Kapitel 8


Raphael
03:29 Uhr

Das Klingeln meines Handys reißt mich aus meinem Schlaf.
"Carter?", nehme ich verschlafen ab, weil ich die Nummer auf dem Display nicht zuordnen kann.

"Detective?", fragt eine leise, weibliche Stimme am anderen Ende. 

Ruckartig setze ich mich auf.
"Cleo?", runzle ich die Stirn.

Es ist erst halb vier in der Früh. Warum ruft sie mich um diese Uhrzeit an?

"Sie... sie haben herausgefunden, dass Leia weg ist."
Ihre Stimme zittert vor Angst.

Schnell stehe ich aus dem Bett auf.
"Haben sie dir was angetan?", will ich wissen, als ich auf und ab gehe und beginne meine Sachen zusammenzusuchen.

"Nein, aber eine Frau hat mich verraten. Sie hat mich mit Leia in den Bus steigen sehen.", weint sie verzweifelt.
"Ich hab Angst. Diego hat mir geschrieben, dass seine Handlanger auf dem Weg zu mir sind." flüstert sie wimmernd.

"Die werden mich umbringen!", wird sie deutlicher.

"Ich bin sofort da.", gebe ich ihr zu verstehen, dass ich ihr helfen werde.

"Beeilen Sie sich.", flüstert sie zum Abschied. 

Ich lege auf, schlüpfe in die Anzughose und ziehe das weiße Hemd von gestern über. Nebenbei wähle ich den Notruf.

"Detective Carter hier. FBI. Ich brauche 2 Streifen zur Emerson Street 364. Schnell!", teile ich der Frau in der Zentrale Cleo's Adresse mit.

"Alles klar, Detective. Die Kollegen sind unterwegs."
Ich lege auf, als sie mir das mitteilt.
Hastig greife ich meine Schlüssel vom Sideboard und laufe zu meinem Auto.

"Scheiße, Scheiße, Scheiße!", fluche ich.
Ich habe sie extra gefragt, ob sie ein Hotel braucht, doch dieses ach so schlaue Mädchen hat abgelehnt.
Und jetzt muss ich mitten in der Nacht zu ihr fahren um sie aus dieser Scheiße rauszuholen, nur weil sie den Samariter spielen musste.


04:14 Uhr

"Carter, FBI.", halte ich meine Marke hoch und betrete die kleine Wohnung ohne auf die Antwort der Polizisten zu warten. Cleo sitzt weinend auf dem Bett, während ein Rettungssanitäter gerade ihre blutigen Wunden versorgt. 

"Wo sind die Männer, die das getan haben?", will ich von den Polizisten wissen, ohne Cleo oder die anderen Leute zu begrüßen.

"Auf dem Weg zum Revier.", teilen sie mir mit, dass sie die Schweine gefasst haben.
Dann gehe ich weiter auf Cleo zu.

Sie blutet am Auge, ihre Lippe ist aufgeplatzt und an ihren Armen sind Schürfwunden und Kratzer zu erkennen.

"Carter, FBI.", zeige ich dem Sanitäter erneut meine Marke.
Er nickt kurz und kümmert sich dann weiter um Cleo's Wunden. Ich merke ihr an, dass sie sich zwar ungerne von ihm anfassen lässt, das hier aber trotzdem über sich ergehen lässt.

"Hey.", spreche ich sie emotionslos an.

Sie antwortet nicht; scheint sich regelrecht zu schämen. Ob es an mir oder an der Situation liegt, kann ich nicht sagen.

"Was macht denn das FBI hier?", fragt mich der Rettungssanitäter stattdessen neugierig.

"Bandenkriminalität.", erläutere ich kurz und knapp.

Er zieht perplex die Augenbrauen hoch.
"Mensch Mädchen, was hast du denn ausgefressen?", richtet er sich an Cleo.

Wieder bleibt sie still.

"Muss sie noch ins Krankenhaus?", will ich wissen, während er alles zusammenpackt.
"Nein, wenn sie in ein paar Tagen zum Arzt geht, reicht das aus. Das Auge sollte sie kühlen." 

Dann verschwindet er.

Ich schaue sie einen Moment an, wie sie zusammengesackt auf dem schmalen Bett sitzt und ihre Hände knetet.
"Ich kann den Sanitäter und des Hausarzt nicht bezahlen. Ich habe noch keine Krankenversicherung. Ich kann mir das nicht leisten.", flüstert sie. 

"Schon gut, das FBI zahlt. Ich regel das.", versuche ich ihr wenigstens eine Sorge zu nehmen.

Sie nickt.

"Kein Hotel also.", kann ich es trotz der angespannten Situation nicht lassen, ihr die wirklich dämliche Aussage unter die Nase zu reiben. 

Tränen laufen ihre Wangen entlang.

"Steh auf, wir fahren."
Ich will ihre Schulter anfassen, doch sie weicht schnell aus.
Ich runzle die Stirn.
Mir ist jetzt schon mehrmals aufgefallen, dass sie sich nicht gerne anfassen lässt.

Warum das so ist, ist mir klar, dennoch wünschte ich, dass es anders wäre.

"Wohin?", führt sie endlich eine Konversation mit mir.

"Zu mir.", seufze ich und nicke zum Ausgang.

"Sie können Feierabend machen. Um den Rest kümmert sich das FBI.", rufe ich den Kollegen vom Streifendienst zu und verlasse mit Cleo die Wohnung. Es ist nicht richtig, was ich hier tue, aber ich habe keine andere Möglichkeit. 

"Geh vor."
Ich bleibe stehen, bis sie mich überholt hat. 

"Warum?", fragt sie heiser.

"Sicher ist sicher.", gebe ich unbeteiligt von mir und halte ihr die Tür meines Dienstwagens auf. Ich schaue zu, wie sie sich auf die schwarzen Ledersitze fallen lässt und darin versinkt, während meine Hand immer an meiner Waffe liegt.

Dann knalle ich die Tür zu und laufe ums Auto herum.

"Eine von euern Nutten hat gepetzt, sagst du?"
Ich lasse mich hinters Steuern fallen und starte den Wagen.

"Das sind keine Nutten!", wird sie wütend und versucht sich richtig hinzusetzen.

Ich schnaufe belustigt.

"Natürlich nicht.", mache ich mich lustig.
Was sollen das sonst sein?

"Als würde mir nicht auffallen, dass du nicht angefasst werden willst, weil du dich prostituieren musstest.", gebe ich nun deutlich bedeutungvoller von mir.

Sie schaut mich von der Seite an, während ihr Blick glasig ist und die Augen rot.

"Das ist nicht wahr."
Ihre zittrige Stimme verrät mir, dass sie lügt, dennoch gehe nicht weiter drauf ein. Hinterher muss ich sie noch trösten oder Sonstiges. 

Mein Handy unterbricht uns.
"Carter.", gehe ich dran.

"Chef, wir haben die Waffen und Diegos Leute.", teilt Will mir mit.

"Gut. Bringt sie aufs Revier, morgen stellen wir sie dem Haftrichter vor. In ein paar Tagen kümmern wir uns um Diego.", erkläre ich ihm den Plan.
Dann lege ich auf.

"Sieht ganz gut aus.", beginne ich.
"Für dein Studium, meine ich.", werfe ich hinterher.

"Habt ihr sie?", fragt sie mit großen, glasigen Augen. 

Ich nicke.

"Diego machen wir in den nächsten Tagen das Leben zur Hölle und dann wandert er hinter Gitter. Lebenslang.", versichere ich ihr.
Ich weiß nicht einmal, warum ich das tue.
Ich bin ihr gar nichts schuldig, nicht einmal dieses blöde Studium.

Sie beginnt zu weinen.

"Was hast du?", will ich überfordert wissen.

"Ich.. Ich bin so glücklich.", schluchzt sie.
Skeptisch ziehe ich die Augenbrauen zusammen.

"Du wurdest gerade fast umgebracht, wieso bist du jetzt glücklich? Weil wir seine Handlanger haben?"

"Ja, ihr habt was gegen ihn in der Hand. Und ich werde bald ein normales Leben führen können." 
Sie wischt sich die Tränen aus dem Gesicht und lehnt sich in den Sitz.

"Du wirst nie ein normales Leben führen können.", mache ich ihre Hoffnungen zu Nichte und trete das Gaspedal fester durch.

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