🍀Dix-neuf - Jusqu'à ce que la mort nous sépare 🍀

●Bruno Mars - Marry You●

Gleichmäßiges Atmen bedeckte die trübe Luft, vermischt mit dem klaren Klang der zwitschernden Vögel draußen in der freien Natur. Amira und Kian waren in ihrer ersten gemeinsamen Wohnung und lagen beide auf dem kleinen Bett, welches sie sich durch den Nebenjob, den Kian nun angenommen hatte, als ihm seine Eltern den Geldhahn zugedreht hatten, endlich nach einigen Wochen leisten konnten. Kian lag auf dem Rücken, hatte dabei den rechten Arm hinter seinen Hinterkopf gestemmt, den anderen hingegen ausgestreckt, sodass sich Amira von links neben ihn legen konnte. Sie hatte sich zwischen seinen Arm und seine Brust geschmiegt und hatte sich bewusst klein gemacht, damit sie ihrem Verlobten näher sein konnte. Die Hand, an der ihr elegant und recht schlichter Ring hing, hatte sie um seinen Bauch geschlungen und ihr Gesicht dabei in sein dunkles T-Shirt vergraben. Seit sie vor einigen Monaten ihre Eltern verloren hatte, hatte sich Amira diese Geste, aufgrund der Albträume, die sie seit jäher immerzu verfolgten, zur Angewohnheit gemacht, um wieder in die Realität zurückzukehren. Sie lächelte in sich hinein, kuschelte sich noch näher an ihn und fuhr mit ihrer Hand sanft über seine harte Brust. Sie liebte diesen Mann und trotz, dass ihr Glaube an Gott durch den Verlust ihrer Eltern einen schweren Schlag erlitten hatte, konnte sie in diesen Momenten nicht anders, als Gott dafür zu danken ihm Kian, ihre große Liebe geschenkt zu haben.

So tief in ihren Gedanken versunken  und sich den Gefühlen zu Kian hingebend, hatte sie kaum bemerkt, dass sie ihre Freude bis nach Außen hat durchsickern lassen, da sie erst Sekunden später die Berührung ihres Geliebten aufnahm, der sanft über ihren Arm strich und sie fragte:

»Warum lächelst du ?«

Amira versteifte sich abrupt, als sie die harte, kalte Welle in seinen Stimmbändern bemerkte. Er hatte sich also trotz ihrer kühnen und nett gemeinten Worten immer noch nicht beruhigen können, dachte sie sich und seufzte auf, als sie ihren einen Arm auf der Matratze stemmend, hoch in Kians Gesicht blickte.

Er lag da, hatte eine beleidigte und äußert harte Miene aufgesetzt, die Amira verriet, dass seine Wut nicht vermindert, sondern gestiegen war, obwohl sie auf ihn eingeredet hatte. So sehr Kian es auch versuchte, er war für Amira immer wie ein offenes Buch gewesen. Denn bei ihm war es so leicht die Emotionen aus seinem Gesichtsausdruck herauszulesen. Doch die nun angespannte Haltung seines Körpers und der nach vorne gestreckte Kinn unterstrichen den Ernst der Lage, der vorlag. Bestrebt, dennoch den Blickkontakt zu Kian aufzubauen, fuhr Amira ihm erneut mit den Fingern über die Brust und stupste ihn leicht dabei an. Doch keine Reaktion erfolgte.

Amira ließ angestrengt die Luft aus ihrer Lunge raus und richtete ihre Augen starr auf ihn, auch wenn er dies in dem Moment noch nicht erwiderte.

»Querido hast du dich immer noch nicht beruhigen können ? Es ist alles in Ordnung. Ich habe doch herausgefunden, dass du mir nicht fremd gegangen bist.«

Nach diesen Worten hoffte Amira, dass Kians Züge erweichen, sich besänftigen würden, doch genau das Gegenteil nahm seinen Lauf, er wurde nur umso aufbrausender. Angestrengt atmete er tief die Luft aus seiner Kehle raus.

»Ich weiß, Amira. Ich weiß. Aber mit dieser Aktion sind sie zu weit gegangen. Ich meine, mich zu betäuben und dann halbnackt neben eine wildfremde Frau zu legen, die ebenso entblößt ist wie ich ? Das ging wirklich viel zu weit. Welche Eltern tun das ihrem eigenen Kind an, huh ? Keine normalen jedenfalls. Diese Menschen sind so verdammt verkor...«

Amira hob urplötzlich die Hand hoch und platzierte ihren Zeigefinger auf Kians Mund, um ihn damit zum Schweigen zu bringen. Sie war mehr als geschockt über den Wortlaut, den Kian bei seinen Eltern einschlagen wollte, trotz, dass sie seine unbändigende Wut gut nachvollziehen konnte.

»Kian ! Es sind deine Eltern, du kannst nicht so über sie sprechen.«

Kian schnaubte auf und verdrehte bei Amiras bemitleidenden Blick die Augen.

»Dann hätten sie sich gefälligst auch wie Eltern benehmen sollen ! Ich bin 21 Amira und kann meine Entscheidungen selbst treffen. Klar können sich Eltern Sorgen machen und einem Ratschläge geben, aber letztlich bleibt die Wahl dennoch bei mir. Außerdem haben sie Augen im Kopf, um zu sehen, wie glücklich ich mit dir bin.«

Sichtlich gerührt von Kians letzten Worten, legte sich Amira mit dem Kopf erneut auf seine Brust und bekam daraufhin seinen Herzschlag zu hören, welcher Laut gegen ihr Ohr schlug. Sie platzierte über diese einen kleinen Kuss, denn sie liebte es seinem Herzen zu lauschen. Auf irgendeine unerklärliche Weise beruhigte sie dieses gleichmäßige Klopfen.

»Eltern machen Fehler, genau wie wir Kian. Sie sind auch nur Menschen und exakt diese Fehler sind der Beweis ihrer Menschlichkeit.«

Kian lauschte aufmerksam den Worten seiner Verlobten und spürte, welch Einfluss ihre Worte auf ihn hatten und ihm seine Anspannung in jedem einzelnen Muskel vertrieben. Schmunzelnd nahm er einzelne Strähnen ihres Haars zwischen seine Finger, die er ihr behutsam aus dem Gesicht wegstrich und ihr anschließend einen zärtlichen Kuss auf den Kopf platzierte.

»Ich verstehe nicht, wie du nach all dem was meine Eltern dir und mir angetan haben, sie immer noch in Schutz nehmen kannst.«

»Eltern sind Eltern, Kian. Du solltest das schätzen, heute sind sie da, morgen vielleicht nicht mehr...«

Kian hielt abrupt in seiner Bewegung inne, als er sich erneut eine Strähne um den Finger gewickelt hatte. Denn er hatte den Atmosphärenumschwung, als auch den melancholischen Unterton in Amiras Stimme deutlich heraushören können. Kian öffnete den Mund, um etwas zu sagen, sie zu besänftigen, doch der Tod ihrer Eltern hatte Amira gebrochen und das sah Kian von Tag zu Tag immer mehr. Sie war unsicherer, launischer und deutlich emotionaler drauf, was Kian an sich nicht störte, doch seine Geliebte leiden zu sehen, war für ihn ebenso eine große Qual, wie für sie. Es herrschte weiterhin die Stille, die Amiras Worte unmittelbar über sie herbeigeführt hatten, doch Kian presste ihren Körper nur noch fester an seinen, ehe ihm plötzlich ein Gedanke aufkam, der ihn nach Luft schnappen ließ.

»Heirate mich. Heute noch, auf der Stelle«, durchbrach Kian die Stille mit diesen Worten, was Amira dazu veranlasste sich schnell von ihrer Position zu erheben und ihn in die Augen zu blicken, die entschlossen auf sie gerichtet waren.

»Was ? Kian was redest du denn da ?«

Doch als Amira das Strahlen und den Willen in Kians Blick identifizieren konnte, wurde ihr schlagartig bewusst, dass sie sich nicht verhört hatte. Er meinte es todernst.

»Amira ich möchte sowieso mein ganzes Leben mit dir verbringen. Ich möchte dieselbe Luft wie du atmen, will mit dir an einem gemeinsamen Ort sein. Was bringt es dann noch zu warten ? Meine Eltern werden nicht aufhören uns zu schikanieren, wenn wir dem nicht ein Punkt setzten. Es macht mich immer noch wütend, dass es meinen Eltern dieses Mal wirklich fast geschafft hätten uns auseinander zu bringen. Ich werde nie deinen gebrochenen Ausdruck vergessen, als du das Zimmer betreten und mich neben dieser fremden Frau hast liegen sehen. Es macht mich jetzt schon verrückt, wenn ich mir überhaupt ausmale, was geschehen wäre, wenn diese Frau von ihrem schlechten Gewissen geplagt, nicht die Wahrheit von selbst Preis gegeben hätte. Ich...«

Kian fuhr sich aufgelöst durch die Haare. Auch wenn seine Wut leicht gedämmt war, konnte er nichts dagegen unternehmen, als sich erneut darüber zu ärgern. Die Enttäuschung bezüglich seiner Eltern saß tief und so leicht würde sich diese Grube in nächster Zeit auch nicht füllen können, darüber war er sich mehr als sicher.

»Ich möchte, dass du meine Frau wirst, Amira. Ich will, dass sie sehen, wie ernst ich es mit dir meine und dass selbst sie sich nicht zwischen uns stellen können.«

Amira, die vor Gerührtheit kaum einen Laut zustande bringen konnte, spürte wie ihr vor Freude die Tränen kamen, als sie dem Mann, der ihr ganzes gebrochenes Herz erobert hatte, in die haselnussbraunen Augen blickte.

»Und du bist dir sicher, Kian ?«, fragte sie kleinlaut, was ihn dazu verleitete sich ebenfalls aufzusetzen und seine Stirn gegen ihre zu lehnen.

»Ich war mir bei nichts anderem so sicher, als wie bei dem hier. Ich will mein ganzes Leben mit dir verbringen, Amira Jaramago. Ich möchte der Mann sein, der dich glücklich macht.«

Mit einem leichten Kuss auf ihren Haaransatz machte sich Kian aus dem Bett und zog sich seine Jacke über.

»Heute Abend noch werden wir offiziell Mann und Frau sein. Ich bin in einigen Stunden zurück, bis dahin habe ich einen Pfarrer engagiert, einen Anzug besorgt und alles restliche erledigt. Du kannst dich bis dahin nach einem Brautkleid, Blumenstrauß und was alles dazu gehört hier in der Nähe umschauen. Ich rufe dich an, wenn wir uns an einem bestimmten Ort treffen, ja ? Keine Sorge ich werde nicht lange brauchen und...«

Kian stoppte bei seinen Worten, als er plötzlich Amiras unsichererem Blick begegnete und das nervöse Kauen auf ihrer Unterlippe zu sehen bekam. Er runzelte die Stirn, spürte aber in nächsten Augenblick, wie das schlechte Gewissen ihn plagte. Augenblick schlug er sich auf die Stirn und kniete sich wieder auf das Bett zu Amira nieder um ihre Hände in seine zu nehmen und sanfte Küsse auf diese zu platzieren.

»Entschuldige... Das war zu unsensibel von mir«, flüsterte er und blickte ihr reuevoll tief in die Augen. Er wollte immer nur das Beste für sie. Er wollte ihr die Welt unter die Füße legen. Die Angst diese Aufgabe zu verfehlen ließ ihn immerzu voreilige Schlüsse ziehen, aber Amira war eine Frau und für die meisten Frauen waren Hochzeiten mit das Wichtigste, ein einmaliges Erlebnis, wo sie ihrer Fantasie freien Lauf lassen konnten. Ein wunderschönes Fest, eine wunderschöne Atmosphäre, ein elend langes weißes Brautkleid und eine große leckere Torte war wohl das mindeste, wovon eine Frau träumen konnte. Kian hatte nicht das Recht so egoistisch zu handeln und Amira diesen Wunsch vorab aus den Händen zu reißen. Er konnte und wollte ihr ihre Träume nicht zunichtemachen.

»Ich will dich zu nichts drängen querida. Womöglich stellst du dir eine große Hochzeit vor, mit Freunden und Verwandten und ein Brautkleid, dass...« Kian wurde in seinem Satz unterbrochen, als Amiras Zeigefinger zaghaft seine Lippen berührten und ihn somit zum Schweigen brachten. Verwundert, blickte Kian zu Amira auf und als ihr ehrliches Lächeln und ihre liebevollen Augen auf ihn einstachen, da spürte er, wie er seine nächsten Worte vergaß. Die Welt um ihn herum schien in dem Moment stillzustehen und nur sie, die schönste Frau, die er äußerlich als auch charakteristisch, je angetroffen hatte, existierte nur noch für ihn.

Amira kicherte auf, als sie bemerkte, wie Kian sie ungeniert anstarrte und sich nicht von ihren Augen losreißen konnte. Sie freute sich sehr darüber, dass auch Kian sich über ihr Wünsche Gedanken machte. Denn Amira hatte sich diesen Moment so oft mit Tia ausgemalt. Nun aber merkte sie, dass das alles keine Relevanz hatte. Sie nahm ihren Finger von seinen Lippen und antwortete liebevoll:

»Es ist mir egal, wann, wo und wie wir heiraten, Kian, hauptsache du bist bei mir. Für immer. Mehr brauche ich im Leben nicht. Weder ein schickes teures Kleid, noch ein Orchester oder ein Buffet. Du bist der, den ich will und wenn diese Entscheidung, die wir jetzt treffen, dazu beiträgt, dass wir keinen Tag mehr mit der Angst leben müssen getrennte Wege zu gehen, dann beuge ich mich gerne diesen Maßnahmen hin.«

Vom Gefühl des Glücks gepackt, fasste Kian seine Verlobte so hart und so plötzlich am Hinterkopf, sodass sie aufkeuchte, als seine Lippen die ihre fanden. Verlangen und maßlose Liebe nahmen wie ein Lauffeuer Besitz von ihnen, sodass Kian sich nur schwer zusammenriss, sich nicht wieder auf die Matratze zu werfen und den ganzen Tag mit Amira im Bett zu verweilen. Doch der Tag war lang und Kian hatte vieles vor. Noch heute wollte er nämlich nicht mehr neben seiner Verlobten, sondern neben seiner Frau schlafen. Deshalb riss er sich nur schwer zusammen und lehnte sich leicht nach hinten, sodass der leidenschaftliche Kuss unterbrochen wurden. Kian blickte Amira ins Gesicht, die atemlos und mit geröteten Wangen auf ihre nun angeschwollenen Lippen biss. Kian schluckte hart bei dessen Anblick, hielt dich aber dennoch zurück und setzte ihr einen sanften Kuss auf die Nase.

»Ich liebe dich, Mrs. Barroso.«

Beim Nennen dieses Namens musste Amira, wie ein Kleinkind anfangen zu kichern. Peinlich berührt davon, hielt sie sich die Hand vors Gesicht.

»Noch bin ich es aber nicht.«

Kian bückte sich zu ihr vor, seine Lippen streiften erneut die ihre, als er ihr zuraunte:

»Aber die wirst du heute noch werden.« Gefolgt von diesen Worten stand er auf, wischte sich den Staub von den Knien ab und richtete erneut seine Jacke zurecht. Dann begab er sich mit einem schelmischen Grinsen, welcher weiterhin auf Amira gerichtet war, zur Tür. Amira verdrehte belustigt und zugleich aufgeregt die Augen.

»Geld findest du in der Schublade und falls was sein sollte ruf mich an. Ansonsten mach dich bereit und warte auf eine Nachricht von mir. Bis später querida.« Er zwinkerte ihr zum Abschied zu und schloss anschließend die Tür ihrer spärlichen Wohnung zu, sodass Amira nur noch das wilde Pochen ihres eigenen Herzens zu hören bekam.

»Wir sind verrückt. Vollkommen verrückt«, sprach sie mit einem Lächeln im Gesicht und einem Strahlen in den Augen aus, welches nicht mehr von ihr lassen wollte. Er wollte sie wirklich zur Frau nehmen. Kian Barroso, einer der begehrtesten Junggesellen in London schlechthin, wollte Amira, die niemanden außer sich selbst hatte, zur Frau nehmen.

Vor Freude kichernd, presste Amira sich die Hand auf dem Mund, wie als wollte sie ihre Freude vor der Außenwelt verbergen, trotz dass niemand außer ihr in der Wohnung war. So viele Gefühle stauten sich in ihrem Inneren auf, weshalb sie schon Angst hatte vor Glück regelrecht in die Luft gehen zu können. Von der Freude überwältigt, warf sich Amira rücklings, die Arme zu beiden Seiten ausgestreckt nach hinten auf die Matratze. Die Haare wild durcheinander, blickte sie einige Sekunden lang stur auf die Decke, ehe erneut ein Grinsen ihren Platz einnahm.

»Mrs. Barroso... Mrs. Barroso.« Sie richtete sich auf, zog scharf die Luft ein und versuchte einem französischen Kellner nachzuahmen, als sie erneut anfing zu sprechen.

»Ihr gewünschter Kakao, Mrs. Barroso. Darf ich Ihnen sonst noch was anbieten, Mrs. Barroso

Amira lachte wie eine Irre laut auf und vergrub ihr Gesicht in dem Kissen neben ihr. Sie benahm sich wie ein Teenager, der, so schien es ihr, zum ersten Mal ein Kompliment bekommen hatte. Es war absurd, aber trotzdem konnte sie nicht bei sich halten. Der Name klang so gut und sie wusste auch jetzt schon, dass sie in Zukunft, wenn jemand sie als 'Mrs. Barroso' ansprechen würde, jedes Mal Lächeln müssen würde.

Nach einigen Sekunden des Schweigens, gefolgt von der endlos tobenden Aufregung in ihr, rappelte sie sich anschließend auf und warf sich mit dem Oberkörper nach vorne, sodass sie an die Schublade kam, auf die Kian sie aufmerksam gemacht hatte. Sie brauchte ein Brautkleid. Auch wenn es nicht das Pompöseste oder Teuerste werden würde, hatte Amira nichts dagegen, wenn es leicht fließend und eher dezent hergerichtet war. Sie mochte es sowieso eher schlicht. Zudem würde der Brautstrauß, den sie dich besorgen würde und der Schmuck allem etwas mehr Klasse hinzufügen, sodass es kein Problem darstellen sollte, wenn es nicht das Kleid ihrer Träume wäre. Von der Euphorie gepackt und zugedröhnt, fasste Amira in Gedanken bei ihrem weißen Hochzeitskleid in die Schublade und holte sich die Geldscheine aus dieser raus. Ihr Lächeln verlor jedoch schnell ihren Glanz, als sie die wenigen hundert Dollar Scheine zu Gesicht bekam.

Ein tiefer Seufzer verließ im Anschluss ihre Kehle. Sie musste sich nichts vormachen, den sie wusste auf Anhieb, dass das für ein Brautkleid nicht reichen würde und auch wenn, wie sollte sie Schuhe, ein Strauß Blumen und andere Sachen, die von Notwendigkeit waren beisammen bekommen ? Sie ließ die Scheine aufs Bett fallen und seufzte auf. Amira hatte keine hohen Ansprüche, aber mit diesem Budget würde sie sich selbst das dezenteste Kleid nicht leisten können. Denn Amira kannte diese Gegend und hier gab es weit und breit kein Brautmodegeschäft, welcher für diesen Preis etwas anbieten würde. Tränen stiegen Amira auf. Sie wollte nicht viel, aber ohne ein Brautkleid... das ging nicht. Seit ihrer Jugend hatte sie mit Tia über ihre beiden Hochzeiten geschwärmt, wie sie sein würden, wen sie alles einladen würden... Amira hatte niemanden außer ihren Eltern, doch da sie nun nicht mehr unter ihnen verweilten, da.... Amira stoppte in ihrem Gedankenprozess und schrie laut auf, als sie dabei plötzlich etwas realisierte.

»Oh Gott Tia ! Oh Gott, oh Gott... oh verdammt.« Amira schlug sich so hart gegen die Stirn, dass ein lautes 'Patsch' erklang. Doch ihre Dusseligkeit konnte sie selbst damit nicht wegwischen. Sich in den funkelnden Augen und in dem verlockenden Angebot verlierend, hatte Amira etwas viel Wichtigeres vergessen, als ihr Brautkleid. Und zwar ihre beste Freundin Tia.

»Oh das wird ihr nicht gefallen«, murmelte Amira nervös auf ihrer Unterlippe kauend vor sich hin und schnappte sich das Handy. Tia war mit ihrem Freund Nr. 4 für eine Weile in New York; um, wie sie sagte, die Welt mit ihm zu erkunden. Dies bedeutete wiederum, dass sie nicht hier bei Amira sein konnte. Nicht heute, an diesem Tag.

»Verdammt...« Amira stiegen die Tränen in die Augen, als sie die Wahrheit traf, dass sie ihr Versprechen gegenüber ihrer besten Freundin nicht halten können würde.

Einige Sekunden lang blickte sie auf ihr Handy und auf die Nummer von Tia, die anschließend aufblinzelte, nieder. Wie viel Uhr es wohl jetzt in New York war, stellte sich Amira diese Frage, bis sie sich in Gedanken rief, dass es Nacht bei ihnen sein musste. Sollte sie trotzdem versuchen sie anzurufen, auch wenn sie sie womöglich weckte ? Amira versuchte sich andere Möglichkeiten im Kopf durchgehen zu lassen, doch da wurde ihr klar, dass es keine weitere Option mehr gab. Tia würde sie ein Kopf kürzer schneiden, wenn Amira ihr nicht einmal Bescheid geben und sie stattdessen am nächsten Tag anrufen würde, um ihr zu sagen, dass sie nun geheiratet hat. Das wäre, wie als würde sie mit Absicht eine Bombe hochfahren lassen. Jetzt hingegen hatte sie noch die Möglichkeit diese Bombe zu entschärfen, dachte sie sich und tippte mit den Fingern auf die Anruftaste, als sie auch schon, das Gesicht vor Nervosität verzogen, das Handy an ihr Ohr presste.

Amiras Herz klopfte ihr wild in der Brust. Dass sie ran gehen möge und dass sie dies nich täte, rangen regelrecht miteinander, sodass Amira fast vollkommen in ihrer Gedanken versunken war und zunächst kaum die Stimme am anderen Ende der Leitung wahrgenommen hatte.

»Hallo ? Hallo ? Amira du Nuss, jetzt antworte doch endlich«, schrie Tia laut in der Hörer hinein. Im Hintergrund hörte Amira sanfte Musikklänge und dass jemand, womöglich ein Kellner, Tia ein Glas zuschob.

Amira hob verwundert die Augenbrauen in die Höhe und fragte sich, wo zur Hölle sich ihre beste Freundin um diese Uhrzeit befand. Tia war zwar eine Feiermaus, aber durch ihren neuen Freun, der zu Geschäftsterminen immer eher aufbrechen musste, hatte sie sich ebenfalls angewöhnt, eher zur Ruhe zu kommen und ihrem wilden Nachtleben ein Ende zu setzen. Nach den Hintergrundgeräuschen nach zu urteilen, schien sie jedoch wieder in ihr altes Muster verfallen zu sein. Amira runzelte die Stirn, als sie zu einer Antwort ansetzte.

»Ja... Tia kannst du mich hören ?«

»Ja, aber mir wäre es lieber, wenn du dennoch etwas lauter sprechen könntest«, schrie sie am anderen Ende der Leitung, was Amira ein Grinsen entlockte.

»Ich bin nicht davon ausgegangen, dass du ran gehen würdest. Wollte aber dennoch mein Glück versuchen. Wo bist du gerade eigentlich ? Müsstest du nicht mit deinem Freund schon längst im Bett liegen und am schlafen sein ?«

»Dieser sogenannte Freund ist ab dem heutigen Abend finito«, hörte sie, wie ihre beste Freundin verbittert in der Hörer sprach, sodass sie erstaunt nach Luft schnappte.

»Wie meinst du das ?«

»Na ganz einfach, wir haben Schluss gemacht. Wir passen einfach nicht zusammen. Er schränkt mich zu sehr ein und du weißt, dass ich meinen Freiraum brauche. Ich sitze gerade an der Hotelbar und wollte auf eine erneut gescheiterten Beziehung trinken, doch kannst du mir glauben, da hat mir gerade ein Kerl, der nur wenige Plätze weiter weg sitzt einen Martini rüberschicken lassen. Ich glaube, er ist Franzose und obwohl ich kein Wort französisch kann, würde ich für diesen hübschen Schlingen sogar extra einen Sprachkurs besuchen.«

»Verstehe...Tia warum ich angerufen haben...«, fing Amira zurückhaltend an, doch da wurde sie vom leisen Gekreische Tias unterbrochen.

»Ohh Gott, er schaut mich an, Amira... Kannst du das glauben, er guckt hierhin ! Ohh man er sieht so gut aus. Jetzt steht er auf, ohhh Gott Amira er kommt zu mir...«

Ehe Amira daraufhin etwas erwidern konnte, hörte sie ein Rascheln am anderen Ende der Leitung und Amira realisierte auf Knopfdruck, dass sich Tia nun mit ihrer neuen Bekanntschaft unterhielt, der sich zu ihr an die Theke gesetzt hatte. Dennoch konnte Amira ihr leises Atmen hören, also hielt Tia ihr Handy anscheinend immer noch an ihr Ohr gepresst. Na gut, fein, dachte sich Amira, als sie das Aneinanderklirren von Gläsern hörte und sich in dem Moment sogar bildlich vorstellen könnte, wie Tia ihr Martiniglas an ihre Lippen führte.

»Ich werde dich nicht weiter von deinen wichtigen Aktivitäten abhalten, Tia. Ich wollte dir nur Bescheid geben, dass ich heirate. Und das heute noch«, platzte Amira unhaltbar mit der Neuigkeit raus.

Zwei Sekunden. Nur zwei Sekunden vergingen in einer erstarrten Stille, ehe ein lautes Husten erklang und das Spucken von Tia am anderen Ende der Leitung kaum zu überhören war. Amira, die die französische Sprache gut beherrschte hörte die plötzlich lauter werdende Männerstimme und als sie den Wortlaut auffasste, konnte sie nicht anders, als sich lachend den Mund zuzuhalten. Tia hatte doch nicht allen ernstes den Martini trinkend auf sein Gesicht gespuckt ? Anscheinend hatte sie genau in dem Moment, wo Amira ihr diese Information kund gegeben hatte aus ihrem Glas getrunken. Amira lachte in sich hinein.

Das laute Fluchen des Mannes schallte wieder, doch Tia schien ihn zu ignorieren, denn ihre zuvor noch sinnlich klingende Stimme war um einige Oktaven hochgeschossen.

»Wie ? Wie du heiratest jetzt ? Amira wenn das jetzt ein Scherz ist, dann kann ich dir nur beteuern, dass das gar nicht witzig ist.«

Amira setzte jedes Mal zu einer Antwort aus, doch immer wieder hörte sie zwischendurch den Franzosen wütend auf Tia einreden, die ihn weiterhin ignorierte. Als Amira jedoch deshalb nicht einmal zu Wort kommen konnte und ihre Geduld sich dem Ende neigte, hörte Amira, wie Tia laut aufzischte.

»WAS ? WAS IST ? Meine beste Freundin heiratet ohne mich und du redest hier einen Unsinn vor dich hin, du Affe.«

Amira hörte, wie der Typ ihr auf Französisch antwortete. Sie schienen sich zu streiten, obwohl sie sich nicht einmal verstanden. Tia fing an auf Englisch auf ihn einzureden, er hingegen antwortete ebenso aufgelöst auf Französisch. Von Außen gesehen, war das wirklich ein sehenswertes Spektakel.

»Also zisch ab und nimm deinen blöden Martini mit. So gut siehst du auch wieder nicht aus... du... du... Amira ? Was heißt 'Arschloch' auf Französisch ?«

»Tia ! Das ist jetzt nicht dein Ernst, lass den armen Kerl in Ruhe.«

»Er steht auf«, flüsterte sie, ehe ihre Stimme sich erhob.

»Und nun bist du dran, Madame. Du bist mir eine Erklärung schuldig.«

Als der strenge Ton in ihrer Stimme Amira sagte, dass sie kein wenn oder aber dulden würde, atmete Amira tief durch und begann zu erzählen, wie es zu dieser spontanen Entscheidung kam. Nachdem sie fertig mit dem erzählen war, verstummte sie augenblicklich. Mit rasendem Herzen lauschte sie dem gleichmäßigen Atem von Tia und wartete darauf, dass sie endlich zu Wort kam. Doch als die Sekunden voller Stille dahin strichen, packte sie die Panik und sie bemerkte, wie sehr ihre Hände zu schwitzen begannen.

»Ich werde ihn umbringen. Ich werde Kian umbringen. Wie kann er nur... Gott Amira ich freue mich wirklich für dich, aber... wir haben Jahre lang auf diesen Moment gewartet.«

Amira wusste, dass Tia mit die Erste war, die ihre Heirat mit Kian befürwortet hatte. Tia war kein schlechter und ebenfalls auch kein egoistischer Mensch. Amiras Glück war ihr wichtiger als ihr eigenes, jedoch könnte sie ihre Traurigkeit unmöglich verbergen, dass sie nicht bei der Trauung ihrer besten Freundin, als ihre Brautjungfer mit dabei sein konnte.

»Ich werde in Gedanken bei dir sein Tia...«, fing deshalb Amira behutsam an zu sprechen, wohl wissend, dass Tia dies wichtig war. Tia antwortete ihr jedoch nicht.

»Und außerdem... nur ich heirate. Wir können es dieses Mal nicht auskosten, aber bei deiner Hochzeit werden wir die Möglichkeit dazu haben, das verspreche ich dir.«

Amira hörte ein Schniefen am anderen Ende der Leitung und urplötzlich zog sich ihr krampfhaft das Herz zusammen. Tia war ein Emotionsbündel. Amira hatte gelernt mit ihr umzugehen und doch machten sie solche Situationen ebenfalls traurig, weil sie wusste, dass ihre beste Freundin im Hintergrund angefangen hatte Tränen zu vergießen.

»Pahh ich und heiraten. Das glaubst du doch wohl selber nicht. Ich kriege keine ordentlichen Beziehungen hin Amira. Selbst meine Eltern hatten in meiner Jugend die Nase voll von meinem rebellischen Verhalten, weshalb sie mich alleine nach England zum Studieren geschickt haben. Du hast nie die Hoffnung in mir aufgegeben, obwohl viele vor dir es schon längst getan haben. Ich wünschte, ich könnte bei dir sein.«

Nun kämpfe auch Amira mit den Tränen, als sie auf die Decke blickte und innerlich bis zehn zählte, um das Zittern ihrer Stimme zu kontrollieren, bevor diese sie beim Reden verraten könnte. Sie schnappte laut nach Luft.

»Du wirst immer ein Teil meiner Familie sein. Bitte sei nicht traurig, Tia.«

Im Hintergrund hörte Amira, wie das laute Poltern des Glases auf dem Tresen erklang, ehe Tia mit einer festen Stimme wieder zum Sprechen ansetzte.

»Genug von mir. Es ist dein Tag, meine Emotionen haben sowieso gerade die Oberhand über mich gewonnen, aber trotz dessen heißt das nicht, dass ich aufgrund dieser Entfernung nicht für dich da sei kann. Also... Ich kenne dich. Sag mir, wie es dir damit geht. Du hast nicht nur angerufen, um mir Bescheid zu geben, oder ? Du bist nervös, hab ich recht ?«

Amira war gerührt von dieser Feinfühligkeit. Trotz, dass es Tia mit der Situation nicht gut ging, wusste sie auf Anhieb, wie sie zu reagieren hatte, um Amira zu beruhigen und dafür war Amira ihr im Moment mehr als dankbar. Denn wenn sie jetzt nicht sprach, dann wusste sie nicht wohin mit ihr. Sie war umworben von solch intensiven Gefühlen, dass es sie regelrecht zu ersticken drohte.

»Ich weiß nicht... Ich weiß es wirklich nicht, Tia. Einerseits bin ich so glücklich, dass mir das Herz durch all die Liebe, die ich für Kian empfinde aus der Brust springen möchte. Auf der anderen Seite hingegen habe ich auch unglaublich Angst. Eine Ehe ist nichts womit man spaßen sollte. Da darf man nicht nur nach den eigenen Bedürfnissen und Wünschen handeln, sondern muss jetzt immer auch den Partner mit berücksichtigen. Es wird sehr viel Arbeit auf uns zukommen. Wir brauchen viel Geduld, viel Durchhaltevermögen, da Kians Eltern es uns vielleicht auch danach nicht viel leichter machen werden. Verstehst du, was ich meine ? Das ist mir wichtig, Tia. Das ist das Wichtigste in meinem Leben. Kian. Unsere Ehe ist etwas sehr Kostbares und ich möchte das nicht mit eigenen Händen kaputt machen.«

Amira hielt einen Moment inne und dachte über ihre Worte nach, ehe sie ehrfürchtig in ihr Handy flüsterte:

»Was wenn ich versage... bin ich wirklich bereit für diese Ehe ?«

»Amira ?«

»Ja ?«, gab sie schneidend von sich.

»Wie fühlst du dich, wenn du Kian einen Tag lang nicht siehst ? Oder wenn er von einer Vorlesung zur anderen rennt und ihr euch, trotz dass ihr zusammengezogen seid, bis zum Abend hin nicht zu Gesicht bekommt ?«

Amira lauschte einen Moment dem Klang ihres eigenen Atmens und versuchte dabei vergebens Tias Worte zu verinnerlichen. Wie sie sich fühlte, wenn Kian nicht bei ihr war ? Wenn er sie nicht anblickte, sie nicht mit seinem schönen Lächeln bedachte ? Amira überlegte und überlegte, aber eine Antwort schien ihr nicht einfallen zu wollen. Verärgert darüber, zogen sich ihre Augenbrauen leicht runter, bis sie in der Mitte stoppten und wieder zum Erweichen kamen. Nun realisierte Amira was das zu bedeuten hatte. Keine Antwort hieß, dass sie nichts fühlte... denn wenn Kian nicht bei ihr war, dann war sie nichts als eine leere Hülle.

»Ich... ich habe das Gefühl als würde ich leben und doch gleichzeitig nicht. Als würde mein Herz vor sich hin schlagen, doch dass die eigentliche Vene die dahin führt verbarrikadiert wäre. Ich fühle mich unvollständig ohne ihn. Wenn er nicht bei mir ist, bin ich nicht ganz.«

»Und wovor hast du dann genau Angst, Amira ? Wenn es nicht die Nähe zu ihm ist, was ist es dann ?«, stellte sie ihr im Anschluss völlig aus dem Kontext gerissen die nächste Frage, was Amira wiederum dazu verleitete die Stirn zu kräuseln. Dennoch überlegte sie auch hierbei, ehe sie sich einer Antwort sicher war.

»Ich habe Angst als Ehefrau versagen zu können. Ihm nicht das bieten zu können, was er verdient. Dass es zu viel werden könnte für ihn und er sich nach seinem alten Leben, nach seinem alten Lebensstandard sehnt.«

»Amira ?« Irgendetwas in ihrer Stimme ließ sie aufhorchen und die Angst in Amiras Stimme mitschwingend sprach sie unsicher ein 'ja' aus.

»Du bist bereit für diese Ehe. Kians Nähe schreckt dich nicht ab, es stärkt dich. Du hast kein einziges Mal daran gezweifelt, dass er in der Ehe etwas falsch machen könnte. Nie hast du gesagt, er könnte so oder so sein. Du hast eher an dir gezweifelt und das meine Liebe ist völlig normal. Du hast Angst, Angst dich einer neuen Welt hinzugeben und du hast Angst nicht gut genug zu sein. Aber eure Liebe ist stark... wenn ihr wollt, kann euch rein gar nichts aufhalten außer ihr selbst.«

Zu Tränen gerührt wusste Amira nichts zu sagen. Sie fuhr sich nun über das Tränen überschwemmte Gesicht und lächelte.

»Also hör auf dich selbst runter zu machen, ok ? Gott was ist nur aus deinem Biss geworden ? Diese Beziehung hat dich zu sentimental werden lassen.«

Amira spürte regelrecht wie Tia die Augen verdrehte und sie musste selbst anfangen zu lachen.

»Ok, das hätten wir erledigt. Kann ich dir sonst irgendwie behilflich sein ?«

Amira biss sich auf die Unterlippe und starrte in dem Moment auf die Dollarscheine, die auf ihrer Matratze lagen, ehe sie gepresst aufmurrte. Sie seufzte auf, anschließend sie Tia ihre finanzielle Lage erläuterte.

»Auch auf das Kleid muss ich anscheinend wohl oder übel verzichten und anstatt dessen ein normales Kleid kaufen. Man... Ich wollte so gern in weiß heiraten.«

Als Tia am anderen Ende der Leitung nicht antworte, blickte Amira verwirrt auf ihr Handy nieder, doch sie war noch dran.

»Hallo ? Tia ?«

»Hast du noch meine Wohnungsschlüssel, die ich dir während meines Aufenthalts in New York anvertraut habe ?«, platzte sie jäh mir ihren Worten raus, sodass Amira verwundert die Augenbrauen hochzog. Manchmal verstand sie ihre beste Freundin wirklich nicht.

»Eh ja wa-...«

»Du stehst jetzt sofort auf und fährst mit dem Schlüssel zu mir. Auf dem Dachboden in einem sehr großen Karton, das wird kaum zu übersehen sein, ist das Brautkleid meiner Mutter, welches sie mir vor ihrem Tod gegeben hatte, damit auch ich es bei meiner Hochzeit anziehen kann. Sie meinte, es sei eine alte Familientradition. Na ja, ist ja auch egal. Das Kleid konnte ich noch nicht umändern und da es mit der Heirat sowieso aussichtslos ist, kannst du es für den heutigen Anlass benutzen. Es steht sowieso schon so lange da oben, da kann es auch zu etwas nützlich sein.«

Amira war sprachlos. Sprachlos über das Angebot, was ihr Tia nun freiwillig vor die Füße legte. Ganz gleich, wie gelassen sie auch bei der Formulierung dieser Sätze klang und wie sehr Tia versuchte diese Tradition runter zu spielen, Amira wusste ganz genau, dass Tia dieses Brautkleid mit Liebe gepflegt und weg verstaut hatte. Amira erahnte nur zu gut, dass Tia dies nicht einfach so auf dem Dachboden hat herumliegen lassen, sondern immer wieder, wie ein Kleinkind nach oben geklettert sein und diese anprobiert und Stunden lang vor der Spiegel rumgeprobt haben muss. Tia war nämlich tief in ihrem Inneren gebunden an ihre Traditionen und in ihren romantischen Träumen malte sie sich bestimmt aus, wie sie mit dem Kleid ihrer Mutter zum Altar schreiten würde. Sie gab es nicht zu, aber das Kleid bedeutete ihr alles. Es war das letzte Geschenk ihrer Mutter an sie gewesen.

»Tia das kann ich nicht annehmen...«, sprach Amira flüsternd aus, außerstande nun ihr Winseln zu unterdrücken. Sie war so unfassbar getroffen, dass die richtigen Worte einfach nicht ihren Weg nach außen finden wollten.

»Nein... Nein nicht weinen. Wenn du jetzt weinst muss ich auch wieder anfangen und die Leute hier werden mich anstarren. Außerdem werde ich die ganze Nacht auf euch trinken. Und da darf ich nicht so ein Gesicht verziehen.«

Amiras Unterlippe zitterte so heftig, dass sie das Gefühl hatte, als würde sie gleich wie ein Wasserfall unhaltbar laufen, doch da besann sie sich zur Besinnung und flüsterte gerührt:

»Wie... wie kann ich dir das je wieder zurückzahlen ?«

»Werde einfach glücklich. Mehr verlange ich von dir nicht.«

7 Stunden später:

Amira blickte nervös auf ihren Blumenstrauß nieder, außerstande sich zu rühren. Die roten Rosen in ihrer Hand, die farblich im Einklang zu ihrem Lippenstift waren, stachen hervor und verpassten der schönen weißen Farbe ihres Kleides einen Wow-Effekt. Tias unterschwellige Begeisterung zum Kleid war definitiv nicht vorgespielt, denn das Kleid war in Amiras Augen wirklich wunderschön. Ein fließendes dezentes weißes Brautkleid, welches an der Taille eng angeschnitten war und zudem an dieser Stelle das Detail vorwies aus Spitze zu bestehen, passte Amira wie angegossen. Ein leichtes Dekoltee umspielte ihre Brüste, weshalb Amira sich dazu entschlossen hatte, ihre Haare offen zu tragen. Neben dem Blumenstrauß, welches sie aus dem nahegelegenen Blumenladen gekauft hatte, hatte sie die Floristin dazu gebeten ihr einen Kranz aus Rosen zu machen, damit sie dieses als Accessoire in ihre Haare stecken konnte. So war sie nun die perfekte naturelle Braut, was Kian deutlich besser gefiel.

Als sie wieder an ihn dachte, blickte sie sich um, denn er war immer noch nicht erschienen, trotz dass er ihr eine SMS geschrieben und sie die Kirche als Treffpunkt vereinbart hatten. Etwas abseits am Eingang stand sie nun da, konnte immer noch nicht glauben, dass es gleich passieren würde. Dass sie den Mann, den sie einst den Kaffee ins Gesicht geschüttet hatte, heiraten würde. Als die Sekunden, gar Minuten dahin strichen, wurde Amira ungeduldig und sie fing an zu frieren. Das Tuch was sie sich mitgenommen hatte um ihre Schulter und ihr Dekoltee damit zu verdecken, schlang sie sich um und drehte sich nun komplett zu den Treppen.

»Na wenn du nicht einmal pünklich sein kannst, sehe ich es nicht ein in dieser Kälte auf dich warten zu müssen«, stieß Amira verärgert vor sich hinmurmelnd aus und ging die Treppen hoch. Als sie die Tür zum Vorraum öffnete, stockte Amira plötzlich der Atem und ihre Wut auf Kian löste sich augenblicklich in Luft auf.

Der Vorraum, der die Kirche mit dem Eingang trennte, war mit Ballons gefüllt, die bis zur Decke reichten. Ballons in weiß und schwarz, die alle eine Schnur enthielten, welche nach unten baumelte. Mit ungläubigem Blick trat Amira herein und musste wie ein kleines Kind kichern, als sie von allen Seiten regelrecht umzingelt war von diesen Ballons. Plötzlich blieb ihr Blick an einer Schnur von vielen hängen auf der ein kleiner Zettel aufgeklebt war mit der Ziffer '1'.

Amira zog den Ballon runter und nahm sich den Zettel in die Hand auf der eine kleine Notiz stand.

Ich liebe dich, Amira Jaramago.

Amira musste bei dieser Nachricht lächeln, ehe sie vor sich hinsprach.

»Kian. Ausnahmsweise Mal hast du einen guten Grund für dein verspätetes Erscheinen.«

Sie blickte auf und suchte nach der nächsten Ziffer. Als sie den Ballon mit der Aufschrift '2' entdeckte, zog sie auch diesen runter und siehe da, auf dieser war ebenfalls eine Notiz draufgekritzelt.

Diese Worte waren schon ab dem Tag in meinem Herzen eingraviert, als wir unser erstes katastrophales Date hatten. Du hast mich nie verurteilt, hast dich nie von meinem Ruf abschrecken lassen. Du hast mir die Stirn geboten, hast mich immerzu in den Wahnsinn getrieben, wenn du deinen Sturkopf umsetzten wolltest. Wenn du dir über einige Sachen zu viele Sorgen gemacht hast, aber an einigen Momenten dennoch deine sanfte und liebevolle Seite hervor beschworen hast, habe ich die wahre Amira gesehen. Du hast mich in deine Welt gelassen und dafür liebe ich dich.

Ehe die Tränen Amiras Make-up verschmieren konnten, hielt sie nach der '3' Ausschau, die sie direkt ergriff.

Aber weißt du weshalb ich dich noch so sehr liebe ? Du hast mir gezeigt wie es ist Frieden mit sich zu schließen. Mein Leben lang herrschte eine gewisse Unruhe in mir, die ich zu Stillen versucht habe, doch erst durch dich Amira habe ich gelernt zu atmen. Die dunklen Schatten meiner Vergangenheit wurden durch deine Sonnenstrahlen niedergefegt und dafür liebe ich dich.

Nun konnte Amira nicht bei sich halten, ließ den Ballon los und presste die Hand auf ihren Mund. Weine nicht, weine nicht, sprach sie sich zu, doch so sehr war sie von dieser schönen Geste ergriffen, dass ihr die Tränen vor Freude achtlos heruntertropften.

»Nun... Ich hatte gehofft, dass dir diese Idee gefällt, aber wie ich sehe weinst du. Also liegt mir Romantik doch nicht ganz.«

Amiras Kopf schoss zur Seite und sie blickte zur Tür, die zum Kircheninneren führte. An der nämlich hatte sich Kian angelehnt. Der eng anliegende schwarze Anzug umschmeichelte seine Oberarme auf dezente und dennoch wundervolle Weise. Lässig hatte er sich angelehnt, die Hände in seine Anzughose gesteckt und ein schelmisches Grinsen hatte sich um seine Lippen gelegt, als er Amira mir lüsternen Blick betrachtete. In dem Moment wusste er: Für ihn würde es keine schönere Frau geben als Amira.

Es folgte eine Stille zwischen den beiden, als Amiras Tränen weiterhin runterkullerten und Kian immer noch angelehnt da stand. Nur der Blickkontakt, der zwischen den beiden anhielt, war Beweis dafür, dass es sich hierbei um die Realität handelte.

»Du siehst wunderschön aus«, sprach er mit einer rauen Stimme aus, doch es lag ebenfalls etwas anderes in seiner Stimme was Amira die Atemwege verschnürte. Respekt. Kian respektierte sie. Er hatte große Achtung vor ihr, das sah sie mit einem Blick zu ihm. Er wollte sie auf Samthandschuhen tragen, wollte ihr jeden Wunsch von den Augen ablesen. Er wollte ihr alles geben, denn in seinen Augen hatte sie immerzu nur das Beste verdient.

Amiras Winseln wurde lauter und sie versteckte ihr Gesicht hinter ihrem Blumenstrauß.

Leise aber dennoch feste Schritte erklangen auf dem Fußboden, als auch schon Amiras Arme festgehalten und von ihrem Gesicht entfernt wurden. Amiras Kopf war gesenkt, sodass sie nur die teuren Lackschuhe von Kian zu sehen bekam, die perfekt zu seinem Anzug passten.

Als dann dieser jedoch einen leichten Druck auf ihr Kinn mit seinen Fingern ausübte und sie zwang ihm direkt in die Augen zu blinken, begegnete sie unwillkürlich seinem sanften Blick und sie spürte, wie ihre Beine bei diesem Anblick zu zittern begangen. Er stimmte sie so schwach und das nur mit einem Blickkontakt.

»Querida...«, hauchte er ihr gegen die Lippen. Seine Augen waren jedoch immer noch auf ihre gerichtet. Nun lag eine gewisse Ernsthaftigkeit in ihnen, welche Amira stutzig stimmte.

»Mache ich dich glücklich ?« Diese Frage kam so unerwartet, dass Amira dachte, sie hätte sich verhört. Doch als der harte Blick immer noch auf ihr lag, wusste sie, dass er sich zum Schutz diesen Blick aufgesetzt hatte. Innerlich war Kian außer sich, denn er würde es nicht ertragen können, wenn Amira das Gegenteil von sich geben würde.

»Ja, ja das tust du. Ich... Ich weine nur weil...«, sie blickte hoch auf die Ballons.

»Kian... Ich weiß nicht was ich dazu sagen soll. Es ist wundervoll.«

Nun nahm er mit beiden Händen ihr Gesicht in seine, zog sie an sich und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn.

»Das musste ich tun. Wenigstens das. Du hast so viel mehr verdient, Amira. Es tut mir leid, wenn es nicht deine Traumhochzeit werden konnte. Ich verspreche dir, dass ich das nachholen werde.«
In seiner Stimme war eine tiefe Reue verwurzelt, sodass Amira unwillkürlich zu ihm aufblickte. Die Farbe seiner Augen leuchteten durch die aufkommenden Tränen auf. Auch er war gerührt durch ihren Anblick. Sie in diesem weißen Kleid, diesem Brautkleid zu sehen, hatte ihn sichtlich aus der Bahn geworfen.

»Es tut mir leid, wenn ich egoistisch handle, aber ich konnte es nicht ertragen, dich durch die Schikanen meiner Eltern zu verlieren. Du bist meine Familie, Amira.«

»Kian...«, behutsam legte Amira ihre Hände auf Kians Brust, spürte, wie die Anspannung leicht vom ihm wich, als sie sanft über seinen Anzug fuhr.

»Es ist perfekt, so wie es ist. Nur du und ich. Der Rest ist irrelevant, wenn wir uns haben.«

»Also bist du wirklich bereit für diesen Schritt ?«, fragte Kian nun mit einem Grinsen auf dem Gesicht und deutete zur Tür, hinter der ein neues Leben auf sie wartete.

»Ja... aber bevor wir das wirklich tun muss ich dir noch was sagen...« Amira presste die Lippen hart aufeinander und Kian runzelte bei dieser mysteriösen Haltung von ihr die Stirn.

»Uhmm... Ich soll dir ausrichten, dass Tia dich deshalb umbringen wird.« Ein Lächeln umspielte Amiras Lippen und Kian fing an leise vor sich hin zu lachen, ehe er gespielt nachdenklich sagte:

»Nun, wenn das so ist, sollten wir das mit der Heirat vielleicht doch sausen lassen und...«

»Kian !«, schrie Amira empört auf und als sie einige Schritte zurücktreten wollte, fasste Kian sie von hinten und zog sie ganz nah an sich.

»Es war schon schwer genug dich zu kriegen, Miss Jaramoago. So leicht lasse ich dich nicht mehr gehen«, und mit diesen Sätzen öffneten beide Hand in Hand die Türen der Kirche, zu ihrer gemeinsamen Zukunft, in der Hoffnung, dass diese Bindung sie zusammenschweißen, sie zu einem vereinen würde, bis dass der Tod sie scheidet.

Liebe @winterwisdom,
ich mache nicht so oft Kapitelwidmungen, aber wenn du magst kann das Kapitel dir gehören 🙈 Dies soll nochmal meine Dankbarkeit an dich hervorheben, weil du mir wegen einigen Fragen bezüglich einer kirchlichen Heirat zur Vefügung standest. Auch wenn ich das ein oder andere schon wusste, haben mir deine ausführlichen Erklärungen dennoch sehr geholfen. Trotz dessen muss ich sagen, dass ich meine Idee zu diesem Kapitel dennoch nicht umgesetzt habe. Ich wollte eine Szene am Altar beschreiben, aber letzten Endes hat dann doch die Angst darüber gesiegt, dass ich was falsches schreiben könnte oder unbewusst die Religion bzw. den Akt in den Schmutz ziehen könnte, weshalb ich es gelassen habe und dies als ich sage Mal Alternative genommen habe. Es stimmt mich sehr traurig, weil es nicht meine Wunschumsetzung war und ich durch diesen Gedanken betrübt auch nicht wirklich auf die Gefühle der Charaktere in diesem Kapitel eingehen konnte, aber vielleicht finde ich ja später beim überarbeiten der kompletten Geschichte die Zeit diese Szene nochmal umzuformulieren. Für den Moment ist es aber so ausgearbeitet und verfasst worden. Ich entschuldige mich aufrichtig bei euch 😔

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