Kapitel Fünfzehn: das Gespräch
F A I T H
Neugierig und nervös zugleich blicke ich Heath an, der im Wohnzimmer auf und ab tigert. Eine unheimliche Stille umhüllt uns, die meine eigene Aufregung nicht mindert. Niemand von uns sagt ein Wort, sodass ich das Ticken der Uhr und seine dumpfen Schritte hören kann.
Tick tack, tick tack.
Meine Augen starren auf das Ziffernblatt der Wanduhr, folgen dem Sekundenzeiger, der dieses ohrenbetäubende Geräusch verursacht. Automatisch greife ich nach der Decke, die über meinen Schultern liegt. Ein unangenehmer Schauer nach dem anderen läuft meinen Rücken hinab, weil mich diese Atmosphäre fröstelt.
Tick tack, tick tack.
Ich habe es mir auf der Couch gemütlich gemacht, eine Tasse Kaffee steht vor mir auf dem kleinen, runden Tisch, jedoch habe ich das Gefühl, dass kein Tropfen meinen Rachen hinabfließen würde. Eher würde es wieder hochkommen, da mir langsam schlecht wird und ich bald wahnsinnig werde. Diese Stille bringt mich um und Heath macht es nicht unbedingt besser.
Tick tack, tick tack.
Seine Erscheinung lässt meine Aufregung rasant steigen, weswegen ich meine Augen krampfhaft von der Uhr abwende und mich in der Wohnung umsehe. Der Fernseher, der gleich gegenüber von mir ist, spiegelt mich wider, weshalb ich den Blick sofort weiter gleiten lasse, bis er am Fenster stehen bleibt. Der Sommer ist bald vorüber und macht dem Herbst langsam Platz.
Tick tack, tick tack.
Regentropfen prasseln gegen die Scheibe, die mich gleichermaßen beruhigen, wie auch traurig stimmen. Ich versuche durch die einzelnen Wassertropfen hindurchzublicken, um mich mit etwas zu beschäftigen, damit ich diese Leere in mir drin ignorieren kann. Anscheinend hat das Wetter heute gedacht, dass sie mein Inneres der ganzen Welt preisgeben will. Denn genau so, wie es im Moment draußen aussieht, so fühle ich mich. Trist, traurig und verloren.
Tick tack, tick tack.
Ich seufze laut auf und blicke wieder zu dem Mann, der bald ein Loch in den Boden stampft. Meine Augen beobachten ihn genau, um keine Emotionen in seinem Gesicht zu verpassen. Alles Mögliche kann ich erkennen. Ich sehe Verwirrung, Aufregung und eine Menge Schmerz und Angst. Letzteres verpasst mir einen Stich in der Brust. Er scheint nach Worten zu suchen, während in ihm ein Sturm der Gefühle tobt. Einen Sturm, den ich in diesem Augenblick verursacht habe, weil ich endlich Antworten auf meine Fragen fordere.
Tick tack, tick tack.
Ich kann mir nicht vorstellen, was er erleben musste, um eine solche Leere zu empfinden. Diese Frau muss etwas Grausames angerichtet haben, dass er sich von Anfang an gegen unsere Begegnung gesträubt hat. Noch immer tut. Er hat mir zwar gesagt, dass er mich liebt, jedoch bezweifle ich das.
Tick tack, tick tack.
Wieso hätte er mich sonst belogen? Wir lügen keine Menschen an, die wir von Herzen lieben. Rachel spukt noch immer in seinem Kopf, was mir zeigt, dass sie noch immer einen besonderen Stellenwert in seinem Leben hat. Dass sie ihm noch unglaublich wichtig ist und irgendwie kann ich das absolut nachvollziehen. Auch wenn ich keine weiteren Informationen habe.
Tick tack, tick tack.
Das Foto hat mir gereicht und ich habe ihre Schönheit bewundert. Ihre grünen Augen, die eine solche Wärme ausstrahlen, sodass sie problemlos mit der Sonne konkurrieren könnten. Ihr Lächeln, welches mein Herz erwärmt hat und das nur durch ein verdammtes Bild. Sie hat Heath schamlos um den Finger gewickelt, weswegen ich einpacken kann.
Tick tack, tick tack.
Ich will etwas sagen, jedoch traue ich mich nicht. Mein Gefühl sagt mir, dass er die Flucht ergreifen wird, wenn ich diese grausame Stille unterbreche. Heath braucht Zeit, die ich ihm geben will, auch wenn es mir unglaublich schwerfällt. Meine Gedanken tragen nicht gerade bei, dass ich mich beruhigen könnte. Unbewusst nehme ich das Kissen in die Hand und zupfe daran. Irgendwie muss ich mich ablenken, um nicht durchzudrehen. Wir sind gestern Abend hierhergekommen. Er hat mir sein Zimmer überlassen und auf der Couch geschlafen, damit wir heute endlich die Zeit finden, um miteinander zu reden. So hatte niemand von uns eine Chance, zu flüchten.
Tick tack, tick tack.
»Es gab einen bestimmten Grund, weshalb ich in die Army ging«, beginnt er zögerlich und mit brüchiger Stimme. Kurz räuspert er sich und blickt zum Fenster. Anscheinend kann er mir nicht in die Augen sehen, während er mir das erzählt.
»Mein Leben war früher ganz anders. Ich war ein glücklicher Mann, der immer nur das Positive in allem gesehen hat.«
Eine Schwere umfasst meine Brust, während ich ihm zuhöre. In meinen Augen bilden sich Tränen, sodass ich sie schließe, damit er sie nicht sehen kann. Sofort taucht ein Bild von Heath auf. Glücklich und sorgenfrei. Wie gerne hätte ich ihn so kennengelernt.
Tief atmet er ein. Seine Iriden werden dunkler und seine Hände beginnen zu zittern, weswegen er sie zu Fäusten ballt, bis seine Knöchel weiß hervortreten.
»Ich weiß, dass ich dir von ihr hätte erzählen sollen. Du hast ein Recht darauf, es zu erfahren. Immerhin war ich schon einmal verheiratet und das ist eine Information, die du hättest wissen müssen.«
Seine Schultern sacken in sich zusammen, weshalb ich ruckartig aufstehe, jedoch lässt mich sein Blick innehalten. Seine Augen flehen mich an ihm Raum zu geben und auch wenn es mir schwerfällt, akzeptiere ich seine Bitte und entferne mich einen Schritt von ihm.
»Nimm meine nächsten Worte bitte nicht persönlich, Faith. Aber unsere Heirat war spontan. Wir waren betrunken, haben gefeiert und sind danach in diese Kapelle gegangen.«
Meine Augen werden immer größer. Die Luft in diesem Raum ist plötzlich stickig geworden, lässt mich abrupt umdrehen und die Fenster weit aufreißen. Tief hole ich Luft, versuche den Knoten in meiner Brust zu lösen, jedoch will mir das nicht gelingen. Immer wieder atme ich ein, versuche diese Schwere in mir wegzuschieben. Heath kommt näher. Ich kann seine Schritte hören, seinen Duft und die Wärme seines Körpers wahrnehmen, der genau hinter mir stehen bleibt.
»Ich liebe dich, Zuckerdöschen. Das tue ich wirklich. Aber ich hätte mir für uns beide gewünscht, dass wir ein Fest mit unserer Familie und Freunden veranstalten können, die unsere Liebe bezeugen. Ich hätte dir erzählen wollen, dass ich verheiratet war, bevor wir beide diesen Schritt getan haben, weil es dir gegenüber nicht fair ist. Doch nachdem wir beide mit einem üblen Kater aufgewacht sind, konnte ich es nicht. Ich war nicht bereit dafür und ein Druck hat sich in mir gebildet, der dafür gesorgt hat, dass ich meinen Mund nicht öffne. Es tut mir leid.«
Ich kann die Tränen, die ich versucht habe zu unterdrücken, nicht mehr aufhalten. Eine hat sich gelöst und kullert meine Wange hinab. Meine Atmung geht flach und zittert dabei, während meine Hände sich krampfhaft an etwas festhalten.
»Zuckerdöschen, ich wollte dich damit nicht verletzten und du darfst es nicht falsch auffassen. Wie du gestern gesagt hast, ist unsere Liebesgeschichte nicht zu Ende und es wird noch eine ganze Weile dauern, bis dieser Fall eintrifft. Nur musst du ein wenig Geduld mit mir haben. Ich werde versuchen, mehr über meine Vergangenheit zu sprechen, damit du mich besser verstehen kannst. Aber verlange nicht alles auf einen Schlag, weil es mir den Boden unter den Füßen wegziehen würde.«
Seine Arme schlingen sich um mich, bevor er mir einen sanften Kuss auf den Scheitel haucht und danach sein Gesicht in meine Halsbeuge legt. Tief atmet er meinen Duft ein und streichelt mit seinen Fingern sanft über meine Seite.
»Liebst du sie noch?«, platzt es aus mir heraus. Meine Stimme ist kratzig und hört sich verletzt an. »Nicht, wie ich dich liebe. Aber sie wird immer ein Teil von meinem Leben bleiben.«
Langsam löse ich mich aus seiner Umarmung und drehe mich zu ihm um. In seinen Augen kann ich ebenfalls Tränen und den Schmerz darin erkennen.
»Erzähl mir von ihr.«
Zwar kenne ich ihren Namen, aber ich glaube nicht, dass er ihn hören will. Immerhin spricht er ihn auch nicht aus und Hunter hat mich nicht umsonst davor gewarnt. Tief atmet Heath ein und geht einen Schritt zurück. Fest klammern sich seine Hände um die Kette, die immer um seinen Hals baumelt. Ich würde gerne erfahren, was es damit auf sich hat. Nur traue ich mich nicht, danach zu fragen.
»Tatsächlich habe ich sie sehr früh kennengelernt. Um genau zu sein, in der Highschool.«
Sein Blick gleitet im Raum umher und fixiert einen Punkt. Eine plötzliche Leere kann ich darin erkennen, die den Schmerz in mir nur größer werden lässt. Eine Leere, die von Anfang an da gewesen ist.
»Sie war ein kleiner Sonnenschein und für jeden Spaß zu haben. Ein faszinierender Mensch, der aber so selbstlos war, sodass ich alles getan und versucht habe, um ihr jeden Wunsch zu erfüllen, weil sie es verdiente.«
Dass er dabei in der Vergangenheitsform spricht, entgeht mir nicht. Schockiert, verwirrt und fassungslos sehe ich ihn an.
»Lebt sie noch?«
Scharf zieht er die Luft ein, fasst sich dabei ans Herz, während die andere Hand nach etwas sucht, um sich daran festhalten zu können. Mit schnellen Schritten bin ich bei ihm und greife nach seiner Hand, die meine fest umklammert, sodass ich mir einen Schmerzensschrei verkneifen muss.
»Nein, sie lebt nicht mehr, Faith. Sie ist vor sieben Jahren gestorben.«
Eine Erkenntnis breitet sich in mir aus. Das war genau die Zeit, in der er sich entschieden hat, der Army beizutreten.
»Können wir ein anderes Mal darüber weiterreden?«, bittet er mich, nachdem er eine Träne weggewischt hat. »Natürlich, Heath. Lass dir Zeit und wenn du reden willst, dann bin ich für dich da.«
Ich hoffe nur, dass er mit mir darüber sprechen wird. Vielleicht wird ihm das helfen, um seine inneren Dämonen zu besiegen. Und es würde uns beiden guttun, damit wir an unserer Beziehung arbeiten können.
»Danke.«
Mit diesen Worten wendet er sich ab und flieht regelrecht aus dem Raum. Ich kann nur die Tür von Badezimmer hören, die er mit einer Wucht zuschlägt. Ich kann ein Klirren hören, der wohl vom Spiegel kommen muss. Aber am meisten höre ich das Geräusch der Uhr, welches mich in den Wahnsinn treibt.
Tick, tack, tick, tack
Verdammt. Das wollte ich damit sicher nicht auslösen.
Ich bin eine solche Idiotin.
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