Kapitel Fünfunddreißig: Angebot

F A I T H

Eng umschlungen sitzen wir auf dem Sofa und genießen für einen kleinen Augenblick diese Vertrautheit zwischen uns. Viel zu sehr habe ich mich danach gesehnt, weshalb ich mich eigentlich nicht von ihm entfernen will. Trotzdem muss ich es tun, auch wenn es mich schmerzt und alles in mir schreit, es noch ein klein wenig länger hinauszuzögern.

Langsam löse ich mich von Heath, um ihm in die Augen sehen zu können. So schön dieser Moment auch ist, müssen wir zuerst miteinander reden, bevor wir unseren Gefühlen nachgeben. Man sieht ja, was passiert ist, wenn wir das nicht tun. Und bevor wir einander wieder von uns stoßen, will ich Klartext sprechen. Daran geht leider kein Weg vorbei.

»Heath, wir müssen reden.«

Ernst nickt er mir zu. Ihm ist ebenso klar, dass wir uns aussprechen müssen. Auch wenn ich ein wenig Bammel davor habe, entferne ich mich komplett von Heath. Ich will durch den Hautkontakt nicht abgelenkt werden, was ziemlich sicher der Fall sein wird, wenn wir weiterhin eng umschlungen nebeneinander sitzen. Dieser Mann hat ein Talent dafür, mich alles andere vergessen zu lassen. Etwas, dass ich vermeiden muss. Dieses Gespräch ist viel zu wichtig für uns beide.

»Ja, du hast recht. Wir müssen uns dringend unterhalten.«

Mit einer Handbewegung gebe ich ihm zu verstehen, dass er fortfahren soll. Heath soll als Erster den Mund aufmachen und mir sagen, was ihm auf dem Herzen liegt. Immerhin hatten wir diesen Abstand nur seinetwegen, damit er gegen seine Dämonen kämpfen kann.

Seine Muskeln sind zum Zerreißen angespannt. Die Hände zu Fäusten geballt, sodass seine Knöchel weiß hervortreten. Tief atmet er ein, saugt die Luft gierig in seine Lungen und schließt dabei einen Moment seine Augen, bis er sie schlagartig wieder öffnet und den Blick konzentriert auf mich richtet. Trotzdem verschwindet die Anspannung nicht aus seinem Körper. Das muss Heath eine Menge Überwindung kosten, sich mir gegenüber zu öffnen.

»Auch wenn ich so viel zu sagen habe, will ich mich zuerst bei dir entschuldigen, Faith. Es tut mir leid, dass ich ein solcher Arsch zu dir war und dich von mir gestoßen habe. Ich dachte wirklich, dass es das Beste für uns beide ist und als ich dich in der Notaufnahme gesehen habe und überall mit Blut übersehen, sind bei mir alle Sicherungen durchgebrannt. Ich hoffe sehr, dass du mir meine Fehler verzeihen kannst.«

Tränen sammeln sich in meinen Augen, während sich eine Gänsehaut auf meinem Körper bildet. Sein Geständnis, wie auch sein Gesichtsausdruck, zeigen mir, wie sehr er sich dafür hasst mich verletzt zu haben. Aber egal, was alles zwischen uns geschehen ist, nehme ich ihm das keine Sekunde übel. Heath hat Probleme. Sehr große Probleme. Und dass er diesen Schritt gegangen ist, nach all diesen Jahren und endlich dagegen ankämpft, macht mich unfassbar glücklich.

»Es gibt nichts zu verzeihen, Heath. Ich bin und kann dir gar nicht böse sein«, flüstere ich ihm leise zu und möchte nach seiner Hand greifen, bis ich mich wieder daran erinnere, es besser sein zu lassen.

»Doch, Faith. Ich war dumm und habe nicht bemerkt, wie sehr ich dich mit meinem Verhalten verletze. Du hast mir erzählt, was dein Vater dir angetan hat und trotzdem habe ich Abstand von dir genommen und mein eigenes Versprechen gebrochen. Das war nicht fair von mir. Du weißt gar nicht, wie leid mir das alles tut.«

Sein eigenes Versprechen? Was meint er damit? Verwirrt runzle ich meine Stirn, weil ich nicht weiß, wovon er redet. Es muss ein anderes sein, weil ich nur eines kenne, dass er mir gegeben hat. Heath muss mir meine Frage am Gesicht ablesen können. Ohne dass ich etwas darauf erwidern muss, fährt er fort und verursacht mit seinen Worten, dass mir eine Träne über die Wange kullert, die ich krampfhaft versucht habe zu unterdrücken.

»Ich habe mir geschworen, dass ich dich jeden Tag zum Lächeln bringen werde. Dass ich der Grund für dein Strahlen bin und trotz meiner Bemühungen habe ich es mehr als verbockt.«

Auch wenn ich ihn verstehen kann, muss ich meinem Ex-Ehemann widersprechen. So einfach ist das nicht.

»Ja, aber nur, weil dich deine Vergangenheit eingeholt hat, Heath. Du konntest dich nicht mehr davor drücken und es wurde Zeit, dass du dich ihr stellst. Dass du sie endlich verarbeitest. Aus diesem Grund kann ich nicht wütend auf dich sein und du solltest es ebenfalls nicht sein.«

Ein trauriges Lächeln bildet sich auf seinem Gesicht, während seine Augen verräterisch zu funkeln beginnen. Sein Finger wischt mir über die Wange und fängt die Träne auf. Heath wirkt noch gebrochener als sonst und das ist ein Anblick, der mein Herz entzwei reißt. Ich will ihn nicht so sehen. Heath soll lachen, glücklich und unbeschwert sein.

Aber diese Emotionen sind verschwunden und ich kann nicht anders, als leise aufzuschluchzen. Eine Träne nach der anderen kullert meine Wange hinab. Zeigt Heath, wie sehr mich das alles mitnimmt und ich mit ihm mitfühle.

»Ich habe dich nicht verdient, Zuckerdöschen.«

Diesen bestimmten Kosenamen aus seinem Mund zu hören, löst so vieles in mir aus. Außerdem gesellt sich ein Kribbeln in meinem Bauch zu diesen Empfindungen dazu, welches mir so sehr gefehlt hat. Ich bin hin- und hergerissen, weil ich am liebsten zurück in seine Arme will, um Heath zu trösten. Nur bremst mich ein Gefühl, dass ich am ehesten mit Angst vergleichen kann.

»Sag sowas nicht, Heath. Erzähl mir lieber, was in den letzten Wochen bei dir los war.«

Ich will dieses Gespräch in eine andere Richtung lenken, um all das Positive hervorzuholen, was er in den letzten Wochen erlebt hat. Zumindest hoffe ich das. Es war sicherlich nicht einfach, weil er zuerst durch die Hölle gehen musste. Trotzdem kann ich es nicht als etwas Negatives ansehen. Immerhin hat er einen sehr wichtigen Schritt getan.

Heath reibt seine Hände aneinander, bevor er sie nach mir ausstreckt und unsere Finger miteinander verschränkt. »Ich hoffe, das ist okay für dich?«

Mit einem Nicken pflichte ich ihm bei und lasse es zu. Wenn ihm der Hautkontakt bei seinen bevorstehenden Worten helfen wird, dann soll es so sein. Dabei versuche ich die Furcht in mir zu vertreiben und optimistisch zu sein.

»Rick und die Jungs sind toll«, fängt er an zu erzählen. Gleichzeitig ziert ein kleines, aber ehrliches Lächeln seine Gesichtszüge. »Sie haben mir viel geholfen und tun es noch immer. Wir telefonieren fast täglich miteinander und sind füreinander da. Danke dir dafür, Faith. Ohne dich hätte ich diese Menschen nie getroffen.«

Mit dem Daumen streicht er über meinen Handrücken, während ich bemerke, wie meine Wangen eine Nuance dunkler werden. Ich war mir sicher, dass sie Heath helfen würden, trotzdem bedeuten mir seine Worte unglaublich viel. Sie bestätigen mir noch einmal, dass ich richtig gehandelt habe, auch wenn die Zweifel in mir was anderes sagten.

»Das war sehr mutig von dir«, fährt er fort. »Immerhin war ich wirklich ein Arsch zu dir. Das hätte nicht jeder getan, weshalb ich das nicht als selbstverständlich ansehe.«

Dankend nicke ich ihm zu, da ich nicht weiß, was ich darauf antworten soll. Auf eine Weise hat er recht, nur will ich ihm das nicht unter die Nase reiben. Trotzdem schleicht sich ein Lächeln in mein Gesicht, weil es mir wirklich gefällt, wohin dieses Gespräch verläuft.

»Auf jeden Fall haben sie mich dazu gebracht, mich bei einem Psychologen anzumelden und ich habe tatsächlich einen Termin bekommen. Am Anfang war das richtig unangenehm und ich habe mich sehr verletzlich dabei gefühlt.«

Verlegen streicht er sich durch die Haare, bevor er mit den Schultern zuckt.

»Es wurde mit jeder Sitzung besser. Ich bin noch nicht dort angekommen, wo ich eigentlich hin will, aber ich glaube, dass ich auf einem guten Weg bin.«

Ein rötlicher Fleck bildet sich auf seinen Wangen, was mich schmunzeln lässt und meine Brust vor Stolz anschwillt. Für Heath ist das bestimmt nicht einfach und ich bin wirklich unglaublich stolz auf ihn, dass er so offen zu mir ist. Außerdem freue ich mich unglaublich für ihn, weil er endlich den Weg nimmt, den er vor Jahren hätte nehmen sollen.

»Das hört sich toll an, Heath. Es freut mich wirklich sehr, dass du das durchgezogen hast.«

Plötzlich wirkt er nervös, blickt mir aber dennoch in die Augen.

»Ich hätte ein Angebot, Faith. Und es würde mir sehr viel bedeuten, wenn du mir zustimmen würdest.«

Mit zusammengezogenen Augenbrauen sehe ich ihn an. »Was für ein Angebot?«

»Würdest du mich nach Boston begleiten?«

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