☘Chapire spécial № 4☘

Mo, 28. Oktober 2013

Es klopfte. Klopfte zunächst zaghaft. Als im Anschluss darauf sich nichts bewegte, nichts ertönte, keine Reaktion vonstatten wurde, erklang das Klopfen ein weiteres Mal und mit ihr öffneten sich auch langsam die schweren Lider von Kian.

Dieser murrte auf und griff auf der Suche einen Kissen zu ergattern völlig aus der Luft gegriffen zu beiden Seiten. Als dann seine linke Handinnenfläche den Stoff des weichen geschmeidigen Bezuges zu spüren bekam, da schnalzte er zufrieden und schlug sich das Kissen mit einem Mal gen Kopf, um das Geräusch des Klopfens zu dämmen. Ein zufriedenes Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht, als er kurz davor war wieder in einen gemütlichen Schlaf zu versinken, doch ehe er sich komplett entspannen konnte, erklang der Laut von erneutem wie ein Donnerschlag, der diesmal hingegen Blitze und auch das Grollen miteinbegriff, denn das Klopfen war nun viel intensiver, viel härter.

Und das zarte Klopfen, wandelte sich im Handumdrehen in ein aggressives Hämmern um. Seinerseits absolut auffordernd, das mehr oder weniger indirekt besagte, dass dieses Klopfen nicht eher aufhören würde, bis jemand darauf reagierte. Genau diese Erkenntnis sickerte Kian in seinem Halbschlaf durch und genervt auf knurrend schmiss er wütend seinen Kissen auf den Boden und schwang seine Beine übers Bett, sodass er wenige Sekunden später auf der Bettkante saß. Den Kopf nach unten gerichtet und die Augen geschlossen gehalten, erweckte er den Eindruck, als würde er sich jeden Moment wieder auf sein Laken zurück werfen und weiter schlafen. Er war hundemüde. Sein Kopf pochte, seine Gliedmaßen schmerzten von einem Verbindungspunkt zum anderen seines Körpers. Er fühlte sich mit seinem 25 Jahren wie ein 65-Jähriger alter Rentner, der sich in einen Endzeit Urlaub versetzt hatte. Er wollte nicht mehr aufstehen, denn alles in ihm sträubte sich gegen diesen Versuch.

Stattdessen legte er den Kopf in den Nacken und ein kleines Lächeln bildete sich automatisch auf seinem Gesicht als er in für eine Millisekunde in Erwägung zog, sich wieder auf seine gemütliche Matratze zu legen und sich die Decke über den Kopf zu ziehen. Doch da erklang dieser aufdringliche Klopfen zum wiederholten Male an diesem Morgen.

»So ein verfickter Scheiß. Halt endlich die Klappe«, fluchte Kian knurrend, nachdem er verstand, dass es keinen Sinn machte dies zu ignorieren. Deshalb stemmte er seine Hände an den Knien ab, um aus dieser Position heraus Kraft zu schöpfen und sich mit einem Schwung aufzurichten, was ihm auch in Anschluss darauf gelang. Dass er es überhaupt schaffte ordentlich auf den Beinen zu stehen, wunderte ihn. Denn nachdem er an besagtem ersten Abend wieder an Amira denken musste und dabei im Selbstmitleid gebadet hatte, waren schnell aus einer Flasche eine zweite und eine dritte geworden. Er hatte irgendwann aufgehört zu zählen, denn zu sehr war er darauf fokussiert sein kummervolles Herz zum Schweigen zu bringen. Er wollte es lähmen, nur für einen ganz kurzen Augenblick, einen kurzen Moment. Er wollte nur für eine minimale Minute einfach nur im Frieden mich sich sein.

Nun hingehen hatte er sich den bitteren Konsequenzen dieses Abends zu stellen, denn er hatte das Gefühl, dass er ein Felsbrocken um den Kopf gebunden hatte, der ihm jeden Moment das Gleichgewicht entriss. Außerdem sorgte das stetige laute Klopfen an der Tür ebenfalls dafür, dass der Lärm, ihn wie ein lautes Feuerwerk attackierte, welches einem Bombenanschlag gleichzustellen war. Das Gesicht verziehend, streckte Kian letztlich die Hand nach seinem T-Shirt aus, welches auf dem Boden lag und streifte sich diese vorsichtig über, ehe er seine gräulich verfärbte Jogginghose am Bund enger zusammenband, um sich einen festen Halt auf den Hüften zu gewähren.

Mit einem mehr oder wenigen sicheren Stand, machte er sich dann letztlich auf dem Weg diesem morgendlichen Störenfried auf den Grund zu gehen, weshalb er ohne große umschweife sein Zimmer verließ, die Treppen runtereilte und auf die Haustür zulief an der immer noch beharrlich geklopft wurde.

Wer war das überhaupt ? Wer störte ihn schon an so einem frühen Morgen ?

Kian, dem die Leitungen durch dieses ständige ‚Tock-Tock' Geräusch der Tür brannten, marschierte zielstrebig auf sein Ziel zu. Er hatte die Lippen einen Spalt geöffnet, weil er sich über die Unverschämtheit und ungeschickte Beharrlichkeit wütend auslassen wollte, doch da verschwanden seine Worte in nur einem Sekundenbruchteil, wie als wäre die Sonne hinter dem Horizont verschwunden, als er sie zu erblicken bekam.

Ein Blick über die Türschwelle ließ ihn einige Male blinzelnd an der Holztür verharren und ungläubig blickte er die Person vor sich an. Die dunklen schwarzen Haare verliefen ihr auch mit einem Pferdeschwanz fast schon wieder bis zum Rückenmark. Sie hatte eine enge dunkle Jeans an, die in der Mitte durch einen Gürtel getrennt und anschließend oberhalb von einer weißen Bluse bedeckt wurde. Die Person vor ihm nahm die Sonnenbrille ab, die in den Farben ihrer Keilabsatzschuhe waren und sie größer wirken lassen sollten. Doch Kian war trotz dessen noch einen ganzen Kopf größer als sie.

»Maya ? Was suchst du denn am frühen Morgen hier ?«

»Am frühen Morgen ?« Sie hob kritisch die Augenbrauen an.

»Sag Mal hast du dir vielleicht dein Gehirn weggesoffen ? Wir haben bereits nach 13 Uhr !«

Kian zuckte bei Mayas Worten instinktiv zusammen und blickte sie danach erschrocken an. Maya war immerzu schon eine vornehme und feine Dame gewesen. Der Ton, den sie nun einschlug, war fremd und passte keineswegs zu ihr.

Maya hingegen schien sich kaum dafür zu schämen, derweilen sie ihn ununterbrochen mit Argusaugen im Auge behielt. Verärgerung zeichnete sich in den nun streng wirkenden Konturen ihres Gesichtes ab, wobei ihre Augen sie verrieten, denn neben der schäumenden Wut versteckte sich sa gleichermaßen auch Sorge um ihn. Sie drückte ihre Fußspitzen nach oben, um sich ein wenig größer zu zeigen und um noch deutlicher darzulegen, wie ernst die Lage für sie war. Wenn sie nicht so sauer gewesen und ihn mit einem Blick bedacht hätte der besagte, wag es ja nicht dich überhaupt zu bewegen, dann hätte er womöglich bei diesem Verhalten entzückt aufgelacht. Das mit den Füßen war bei Maya ein Drang, den sie immer verspürte, wenn sie nervös war oder gewissen Kunden die Stirn bieten wollte. Er hatte sich bei diesem Anblick jedes Mal geradezu prächtig amüsiert, doch als sich nun die Rollen vertauschten und er nun in die Rolle all dieser Männer schlüpfte, da entschuldigte er sich innerlich bei all denjenigen, die er ausgelacht hatte, wenn sie in Mayas Klauen gefangen genommen wurden.

Kian kratzte sich verlegen am Hinterkopf und trat zur Seite.

»Möchtest du nicht lieber reinkommen ?«

Sie warf ihm einen letzten mürrischen Blick zu, ehe sie nach der kleinen Gepäcktasche, auf die Kian nun aufmerksam wurde, tastete und in die Cottage eintrat.

Kian bemerkte den Wandel, als er die Tür schloss und sich zu ihr drehte. Er sah zwar nur ihre Rückansicht, wusste aber, dass sich etwas an ihrer Haltung verändert hatte. Ihre Schultern, die sie noch zuvor leicht angespannt nach oben gezogen hatte, verliefen nun in einer geraden Linie. Aufgelockert blieb sie direkt im Wohnzimmer angekommen stehen und blickte sich um.

Auch sie hatte den Zauber dieses Ortes gespürt, da war sich Kian sicher, doch wie als wollte sie nicht einnicken, kräuselte sie die Lippen in drehte sich zu ihm um.

»Wo ist die Küche ? Ich bin seit einigen Stunden wach und bevor der Jetlag sich bemerkbar macht, möchte ich lieber einen Kaffee trinken.«

Stumm stand Kian vor ihr und deutete auf den Backsteinbogen, der an das Wohnzimmer anknüpfte.
Maya stellte ihre Tasche beim Vorbeilaufen auf dem Sofa ab und lief auf die Küche zu. Kian realisierte erst jetzt, was er da eigentlich gesagt hatte und als er leise fluchend hinter ihr herlief, um sie daran zu hindern die Küche zu betreten, ds war sie schon längst durch den Bogen gelaufen.

Sie hielt den Atem an und zog scharf die Luft ein, als auch Kian die Küche betrat.

Ihr Blick schweifte von der Kochinsel direkt zum Waschbecken auf dem über und über dreckiges Geschirr aufeinandergestapelt wurden und leere Flaschen eine Reihe bildeten.

Kian spürte wie ihn die Scham überkam und plötzlich blickte er auch von sich runter und wäre am liebsten vom Erdboden verschluckt worden.

Er sah in diesem Aufzug vor ihr einfach nur schäbig aus. Ungepflegt, und wie der letzte Messie. Dass Maya ihn so sah, machte ihn fassungslos. Normalerweise ließ er sich nie so gehen. Er war ein sehr ordentlicher Mann, sei es in seinem Beruf als auch in seinem Privatleben... nun im seinem Privatleben nicht mehr, denn mit Amira Abgang schien es als hätte sie dabei einen Faden gezogen, der die Ordnung in seinem Leben mit sich gezogen hatte.

»Wie ich es mir schon gedacht habe«, erklang vor ihm ein Flüstern. Sie warf ihm über der Schulter einen strengen Blick zu.

»Kian...«, ihre Stimme klang nun plötzlich so sanft, dass er dachte sich verhört zu haben, weshalb er trotz der Scham die ihn überlagerte den Blick anhob, um sich zu vergewissern, dass er ihren Ton richtig interpretiert hatte.

»Nichts für ungut, aber tu uns beiden einen gefallen und geh bitte duschen. Du stinkt als hätte man dich kopfüber in ein Bierfass getunkt und ich halte es gleich keine Minute länger mit dir in einem Raum aus, wenn du so vor mir stehst. Geh, derweilen ich dieses Chaos hier beseitige.«

Kian ließ sich dies nicht zwei mal sagen. Wie ein gerügtes Kind senkte er den Kopf und verließ beschämt den Raum, ehe er schnellen Schrittes nach oben eilte.

***

Tage waren vergangen, Tage in dem Kian unter der scharfsinnigen Beobachtung von Maya gestanden hatte. Er wusste ganz genau, dass sie viele Worte unausgesprochen ließ, sich bewusst zurückhielt , doch ihr enttäuschter Blick und die nach unten verlaufenden Augenbrauen in der Mitte brachten ihre Missgunst deutlich zutage.

In den Tagen hatte sie alles versucht, was in ihrer Macht stand. Sie hatte ihn nicht bedrängt, doch andererseits hatte es ihr nicht gefallen, dass er so in sich gekehrt war. Sie wollte, dass er endlich sprach. Endlich losgelöst war von seinen inneren Ketten und trauerte. Denn genau das war das Problem in ihren Augen. Kian schluckte seinen Kummer runter und dieser zerfraß ihn innerlich. Je mehr er sich zurück zog, in sich kehrte, desto mehr opferte er seiner selbst und Maya ertrug es nicht ihn so zu sehen.

Kian selbst schien dies nicht zu realisieren. Die meiste Zeit über nämlich kämpfte er gegen den Gedanken an, an sie zu denken. Er versuchte alles, um nicht ständig ihre Bilder vor Augen zu haben, aber dies erwies sich für ihn ohne den Alkohol als unmöglich. Einer der Gründe weshalb er sich aber dennoch zurückhielt zur Flasche zu greifen war Maya. Er wusste, dass sie sich Sorgen machte und es machte ihn zunehmend sprachloser, dass sie alles hatte stehen und liegen lassen, ihre intakte Beziehung miteinbegriffen, nur um für ihn da zu sein...

Nach einigen verstrichenen Tagen in denen Kian den ganzen Tag nichts weiter getan hatte, als auf der Couch rumzuliegen und mehr oder weniger auf die Decke zu starren, war sie zu ihm an die Couch herangetreten und hatte sich vor ihm aufgebaut.

»Das reicht jetzt. Wie waren genug zu Hause für heute. Wir werden heute Abend was Unternehmen mein Freund, ob du nun willst oder nicht.«

Er hatte protestieren wollen, sich dagegen winden wollen, doch der harte Blick den Maya ihm bereits da zuwarf, ließ keine Skrupel daran übrig, dass sie ihren Willen durchsetzen würde. Sie war Tage lang nachgiebig mit ihm gewesen und nun näherte sich ihr Urlaub, auch wenn man dies angesichts der Umstände nicht als solches ansehen konnte, dem Ende zu, bevor sie wieder zurück fliegen und mit der Arbeit beginnen musste. Doch sie konnte Kian nicht so weitermachen lassen wie jetzt, Kian war sich dessen ebenfalls bewusst.

Deshalb hatte er geschwiegen als er sie aus dem Sessel sitzend wachsam im Augenwinkel behalten hatte und hatte ihr somit indirekt damit seinen Segen gegeben.

Um 22 Uhr, als das Nachtleben in den kleinen Gassen von Lissabon ihren Start ankündigte und viele junge Menschen in kleinen Gruppen verteilt, die gepflasterten Wege überquerten oder mir einen Bier in der Hand albern auflachten, hatten sich unter Ihnen auch die Gestalten von Kian und Maya eingefunden.

Maya hatte ein marineblaues eng anliegendes Kleid an, das perfekt zu ihren hochgebundenen langen Haaren passte aus denen sich einige Strähnen lose über ihr herzförmiges Gesicht legten. Sie sah gut aus, dachte sich Kian, als er sie in Augenschein nahm. Maya hatte sich ebenso schnell dem Flair dieser Stadt angepasst, wie es für einen Touristen, der zum ersten Mal nach Portugal reiste, überhaupt möglich war.

Auch Kian sah ausnahmsweise Mal passabel aus. Nachdem er sich geweigert hatte den Drei Tage Bart zu entfernen, hatte er zumindest, um den schmollenden Ausdruck auf Mayas Gesicht loszuwerden eine schnelle Dusche genommen und hatte sich bemüht etwas angemessenes anzuziehen. Zumindest konnte er sich mit diesem Aufzug, der aus einer Jeans und einem lockeren T-Shirt bestand, in diesem Menschenkessel blicken lassen, ohne dabei großartig negativ aufzufallen.

Gerade liefen die beiden den Tejo Ufer entlang, ehe sie an einer schmalen Gassen vorbeikamen, die nur so formlich wimmelte von jungen Menschen. Die Gasse verlief aufwärts, bestand nicht aus einer glatten Schicht, wie es vom weiten den Anschein erweckte, sondern war übersäumt von lauter kleinen Treppen.
Maya, die diese Atmosphäre völlig verzauberte, als sie an den jungen unbeschwerten Portugiesen vorbeilief und die Stadt geschmückt war von den vielen Lichtern, die von den verschiedensten Lokalen entstammen, drehte sich mit einer galantem Bescherung nach hinten.

Ihre Wangen waren leicht gerötet, ihre Augen funkelten wie zwei Smaragde auf. Kian konnte sich das leichte anheben seiner Mundwinkel nicht verkneifen. Sie sprühte voller Lebenslust, voller Energie ... ganz klare Anzeichen dafür, dass sie verliebt war, dachte Kian sich und die Nostalgie empfing ihm von erneutem. Die Liebe war etwas so reines und erlösendes... er wusste zu gut, wie sehr sie sich gerade auf dem siebten Himmel befinden musste, da er sich selbst einst einmal auf diesen weichen entspannten Wolken befunden hatte, bis er von seinem schönen Sitz dort oben runter gestoßen und auf den Boden der Tatsachen gelandet war. Zu fest und zu hart nach seinem Empfinden nach zu urteilen.

»Das ist hier ja der Wahnsinn!«, rief Maya über das Stimmgewirr hinweg, indem sie sich von ihrer nackten Schulter aus zu Kian umdrehte und ihm ein zaghaftes Lächeln schenkte. Dann streckte sie ihm die Hand entgegen und speizte die Finger auseinander.

»Komm, sonst verlieren wir uns womöglich noch unter all den Leuten hier und meine portugiesisch Kenntnisse sind gleich null, wie du weißt.«

Also nahm Kian Mayas Hand in seine und beide zwängte sich durch die Menschen hindurch, die so sehr in ihre Gespräche versunken waren, dass sie nicht einmal mehr mitbekamen, wie viel Platz sie überhaupt einnahmen.

Gerade bogen sie die kleine Gasse zur rechts Seite ab, als Maya stoppte und über Kians Schulter hinweg in die entgegensetze Richtung blickte. Etwas hatte ihr Interesse geweckt, weshalb sie, was typisch für sie war, wenn sie etwas magisches verspürte, die Augen zu Schlitzen verzog und ihren prüfenden Blick aufsetzte.

»Hey, was geht denn da ab ?« Skeptisch richtete sie den Finger in die entgegengesetzte Richtung auf die linke Gassenseite hinter ihnen, weshalb Kian ihrem Blick folgte und ebenfalls das zu sehen bekam, was sie auf der Stelle zum Stehen veranlasst hatte .

Kian sah aus dem Augenwinkel, dass sich eine Schlange vor einem Lokal mit dunklen gedämpften Neonlichtern gebildet hatte. Die Fensterscheiben des Lokals sahen so aus, als bestünden sie aus kleiner lauter Glasscheibe, die unordentlich aufeinander geklebt wurden, als wären sie ein Bastelprojekt von Kindern im Kindergarten und doch wirkte dies durch das spärliche dunkle Lichter recht mysteriös und futuristisch. Nur einzelne verschiedene Lichtstrahlen konnten aus dem Inneren des Gebäudekomplexes ausgemacht werden, die quer durch den Saal verliefen und die Umrisse von tanzenden Menschen darstellten. Weitere Details konnte man von draußen nicht erkennen.

Als Kian den Blick über die aufgetakelten jungen Leute wandern ließ, die in Kleingruppen geduldig draußen warteten, flackerte eine leichte Erkenntnis in ihm auf. Er hatte Mal vor Jahren, als er mit Amira hier gewesen war in einem Reiseführer gelesen, dass in Lissabon ein neuer heißbelgehter Club geöffnet hatte, was das neue Ziel junger Touristen, als auch Einheimischer war. Wissentlich drehte er sich wieder zu Maya um, deren Augen nun entzückt und aufgeregt aufflackerten.

»Darüber habe ich gelesen«, sagte er.

»Den Club gibt es erst seit einigen Jahren und er wird sehr gerne besucht.«

»Ok, da gehen wir rein !«, unterbrach sie ihn, als er gerade ansetzte den dazugehörigen Zeitungsartikel zu zitieren. Maya fasste ihm am Handgelenk und zog ihn bestimmt in die entgegensetzte Richtung.

Kian öffnete zum Protest den Mund, da ihm weder nach feiern, noch nach besinnlichen Herumgetanze oder nach unnötigen Trinken zumute war. Er wollte keinen Spaß haben, doch als hätte Maya bereits das Skript vor Augen sagte sie, ohne dass er überhaupt anfangen konnte:

»Spar dir deine Bemühungen, Barroso. Wir werden da jetzt reingehen und abdancen. Wenn du schon nicht über deine Gefühle sprechen willst , dann müssen wir wenigstens dafür sorgen, dass du Mal abschaltest und lockerer wirst. Du liebe Güte mit deiner Anspannung ist es kaum auszuhalten.«

Kian schwieg. Er kannte Maya zu gut um zu wissen, dass sie hier eine Szene schieben würde, wenn er sich jetzt Quer stellen würde. Außerdem stahl sich ein spöttisches Lächeln auf seinen Lippen, als er die lange Schlange vor ihnen sah. Sie würden locker einige Stunden warten müssen und da Maya nicht immer die Vorzeigeperson war, was ihre Geduld anbelangte, war sich Kian sicher, dass er nicht einmal etwas unternehmen musste um sich ihrer Idee in den Weg zu stellen, da sie diese sowieso letzten Endes von selbst verwerfen würde.

Doch Kians heimtückisches Grinsen gefror zu Eis, als er sah, dass die kleine Dame sich nicht wie ursprünglich angenommen nach hinten zu den anderen gesellte, sondern geradewegs auf eine der Bodyguards zulief. Seine Züge verhärteten sich, die Schadenfreude verfestigte sich wie eine klitschnasse Schweißspur auf ihm und verspottete ihn an Ort und Stelle.

Und ehe es sich versah setzte Maya ihr süßes Lächeln ein, brachte ihre weiblichen Kurven im den perfekten Augenblicken zur Geltung und lachte herzhaft über die Witze der großen Muskelprotze, um die Männer mit ihrem Hexenzauber zu belegen. All das nur deshalb, weil sie sich und Kian in diesen noblen Club einzuschleusen wollte.

Ungläubig starrte Kian sie an, als einer der Männer Sekunden später die rote Schlinge der Absperrung für sie runterzog und sie im Anschluss den dunkel gehaltenen schmalen Flur entlangliefen an dessen Ende bereits die lauten Bässe und Technobeats erklangen.

Wie eingepackt und nicht abgeholt stand Kian noch immer am Ende des Flures, nun sichtlich erschöpft und sich an die Wand lehnend, weil er immer noch nicht fassen konnte, wie schnell sich der Spieß gedreht hatte. Sie konnte nicht einmal Portugiesisch !, klagte er innerlich darüber, da er immer noch nicht begriff, wie das passieren konnte.

Grinsend drehte sich aber in dem Moment Maya zu ihm um und bückte sich vor, damit er sie in ihren nächsten Worten verstand.

»Ich weiß eben wann und wie ich meine Attribute einzusetzen habe. Manchmal ist Showtime angesagt.« Sie zwinkerte ihm verspielt zu und legte einen kleinen Freudestanz hin, der nichts mehr mit der Verfüherin zu tun hatte, die sie vor nicht einmal 30 Sekunden draußen zur Schau gestellt hatte.

Kian verfluchte sich in dem Moment, wo er nur konnte. Er warf sich innerlich die schlimmsten Beleidigungen an den Kopf, weil er nicht glauben konnte, wie blind er sich auf die ganze Sache einlassen konnte. Schließlich hätte er sich doch denken können, dass Maya all ihre Tricks aus dem Ärmel packen und diese für sich einsetzen würde.

Doch als sie dann schlussendlich den riesigen Raum betraten, der Alkohol und bereits die ersten die schwitzenden Körper ihnen entgegenkamen, da war Kian von vornherein klar, dass er keinen Rückzieher mehr machen konnte. So eine Scheiße auch.

Der Raum war groß, die Wände lang und die Decke keineswegs zu niedrig. Durch einen futuristischen glänzenden Flair inspiriert, würde der Raum lediglich von kristallartigen Kugeln in der Luft und von Neonlichtern aufgepeppt. Eine große Tanzfläche befand sich in der Mitte in denen sich Menschen ausgiebig austoppten, als gäbe es kein Morgen mehr. Um sie herum waren riesige rechteckige Boxen aufgestellt worden, die im Takt der Musik fast schon Atemzug ähnliche Up und Downs darlegten.

Inmitten dieses Mischmarschs an leidenschaftlich tanzenden Körpern gab es außenherum verschiedene Steh- und Sitzmöglichkeiten. Zusätzlich zu den Stehplätzen und Sitzplätzen gab es für die Besucher ebenfalls zwei Stützpunkte an die sich die ausübenden Gäste orientieren konnten, um sich eine kleine Erfrischung einzuholen. Die beiden vorhandenen großen Bars, die in einer großen Diskohalbkugelform aufgebaut waren, waren am Anfang als auch ganz am Ende des Raumes auszumachen.

Kian bemerkte, während er Maya bei jedem Schritt folgte, um sie bloß nicht aus den Augen zu verlieren, dass sie auf die Bar in der Nähe des Eingangs zusteuerte und sich im Anschluss auf eine der wenigen silbernen Barhocker niederließ, die noch frei waren. Kian setzte sich nicht hin, sondern stützte sich mit dem Arm an der Theke ab und schirmmte somit Maya von den gierigen Blicken der Männer um sie herum ab. Maya war eine attraktive Frau und obwohl er wusste, dass ihre Körpergröße und ihre Erscheinung über ihr offenes Mundwerk täuschen konnten, verspürte er dennoch das Bedürfnis sie beschützen zu müssen. Schließlich war sie nun in einer Beziehung. Ihr Freund hatte viel eingesteckt haben und Kian vertrauen oder wohl eher Maya vertrauen müssen, wenn er erlaubt hatte, dass sie zu ihm reiste und mit ihm Nachts unterwegs war. Kian wollte dieses Vertrauen nicht missbrauchen und schon von Anbeginn vermeiden, dass dies einen Keil zwischen ihnen trieb. Maya, die nichts von der Beschützerinstinkten von Kian mitbekommen hatte, winkte einen der Barkeeper zu sich und gab zwei Getränke in Auftrag, die Kian aufgrund der lauten Musik nicht hören könnte.

Als kurz darauf zwei Flaschen Bier rüber zu ihnen geschoben wurde, umfasste Maya diese mit jeweils einer Hand und streckte eines dieser Kian entgegen.

»Alkoholfrei...«, schrie sie laut über die Musik hinweg.

»Ich werde dich heute Abend im Auge behalten und du hast bereits genug Alkohol während meiner Abwesenheit vertilgert.«

Kian verdrehte die Augen, da er es hasste, dass sie ihn bevormundete, doch letztlich gab er es auf so zu tun, als wäre er sauer auf sie und stieß mit ihr an. Die Musik gefiel ihm. Es war eine ganz neue Richtung, die er lange nicht mehr gehört hatte. Kian entspannte sich etwas. Vielleicht würde er sich doch noch auf andere Gedanken bringen können. Diese Vorstellung besänftigte ihn minimal, weshalb er es aufgab, sich Mayas Plänen entgegenzustellen und sich damit abfand ihr stattdessen Gefolgschaft zu leisten.

***

Wie lange, die beiden bereits da standen und ihren drittes Bier zu sich nahmen, konnten die beiden beim besten Willen nicht sagen, doch dass Kian sich während des Gespräches gelockert hatte und sogar angefangen hatte sich leicht zu der Musik hin und herzuwippen, hatte auch Maya etwas von der Sorge weggenommen, die man ihr anfänglich noch von den Augen ablesen konnte. Die beiden Arbeitskollegen hatten sich über dieses und jenes unterhalten. Gerade erzählte Maya darüber, wie sie sich vor einen der Kunden in Dubai blamiert hatte, was Kian heftig zum Lachen brachte, als ihr Handy aufblinkte und sie sich selbst mitten im Satz unterbrach. Ein Blick auf ihr Handy sorgte dafür, dass die Unbeschwertheit augenblicklich von ihr wich. Beinahe energisch verstaute sie ihr Handy wieder in den kleinen Schlitz an der Seite uhres Kleides, dass auf dem bloßen Blick kaum auffiel.

Kian musterte sie währenddessen eindringlich und legte sein Bierglas zur Seite.

»Alles in Ordnung bei dir ?«, fragte er sie, was sie mit einem zwanghaftes Lächeln zu umgehen bestrebte.

Das bedeutete also Nein.

»Ja, alles bestens.« Sie wich Kians Blick gekonnt aus und wollte gerade erneut aus ihrem Bierglas einen Schluck nehmen, da entriss dieser ihr die Flasche aus der Hand und legte sie ebenfalls auf den Tresen ab. Mit angelehntem Arm blickte er sie ernst an.

»Was ist los ?«, Kian fragte mit solch einem Nachdruck, dass dies ihrem Gegenüber klar zu verstehen gab, dass er keine weiteren Lügen mehr duldete.

Maya spielte mir den Rändern ihres Kleides. Erst da bemerkte Kian, dass sie etwas bedrückte.

»Karim und ich hatten eine kleine Meinungsverschiedenheit...«, sagte sie und Kian wartete gebannt darauf, dass sie ihn mit weiteren Details ausstattete damit er ihr helfen konnte. Nach einer kurzen Pause tat sie dies schließlich, indem sie Kians Blick erneut gekonnt vermied.

»Ich habe mit ihm nicht abgeklärt, dass ich heute Abend mit dir ausgehen wollte. Als ich ihm dies hingegen dann gebeichtet habe, war er nicht begeistert davon.«

Kians Augen weiteten sich. Er wollte seiner Freundin nichts vorschreiben, doch konnte er sich auch bei seinen nächsten Worten nicht zurückhalten.

»Maya... das kann doch nicht dein Ernst sein.«

Nun war sie es, die ihn böse anfunkelte.

»Nur damit das klar ist Kian, ich habe für immer mit Männern abgeschlossen, die meinen mich herumkommandieren zu müssen, wie ein Stück Dreck und mich auch als solches behandelten. Mir ist meine Freiheit wichtig, ich lasse mich von niemandem einengen nicht einmal von Karim. Niemals !«

Kians Augen weiteten sich akribisch. Die Maya, die immer ein großes Geheimnis daraus machte, weshalb sie sich an keine Beziehung mehr ran wagte, legte zum ersten Mal die ersten Karten offen auf den Tisch. Kian war erstaunt über ihre Offenheit.

»Du bist mein Freund, Kian. So sehr er mit auch etwas bedeutet... Ich lasse meine Freunde nicht in Stich und ich stelle da auch keine Prioritäten. Er muss meine Freunde akzeptieren und als ich ihm das klipp und klar gesagt habe, hatte er auch nichts gegen meine Reise zu dir einzuwenden. Da dachte ich wirklich er vertraut mir und nun macht er wieder solch ein Theater. Das kann ich nicht ab. Das engt mich ein !«

Kian sah wie verzweifelt sie war. Maya liebte Karim, auch wenn sie es nicht laut aussprach, doch hatte sie zu sehr Angst, dass man ihr das Herz ein erneutes Mal in Stücke zerrieß, weshalb sie standhaft dabei blieb ihren eigenen Weg zu gehen.

Kian legte seine kritische Miene beiseite und blickte sie sanftmütig an.

»Ich glaube hier geht es weniger darum ob Karim dir vertraut oder nicht, Maya. Wenn er dies nicht getan hätte warst du nämlich nicht hier bei mir. Ich bin ein Kerl. Er kennt mich nicht einmal... Ich könnte es ihm als nicht Übel nehmen, wenn er bedenken gehabt hätte. Aber er vertraut dir und er respektiert deine Bedürfnisse und Wünsche, indem er versteht , dass dir unsere Freundschaft etwas bedeutet. Kein Mann würde dies so leichtfertig hinnehmen. Insbesondere kein so dominanter Mann wie Karim. Es muss ihn viel Überwindung gekostet haben. Trotz dessen ist es aber eine andere Sache, wenn du ihm verschweigst, dass du abends durch die Häuser ziehst. Wie würde es dir gefallen, wenn dir Karim plötzlich wie aus dem nicht schreiben würde, dass er mit einer alten Freundin feiern geht ? Wärst du einverstanden damit ? Jede Beziehung hat seine Grenzen. Es ist wichtig dennoch hinzunehmen, dass man jedem Menschen seinen Freiraum lässt. Doch dafür müssen sich beide anstrengen.«

Maya stützte die Lippen, sagte aber nichts. Es war ihr anzusehen, dass sie Kian recht gab, dies aber nicht zugeben wollte. Schnurstracks hievte sie sich vom Barhocker runter und knallte gegen Kians Brust.

»Darüber möchte ich jetzt nicht nachdenken. Im Moment geht es um dich. Lass uns tanzen.« Bevor Kian zu Ausdruck bringen konnte, wie falsch er dies fand, hatte sich Maya bereits unter die Leute gemischt. Kian eilte ihr schnell hinterher, um den Anschluss nicht zu verlieren und stellte sich mit der Absicht ruhig, dass er morgen dieses Gespräch mir ihr weiterführen würde. Heute Abend war eine Ausnahme.

Als sie mitten auf der Tanzfläche zum Halt kam und sich lächelnd zu Kian umdrehte, musste auch er unwillkürlich schmunzeln und als sie anfing, wie eine Verrückte zu tanzen und dabei, was ganz untypisch für sie war, da konnte auch Kian nicht bei sich halten und alberte mit ihr auf der Tanzfläche rum. Er hatte Spaß und das gefiel ihm.

Gerade fing Maya an die Bewegungen einer Hawaitänzerin zu imitieren, als sie erneut inne hielt. Anscheinend hatte ihr Handy wieder vibriert, denn mitten auf der Tanzfläche zum stehen kommend zog sie ihr Handy aus der Seitentasche ihres Kleider raus.

Kian las ihr von den Lippen ab, dass sie laut auffluchte, als der Name von Karim aufblinkte und dieser sie anrief. Sie blickte Kian entschuldigend an und bückte sich zum ihm vor.

»Ich muss da jetzt ran. Tut mir leid ich bin gleich wieder da.«

Kian hob beide Daumen nach oben um ihr zu signalisieren, dass es für ihn Ordnung war, ehe sie auch schon wieder in der Menge verschwand.

Da stand Kian nun ganz alleine und blickte sich in der Masse um. Was nun ? fragte er sich, entschied sich aber dann dafür nicht wie ein Stock dazustehen, sondern einfach weiterzutanzen. Er schloss die Augen, wippte hin und her und gab sich der Musik hin.

Ruhe, dachte er sich... Endlich Ruhe vom seinem finstern Gedanken.
Ein zufriedenes Lächeln stahl sich auf sein Gesicht.

Und dann wippte er noch weiter... immer weiter und stellte sich vor, dass auch sie da war. Seine Amira.

Zwei sanfte Arme umschlungen seinen Nacken. Das rote Kleid stand ihr fantastisch, betonte ihre perfekten Kurven. Sie trat an ihn näher, so viel näher... zeigt ihm mit jeder Faser, dass sie ihn wollte.

Oh ja und auch er wollte sie, dachte er diesem Rausch ergeben, als er sie fest an der Taille packte und sie an sich zog. Sein Gesicht versteckte er in ihr Halsbeuge, verteilte einzelne gierige Küsse auf ihrer Haut. Er bemerkte wie sie an seinen Haaren zog, wie sie vor Lust aufseufzte, sich an seiner nun vorhandenen Erektion rieb. Auch er keuchte vor Verlangen auf. Er hatte sie vermisst, er hatte sie so sehr vermisst. Ihre Haut, ihre Luft, ihre Haare, einfach alles.

Er fasste sie so plötzlich am Hinterkopf, dass sie nach Luft schnappte, doch unterbrach er sie dabei indem er seine Lippen auf die ihre drückte. Er kaute an ihrer Unterlippe, saugte wie verdurstet daran und bat um Einlass, indem er seine Zungenspitze über ihre Mundöffnung kreisen ließ. Sie ließ ihm gewähren. Mit geschlossenen Augen gab sich Kian diesem köstlichen Traum hin und hielt sie ganz fest an den Haaren, damit sie ihm nicht schon wieder entwich. An diesen wunderschönen noughatbraunen Haaren, die ihn Kraft schöpfen ließen küsste er sie als gäbe es kein Morgen für ihn. Er verzerrte sie regelrecht und er stöhnte auf, als er sie schmeckte. Wie sehr er sie vermisst hatte.

»Ich bin verrückt nach dir... Ich bin sowas von verrückt nach dir Amira, du kannst mich nicht verlassen«, brachte er außer Atmen hervor, indem er den Kuss unterbrach und sie Stirn an Stirn mitten auf der Tanzfläche standen, beide zu sehr benommen von diesem hungrigen Kuss. Kians Herz klopfte wie die eines Teenagers. Er fühlte sich jung und lebendig. Endlich wieder lebendig. Ein Lächeln, ein echtes Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht, wie sehr er auf diesen Moment gewartet hatte und wie...

»Das werde ich nicht mein, süßer.«

Süßer?

Diese Stimme. Kian riss erschrocken die Augen auf und sprang augenblicklich zur Seite, als er bemerkte, dass diese Stimme nicht die von seiner Frau war.

Scheiße, was zum...

Und dann sah er es. Er sah wie die helle Haut zu einem bräunlichen Taint wurde, das noughatbraun Haar von einem grellen blond ersetzt, ihre kleinen Brüste von D-Körbchen und ihre hellgrünen Augen von dunklen Sprenkel verdeckt wurden. Dies war kein Traum...

Vor ihm stand nicht seine Frau. Da stand nicht seine Amira. Sie war eine Fremde.

Sie lächelte ihn anzüglich an, trat wieder zu ihm ran und zupfte am Kragen seines Oberteils.

»Na mein Wilder. Wollen wir uns vielleicht einen ruhigen Ort suchen ?", und in dem Moment wurde Kian aus seiner Starre gerissen. Er klatschte ihre Hand zur Seite, stolperte schockiert nach hinten und bevor sie wieder auf ihm zukommen konnte, zwängte er sich durch die Leute und suchte den Ausgang der Tanzfläche.

Mit einem Mal gefiel ihm diese Menschenmasse nicht mehr, die laute Musik schlug aggressiv auf ihn ein, die Menschen ließen in klaustrophobisch werden. Schwer atmend knallte Kian an einzelne Gestalten, er drohte den Stand zu verlieren hätte er sich nicht hier und da an Hemde fremder Menschen geklammert. Ihm war er egal... Hauptsache er kam hier weg.

Es war nicht Amira...
Er hatte nicht Amira geküsst, sie nicht berührt.

Seine Augen wurden schwerer, seine Atmung erschreckend flacher. Sein Puls raste, als würden ihm gleich einige Adern herausplatzen.

Die ausgehungerten Küsse, das Streicheln seiner Lippen an einer anderen... die nicht Amira gehörten.

Kians klare Sicht verschwamm. Er drohte jeden Moment umzukippen. Schweiß tropfte an ihm runter unter dem T-Shirt was er trug.

Eine andere Frau.
Er hatte sich mit einer anderen Frau vergnügt.

Er... Er hatte Amira betrogen.

Er fiel nach vorne, spürte dass er sich noch im letzten Moment an etwas festkrallen konnte. Die Theke! Er war an der Bar angekommen.

Betrogen.

»Shit. Shit shit shit«, er raufte sich die Haare, presste die Augen zusammen und spürte, dass seine Augen brannten, da ihm die Tränen hochstiegen.

Nein... Nein das habe ich nicht getan.

Er schmeckte erneut diese Lippen. Nein ! Das waren nicht ihre.

»Argghhhh !«

Kian schlug wütend auf die Theke. Einige um ihn herum drehten sich zu ihm um, doch Kian war zu sehr in seiner eigenen Welt gefangen, als dass er dies bemerken würde.

»Hey, Mann alles klar bei dir?« Einer hinter der Theke trat zu ihm und Kian hob emotionskalt den Blick an.

»Gib mir was zu trinken. Gib mir das Stärkste was du hast. Gibt mir etwas, was mir mein Hirn wegfegt.«

Der Barkeeper blickte ihn Sekunden lang an, dann nickte er, als er dem Entschluss in Kians Augen sah und mixte ihm ein Getränk. Kian fragte nicht nach um was es sich handelte. Als er hingehen daraus trank, konnte er den leichten Geschmack von Wodka und Bacardi ausmachen. Nachdem er dieses Glas im Sekundentskt weggeexkt hatte, forderte er nach einem neuen.

Hüften, die nicht seiner Amira gehörten.

Ein Glas.

Nicht ihre Haut, die mit seiner in Berührung kam. Es war die einer anderen.

Das zweite Glas.

Lippen, die er beschlagnahmte, die er hungrig besessen hatte. Fremde Lippen.

Ein drittes Glas.

Betrug!
Er war ein Betrüger! Ein Verräter!

Ein viertes Glas. Und doch dämpfte es den sitzenden Schmerz im seiner Brust nicht. Den Hass den er für sich empfand. Er wollte sich selbst schlagen, sich selbst weh tun. Wie konnte er nur ! Wie konnte er ihr das antun.

Kian machte weiter und machte weiter. Er wollte es vergessen. Er wollte sich nicht mehr daran erinnern. Seine Lippe gehörten nur einer Person, nur einer Seelenverwandten. Er hatte diesen Codex gebrochen. Er hatte sie betrogen.

Irgendwann lallte Kian nur noch unmissverständlich vor sich hin, während er halb über den Tresen gebeugt war und ihren Namen immer und immer betrunken vor sich hin murmelte. Seine Augen fielen immer wieder zu während er gequält vor sich hin sprach. Er sah fertig und mitgenommen aus.

Fast wäre er eingedöst, bis ihm die Luft erneut wegblieb und er auf quengelte.

»Geh nicht Amira... Lass mich nicht alleine. Ohne dich kann ich nicht. Ohne dich bin ich ein niemand.«

Automatisch griff er ungeschickt in seine Hosentasche und fischte sich mit zittrigen Händen sein Handy heraus. Er bemerke gar nicht wie die ersten Tränen auf sein Display hinabfielen, als er auf ihren Namen bei den Kontakten drückte und eine Nachricht an sie tippte.

Ich vermisse dich. So sehr.

Er schickte dies mit der letzten Willenskraft die er aufbringen konnte ab, dann sackte er wieder in sich zusammen und ließ sein Kopf auf den Tresen fallen. Sein Körper bebte, doch gleichermaßen schlug ihn der Schmerz bewusstlos nieder.

»Kian ?" Er bewegte sich nicht. Er rührte sich auch nicht, als er ein vertrautes Gesicht sah und das besorgte und erschrockene Schreien von Maya ausmachen konnte.

»Du liebes bisschen. Kian was ist passiert ?«

Mit zittrigen Lippen hob er den Kopf ab, die Tränen liefen unhaltsam über sein Gesicht. Seine Augen brannten. Kian war sich sicher, dass seine Augen rot unterlaufen waren.

»Ich habe sie betrogen Maya. Ich habe sie betrogen. Ich bin so ein verdammter Wixxer... so ein verdammter scheiß Mistkerl...so...«, er schlug sich mehrmals die Hände zu Fäusten geballt immer und immer wieder wie verrückt gegen seinen Kopf, bis Maya sich schließlich vor ihm stellte und ihn davon abhielt. Ihre Augen waren vor Schreck geweitet.

»Kian...« Ängstlich flüsterte sie seinen Namen. Und in dem Moment als er sein jämmerliches Spiegelbild in ihren Augen sah, da brach er endgültig in ihrem Armen zusammen und das schrille Schluchzen übertönte selbst die laute Musik, die erklang.

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