, stiegen ihr die Tränen empor, welche ihr einen kurzen Moment lang die Sicht versperrten und es erschwerten den Schrank im Fokus zu behalten.
Dennoch stellte sie sich auf die Zehenspitzen und streckte ihre Hand so gut es ging aus, nur damit sie den Knopf des Schrankes zu ertasten bekam und diese aufklappen konnte. Die Lippen aufeinander gepresst entfuhr ihr trotz dessen ein leises Fluchen, doch sie riss sich schleunigst wieder zusammen und konzentrierte sich mit all ihren Sinnen darauf da ran zu kommen. Als sie diese letztlich geschafft und mit den Fingerspitzen anschließend eine Binde vorgeschoben hatte, sodass sie auf die Waschmaschine fiel, gab sie ein erleichtertes Schnaufen von sich und sackte leicht nach vorne zusammen. Es drückte in ihrem Unterleib so sehr, dass ihr einen Augenblick lang die Luft ausblieb und sie sich nur mit Mühe von diesem betäubenden Schmerz zusammenreißen konnte. Deshalb schloss sie kurz die Augen zu und atmete tief ein und aus.
Nachdem sie sich dann wieder einigermaßen im Griff hatte, schob sie sich ihren Schlafanzug, der ihr mittlerweile sowieso etwas zu groß war, runter, anschließend sie auf ihre nackten Beine hinabblickte. Ihr Höschen, als auch der nach innen verlaufenden Oberschenkelbereich, war mit Blut überseht und ehe Amira diesen Anblick länger ertragen musste, griff sie in den Wäschekorb neben der Waschmaschine, in der die neu gewachsenen Kleidungsstücke einsortiert waren und nahm sich eine neue Unterhose aus dieser heraus. Als sie ihre Binde ordentlich darin platzierte, entledigte sie sich aus ihrer alten Unterhose und zog sich die neue drüber. Mit Mühe schaffte sie es diese über ihre Beine hochzuziehen, ehe sich der Schmerz in ihrem Unterleib wieder zu Wort meldete. Es war, als würden tausende Messerstiche auf einmal genau auf dieselbe Stelle einstechen, sodass der Höllenqual bei jedem weiteren Mal immer mehr an Intensität gewann. Mit zusammengebissenen Zähnen zischte sie leise auf, ehe sie tief nach Luft schnappte.
Sie wollte gerade nach dem Toilettenpapier auf der rechten Seite von ihr greifen, als sie dabei unbemerkt mit dem Arm an das Nebenregal stieß und einige Utensilien, einen ohrenbetäubenden Laut verursachend, auf den Boden fielen. Amira zog die Hand zurück und hielt sich wieder an der Waschmaschine fest. Sie wusste nicht warum, aber plötzlich kamen Tränen in ihr auf, die sie einzunehmen schienen. Denn ohne, dass sie sich zurückhalten konnte, fing sie stumm vor sich an zu weinen.
Trostlos fielen einzelne Tropfen unregelmäßig auf den Boden und Amira wimmerte leise vor sich hin. Dass sie mit den Nerven vollkommen am Ende war, hatte ihr dieser ungeahnte Gefühlsausbruch auf alle Fälle bewiesen.
»Was ist passiert ?«, fragte ein völlig irritierter Kian, der plötzlich ins Bad gestürmt kam, nachdem er das Zimmer betreten und nur das laute Geräusch aus dem Bad wahrgenommen hatte. Einen Augenblick lang huschte sein Blick auf den Boden, auf dem die Utensilien zerstreut vorlagen, ehe sich seine Augen auf Amiras Blut befleckte Unterhose hefteten und er mit dem Blick ihre Beine hoch wandernd das Blut auf ihrer Haut zu sehen bekam. Kian hob verwundert die Augenbrauen hoch. Doch als er die eingeengte, kraftlose Haltung seiner Frau sah und dann das Zittern ihrer Schultern bemerkte, wagte er es erst da ihr ins Gesicht zu blicken. Ihr Gesicht war Tränen überschwemmt. Kian trat vorsichtig einige Schritte auf sie zu und blieb vor ihr stehen.
»Amira... was ist mit dir ?«
Amiras Schluchzen wurde gewaltiger, als sie den besorgten Ton in seiner Stimme wahrnahm. Seinem Blick nicht standhalten könnend, blickte sie zu Boden. Kian tat es ihr gleich und sah, dass sie die Unordnung im Raum begutachtete.
»Hey...«, fing er herantastend an und streckte vorsichtig die Hand nach ihr aus. Er wollte sie nicht überrumpeln, wollte sie nicht erneut verscheuchen. Als er dann endlich ihre Haut zu erfassen bekam, fuhr er sachte ihren Arm rauf und runter. Diese gleichmäßige Berührung sollte sie beruhigen, Amiras Atem flacher werden lassen.
»Schht... alles wird gut. Weine doch nicht deswegen, wir kriegen diese Unordnung schon wieder beseitigt.«
Amira wusste, dass Kian damit den Boden meinte, aber sie konnte nicht anders, als sich in dem Moment selbst zu fragen, was mit ihrer inneren Unordnung geschehen würde. Dicke Tränen flossen weiterhin stumm vor sich hin, da sie sich eingestand, dass sie es nicht schaffen würde. Sie würde nicht aus diesem Chaos rauskommen können. Denn die Unordnung zuhause war nichts im Gegensatz zu der Unordnung in ihrer Seele. Der Unterschied zwischen beiden bestand darin, dass man das eine lösen, doch vor dem anderen nicht fliehen konnte. Eine Rettung war unmöglich.
»Hey, hey meine Schöne. Bitte weine nicht mehr«, sprach Kian aus, der es nicht ertragen konnte, wie die Tränen weiterhin ihr Gesicht brandmarkten. Mit zarten Handbewegungen wischte er ihr die Tränen vom Gesicht und lächelte sie an. Er hasste es, wenn Amira weinte. Es zerbrach sein Herz in kleinste Stücke sie so fertig zu sehen.
»Ich kriege rein gar nichts hin. Alles ist...« Amira fuhr sich aufgelöst durch die Haare, anschließend sie die Hände sinken ließ.
»Selbst mich zu säubern habe ich nicht auf die Kette bekommen«, flüsterte sie niedergeschlagen, woraufhin Kians Blick erneut auf Amiras Oberschenkel fiel und er leicht zu schmunzeln anfing. Amira war während ihrer Periode immer sehr launisch, aber was Kian jedes Mal daran amüsant gefunden hatte, war, dass Amira zu dieser Phase wie ein Kleinkind rumschmollte, was das Zeug hielt. Auch wenn es nervig sein konnte manchmal, war Kian doch froh darüber, dass sich nicht alles an seiner Ehefrau verändert hatte. Erst da wurde ihm klar, dass er selbst die schlimmsten Macken an ihr vermisste, sich schrecklich danach sehnte.
»Das kriegen wir schon hin«, sprach er sanft ein weiteres Mal auf sie ein und Amira blickte mit geröteten Augen zu ihm empor. Trotz, dass die Tränen für einen Moment aufgehört hatten, sah er eine erneute Ladung in ihren Augen aufblinzeln.
»Ich erledige das schon selbst, Kian. Ich möchte nicht, dass du mich in diesem Zustand zu sehen bekommst.«
Doch Kian hörte nicht auf Amiras Worte, sondern hob sie mit einem Ruck hoch, ehe er sie auf die Waschmaschine setzte und sich dann dem Waschbecken zuwandte, wo er ein Lappen nahm, diese leicht befeuchtete und sich erneut zu Amira umdrehte.
»Es ist nicht das erste Mal, dass du deine Periode vor meinen Augen bekommst. Ich kenne deine Schmerzen. Es hätte dich nicht umgebracht, wenn du mich um Hilfe gebeten hättest.«
Amiras Lippen zitterten. Sie hatte den Blick auf ihre Oberschenkel gesenkt und konnte nichts darauf erwidern. Trotz, dass sie nun wusste, dass ihre Periode ebenfalls an ihrer Laune in den letzten Tagen mitbeteiligt war, konnte sie nicht anders, als sich in dem Moment zu schämen. Kian sorgte sich um sie, er tat alles für sie und sie hatte ihn schrecklicher denn je behandelt.
Kian, dem mit einem Blick auf seine Ehefrau klar wurde, dass sie dazu nichts sagen würde, ging leicht in die Hocke und begann langsam mit dem Lappen ihren Innenschenkel rauf und runter zu fahren.
Einige Sekunden lang herrschte Stille, ehe Kian erneut anfing zu sprechen.
»Erinnerst du dich noch, als dich ein Kerl angerempelt hatte und du dir dein Bein verstaucht hattest ?«
Bei der Erinnerung zierte ein leichtes Lächeln Amiras Züge und sie erwiderte:
»Du bist durchgedreht, bist fast auf den Mann losgegangen.«
»Und weißt du auch noch warum ?«, fragte Kian langsam, derweilen er weiterhin ihren Innenschenkel säuberte. Amira nickte auf Anhieb. Sie hatte seine Worte von damals nicht vergessen.
»Es lag nicht daran, dass er mir weh getan hatte, sondern daran, dass ich seinetwegen weinen musste.«
Kian nickte, blickte stumm auf ihre nackten Beine nieder und hielt kurz in seiner Bewegung inne.
»Niemand darf dich zum Weinen bringen, Amira. Niemand darf dir dein Lächeln nehmen. Das lasse ich nicht zu !«, sagte Kian entschlossen und mit einem kleinen Lächeln im Gesicht. Doch schnell erblasste dieser und er schluckte hart, während er nun mit seinen Handbewegungen fortfuhr.
»Witzig, dass ich das sage, oder ? Wo ich doch der Grund bin, dass du dein Strahlen verloren hast.«
Amira hob urplötzlich, nach diesen Worten ihres Ehemannes, den Kopf und blickte ihn stumm an. In dem Moment bemerkte sie, wie sich seine Kiefer angespannt und wie ein Schatten über seine Züge gehuscht war. Die winzige Falte, die sich auf seiner Stirn niedergelassen hatte, illustrierte seine Nachdenklichkeit und die Tragweite seiner Worte. Amira antwortete ihm nicht, sondern weichte währenddessen ein weiteres Mal seinem Blick aus.
Kian, der sich auf den Vorgang seiner Hände konzentrierte, stand mit seinem Gesicht unmittelbar vor Amiras Knien. Sein Atem prallte dagegen, verursachte bei Amira eine Gänsehaut, die sie nun nervös zu machen schien. Als Amira diese bemerkte, war es, als würde sie die für kurze Zeit herrschende Ruhe wieder ablegen und panisch werden. Kian entging dieser plötzliche Wandel keineswegs. Ihr Körper sprach Bände, weshalb er nach einigen schnellen Zügen mit der Hand aufstand und einige Schritte zurücktrat.
»Du bist jetzt sauber. Du solltest dich nun wieder ins Bett legen. In diesem Zustand darfst du dich nicht überanstrengen. Ich werde dir deinen Lieblingstee zubereiten, etwas Warmes tut dir bestimmt gut. Bin gleich wieder da.«
»Das ist nicht...«
Kian hob abrupt die Hand und brachte sie somit zum Schweigen.
»Ich habe dich nicht um Erlaubnis gebeten«, sagte er und verschwand mit einem entschlossenen Blick aus dem Bad.
Amira, die immer noch auf der Waschmaschine saß, fühlte sich elend und trotz, dass ihre Beine wieder sauber waren, kam sie sich äußerst dreckig vor. Mit einem vorsichtigen kleinen Hüpfer stand sie wieder auf beiden Beinen, doch als der Schmerz sie schnell wieder einzuholen drohte, steuerte sie so schnell wie möglich das Schlafzimmer an und ließ sich auf das Bett fallen. Sie hatte zwar die letzten Tage ständig im Bett verbracht, aber im Moment fühlte sie sich so überanstrengt und kaputt, dass Amira sich verwirrt fragte, was sie getan haben musste, um für diese Erschöpfung beigetragen zu haben. Mit diesem Gedanken schloss sie daraufhin die Augen, schlief aber dennoch nicht ein. Als sie nach knappen zehn Minuten die Tür aufgehen hörte, ließ sie die Augen weiterhin geschlossen, bekam gleichzeitig jedoch mit, wie Kian das Bett umrundete und vor ihr an der Bettkante zu stehen kam. Ein metallisches Geräusch ertönte auf ihrem Nachttisch, als auch schon Kians Stimme im Folgenden erklang.
»Ich habe dir deinen Kamillentee auf den Nachttisch gestellt. Trink ihn, bevor es noch kalt wird.«
Amira flüsterte ein leises 'Danke', spürte aber dennoch Kians Blick wachsam auf sie gerichtet. Dieser ging in die Hocke, wie Amira auch dieses Mal bemerkte, denn plötzlich konnte sie seinen Atem dicht an ihrem Gesicht spüren.
»Amira, machst du bitte die Augen auf ?«
Amira konnte nicht genau sagen, woran es lag, ob es an dem Stimmton lag, an seiner Nähe oder irgendetwas was in der Luft lag, aber etwas hatte sie stutzig gemacht, weshalb sie einen Moment innehielt. Dann hingegen gewann die Neugierde die Oberhand über sie und sie öffnete ihre Augen.
Plötzlich hielt sie die Luft an, ihre Pupillen weiteten sich, denn vor ihr stand Kian, der in die Hocke gegangen war und ihr einen kleinen Cupcake mit einer einzigen Kerze vors Gesicht hielt. Sprachlosigkeit zeichnete Amiras Züge aus, ehe sich erneut Tränen ihren Freiraum erschufen und ihre Augen füllten. Wie hatte sie nur... wie war diese Sache an ihr vorbeigerauscht ?
»Alles Gute zum Hochzeitstag«, sagte Kian die Stille durchbrechend, in einem leicht zurückhaltenden Ton und einem unsicheren Lächeln im Gesicht, da er unmittelbar an die Diskussion von vor knapp einer Woche zurückdenken musste, wo er sich mit Amira heftig gestritten hatte und es bei den Scheidungspapieren geendet hatte. Kian war sich bewusst, dass es mit der Ehe der beiden nicht gut aussah, aber war es ihm dennoch wichtig gewesen Amira ein kleines Geschenk zu machen, trotz, dass er damit das Risiko einging, dass sie ihn erneut mit ihren Worten angreifen würde. Vielleicht war er blind, dachte er sich. Ein Masochist, der den Schmerz brauchte, aber wenn das das einzige Gefühl war was ihm Amira geben konnte, dann akzeptierte er es. Er wollte nur nicht, dass sie schwieg, dass die Stille ihn umwarb, dass sie aus seinem Leben verschwand und er ihre Stimme nie wieder zu hören bekam.
Amira, die vor Schock weit die Augen aufgerissen hatte, stellte sich im Bett aufrecht und stemmte sich mit den Armen auf der Matratze ab, ehe sie eine Hand auf ihren Mund presste und fassungslos wisperte:
»Ich... ich habe es vergessen. Ich...«
Erneut sah Kian die Tränen in ihren Augen und da er nicht wollte, dass sie wieder anfing zu weinen, fügte er schnell hinzu:
»Nein... nein, nein, das ist nicht schlimm. Du bist krank, ich habe nichts erwartet. Ich wollte dir nur eine kleine Freude bereiten.«
Doch Amira blickte starr auf die Kerze nieder und gab wie hypnotisiert von sich.
»Kian.. ich habe es vergessen.«
Dies war der Moment, wo der Damm zusammenbrach und die Flutwelle heftig über sie herfiel. Amira hatte ihre Tränen freien Lauf gelassen, es war keine Barriere mehr vorhanden. Erschrocken wusste Kian einen Moment lang nichts daraufhin zu erwidern. Er stand da mit dem Cupcake in der Hand und hatte definitiv nicht mit solch einem Gefühlsausbruch seitens seiner Ehefrau gerechnet. Er war überrumpelt.
»Hör auf zu weinen. Komm schon, schau mich an«, sprach auch er nun gequält aus, doch Amira konnte nicht anders, sie konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten.
»Bitte Amira... weine nicht. Tu mir das nicht an. Schau mich an." Es machte Kian wahnsinnig sie so zu sehen. Nicht, dass sie ein Mal geweint hatte, nein sie tat es schon zum zweiten Mal an diesem Tag und das war mehr als ungewöhnlich für Amira.
Traurig und mit Tränen im Gesicht blickte sie verzweifelt dann doch zu Kian runter. So viel Trauer, so viel Schmerz steckte in ihrem Blick. Sie wollte ihm so gerne sagen, wie leid es ihr tat, aber ihre Kehle war wie zugeschnürt. Kian, der froh darüber war, dass sie ihn nun angeblickt hatte, ergriff diese Initiative.
»Wünsch dir was und puste die Kerze aus. Vergiss das alles für einen Moment. Komm schon, querida«, sagte er so sanft zu ihr, dass Amira auf die Kerze blickte und dann wieder zu Kian. Dieser nickte ihr motivierend zu, was Amira dazu verleitete die Augen zu schließen und die Kerze auszupusten.
Sie machte ihre Augen auf.
»Gut«, sagte Kian. Es herrschte Totenstille und keiner der beiden tat in den Moment etwas anderes, als sich gegenseitig anzublicken.
»Darf ich mich zu dir legen ?«, fragte Kian sie plötzlich und Amira schnappte hörbar nach Luft. Kian dem Amiras Furcht in den Augen nicht entgangen war, fügte schnell hinzu:
»Ich möchte nur neben dir liegen mehr nicht, versprochen.«
Stumm nickte Amira daraufhin, was Kian dazu verleitete den Cupcake neben die Tasse auf den Nachtisch abzustellen und sich auf die andere Bettseite zu begeben. Amira legte sich in dem Moment ebenfalls wieder hin und drehte sich auf die andere Seite um, als Kian sich neben ihr niederließ. Sie waren so nah beieinander, ihre Körper, ihre Gesichter waren nur Millimeter voneinander entfernt, doch sie berührten sich nicht. Nur ihre Blicke sprachen Bände und berührten ihre Seelen.
»Danke«, flüsterte Kian.
Amira hob zitternd die Hand und fuhr plötzlich über seine Schläfe. Ganz langsam und sachte. Kian hielt den Atem an, beobachtete sie dabei aufmerksam und nahm gierig dieses schöne Gefühl ihrer Berührung in sich auf. Er hatte diese Zärtlichkeit so sehr vermisst. Als Kian weiterhin ihr Gesicht observierte bemerkte er, dass ihre Tränen getrocknet, doch trotz dessen eine Spur ihr Gesicht gekennzeichnet hatte. In dem Moment war das Bedürfnis in ihm so groß sie in den Arm zu nehmen, sie zu streicheln, sie in den Schlaf zu wiegen, doch er tat es nicht. Er wollte nicht, dass sie wieder vor ihm weg wich.
»Es tut mir leid«, flüsterte sie, was Kian überrumpelt aus seinen Gedanken riss.
»Was tut dir leid ?«
»Dass ich es nicht mehr schaffe, Kian. Dass ich keine Ehefrau für dich sein kann, dass dein Leben meinetwegen einstürzt.«Sie blickte ihm kummervoll in die Augen, wie als bat sie ihn stumm um Vergebung, um Frieden.
Kian spürte, wie ihm die Brust schmerzte, wie die Last ihrer Worte ihn wie eine Kugel traf, ihn verletzte und obwohl er wusste, dass er sich, mit dem was er jetzt Preis gab, erneut weh tun würde, konnte er sich nicht zurückhalten.
»Selbst wenn die Welt untergehen würde, es würde mich nicht kümmern. Du bist meine einzige Konstante Amira, die Balance meiner Welt.«
Amira sagte nichts und entzog nach wenigen Augenblicken ihre Hand von seinem Gesicht, was Kian plötzlich erzittern ließ. Dann drehte sie sich im Bett um, kehrte Kian erneut den Rücken zu und verriegelte ihre Welt vor ihm. Denn die Balance, die sie für seine Welt herstellte, hatte zufolge, dass ihre eigene unterging.
Huch was sehe ich denn da ? 🤤 Platz 2 😍🎉🎈 Ohne euch wäre das nicht möglich gewesen, danke ! 💕
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