Kapitel Einundzwanzig: Liebeskummer

F A I T H

Mit leerem Blick sehe ich mein Wohnzimmer an, während im Hintergrund der Fernseher läuft. Nichts nehme ich wahr, während ich ein Glas Wein an meine Lippen halte, um einen großen Schluck daraus zu trinken. Der Alkohol, der meinen Rachen hinabfließt, bewirkt Wunder. Alles fühlt sich taub an, verliert an Bedeutung und der Mann, der mich in diesem Augenblick zu hassen scheint, wird immer unwichtiger. Zumindest für diesen einen Moment, auch wenn er mir ständig im Kopf herumschwirrt.

Trotzdem fühle ich den Schmerz weniger als sonst und das ist auch gut so. Ich will nicht über ihn oder über meinen Fehler, den ich begangen habe, nachdenken. Er hatte nämlich recht mit seiner Anschuldigung. Hunter und ich hätten nie dieses Gespräch führen sollen. Rachel geht uns beide nichts an und damit haben wir den Menschen, den wir beide über alles lieben, verletzt.

Sein Anblick hat sich in mein Gedächtnis gebrannt. Dieser Schmerz, den ich in seinen Augen gesehen habe, hat mir das Herz aus der Brust gerissen. Und seine Worte am Ende haben es noch entzweit.

Eigentlich habe ich nach diesem wundervollen und magischen Abend gedacht, dass wir es wieder hinkriegen können. Dass wir endlich über den Grund meiner Flucht sprechen und ich endlich seinen Ausraster verstehen könnte. Aber wenn ich jetzt um mich blicke und an alles zurückdenke, vor allem an letzte Woche, dann bin ich mir da nicht mehr so sicher. Dieses Mal habe ich es vermasselt. Ich hätte abwarten und Heath die Zeit geben sollen, bis er es mir selbst erzählt.

Allerdings war meine Ungeduld zu groß und meine eigene Dummheit daran schuld, dass ich das jetzt vergessen kann.

Immer habe ich darüber gelacht, wenn jemand sagte, dass ihm Steine in den Weg gelegt werden. Wieso es sie daran hindert, daran vorbeizulaufen oder sie aus dem Weg zu räumen. Andererseits hat mir meine eigene Situation gezeigt, dass sowas möglich ist. Nur sind es bei mir keine Steine, sondern riesige Felsbrocken. Egal wie sehr ich versuche, diese blöden Trümmer auf die Seite zu schieben, sie bewegen sich keinen Millimeter.

Meine innere Kämpferin wehrt sich und versucht es immer wieder, jedoch wollen sie nicht verschwinden, weswegen sie sich langsam aber sicher zurückziehen wird. Und mit ihr wird auch die Hoffnung auf Besserung abhandenkommen.

Aber wisst ihr was? Eigentlich will ich das nicht. Ich war immer stolz darauf, dass ich alles tun würde, damit es den anderen Menschen und mir gut geht. Dass meine Lieblinge glücklich sind, weil bloß ein Lächeln von ihnen reicht, um mir meinen Tag zu versüßen. Deswegen schmerzt es mich umso mehr, dass ich bei Heath auf voller Linie versagt habe. Ich habe ihn enttäuscht und verraten. Diese Erkenntnis tut mehr weh, als ich es je für möglich gehalten habe.

Mein Blick richtet sich wieder auf mein Glas, welches leer ist. Wann habe ich es bloß ausgetrunken? Umständlich bewege ich mich auf der Couch, beuge mich vor und schlinge meine Finger, um die Weinflasche. Achtlos werfe ich das Glas neben mich hin, da es sowieso überflüssig ist. Meine Absicht ist es, sie leer zu trinken. Dieses Gesöff wird mir helfen, diesen Abend zu überstehen, damit ich einschlafen kann, um morgen wieder funktionieren zu können.

Am Abend wird sich das Ganze wieder erneut abspielen, bis ich all meine Gefühle in eine Schublade gesteckt habe und ich nicht mehr daran denken muss. Mal sehen, wie lange es braucht, bis dieser Fall eintrifft. Noch eine Woche? Vielleicht zwei oder gar einen Monat?

»Was zur Hölle ist hier passiert?«, dringt eine schockierte Stimme zu mir durch.

Meine Augen suchen den Eindringling, jedoch sehe ich nur schemenhaft. Sind das zwei Leute in meinem Wohnzimmer oder halluziniere ich bereits?

»Diese Situation kommt mir sehr bekannt vor, findest du nicht auch, Schwesterherz?«

Durch die Stimmen weiß ich, wer sich vor mir befindet. Irgendwie haben sich die Lane Schwestern den Zutritt zu meiner Wohnung verschafft. Wie ich das finden soll, weiß ich noch nicht. Vielleicht ist es besser, wenn ich mit dieser Schlussfolgerung noch ein wenig warte. Sobald sie mir gesagt haben, weshalb sie hier sind, entscheide ich mich.

»Erkennt sie uns überhaupt?«

»Wenn ich mir all diese leeren Flaschen ansehe, dann glaube ich das eher weniger. Faith ist anscheinend sturzbetrunken.«

Lachend nicke ich ihnen zu. Sie hat voll ins Schwarze getroffen. Wer es aber von den beiden gesagt hat, ist mir schleierhaft. Außerdem scheint es mir unwichtig zu wissen, wer von den beiden die klügere in diesem Moment ist. Das einzige, was ich in diesem Augenblick will, ist, diese verdammte Flasche zu leeren.

»Kannst du mal die Vorhänge aufziehen und das Fenster öffnen? Wir müssen hier dringend lüften.«

Wieso? So schlimm müffelt es hier nicht. Schulterzuckend wende ich mich von ihnen ab, da es mir egal ist, was sie hier genau tun. Sie sollen mich einfach nur in Ruhe trinken lassen, damit ich endlich ins Bett gehen kann. Bevor ich jedoch einen weiteren Schluck meines geliebten Weines zu mir nehmen kann, wird mir ruckartig die Flasche aus der Hand gerissen.

»Hey! Was soll der Scheiß?«, protestiere ich lautstark und versuche sie wieder in die Hände zu bekommen.

Ich bin noch nicht fertig damit und habe keine Lust, dass mein Kopf mal wieder alles dreifach überdenkt und mir meinen beschissenen Fehler aufzeigt. Können die beiden nicht verstehen, weshalb ich das tue? Ich will doch nur endlich schlafen können, ohne dass mein Unterbewusstsein mir Heath in meinen Träumen zeigt. Ich will das alles nur vergessen und mich betäuben, bis das alles vorüber ist. Verdammt nochmal, ich will doch nur, dass es mir gut geht. Anders geht es leider nicht.

»Du hattest genug, Faith.«

»Gib sie mir wieder zurück, Pitbull!«, fahre ich sie grob an, auch wenn ich mich eher wie ein Vogel anhöre.

Meine Stimme ist lauter geworden, weswegen Hails uns mit einem sorgenvollen Blick beobachtet. Es sieht so aus, als hätte sie vor etwas Angst. Nur weiß ich nicht, wovor.

Mühsam versuche ich über die Lehne nach oben zu klettern, um näher dran zu sein. Nur hat Ella, wie ich es mittlerweile herausgefunden habe, etwas anderes im Sinne. Mit einem zuckersüßen Lächeln schlendert sie zu meiner offenen Küche, weswegen ich sie mit großen Augen anstarre. Sie würde doch nicht? Nein! Das kann sie doch nicht tun.

»Nicht, Ella!«, versuche ich sie aufzuhalten, nur ist mir völlig klar, dass es nichts bringen wird. Ella Peterson verfügt über einen Dickschädel der ersten Klasse. Ich habe keinen weiteren Menschen kennengelernt, der so stur ist wie dieser kleiner nerviger Pitbull.

»Es ist besser so, glaub mir, Faith. Es würde dir außerdem guttun, wenn du uns erzählen würdest, was passiert ist.«

Sofort schüttle ich mit dem Kopf, da das keine Option ist. Ich will und kann nicht darüber reden, da sie noch nicht die ganze Geschichte kennen. Und noch einmal mache ich diesen Fehler nicht, auch wenn ich diesen wundervollen Mann bereits verloren habe. Ich habe meinen Fauxpas eingesehen und weiß, dass ich falsch gehandelt habe. Es zu wiederholen, steht nicht auf meiner Liste.

Nachdenklich ziehe ich meine Augenbrauen zusammen. Eigentlich steht nichts mehr auf dieser Liste, da ich nicht weiß, wie ich weiter vorgehen soll. Meine Logik sagt mir zwar, was ich tun muss, nur weiß ich nicht genau, wie ich das bewerkstelligen soll. Ich muss mich entschuldigen, das ist keine Frage, nur wie will ich wissen.

Ella nutzt meine Unaufmerksamkeit aus und leert den Inhalt in das Spülbecken. Entgeistert starre ich sie an, auch wenn ich den Pitbull und alles andere um mich herum, noch immer verschwommen sehen kann. Das hat sie jetzt aber nicht wirklich getan, oder? Irgendwie hatte ich noch die Hoffnung, dass sie es sich anders überlegen wird.

»Was soll das? Wenn es eure Absicht war hierher zu kommen und mich wütend zu machen, dann könnt ihr wieder gehen. Sowas brauche ich nicht.«

So langsam wie möglich spreche ich jedes einzelne Wort aus, damit sie es auch wirklich verstehen. Irgendwo in meinem besoffenen Gehirn weiß ich, dass ich vermutlich lalle und ich mich nicht gerade verständnisvoll artikulieren kann. Und so betrunken kann ich gar nicht sein, wenn ich noch an solche Sachen denken kann.

Ella zuckt nur desinteressiert mit ihren Schultern, während Hails irgendwo umherschwirrt und bestimmt dieses Chaos hier aufräumt. Sie hatte wohl von unserem kleinen Machtkampf genug. Augenblicklich versuche ich mich aufzurichten, vergesse aber dabei, dass ich vorhin noch auf die Sofa-Lehne geklettert bin und falle direkt auf den Boden. »Autsch.«

Mit einem klirrenden Geräusch komme ich auf dem Fußboden auf und schließe meine Augen, während ich mir stöhnend an den Kopf fasse. Alles tut mir weh, weshalb ich liegen bleibe, bis der Schmerz verschwindet. Dass sich noch alles dreht, ist ein weiterer Grund, nicht aufzustehen.

»Oh Gott, Faith! Geht es dir gut?«, höre ich Hails rufen, bevor sie mit ihren Händen meinen Körper abtastet, um nach Verletzungen zu suchen. »Mir geht es gut«, flüstere ich ihr zu, auch wenn das nicht gerade der Wahrheit entspricht.

»Ruf Hunter an, Ella! Wir brauchen einen Arzt!«

Ihre Stimme hat einen panischen Unterton angenommen, den ich nicht verstehe. Es ist doch alles gut. Bald wird es mir wieder besser gehen. Als ich nach ihren Händen greifen will, spüre ich plötzlich etwas Nasses an meiner Hand. »Kein Arzt, Hails. Es geht mir wirklich gut.«

Im Hintergrund höre ich Ella mit meinem besten Freund telefonieren. Auch an ihrer Stimme kann ich erkennen, dass etwas wohl nicht stimmen kann, weil sie sich angsterfüllt anhört.

»Willst du mich verarschen? Du bist auf den Glastisch gefallen und blutest, Faith! Du musst ins Krankenhaus!«

Ihre Worte lösen etwas in mir aus, weshalb ich in meiner Bewegung erstarre. Blut? Glastisch?

Sobald ich meinen Blick auf meine Hände richte, kann ich verstehen, wieso sie so panisch sind.

Ich kann überall Blut erkennen, weshalb sofort mein eigenes in meinen Adern gefriert.

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