Quatre

Die Wochen verstrichen und Sam traf Jacques regelmäßig. An der Pommesbude, im Kino, im Vapeur Bleue, im Schlafzimmer. So zog der Februar vorbei, und der März folgte ihm bald und brachte den Frühling mit. Die Tage wurden länger, und die wenigen Grünflächen in Paris begannen zu blühen. Irgendwann Ende März, sie saß mal wieder frühstückend mit Jacques am Küchentisch und pustete in ihren brühend heißen Kaffee, als er zwischen zwei Bissen Blaubeerpfannkuchen murmelte:

"Hast du vielleicht Lust, zu meinem Geburtstag zu kommen?"

Die Schwarzhaarige stellte die Tasse ab und sah ihn an.

"Stimmt, du wirst ja bald achtzehn... Was hast du denn vor?"

Er kratzte sich mit einer Hand im Nacken und grinste sie an.

"Naja, eigentlich nur ein bisschen saufen gehen, vielleicht ins Vapeur Bleue... Ich hab auch noch ein paar Mitschüler eingeladen."

Sam aß ein Stück Pfannkuchen, bevor sie nickte.

"Klar, ich komm gerne."

Jacques' Lächeln wurde noch etwas breiter und er griff nach ihrer Hand.

"Das freut mich, wirklich."

Eine Woche später stand Sam im wahrscheinlich kürzesten Kleid, das sie gefunden hatte, vor dem Spiegel und begutachtete sich.
Ja, sie sah gut aus, und das wusste sie. Ihr Blick zeugte von Selbstvertrauen, ihr Lächeln hatte schon einige Männer um den Finger gewickelt. Nur musste sie diesmal kein Geld mit ihrem Aussehen verdienen. Das alles galt nur Jacques.
Sie brauchte mit dem Auto kaum fünf Minuten ins Vapeur Bleue. Es war schon voll, wie eigentlich immer. Jacques, der Broccoli mit den türkisen Haaren und noch einige andere standen an einem Tisch in der Ecke. Sam zählte außer Jacques und Leander sieben Männer und auch zwei Frauen. Die eine schien geradezu an Leander zu kleben, die andere tanzte mit einem der Jungs.
Als Leander von seiner Freundin an die Bar gezerrt wurde, nutzte Sam den Moment.

"Salut, Jacques. Joyeux anniversaire!"

Sie verschluckte sich fast an den zwei Wörtern. Ihr Französisch war eben nicht perfekt, und die Laute waren in sämtlichen anderen Sprachen, die sie beherrschte, ungewohnt.

"Merci, Sam. Ich freue mich, dass du hier bist."

Himmel, sein Lächeln. Es brachte auch sie automatisch dazu, mit einem breiten Grinsen im Gesicht herum zu laufen.

"Hast du Lust, zu tanzen?"

Tanzen? Oh Gott, wenn sie sich jetzt nur nicht blamierte.
Die Musik hielt sich weitestgehend im Disco-Stil, weswegen sie nicht wirklich irgendwelche Schritte beherrschen musste. Aber Jacques wäre nicht er selbst gewesen, wenn er die junge Frau nicht beim ersten langsameren Lied auf die Tanzfläche geschleppt hätte.

"Ich hoffe, bei euch lernt man Walzer?", neckte er sie.

"Das nicht, aber ich schätze, ich lebe schon lang genug hier, um einen Bierkastenwalzer hinzubekommen."

Sam ließ sich von ihm führen und versuchte zu ignorieren, dass sie angestarrt wurde. Sicherlich waren sie ein verdammt ungleiches Paar, und ein Walzer auf einer Geburtstagsfeier war auch gewöhnungsbedürftig.

Irgendwann in der Nacht waren außer Sam und Jacques nur noch Leander und dessen Freundin Sévèrie anwesend, doch auch die verabschiedeten sich gerade. Danach wandte die Daeunga sich an den jungen Franzosen.

"Lust, noch mit zu mir zu kommen?"

Seine Augen strahlten, als er ihr antwortete.

"Sehr gerne."

Sam fuhr langsam. Auch sie hatte einiges getrunken, und auch wenn ihr Körper immer noch mehr vertrug als der eines Menschen, war sie doch gut angeheitert.

Vor ihrer Wohnung parkte sie den Wagen und schälte sich vorsichtig aus dem Sitz. Zu oft schon war sie mit dem Kopf gegen den Rahmen geknallt,  ein Twingo war nunmal kein Auto für eine zwei Meter große Person. Sie beneidete Jacques, der einfach ausstieg.
In der Wohnung verschwand Jacques kurz im Bad, während sie sich erstmal des eklig engen Kleides entledigte und ihre Schuhe in die Ecke kickte. Dann entfernte sie die Haarklammern aus ihrer Frisur und wollte sich wenigstens ein T-Shirt überziehen, als er plötzlich hinter ihr stand. Ohne ein Wort zog er sie mit sich auf ihr Bett und schlang die Arme um sie. Sein Daumen streichelte ihr über den Rücken, die Finger der anderen Hand spielten mit einer ihrer Haarsträhnen. Dabei sah er sie unablässig an. Er strich ihr über die Arme, den Hals, die Taille, bis sie nicht mehr wusste, wo oben und wo unten war. Sie griff ihm in den Nacken und küsste ihn, ließ ihn nicht mehr los, bis sie ihre Leidenschaft in ihm aufkeimen spürte.

Als sie am Morgen die Augen aufschlug, war Jacques weg. Sie lag irgendwie quer über dem Doppelbett, ihr Kissen lag auf dem Boden, das andere unter ihren Knien, und das Laken sah aus wie ein Küstenstreifen nach dem Tsunami.
Den Jungen mit den Hundeohren fand sie in der Küche, summend, mit einer Tasse Kaffee neben sich und vor einer Pfanne mit noch flüssigem Rührei. Auf dem Tisch lag eine Papiertüte aus der Bäckerei, in der sie arbeitete, woraus sie schloss, dass Jacques Brötchen geholt hatte.

"Morgen, Dornröschen! Hast du mal auf die Uhr geguckt?", wurde sie empfangen. Sie schielte zur Küchenuhr. Es war schon nach elf.

"Jetzt schon, und sie sagt mir, dass ich frei habe", gab sie sarkastisch zurück und gab Jacques einen kurzen Kuss, bevor sie sich ein Glas Milch aus dem Kühlschrank holte.

Sie frühstückten in aller Ruhe, dann fuhr sie Jacques nach Hause. Bevor sie sich von ihm verabschiedete, verabredeten sie sich noch fürs nächste Wochenende - Sam hatte da schon äußerst genaue Pläne. Und auch wenn der Junge mit den Hundeohren nicht so der Typ Mensch war, der sich für Pferde begeistern konnte, würde er sie bestimmt begleiten.

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