☘Chapitre spécial № 3☘

Mo, 21. Oktober 2013

Tage verstrichen dahin, immer und immer wieder, demselben Alltagszyklus folgend. Zunächst stieg die Sonne auf, öffnete sich dem Menschen gegenüber, wie der Federfächer eines männlichen Pfaus, welcher der Menschheit seine reizvolle unantastbaren Schönheit repräsentierte, ehe es sich Stunden später erneut zurückzog und der Welt ihre kunterbunten Farben vorenthielt. Düstere Farben erwachten zu leben und die Nacht brach unmittelbar heran.

Kian Barroso war hingegen der Einzige, der sich dessen unbewusst war, an dem dieser Ablauf vorbeirauschte ohne seine Erkenntnis zu streifen. Denn für ihn schien, seiner verschleierten Wahrnehmung nach zu urteilen, die Welt stehen geblieben zu sein, derweilen sich der Tag wie eine klebrige Kaugummimasse zusammengezogen hatte. Er war nämlich schlichtweg immer noch davon ausgegangen denselben Tag zu erleben. Ausschlaggebend für diese Haltung war nur ein kleiner Punkt, und zwar, dass er unverändert, immer noch getrennt von der Liebe seines Lebens war.

Wie konnte also der Zyklus weiter fortbestehen, die Erde die Sonne und den Mond umgarnen, wenn doch den Mittelpunkt seiner Welt nur eine einzige Person darstellte und die gewiss nicht mehr bei ihm war ? Kian hatte sich Mühe gegeben, hatte versucht seine Heimatstadt mit seinen alten Erinnerungen wiederzubeleben, aber schnell wurde ihm klar, dass es damit erneute Qualen in ihm hervorrief. Das Scheitern seines innerlichen Kampfes war nämlich schon da besiegelt worden, als in jeder Ecke dieses Hauses die wunderschönen grünen Augen seiner Frau zu leben erwachten und seine Sicht einnahmen.

Um dieser Folter nicht länger ausgesetzt zu sein, hatte Kian es dann vorgezogen, in den letzten Tagen seit seiner Ankunft in einem Stillzustand zu verharren. Die Tage verstrichen rasend schnell durch seinen immer mehr zunehmenden Alkoholkonsum und gefangen in seinen Erinnerungen und diesem Delirium hatte er nichts weiter getan, als sich in der großen Cottage einzuschanzen und sich freiwillig einer Starre aus vernebelten Gedanken zu ergeben.

Als er also endlich die Augen öffnete und die Sonne seine hellen Strahlen auf das Bett warf, da hatte Kian das Gefühl, als würde selbst die Mutternatur ihn für sein Verhalten verspotten. Verärgert und doch kraftlos durch die Schaflosigkeit, die ihn seit langem Heim suchte, vergrub er brummend seinen Kopf in das Kopfkissen und wünschte sich wieder in diesen Rauschzustand zurück. Jetzt war er aber wach, hellwach und das miserable Gefühl, welches wenigstens während seines Schlafes die Finger von ihm gelassen hatte, nahm wieder Besitz von ihm.

Da ihm die Hitze der Sonne in dieser liegenden Lage zunehmend unangenehm wurde und er die perlenartigen Schweißtropfen auf seiner Stirn zu erfassen bekam, entschied er sich -trotz des innerlichen Protestes, den er mit sich selbst führte-, aufzustehen und einen Kaffee zu trinken, um endgültig wach zu werden.

An Appetit war ebenfalls schon seit Tagen nicht mehr zu denken. Jedes Mal, wenn er Hunger bekam und sich von seinem Lieblingsrestaurant etwas liefern ließ, hinderte ihn eine innerliche Bedrücktheit letztlich daran, dass Gericht vor ihm zu verspeisen. Nach wenigen kläglichen und appetitlosen Bissen legte er meistens das Besteck wieder zur Seite und starrte ins Leere.

Als Kian seine karierte Jogginghose anließ und nur seinen Oberkörper mit einem schlabbrigen, weiten T-Shirt bedeckte, machte er sich missmutig schlendernd auf den Weg in die Küche. Dort ging er in der Stille seiner täglichen Routine, die er sich seit seiner Ankunft aufgestellt hatte, nach, stellte sich vor die Kaffeeschmaschine, damit er den Kaffeebehälter wechseln konnte und fischte sich aus einen der Küchenschränke über sich eine Tasse raus.

In diesen Momenten machte ihn diese Ruhe ausnahmsweise Mal nicht zu schaffen, denn er war weiterhin in seinem Rausch gefangen und deshalb noch nicht imstande dazu seine Gedanken laut aussprechen zu lassen. Lediglich seine Schritte angesichts seine nackten Füßen, ließen die ersten und einzigen Geräusche erklingen, bis der Kaffee vor sich hindampfte und er diese konzentriert in seinen Becher goss.

Anschließend setzte er sich auf einen der hohen Sessel an der Kochinsel, stützte sich mit den Ellenbogen an der Tischkante ab und umfasste mit beiden Händen die heiße Tasse, wie als hing sein komplettes Leben davon ab, wusste er es doch selber am besten, dass er dies nur tat, weil er endlich etwas Wärme spüren wollte... nur etwas Wärme.

Er hoffte auf ein Gefühl, ein kleines winziges Gefühl, wenn auch nur minimal, dass sich in ihm regen sollte. Denn obwohl hier in Portugal die Temperaturen in die Höhe schossen, war Kian die ganze Zeit über kalt, so kalt innerlich, dass er fröstelnd zusammenzuckte. Nicht mehr lange würde es dauern bis sein ganzes Herz von dieser Kälte umschlossen und sich dann letztlich zu einem Eiszapfen wandeln würde.

Kian schwieg, blickte auf den Dampf seines Kaffees nieder, welcher hinauf stieg, ehe er langsam den Kopf aufwärts bewegte und ihn einmal wachsam über die Küche schweifen ließ.

Er wollte es nicht, doch wusste er gleichermaßen, dass er es absichtlich getan hatte, um eine weitere Erinnerung von ihr hervorzubeschwören.

Müde rieb er sich über die Augen, als er barfuß vom Schlafzimmer aus in die Küche getappt war, nachdem er beim Aufwachen festgestellt hatte, dass seine Frau schon längst nicht mehr neben ihm lag.

Leise fluchend hatte sich Kian gegen die Stirn geschlagen, anschließend er sich die Haare von der Stirn gewischt hatte.

Er hatte sich fest vorgenommen vor Amira wach zu sein, um ihr während ihrer Flitterwochen das Frühstück ans Bett zu bringen, doch diesen Vorsatz konnte er für heute glatt über Bord werfen, als er im nächsten Augenblick leichte sinnliche Gerüche von Gewürzen aus der Küche wahrnahm und sich schleunigst seine Boxershorts und dann seine Schlafhose rüberstreifte, ehe er sich auf den Weg durch den Flur in Richtung Küche machte.

Am Türrahmen angekommen, schaute er sich zunächst einmal zwischen den alten Holzschränken um, die trotz ihrer altmodischen Ausstrahlung einen gewissen Flair besaßen, ehe sein Herz einen kurzen Doppelschlag hinlegte, als er sie vor dem Herd zu sehen bekam.

Seine Augen leuchteten bei ihrem Anblick auf und ein sanftmütiger verliebter Blick beschlagnahmte sanft seine Gesichtskonturen.

Amira, die nicht bemerkt hatte, dass Kian sich an den Türrahmen lehnte, war bereits sehr früh auf den Beinen gewesen. Sie hatte sich Kians gestreiftes Oberteil zum Schlafen gehen über den Oberkörper gestreift, sodass es leicht über ihren Oberschenkeln endete.

Nach der gestrigen Nacht hatte sie sehr friedlich in den Armen ihres Ehemannes geschlafen, doch am Morgen hatten seine, um ihren Körper geschlungen Arme, eine plötzliche Hitze bei ihr verursacht, weshalb sie sich aus seinem Griff entwunden, sich im Bad kurz zurechtgemacht hatte und danach die Küche aufgesucht hatte, um ihren Mann ein Frühstück auf portugiesischer Art vorzubereiten.

Leider hatte sich dies viel schwieriger erwiesen, als sie angenommen hatte, doch war sie trotz dessen in bester Laune. Sie hatte sich die Kopfhörer angesteckt, die Musik laut aufgedreht und die Hüften schwingend, angefangen ihr Glück auszuprobieren, ohne zu wissen, dass Kian gerade dabei war interessiert und mit lüsternen Blick ihren wackelnden Hintern zu begutachten.

Um nicht laut aufzulachen, presste sich dieser die Hand vor den Mund und hielt ihr Erscheinungsbild weiterhin vor Augen. Amiras wunderschönen noughatbraunen Haare, waren zu einem recht unordentlichen Duft zusammengebunden, ihr Leib bedeckte nur von seinem Schlafoberteil, wobei er ganz genau wusste, dass sie darunter nur ihr Höschen anhatte.
Während ihr Körper oberhalb recht spärlich bedeckt war, hatte sie diesem anzüglichen Blick eine gewisse Niedlichkeit verliehen, als Kian mit dem Blick über ihre nackten Beine feststellen musste, dass sie Socken trug, Socken mit kleinen Feen drauf, die sie ganz nach oben gezogen hatte.

Wer trug schon bei solch' einer Wärme in Lissabon Socken ?

Kian amüsierte dieses Bild und die Unbeschwertheit mit der Amira die Hüften schwang, heiterte ihn sichtlich auf. Gerade hob sie den Kochlöffel an und imitierte damit einen Rockstar, der über eine Gitarre fuhr. Während sie die Lippen dabei bewegte, hüpfte sie gleichermaßen einem Hoppelhase ähnelnd durch die Küche. Doch abrupt ließ sie den Kochlöffel, der ihr als Gitarre diente, fallen und schrie erschrocken auf.

Kian, der sich davon nicht beirren ließ, stützte sich vom Türrahmen ab und klatschte begeistert in die Hände, wie als wollte er ihr für diesen Auftritt gratulieren.

Amira riss sich die Ohrstöpseln aus den Ohren und wurde in dem Moment feuerrot.

»Zugabe, Zugabe !«, johlte Kian, während er immer noch in die Hände klatschte und auf sie zulief.

Amira trat einige Schritte zurück, sodass ihr Rücken unmittelbar an die Kochinseln stieß.

»Ich... Das...«

»Das war unglaublich !«, sagte Kian in einem betrügerischen Flüstern, derweilen er seine Arme an beiden Seiten der Kochinsel abstemmte und Amira somit eingekesselte.

Peinlich berührt kaute Amira ununterbrochen auf ihren Lippen herum.

»Warum hast du dich nicht kenntlich gemacht ?«, fragte sie zurückhaltend und seinem Blick ausweichend, bis er sie am Kinn festhielt und sie zwang ihn anzublicken.

»Und warum hast du nie so für mich getanzt. Dieser Hüftschwung...«, sagte er und fuhr mit den Fingerspitzen sanft ihre Hüften entlang, was Amira eine Gänsehaut auf dem Körper bescherte, obwohl ein Stück Fetzen ihre Haut von seiner trennte.

Amira ließ den Blick über seine nackte Brust wandern, ehe sie hart schluckte und ihre begierig funkelnden Augen zu zügeln versuchte. Kian erfreute es zu sehen, dass er eine ebenso große Anziehung auf sie hatte wie sie für ihn. Sie waren zwei sich ergänzende Magnete.

»Ehm, ich habe Frühstück gemacht... Zumindest habe ich es versucht.«

Kian betrachtete Amira einige Sekunden lang stillschweigend. Manchmal verwunderte es ihn weiterhin, dass sie nach all der Zeit mit ihm, schüchtern und peinlich berührt sein konnte und das, obwohl er ihr des Öfteren gesagt hatte, dass sie diese Verkrampftheit von sich lösen und sich fallen lassen sollte, was sie durchaus auch getan hatte. Trotz, dessen war er sich sicher, dass sie das nicht komplett ablegen können würde.

Er schmunzelte, neigte den Kopf an ihren, sodass sie Stirn an Stirn waren und sich in tief die Augen blicken konnten. Amira musste leicht den Kopf anheben, da er sie ca. eineinhalb Köpfe überragte.

»Mhhh meine Frau hat mir also am ersten Tag unserer Flitterwochen Frühstück gemacht.« Er neigte leicht den Kopf zur Seite, sodass er an ihrer Halsbeuge ankam.

»Aber ich habe doch schon mein Frühstück vor mir«, neckte er sie, als er ihr sanfte Küsse auf die Haut platzierte.

»Ein bisschen hier von und ein bisschen davon«, hauchte er ihren Hals entlang, als er mitten in seinen Küssen stoppte und diesen Satz vollendete.

Amira, dessen Körper plötzlich Funken versprühte, kicherte auf, als er sie genau an der Stelle küsste, an der sie am kitzligsten war. Sie hielt sich an Kians Oberarmen fest.

»Kian lass das !«

In dem Moment fühlte er, dass er sein wahres Glück gefunden hatte, als das Lächeln, was sie ihm schenkte, ihn wie Heilwasser einnahm.

Kian, hatte gar nicht bemerkt, wie er in dieser Erinnerung versunken war, bis er die Kaffeetasse so hart zwischen seinen Fingern gepresst hatte, dass seine Fingerknöcheln weiß hervortraten und er sich verbrannte. Er zog rapide die Hand weg und zischte fluchend auf.

Seine Aufmerksamkeit wurde im selben Moment aber von seinem Handy auf sich gezogen, welches erneut eine neu ankommende Nachricht anzeigte. Es stammte wieder von seiner Mutter und er hatte nicht sich diese Nachricht durchzulesen. Er würde es ignorieren, wie auch die letzten Nachrichten von ihr und von den Menschen um ihn herum, die er von früher oder heute kannte.

Die Trauer hatte ihn wieder innerlich zermahlt, dass er selbst nicht Mal mehr Lust auf den Kaffee hatte, also schob er ihn mit der Hand zur Seite. Er wollte sich gerade erheben, als sein Handy erneut vibrierte. Gerade wollte er wütend sein Handy ausschalten, weil er dachte, dass seine Mutter es mit einem Anruf versuchen würde, stutzte dann aber, als er Mayas Namen auf dem Display sah.

Das schlechte Gewissen spülte die Trauer kurzzeitig hinunter, als er sich klar machte, dass er auch sie die letzten Tage seit seiner Ankunft in Lissabon ignoriert und sie weder angerufen noch auf ihre Nachrichten geantwortet hatte.

Er mochte Maya. Zum einen schätzte er sie als Arbeitskollegin, zum anderen aber auch als wahre Freundin.

Er tat ihr damit Unrecht sie zu ignorieren, zumal sie der einzige Mensch war, dessen Nähe und Empathie er im Moment halbwegs ertragen konnte. Sie bemitleidete oder bevormundete ihn nicht. Sie akzeptierte ihn so, akzeptierte, dass er im Moment kaum ansprechbar war, alles durcheinander brachte und völlig auf dem Schlauch lag. Sie verstand ihn und das hatte ihre Freundschaft noch mehr zusammengeschweißt.

Er nahm sein Handy in die Hand und ging auf den Anruf ein.

»Hallo...«, sagte er krächzend und einige Male hustend, damit seine Stimme erklang. Er hatte Tage lang nichts weiter getan, als an seine Gedanken zu hängen. Seine eigene Stimme war ihm völlig befremdlich.

»Kian ! Oh Gott! Endlich ! Ich habe mir schon Sorgen gemacht !«

Er stützte sich an der Platte mit den Armen ab, ehe er aufseufzte.

»Hey Maya, mir geht es gut. Ich habe mein Handy nur einige Tage lang irgendwohin abgelegt und es dann nicht mehr gefunden.«

»Freundchen, wag es ja nicht mich zu belügen. Du hast keine Lust gehabt zu sprechen. Das verstehe ich, aber eine Lüge überschreitet meine Toleranzgrenze.«

Ertappt, verzog Kian das Gesicht und murmelte ein 'Es tut mir leid.'

Maya, die sichtlich verärgert war versuchte sich zu beruhigen, das spürte Kian aufgrund der Stille, die sich am anderen Ende der Leitung bemerkbar machte. Deshalb wiederholte er seinen Wortlaut auch nochmal.

»Wirklich Maya... tut mir leid, mein Verhalten war nicht in Ordnung.«

Sie seufzte, denn auch ihr war klar, dass sie nicht lange auf ihn sauer sein konnte.

»Nicht schlimm. Wie ist es in Lissabon ? Hast du dich etwas erholt.«

Kian war erleichtert darüber, dass sie ihn nicht darüber ausfragte, wie es ihm ging, denn die Antwort würde beiden nicht gefallen und das wusste Maya mit am besten. Wieder einmal schätzte er sie sehr für ihr Feingefühl.

»Ganz in Ordnung...«, antwortete er, wollte aber nicht ins Detail gehen, weil er es nicht riskieren wollte sie anzulügen. Er ließ den Blick über die Küche schweifen, die an der Spüle hängen blieb, auf der einige leere Flaschen aufgestapelt waren. Kian, wollte nicht sagen, dass ihn immer wieder Erinnerungen heimsuchten, dass er sich ihre Bilder anschaute, dass er sie vermisste und diese Sehnsucht ihn erdrückte. Er war froh, nicht mehr in ihrem gemeinsamen Haus in Chicago zu sein, aber so richtig vergessen konnte er auch hier nicht...

Maya schien die unausgesprochenen Worte zwischen ihnen trotzdem verstanden zu haben, denn erneut seufzte sie.

»Ich verstehe... Bitte ruf mich an oder schreib mir wenn was ist. Und ignoriere meine Nachrichten nicht Kian !«

»Ja...«, murmelte er, wie ein kleines Kind, welches seinen Fehler eingesehen hatte, nachdem er von seinen Eltern dafür gerügt worden war.

»Wie geht es dir ? Warst du nun letzte Woche mit Karim aus ?«, fragte er währenddessen, weil er unbedingt das Thema wechseln und diese Kluft in seiner Brust nicht weiter spüren wollte.

»Gut...«, antwortete sie, doch hörte Kian einen Moment lang heraus, dass sie gestutzt hatte. Er zog die Stirn kraus. Gut ? Das war alles was sie dazu zu sagen hatte ?

Kian wusste wie Maya tickte, denn in Sachen Beziehungen war sie ebenso kompliziert wie er. Maya war an ihre Arbeit vergeben, sie liebte ihre Arbeit über alles und sie hatte schon längst den Männern abgeschworen, dessen tief sitzenden Dornen der Vergangenheit zu verdanken waren. Obwohl Kian sie nie gedrängt hatte, ihm diese Geschichte zu erzählen, hatte er immer wieder gehofft, dass auch sie sich irgendwann wieder auf einen Mann einlassen würde. Sie war attraktiv, auch mit ihrer winzigen Größe und sie war trotz, dass sie in einer Männerbranche arbeitete eine Powerfrau, die sich immer wieder bewies. Schon öfters hatten ihr Männer und auch Kunden schöne Augen gemacht und sie zum Essen eingeladen. Doch jedes Mal hatte sie ganz charmant abgesagt, bis zu diesem ein Treffen als Maya und Kian eine Verabredung mit ihren neuen Geschäftspartnern hatten. Kasimir H. Ray, der in ihrer tätigen Branche nicht nur ein Fisch, sondern als ein großer Hai galt. Sie hatten sich perfekt vorbereitet, hatten aber nicht damit gerechnet, dass der 29-jährige Sohn Karim ebenfalls auftauchen würde.

Seine Erscheinung, die große herausragende Größe, seine imposante Ausstrahlung und sein vornehmliches Verhalten, hatten auch Maya nicht ganz kalt gelassen. Außerdem hatte er bei der Präsentation kein einziges Mal den Blick von ihr genommen, sodass jedem Außenstehenden mehr als klar wurde, dass er völlig verzaubert von ihr war. Schließlich hatte dieser Blick auch bei Kian nur für eine Frau gegolten. Also wusste er sofort, was Sache war.

Nachdem Karin Maya einige Male den Hof gemacht hatte, hatte sie letztlich einem Essen eingewilligt und Kian wusste, dass sie sehr aufgeregt gewesen war. Demzufolge, stellte ihn diese Antwort überhaupt nicht zufrieden.

»Gut ?«, fragte er leicht irritiert und lehnte sich indes in seinem Stuhl, auf dem er nun Platz genommen hatte, nach hinten zurück.

»Das ist alles was du dazu zu sagen hast ?«

Stille. Kian atmete tief aus.

»Maya...« Seine Stimme klang müde, doch er setzte fort.

»Ich möchte nicht bevormundet werden, ok ? Ja, ich komme gerade aus einer Scheidung und ja es geht mir miserabel, aber gib mir nicht das Gefühl, als würde ich aus Porzellan bestehen und zusammenkrachen, sobald ich ein verliebtes Paar zu sehen bekomme. Also... jetzt erzähl schon«, sagte er direkt, da er sich sicher war, dass Maya ihm gerne berichten würde, wie es verlaufen war, schließlich vertraute sie nur ihm aus ihrem engsten Kreise, hielt sich aber angesichts von Amira und der Situation zurück.

»Es... es war toll. Es war fantastisch. Er hat mich auf seine Yacht eingeladen, war kaum aufdringlich und er war mir gegenüber beim Essen sehr respektvoll. Er war überhaupt nicht aufdringlich und wollte mehr über mich und meine Persönlichkeit erfahren... nicht über den Job reden.«

Ein leichtes Lächeln huschte über Kians Lippen, als er die leicht angehobene piepsige Stimme von Maya am anderen Ende der Leitung hörte, die nur dann so erklang, wenn sie wirklich aufgeregt war. Er konnte sich bildlich vorstellen, wie sie sich nervös und voller Freude die Fingernägel kaute, obwohl sie das fast nie tat. Sie war verliebt ! Er hatte ihr wirklich gefallen und so wie sie davon sprach, dass er sich anständig benommen hatte, hatte der angesehene Geschäftsmann auch bei Kian einen guten Eindruck übermittelt.

Sich aufrichtig freuend, sagte Kian:

»Das hört sich sehr gut an, Maya. Ich freue mich für dich. Fühlst du dich denn wohl ? Willst du das wirklich ?«, fragte er sie trotzdem.

»Ich... ja... ja ich glaube schon Kian. Ich habe aber nur so schreckliche Angst.«

Kian hob bei diesem direkten Geständnis erstaunt die Augenbraue in die Höhe. So kannte er Maya gar nicht, aber er hatte schon immer gewusst, dass hinter der tapferen Frau auch eine verletzte und unsichere Seele verborgen lag.

»Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Setz dich nicht unter Druck und denk nicht viel nach Maya. Sei einfach du selbst und glaube mir, er wird dein wahres ich einfach nur lieben. Wenn nicht, ist dieser Mann echt blind.«

»Danke Kian.. ich... es tut mir leid, dass ich damit ankomme, obwohl du selbst im Moment... «

Er unterbrach sie.

»Dafür kannst du nichts. Benimm dich einfach so, wie du dich normalerweise mir gegenüber benehmen würdest. Mehr verlange ich von dir nicht.«

***

Nachdem Kian mit Maya noch etwas gesprochen und ihr versichert hatte, dass er etwas rausgehen und seine alte Heimatstadt besichtigen würde, hatte sich Kian aufgerappelt und hatte auch recht lustlos eine Jeans und ein sauberes T-Shirt übergezogen. Anschließend hatte er eine Sonnenbrille in irgendeiner Ecke ausgegraben, um sich diese aufgesetzt, damit sich vorbeilaufende Menschen nicht bei seinen dunklen Ringen unter den Augen erschrecken und zusammenzucken würden.

Mit einem Rucksack ausgestattet verließ er das Haus, wäre dann aber am liebsten wieder in seine Räumlichkeit geflüchtet, als helle Strahlen auf seinen Körper eintrafen. Zu sehr hatte er sich an die Dunkelheit zu Hause gewöhnt, sodass ihm dieser herrliche glasklare Himmel und die sanften ebenso leuchtenden Strahlen fast schon zu grell erschienen. Wie ein Vampir, der sich von den Strahlen verbrannt hatte, machte er einige Schritte zurück, bis er den süßen Geruch und die frische Luft in sich aufnahm und sich mit dem Taxi, den er hergestellt hatte, sauf dem Weg ins Zentrum der Stadt machte.

Circa eine Stunde nachdem der Fahrer Kian rausgelassen hatte, war dieser seelenruhig durch die Gassen geschlendert, hatte den alten Herren, die auf instabilen Holzbänken saßen zugehört und hatte angefangen sich etwas aufzulockern. Dem schnellen brüchigen Portugiesisch lauschend, den Konversationen hier und da, die Häuser, die alle bunter als die andere waren, erstreckten sich auf beiden Seiten der engen Gassen und riefen ihn die alten Tage in Erinnerung.

Seine Kindheit.

Ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen als er die kleinen Treppen, die zur Gasse führen sollte hochging, bis Kian plötzlich stoppte, als er unter eine Brücke kam.

Kian blickte sich um und erkannte, dass es wirklich die Brücke war, die Brücke mit den Cartoons. Seine Lieblingsbrücke. Und es war die Brücke, zu der er sie damals an ihren Flitterwochen mitgenommen hatte.

»Wow...«, staunte Amira, als sie ihren Sommerhut abnahm und die Haare über ihre Schulter fielen.

Kian betrachtete sie von der Seite aus, als sie begeistert zur Cartoonwand blickte und unwillkürlich musste er schmunzeln, als er ihr gepunktetes, rotes Kleid sah und den eleganten Hut in ihrer Hand, der den Eindruck erweckte, als wäre sie aus einem 50er Jahre Film entsprungen. Es war kaum zu übersehen, dass sie nicht von hier war, aber sie würde eine von ihnen mit der Zeit werden... denn nun war sie eine Barroso. Seine Ehefrau.

»Lass und ein Foto für Tia machen ! Ich habe es ihr versprochen !«, sagte Amira begeisterte und sie drehten sich zur Wand um, hoben das Handy an und schossen ein Foto. Anschließend drehten sie sich wieder in ihre Ausgangsposition.

Kian, der mit ihr Händchen gehalten hatte, ließ ihre Hand los, nur um sie daraufhin um ihre Taille zu schlingen und sie an sich zu ziehen.
Er hauchte ihr sanfte Küsse auf den Hals, derweilen sie weiterhin jedes einzelne Detail des Kunstwerkes vor sich wahrnahm.

»Gefällt es dir ?«, fragte er sie, mitten in seinen Küssen, schmunzelnd.

»Sehr !«, beschäftigte Amira, indem sie eine Hand auf seine Brust ablegte.

»Es ist mein Lieblingsort«, flüsterte er und küsste sie an die Schläfe, ehe er nach vorne blickte und seine Hand fester um ihre Taille schlang.

»Hierhin bin ich immer als kleiner Junge gekommen, wenn ich Mal alleine sein wollte.«

Amira blieb einige Sekunden lang still stehen, nahm den Zauber und die Energie dieses Ortes auf, an dem Kian sich immerzu geborgen gefühlt hatte.

»Ich... ich kann gut vorstellen, weshalb du es hier mochtest. Es ist hier ruhig, so friedlich. Während es in all den Gassen um uns herum von Menschen wimmelt, ist es hier so still, wie als würde die Zeit stillstehen.«

Kian musste schmunzeln. Immer wieder bekam er durch ihren Worten und Handlungen, wie jetzt auch, bestätigt, weshalb sie die perfekte Frau für ihn war. Sie verstand ihn. Sie hatte ihn schon immer als Einzige verstanden.

Kian rieb langsam seine Nase an ihrer Wange, was Amira ein Lächeln entlockte.

»Ich liebe dich, das weißt du oder querida ?«

»Mhh...« Amira legte beide ihrer Hände auf seine Brust und blickte ihm dann geradewegs ins Gesicht. Sie hob eine Augenbraue in die Höhe, doch das unterdrückte Lächeln auf ihren Lippen, wies darauf hin, dass sie ihm nur etwas vorspielte und eigentlich erheitert war.

»Mhh das sagst du nicht zufällig nur deshalb, weil du vielleicht ebenfalls deine erste Freundin hierher gebracht hast oder vielleicht sogar deinen ersten Kuss an diesem Ort hattest ?«, fragte sie ihn, was Kian laut auflachen ließ. Amira war nie eine sehr eifersüchtige Person gewesen, dazu vertraute sie Kian mit jeder Faser ihres Körpers, doch Kian konnte nicht umhin als sich schon ab und zu Mal zu amüsieren, wenn er doch einen leichten bitteren Ton aus ihrer Stimme heraushören konnte, sobald das Thema seiner alten Liaisons aufkam.

Kian drehte sich in ihre Richtung um. Seine Hand waren immer noch auf ihrem Rücken platziert, derweilen er sie sanft an sich zog. Sie stießen mit ihrer Brust gegeneinander, seine Stirn presste sich gegen ihres. Er strich ihr einige einzelne Haarsträhnen hinters Ohr.

»Nein... diesen Ort habe ich noch nie mit jemandem geteilt. Dies war mein Geheimort, mein Zufluchtsort...«

Amira hob den Blick an, er konnte sehen, wie ihre Augen plötzlich glasig wurden, weil sie verstanden hatte, was seine Worte zu bedeuten hatten.

»Ich habe eine bessere Idee, was du später unseren Kindern erzählen kannst.« Ein Grinsen bildete sich auf seinen Lippen je näher er mit seinem Gesicht ihre Nahe kam.

»Du wirst die Einzige sein. Die erste und die letzte, die ich an diesem Ort küssen werde« Dann endlich, nachdem ihr Atem gegeneinander gestoßen war, überbrückte er die kleine Lücke zwischen ihnen, sodass ihre Lippen aufeinander trafen und sie zu einem verschmolzen.

Kian stand wie gelähmt da, genau an dem Ort, genau an der Stelle, wo sie beide gestanden hatten. Er drehte den Kopf leicht zur Seite, doch sie stand nicht mehr neben ihm. Sie war nicht anwesend... nur er alleine, er alleine stand wieder vor der Wand.

Kian spürte, wie die Entspannung sich in Chaos löste und die blanke Realität sich wie eiskaltes Wasser über ihn ergoss. Er spürte, wie der brennende Schmerz in seiner Brust erwachte, die Bombe in ihm zu ticken begann und jeden Moment zu platzen drohte. Instinktiv griff er in seine Hosentasche, zog sein Handy raus und ohne groß darüber nachzudenken, ging er in seine Galerie. Wie besessen scrollte er runter und runter, bis er es gefunden hatte.

Das Foto. Das Foto, was sie zusammen genau hier gemacht hatten. Als er dieses Paar auf dem Bild sah, das eng umschlungene verliebte Paar, das Lächeln und die Freude, die sich in der Haltung, in jeder Lachfalte dieser beiden verfestigt hatte, hatte Kian das Gefühl ein Foto zu sehen auf dem fremde Menschen abgebildet war. Insbesondere der Mann schien ihm unbekannt... Diesen Mann gab es nicht mehr, er existierte nicht und als sein Blick wieder zu der Frau neben ihm schoss, da hatte, die Zeitbombe eine entscheidenden Leitung durchschnitten, denn eine solche gewaltige Ladung an Gefühlen zerquetschte ihn, dass er sich kurz nach vorne bücken und angestrengt nach Luft schnappen musste.

Atme !

Mit zittrigen Händen, auch wenn es seine letzte Tat sein sollte, verließ er seine Bildergalerie und ging auf seine Kontakte.

Ich muss mit ihr sprechen. Ich muss ihre Stimme hören.

Die Sehnsucht nach ihr zerdrückte jede seiner Gliedmaßen, zog ihm die Haut ab... er konnte diesen Schmerz nicht mehr unterdrücken. Er brauchte sie.

Als er ihren Namen auf dem Bildschirm sah und nur einen Knopfdruck von seiner Erlösung entfernt war, stoppte er.

Er hielt einige Millimeter vor dem Bildschirm inne.

Ich hatte es ihr versprochen. Ich hatte ihr versprochen sie nicht anzurufen.

Wütend krallte er die Finger in seine Hände und gab einen verzweifelten Laut von sich, als er sich an den Haaren zog und es aufgab.

Es hatte nichts gebracht. Dieser Rundgang hatte rein gar nichts gebracht !

Sie war trotzdem überall.

Er steckte sich das Handy in die Hosentasche und machte sich auf den Weg zum nächst gelegenen Kiosk am anderen Ende der Straße.

Er brauchte etwas Kräftiges zu trinken... anders würde er diesen Abend nicht Heil überstehen.

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