faul


Früh am Morgen – draußen zwitscherten vereinzelt die ersten Vögel – wachte ich von einem schweren Gewicht auf meiner Taille auf. Obendrein war es ungewöhnlich warm unter der Bettdecke. Ich blinzelte einige Male, um den Schlaf zu verscheuchen. Es dauerte eine Minute, vielleicht auch zwei, bevor ich mich orientiert hatte. Die Wand genau vor mir machte mir bewusst, dass etwas anderes – oder besser gesagt jemand – hinter mir lag und einen Arm um mich geschlungen hatte.

Stefano.

Für einen Moment wusste ich nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. So viel zum Thema, brav Abstand zu halten. Oder hatte er mich so vermisst, dass er mich jetzt einfach nur festhalten wollte, damit ich nicht wieder verschwand? Vorsichtig, um ihn nicht aufzuwecken, drehte ich mich um. Im spärlichen Licht, das durch das Fenster ins Zimmer schien, musterte ich sein Gesicht. Die vollen langen Wimpern lagen sanft auf seiner dunklen Haut auf. Seine geschwungenen Lippen lockten mich vorwärts, immer näher an ihn heran.

Kurz bevor ich mich zu irgendwelchem Unfug hinreißen ließ, hielt ich inne. Ihn einfach abzuknutschen, während er schlief, wäre selten dämlich. Und auch unverschämt. Mir würde es nicht gefallen, wenn er das an meiner Stelle täte, den Augenblick gewissenlos ausnutzte. Ich seufzte verhalten, weckte ihn damit auf. Er schluckte, befeuchtete mit der Zungenspitze seine Lippen. Wir schauten einander nur tief in die Augen. Ich wagte kaum zu atmen. Was nun? Schweiß bildete sich auf meinen Handinnenflächen, die ich hektisch am Bettlaken abwischte. Stefano beugte sich vor, berührte mit seiner Nase flüchtig meine Nasenspitze. Schmetterlinge tanzten in meinem Bauch. Sein Blick wanderte zu meinen Lippen. Ich wollte ihn anschreien. Tu es endlich! Doch ich blieb mucksmäuschenstill.

„Hey, ihr Schnarchnasen." Jemand klopfte laut an der Tür, ließ uns wie von einer Tarantel gestochen auseinanderfahren. „Es gibt Ärger in der Stadt. Wir müssen los."

„Ich bin in fünf Minuten unten, Ryan", rief er dem vor der Zimmertür wartenden Mann zu. „Ich könnte ihn umbringen", knurrte er weitaus leiser, nur für meine Ohren bestimmt.

Ich knuffte ihn gegen die Schulter. „Lass das lieber, sonst bekommst du Ärger mit Lucius." Über Stefanos Bruder wunderte ich mich noch immer. So ungewohnt hatte er sich seit meiner Rückkehr verhalten.

„Oder er mit mir. Vielleicht wäre dir das sogar lieber, wenn du erfährst, was wir geplant haben." Er sprang aus dem Bett und schlüpfte in seine Kleidung. „Aber das muss warten. Immer kommt etwas dazwischen." Ohne eine weitere Erklärung, worauf sich sein letzter Satz bezog, verschwand er aus dem Zimmer. Ich krallte mir sein Kopfkissen und vergrub meine Nase darin. Sein Geruch benebelte meine Sinne und ich schloss träge die Augen. So wie es aussah, durfte ich noch einige Stunden weiterschlafen. Ich dämmerte langsam weg, hörte noch, wie drei oder vier Fahrzeuge mit quietschenden Reifen und aufheulenden Motoren vom Grundstück fuhren. „Männer", murrte ich im Halbschlaf, bevor die Müdigkeit mich völlig übermannte.

Einige Zeit später wachte ich vom Geräusch laufenden Wassers auf. Stefano duschte. Ich rappelte mich hoch, wischte mir den Schlaf aus den Augen. Etwa in der Mitte des Raumes entdeckte ich seine Kleidung, die an mehreren Stellen feucht glänzte. Rote Flecken auf dem zuvor weißen Hemd. Hatte jemand ihn verletzt? Ich sprang aus dem Bett und rannte ins anliegende Bad. Abrupt blieb ich stehen und starrte auf seine durchtrainierte Rückseite. Scheiße sah der Italiener zum Anbeißen aus.

„Willst du da noch länger herumstehen oder möchtest du mit mir zusammen duschen?" Hatte der Kerl im Hinterkopf Augen? Ich biss mir auf die Unterlippe. Entweder, ich verzog mich zurück ins Bett und zog mir die Decke über den Kopf, weil sich meine Wangen tomatenrot färbten, oder ich überraschte ihn. Wie in Trance streifte ich mir die Schlafsachen ab und trat zu ihm unter den Duschstrahl. Stefano atmete scharf ein, als ich meine Hände über seine Arme hoch zu seinen Schultern wandern ließ. „Soll ich dir den Rücken waschen?", fragte ich unschuldig und wunderte mich im gleichen Moment über mich selbst. Wo kam plötzlich der Mut her?

„Gerne, aber danach lässt du mich auch deinen Rücken waschen", erwiderte er ein wenig heiser. Seine Stimme verpasste mir trotz des warmen Wassers eine Gänsehaut. Wortlos nahm ich ihm das Duschgel ab und schmierte ihn in kreisenden Bewegungen ein.

„Jetzt bin ich dran", raunte er mir ins Ohr. Mit den Lippen streifte er meine Schläfe. Unwillkürlich presste ich die Beine zusammen. Auf was hatte ich mich da nur eingelassen? Mal wieder eine meiner üblichen Schnapsideen. Vielleicht war es besser, wenn ich flüchtete, solange ich noch konnte. Wenn ich mich in der Bibliothek versteckte und dort erst gegen Abend wieder herauskam.

Das kalte Gel traf auf meine Hitze verströmenden Schultern. Quälend langsam verteilte der Italiener es auf meinem Rücken. Jede Berührung weckte mehr ein Verlangen in mir, dem ich nicht nachgeben wollte. Nicht heute. Erst wollte ich ihn besser kennenlernen, unsere Beziehung gemächlich angehen lassen. Nicht zuletzt, weil ich über keine nennenswerten Erfahrungen verfügte.

„Keine Angst", wisperte er. „Ich werde es nicht ausnutzen." Er presste seine Lippen auf meinen Nacken, zog sich dann einen Schritt zurück. „Wir sollten frühstücken gehen." Ich drehte mich zu ihm um, bemerkte seine angestrengte Miene. Er wollte mehr, doch hielt er sich meinetwegen zurück. Ich beugte mich vor, küsste ihn flüchtig auf den Mund, bevor ich fluchtartig die Dusche verließ. Schnell wickelte ich mir ein Badelaken um und verschwand ins Schlafzimmer. Sein leises Fluchen begleitete mich. Da hatte ich ja was Schönes angerichtet. Ich schlüpfte in bequeme Kleidung und stürmte aus dem Zimmer. Unten in der Eingangshalle stieß ich fast mit Lucius zusammen. Im letzten Moment konnte ich ihm ausweichen und stolperte zur Seite.

„Hast du es so eilig, an den Frühstückstisch zu kommen, nachdem du so lange gefaulenzt hast?" Seine Mundwinkel zuckten amüsiert nach oben. Sein Blick scannte jeden Millimeter meines Gesichts, wanderte weiter zu meinen nassen Haaren. „Die Dusche war wohl ein wenig zu heiß für dich."

Mistkerl. Schmollend boxte ich ihn gegen den Arm, erstarrte gleich darauf wie das Kaninchen vor der Schlange. Ich hatte den Mafiaboss geschlagen! Ich setzte einen halben Schritt rückwärts, doch Lucius packte mich blitzschnell am Handgelenk.

„Sonderlich kraftvoll war das ja nicht gerade. Vielleicht sollte ich meine Pläne für dich auf morgen verschieben und dich stattdessen in den Fitnessraum scheuchen." Verdattert ließ ich mich von ihm zum Frühstückstisch führen. Was für Pläne? Verwirrt suchte ich Blickkontakt.

„Was denn?", fragte er unschuldig grinsend. „Hast du Angst, dass an deine faulen Tage in der Bibliothek ein Ende kommt?"

*****

Na, da hat Lucius Sarah wohl verwirrt. Fiese Aktion, nachdem sie vor der zu heißen Dusche mit Stefano geflüchtet ist.

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