Kapitel 9
Cleo
"Wow, Sie sind ja so einfühlsam.", meckere ich ihn an, weil er sich seine Worte auch hätte sparen können.
Raphael jedoch biegt unbeeindruckt in eine Tiefgarage ein und parkt den Wagen geschickt.
"Das was ich hier tue, das darf ich nicht. Ich darf Informanten nicht mit zu mir nehmen oder mich in meiner Freizeit mit ihnen treffen.", fängt er an.
Nervös schaue ich zu ihm rüber, während er den Wagen ausschaltet.
"Anders gesagt: Das bleibt unter uns. Du wirst das niemandem erzählen, auch nicht vor Gericht. Verstanden?"
Seine Stimme klingt drohend und mir wird sofort bewusst, dass er das nicht zum Spaß sagt.
Ich schnalle mich ab.
"Als würde ich mit Ihnen angeben wollen. Im Leben nicht.", spotte ich und steige aus dem Auto.
Er macht es mir gleich und schaut mich über das schwarz-glänzende Autodach an.
"Was soll das denn heißen?", fragt er verwirrt und geht ums Auto herum.
Mein Blick fällt auf die Waffe in seiner rechten Hand, die er dann aber geschickt in seinem Hosenbund hinter seinem Rücken versteckt.
"Nichts.", beende ich das Gespräch.
Ich will jetzt einfach nur schlafen oder es zumindest versuchen. Ein Bett würde mir schon ausreichen.
Wir gehen zu einem silbernen Aufzug, der uns in den 18. Stock fährt. Der Flur sieht edel aus und der Teppichboden macht den Anschein, als würde er jeden Tag intensiv gereinigt werden.
Ich staune nicht schlecht, als er die Tür zu seinem Apartment aufschließt. Man kann aus dem Wohnzimmer über die ganze Stadt gucken.
Langsam gehe ich zu den großen Fenstern, die das ganze Apartment umrahmen. Die dunkle Couch ist riesig, der Fernseher ebenfalls.
Ich habe mich immer gefragt, wie viel man beim FBI verdient, dass man so abgehoben und arrogant sein kann.
Jetzt weiß ich es.
Es muss ein Vermögen sein.
Sein Blick brennt in meinem Rücken, als ich das Apartment betrachte. Eine Treppe führt mitten im Raum nach oben in den zweiten Stock.
Vermutlich zu seinem Schlafzimmer?
Die Decke ist hoch, sehr hoch. Die Küche ist offen, der Tisch ist lang. Es ist alles so seltsam sauber, als würde hier gar keiner wohnen.
"Da im Flur ist das Bad. Ich schlafe auf dem Sofa, du kannst das Bett haben.", lässt er mich wissen und will nach oben verschwinden, bevor ich in aufhalte.
"Ich schlafe sowieso nicht. Sie können das Bett haben.", nicke ich ihm zu, um meine Aussage zu bestätigen.
Raphael hängt das schwarze Jackett über das Treppengeländer und kommt zu mir runter.
"Wann hast du das letzte Mal geschlafen?", runzelt er die Stirn und kommt weiter auf mich zu.
Ich hebe ahnungslos die Schultern an.
"Keine Ahnung, vor 6 Tagen vielleicht? Da war ich aber auch ziemlich betrunken.", gebe ich zu.
Warum erzähle ich ihm so viel?
Er ist ein arroganter Detective, der mich in spätestens 2 Wochen in den Knast bringt. Der seine Versprechen bricht, so wie alle. So, wie jeder in meinem Leben.
"Alkohol steht da in der Vitrine. Ich geh schlafen."
Mit diesen Worten und ohne auf meine einzugehen, entfernt er sich von mir und läuft die Treppe hoch.
Auf halber Strecke beginnt er sein Hemd aufzuknöpfen.
Schnell schaue ich weg und nehme mir die Wolldecke, die auf dem Sofa liegt. Die Couch ist bequem und steht perfekt, sodass ich die Stadt überblicken kann. Es wird schon langsam wieder hell. Die blinkenden Lichter der Flugzeuge bringen mir Fernweh. Obwohl ich noch nie weg war, außer in San Francisco, würde ich gerne mal nach Mexiko ans Meer oder nach Florida.
Diego hat mir immer gesagt, dass wir nach Mexiko ziehen würden.
Ans Meer.
Und ich den ganzen Tag am Pool oder am Strand liegen werde.
Bullshit.
Stattdessen hat er mich verprügelt, geschlagen und in seine dreckigen Geschäfte mit eingeplant. Ich ziehe die Decke enger um meinen Körper, weil mir bei dem Gedanken kalt wird. Hier bin ich doch sicher, oder?
Mir fällt ein, dass ich mein Handy gar nicht mitgenommen habe, aber diesmal habe ich kein schlechtes Gewissen.
Diesmal bin ich froh.
Es erleichtert mich, dass ich Diego's schlimme Drohungen nicht lesen muss.
Das erste Mal, seit gut einer Woche, kann ich wieder schlafen; und das, obwohl ich auf einer Couch liege. Keine Albträume, kein Diego in meinen Träumen. Einfach ein traumloser Schlaf. So, wie ich ihn mir seit Monaten gewünscht habe.
07:46 Uhr
"Cleo, steh auf. Ich muss zur Arbeit und alleine darfst du hier nicht bleiben.", rüttelt Raphael an meiner Schulter.
Vor Schreck schlage ich seine Hand weg.
"Ist ja gut, ich bin es nur."
Er macht einen Schritt zurück, damit ich ihn ganz sehen kann. Heute hat er einen dunkelblauen, perfekt sitzenden Anzug an. Die Marke hängt an seinem Hosenbund und glänzt goldfarben.
"Du kommst mit aufs Revier. Da buche ich dir ein Hotel."
Er hält kurz Inne und fährt sich durch das Gesicht. Erst jetzt fällt mir auf, dass er sich anscheinend rasiert hat.
"Dann fahren wir zum Arzt, dein Auge und deine Schläfe sehen nicht gut aus.", beendet er seinen Satz und lässt mich auf der Couch zurück.
Ich drücke mich vom weichen Sofa hoch und folge ihm. Er steht in der Küche und tippt auf seinem teuren Handy rum.
"Das Bad ist da links. Beeil dich."
Er hebt den Kopf nur kurz an, um mit seinem Kinn auf die Tür neben mir zu deuten.
Ich atme tief durch.
"Ich hab doch gar nichts zum Anziehen.", beginne ich.
Er ignoriert mich.
"Ich kann doch nicht in dieser Shorts und in dem Shirt aufs Revier.", stelle ich bitterernst fest.
Tatsächlich hebt er bei dem Wort "Shorts" seinen Blick und mustert kurz meine nackten Beine.
"Mach dich fertig, ich hole dir eine Hose."
Er lässt das Handy in die Hosentasche gleiten und schiebt mich aus dem Türrahmen.
Sein leichtes, frisches Parfüm benebelt mich leicht.
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