Kapitel 11

Cleo

"Du sprichst spanisch?"
Ich formuliere es wie eine Frage, obwohl ich die Antwort ja schon kenne.

"Muss man, wenn man in San Diego beim FBI arbeitet. Französisch bringt mich hier nicht weiter.", spottet er und verstaut seine Waffe in der Schublade.

"Ha Ha. Witzig.", verdrehe ich die Augen. 

Er schmunzelt.
"Vielleicht kommt meine Mutter aus Mexiko. Zufrieden?", erklärt er mir, doch ich glaube ihm nicht.

Zwar ist er gebräunt und seine Haare sind dunkel, das kann aber auch aufgrund des Klimas so sein.
Trotzdem nicke ich und schaue dann auf meine Hände, die in meinem Schoß liegen.

"Setz, dich auf die Couch. Ich muss noch arbeiten.", deutet er auf das Ledersofa in der Ecke.

Langsam schiebe ich den Stuhl zurück, nehme meine Wasserflasche und lasse mich auf der Couch nieder. Sie ist bei weitem nicht so angenehm, wie das Sofa in seiner großen Wohnung.
Aber was erwarte ich?
Das Sofa hat anscheinend die gleichen Charakterzüge wie das FBI.

Kalt, ungemütlich und einfach nur sau unangenehm.

Ich beobachte ihn, wie er sich Akten durchliest, Informationen aufschreibt.
Hin und wieder telefoniert er.

"Hab ich was im Gesicht?", pampt er mich schließlich an.

"Nein, mir ist langweilig.", lüge ich ihn an, warum ich ihn anstarre.
Ich kann ihm ja schlecht sagen, dass er schön aussieht und ich beeindruckt bin von seiner Arbeit.
Ganz zu schweigen von dem Anzug, der ihn autoritär aussehen lässt.

"Du kannst gerne zurück zu Diego und halbnackt Koks verpacken. Ich halte dich nicht auf."
Er weiß, dass ich keine andere Möglichkeit habe, als hier zu sitzen und mich zu langweilen.
Und er macht mir eindeutig klar, dass ich mich glücklich schätzen kann, dass ich hier sitze und mich langweilen kann.
Und das ist mir sogar bewusst.
Würde ich jetzt dort auftauchen, dann wäre ich innerhalb von 10 Sekunden tot.

"Boss?", klopft ein großer Mann an den Türrahmen.

Dann fällt sein Blick auf mich.
"Cleo, wieder zurück?", macht er sich lustig und schreitet dann zu Raphael, der ebenfalls belustigt lächelt.

Ich erkenne diesen Mann.
Er war der, der im Raum in der Ecke stand, als Raphael mir den Vertrag gebracht hat.

Die beiden schlagen ein und scheinen sich generell gut zu verstehen.
Ich tippe auf beste Freunde.

Wahrscheinlich haben sie sich beim FBI kennengelernt.
In der Ausbildung, vermutlich.
Er sieht ebenfalls gut aus, aber längst nicht so schön wie Raphael. Er ist muskulös, aber Raphaels Muskeln gefallen mir besser.

Halt.

Was denke ich da?
Der Typ wird mich hinter Gitter bringen und mich dann nie wieder beachten.

"Detective Wilson wird dir ein Hotel buchen und dich dann gleich dort hinbringen. Du verlässt dein Zimmer nicht, hast du verstanden?"
Raphael schaut mich intensiv an und deutet auf den großen Kerl, der vor ein paar Sekunden das Büro betreten hat.
Sein Nachname ist also Wilson.

Raphaels Blick sagt mir, dass er keine Widerrede duldet.

Ich schlucke.
"Und zum Essen?", frage ich irritiert.

Ich muss doch irgendwann mal was essen.
Heute habe ich übrigens auch noch nichts gegessen. Er schon.
Ich habe seine Müslischüssel auf der Spüle in der Küche gesehen.

"Außerdem habe ich jetzt auch noch nichts gegessen.", werfe ich vorwurfsvoll hinterher. 

Detective Wilson schaut zwischen uns hin und her, Raphael schaut ihn ertappt an.

Dann seufzt er.
"Detective Wilson holt dir was zu essen, dann bringt er dich ins Hotel und dann bleibst du da.", ändert er den Plan.

Unzufrieden lehne ich mich zurück.

Er hebt die Augenbrauen.
"Was.", pampt er mich unfreundlich an.

"Was soll ich zum Mittag essen? Oder zum Abend?"
Ich schüttel irritiert den Kopf, da ich seine Planung nicht verstehe.

Mit beiden Händen fährt er sich übers Gesicht.

"Gut, dann kauft er dir eben ein Brötchen mehr. Heute Abend komme ich.
Wir fahren sowieso noch zum Arzt und dann hole ich dir was zu Essen.", legt er fest und will die Diskussion beenden, doch ich habe noch etwas, was ich los werden will.

"Arschloch.", pfeffere ich ihm entgegen und stehe auf.
Wie stellt er sich das vor?
Er nimmt mich mit zu sich, ohne meine Sachen mitzunehmen.
Ich habe kein Handy mehr, keine Sachen zum wechseln. Dann schiebt er mich in ein billiges Hotelzimmer ab, wo ich nicht mal das kleine Zimmer verlassen darf.
Und als Höhepunkt nervt es ihn, wenn ich nach Essen frage?

Überrascht sieht er mich an, dann ändert erkenne ich Wut in seinem Blick. Detective Wilson währenddessen fährt sich mit der rechten Hand über den Mund, vermutlich um sich das Grinsen zu verkneifen.

"Geh jetzt besser.", ist das Einzige, was Raphael auf meine Beleidigung antwortet. 

"Sehr gerne!", fauche ich und gehe auf den Flur. 

Detective Wilson folgt mir.
"Cleo, warte, ich muss dir erst ein Hotel besorgen. Setz dich hier in den Flur."

Er drückt mich am Rücken in eine kleine Nische. Schnell drehe ich mich um und haue seine Hand weg.

"Aua!", ruft er laut, sodass alle Leute auf dem Flur gucken. 

"Fassen Sie mich nicht an!", schreie ich unter Tränen.
Warum packen mich immer alle an?
Warum können die nicht ihre Hände bei sich behalten?
Sehe ich so einladend aus?

"Sorry.", hebt er direkt abwehrend seine Hände und geht einige Schritte zurück, doch da steht schon Raphael im Flur und schaut mich mit besorgtem Blick an.

"Sollen wir sie festnehmen?", fragt ein weiterer, fremder Mann. 

"Nein, was ist das denn für eine schwachsinnige Idee!", meckert Raphael und kommt auf mich zu.

"Gehen Sie weg von mir!", brülle ich ihn verzweifelt an.
Erst will er mich loswerden und jetzt kommt er an und hat auch noch einen besorgten Blick drauf?

Heuchler!

"Cleo, beruhig dich."
Seine Stimme ist tatsächlich sanft.
Ich wische mir die Tränen weg, weil mir einfällt, dass ich mir vor ihm eigentlich nie die Blöße geben wollte.

"Ist das hier so spannend oder warum stehen Sie hier alle? Gibt es nichts zu arbeiten?!, motzt er die anderen an, die dann schnell verschwinden.

"Ich habe ihr nur an den Rücken gefasst.", erklärt sich sein Kumpel hilfesuchend.

Raphael nickt.
"Schon gut. Ich regel das.", antwortet er seinem besten Freund und kommt langsam auf mich zu.

"Lass mich verdammt nochmal in Ruhe. Ich kann nicht mehr! Ständig müsst ihr mich anfassen, immer! Und Sie, mit ihren blöden Sprüchen und ihrer Besserwisserei.
Na und? Dann wollte man mich vergewaltigen, Sie wissen es doch eh schon!
Warum reiten Sie darauf rum und reiben mir ständig unter die Nase, wie leicht Sie mich durchschauen können!", schreie ich ihn an.
Ich lasse all die Wut raus, die sich in den letzten Tagen bei mir angesammelt hat.

Mein Brustkorb hebt und senkt sich schnell, mein Herz pocht rasend, da ich so wütend bin.

„Sie holen mich zu sich, dann wollen Sie mich wieder los werden und dann regen Sie sich darüber auf, dass ich nach Essen frage! Dann tun Sie so, als sei ich eine Last für Sie!"
Ich kann mich diesmal nur schwer beruhigen.

"Du hast recht, das war nicht richtig von mir. Entschuldige bitte." 

Dieser Satz bringt mich aus dem Konzept.

Hat er sich gerade bei mir entschuldigt?
Ohne ein Grinsen? Ohne Belustigung, die in seinen braunen Augen aufblitzt?

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