Kapitel Drei: Party
F A I T H
Noch immer stehe ich vor der Eingangstür, blicke direkt in Hunters Rücken, da er vorausgeht. Meine Gedanken überschlagen sich, bringen meinen Gemütszustand auf ein neues Level, weswegen ich am liebsten erneut die Flucht ergreifen würde.
Das einzige, was mich davon abhält, ist meine beste Freundin, die sich so viel Mühe gegeben hat, dieses Essen zu organisieren. Hätte ich es ihr nur vorher gesagt, dann müsste ich mich dieser Herausforderung jetzt nicht stellen. Dann könnte ich mich einen Feigling nennen und einfach von hier verschwinden. Aber eine solche Erkenntnis kommt leider immer zu spät. Ich hätte es besser wissen müssen.
»Bist du bereit?«, hakt Hunter leise nach und sieht mich aus besorgten Augen an.
Er kann mein Durcheinander verstehen, weil er praktisch alles darüber weiß und mit Hails ähnliches durchmachen musste. Es fühlt sich so an, als hätte die Schallplatte eine Wiederholung drin, nur dass es dieses Mal die Hauptpersonen gewechselt hat und ich daran glauben muss.
Mehr als ein Nicken bringe ich nicht zustande, bevor er nach dem Türgriff greift und die Höhle des Löwens öffnet. Klingt vielleicht übertrieben, aber für mich fühlt es sich so an. Ich bin nicht dafür bereit. Lautes Gekreische dringt in meine Ohren und beinahe verliere ich den Halt, als sich zwei Arme um mich schlingen, die mich fest an sich drücken. Der Geruch von Zitrone und Rosen umgibt meine Sinne, weswegen sich auch meine Hände ausstrecken, damit ich meine beste Freundin umarmen kann.
»Ich hab dich so vermisst, Faith«, nuschelt sie in meine Haare.
Tief atme ich den Geruch von ihr ein, der mir in diesem Moment mehr Halt gibt, als ich es für möglich gehalten habe. Haylee war schon immer der Mensch, der mich in Sekunden beruhigen konnte und das nur mit ihrem Duft. Mein Anker im endlosen Ozean.
»Ich dich auch, Zuckerschnecke. Mehr als du ahnst.«
Ich weiß gar nicht, wie lange wir so vor der Haustüre stehen. Es fühlt sich wie eine Ewigkeit an, aber das ist mir egal. Wir waren zwar früher immer mal wieder für eine längere Zeit getrennt, aber das hat sich nach unserem Studium geändert. Wenn es hochkommt, haben wir uns höchstens zwei Tage nicht gesehen, weshalb es uns dieses Mal wie eine Endlosigkeit vorgekommen ist.
»Lass sie los, damit ich sie auch endlich begrüßen kann.«
Plötzlich werde ich aus der Umarmung gerissen, bevor sich wieder zwei Arme um mich schlingen. Lachend schüttle ich den Kopf und fühle mich in dem Moment so wohl, wie lange nicht mehr. Eine derart herzliche Begrüßung habe ich mir nicht zu träumen gewagt, aber die Lane Schwestern haben mich vom Gegenteil überzeugt. Sie sind meine Familie, die immer für mich da sind und das gilt auch für sie. Ich würde alles für diese Menschen tun, da ich ihnen so viel verdanke und sie nicht mehr in meinem Leben missen möchte.
»Hey«, protestiert Hails laut, was uns alle zum Lachen bringt. »Ich war noch nicht fertig, du kleiner Pitbull«, schmollt meine beste Freundin weiter, sodass Hunter sie zu sich zieht und seine Arme um sie legt. Sofort schmiegt sie sich an ihrem Ehemann, der ein Schmunzeln nicht verkneifen kann.
Ella ignoriert ihre Proteste, während sie mich umarmt. »Du hast uns gefehlt. Wie geht es dir?«, flüstert sie so leise, damit es niemand außer uns hören kann.
Sie war schon immer scharfsinnig und seitdem sie Mutter ist, hat sich dieser Instinkt noch weiter entfaltet. Niemand entkommt ihrem prüfenden Blick. Auch ich nicht, obwohl ich darin eine Perfektionistin bin. Eine Ähnlichkeit, die sie gemeinsam mit Hunter hat, nur aus unterschiedlichen Gründen.
»Es geht mir gut. Mach dir keine Sorgen um mich«, will ich sie beruhigen, was mir jedoch nur eine erhobene Augenbraue einbringt. Mit meinem Blick versuche ich ihr mitzuteilen, dass wir dieses Gespräch an einem anderen Zeitpunkt fortführen werden, weil ich zuerst ihre Schwester einweihen muss. Es wäre Haylee gegenüber nicht fair, wenn es alle wissen würden und nur sie im Dunkeln tappt.
»Lasst uns hineingehen. Das Essen wird sonst noch kalt«, schlägt Hunter vor, sodass sich Ella und ich voneinander lösen.
Mein Blick ist auf den Boden gerichtet, ein kleiner Versuch den Menschen nicht zu sehen, wegen dem ich überhaupt die Flucht ergriffen habe. Ich hoffe nur, dass die anderen zu beschäftigt sind, um die fehlende Begrüßung wahrzunehmen. Aber ich weiß nicht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte. Ein Blick in seine blauen Augen würde reichen und ich würde wieder am Anfang stehen, weil sein intensiver Augenausdruck alles andere in den Schatten stellen würde. Wie oft habe ich ihn dafür verflucht, dass er mich so einfach in seinen Bann ziehen kann.
Schnell folge ich Hunter ins Esszimmer, während mir gleichzeitig der Geruch von Hails Essen in die Nase strömt. Der Duft von Basilikum, Knoblauch und Tomaten umfängt meine Sinne, die meinen Magen knurren lassen und das Wasser in meinen Mund zusammenläuft. Es riecht himmlisch. Etwas anderes hätte ich auch nicht erwartet, da Hails nicht nur eine sensationelle Bäckerin ist, sondern auch eine verdammt gute Köchin.
Der Tisch ist bereits angerichtet. Überall kann ich Luftballons entdecken, die an den Wänden hängen und am Fenster ist sogar ein Banner befestigt, der mich willkommen heißt. Überall kann ich frische Blumensträuße sehen, die farblich zu der Dekoration passen. Es wurden grüne Akzente mit eingeflochten, die mich zum Lächeln bringen. Denn sie erinnern mich an unser kleines Café. An unseren ganzen Stolz.
Aber meine Aufmerksamkeit bekommt der Champagner, der im Eiskübel liegt und mir sofort ins Auge springt. Das wäre keine schlechte Idee, meine Nervosität mit ein wenig Alkohol abzumildern. Vielleicht kann ich ihm nach einigen Gläsern in die Augen sehen und ihn wenigstens begrüßen. Immerhin muss ich dieses Aufeinandertreffen überstehen und damit könnte es funktionieren.
Hunter ist meinem Blick gefolgt und zieht dabei seine Augenbrauen in die Höhe. Seine Warnung kann ich in seinen Augen ablesen, aber dieses Mal ist sie mir egal. Ich brauche das jetzt und da wird auch er mich nicht davon abhalten. Er trinkt seit er wieder da ist nur ganz selten, was sehr wahrscheinlich mit seinem Vater zu tun hat. Jedes Mal, wenn Haylee und ich einen Mädelsabend haben und sie zu viel intus hat, bekomme ich eine Predigt von ihm zu hören. Genau wie seine Frau, aber das hält uns nicht davon ab.
»Lass es langsam angehen«, flüstert er mir leise ins Ohr, sodass es niemand sonst mitbekommt. Gleichgültig zucke ich mit den Schultern und versuche nicht in sein Gesicht zu sehen. Ich weiß genau, was ich darin lesen würde.
»Willkommen Zuhause, Faith.«
Lewis Stimme dringt zu mir durch, weswegen Hunter schnell Abstand von mir nimmt, damit niemand einen Verdacht schöpfen kann, auch wenn es niemand mitbekommen hat. Ein kleines Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, als ich den Mann von Ella erblicke, der mit Finn in den Armen das Esszimmer betritt. Laut kreische ich los, weil mich dieser kleiner Mann bereits von der ersten Sekunde um den Finger gewickelt hat und stürme auf die beiden zu. Bevor Lewis eine Begrüßung von mir bekommt, schnappe ich mir den kleinen Knirps und wirble ihn in der Luft umher.
»Tante Fay, mehr«, kommt es lachend aus seinem Mund, weswegen ich mich noch einige Male im Kreis drehe, um ihm den Wunsch zu erfüllen.
»Hallo, mein kleiner Schatz.«
Laut schmatzend drücke ich ihm einen Kuss auf die Wange, weswegen Finn kurz das Gesicht verzieht, mich aber dennoch anlächelt. Dabei wischt er mit der Hand über seine Wange und schaut mich herausfordernd an. Er will wohl, dass ich das nochmals wiederhole, auch wenn er etwas anderes von sich gibt.
»War ja klar, dass du ihm mehr Aufmerksamkeit schenkst als mir«, schmollt Lewis und verschränkt dabei seine Hände vor der Brust. Dabei ziert ein ehrliches Lächeln sein Gesicht. Es ist ihm klar, dass er gegen Finn den Kürzeren zieht.
»Tut mir leid, aber der Kleine ist einfach Zucker. Und wenn du mehr Beachtung wünschst, dann geh zu deiner Frau«, necke ich ihn. Auf einmal steht Hails neben mir und kichert wie ein kleines Mädchen.
»Hat Heath auf dich abgefärbt? Er sagt auch zu allen, dass sie Zucker sind.« Mein Herz setzt einen Schlag aus, bevor es brutal in meiner Brust weiter hämmert, als ich ihre Worte verarbeite. Wie kommt sie jetzt auf Heath?
Meine Bemühungen ihn zu ignorieren sind mit einer kleinen Bemerkung abgespült worden. Mein Körper beginnt zu zittern, während meine Lunge gierig nach Luft verlangen. Tief atme ich ein, versuche meinen Körper zu beruhigen, bevor jemand bemerkt, dass etwas nicht stimmt.
Aber leider habe ich mich zu früh gefreut. Ein sinnlicher Duft benebelt meine Sinne, meine Härchen stellen sich auf und zu spät merke ich, wie sich uns von hinten jemand nähert. Durch das Kribbeln auf meiner Haut, weiß ich genau, wer hinter mir steht und trotzdem schließe ich meine Augen und hoffe, dass sich mein Körper irrt.
»Na sieh einer an, wer wieder da ist. Ist dein Urlaub schon vorüber?«
Der Sarkasmus in seiner Stimme entgeht mir nicht und als ich mich umdrehe, bin ich froh Finn in meinen Armen zu halten. Sein Anblick zieht mir den Boden unter den Füßen weg und mein naives Herz will mir aus der Brust springen, als meine Augen ihn erblicken. Ich kann nicht anders, als ihm direkt ins Gesicht zu sehen, weil sein Blick sich intensiv in meinen bohrt und mich nicht loslässt. Jede meiner Versuche werden durch die blau leuchtenden Augen zerschmettert, lassen mich zur Salzsäule erstarren.
»Hallo, Heath«, bringe ich krächzend hervor.
»Faith«, kommt es knapp aus seinem Mund.
Seine Stimme hat einen kühlen Ton angenommen, der meine Risse in meinem Inneren nur weiter öffnet. Genau wie sein Blick, der mich erschreckt hat, da nichts mehr von dem verspielten Heath übrig geblieben ist. Vielleicht war meine Flucht ein Fehler, den ich bedauerlicherweise nicht mehr rückgängig machen kann. Es hat ihn mehr verletzt, als ich angenommen habe. Aber in diesem Moment dachte ich, dass es das Beste ist, wenn wir eine Distanz zwischen uns schaffen.
»Wie schön, dass du wieder da bist. Jetzt können wir endlich reden. Findest du nicht auch?«
Nein, finde ich nicht. Ganz und gar nicht.
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