Eingeschüchtert und irgendwie nervös wende ich meinen Blick von ihm ab und sehe zu, wie Seungyoun meinem Bruder eine Bierflasche in die Hand drückt.

Yeeuns Hand liegt auf seinem Oberschenkel, während sie sehr nah an ihn rückt und er einen Arm um sie legt.

Die Frage, warum zur Hölle Junmyeons gesamte Gruppe auf Seungyouns Party ist, beantwortet sich mir von selbst, als sich Seungyoun vergnügt zu ihnen gesellt.

Sie sind also Freunde?

,,Lass uns auch etwas trinken!", schlägt Mina enthusiastisch vor und zieht mich mit sich zur Bar, an welcher es sogar einen Barkeeper gibt.

,,Sag mal, Mina. Ist Seungyoun etwa auch in Junmyeons Freundesgruppe?", frage ich sie, nachdem sie dem Barkeeper unsere Bestellung aufgibt und ihm dabei zuzwinkert.

,,Mh? Natürlich ist er das! Jeder, der an unserer Schule cool ist oder sich für etwas Besseres hält, gehört in Junmyeons Freundesgruppe", erklärt sie mit einem Lachen. ,,Außer ich. Ich bin auch ohne in seiner Gang zu sein super cool!"

Während ich zurückschaue und mir all die fremden Gesichter ansehe, fällt mir auf, dass Junmyeons Gang aus Mitgliedern besteht, die sich alle sehr ähneln.

Bis auf eine Person, die irgendwie gar nicht in diese Gruppe hinein passt.

Statt so überheblich wie die Anderen zu wirken, sitzt er dort seelenruhig und schaut ein wenig umher.

Und ich bezweifle, dass auch nur irgendjemand aus Junmyeons Gang freiwillig in die Bibliothek gehen würde, geschweige denn sich dort sogar Bücher auszuleihen.

Mina drückt mir schließlich ein volles, fast zu volles Glas in die Hand und grinst mich an.

,,Auf unsere Freundschaft und einen unvergesslichen Abend!", kichert sie und wir stoßen an, bevor wir einen Schluck trinken.

Und genau diesen Schluck bereue ich beinahe sofort, als ich spüre, wie der Alkohol in meinem Hals leicht brennt.

Ich war noch nie ein Fan von Alkohol oder Partys, aber nicht grundlos.

Damals in Seoul liebten meine Freunde das Feiern und gingen nahezu jedes Wochenende in Clubs, in die sie in ihrem Alter eigentlich nicht einmal dürften.

Ich ließ mich damals oft mitreißen, bis ich eines Morgens aufgewacht bin und mich an Nichts erinnern konnte.

Seitdem habe ich die Finger von Alkohol gelassen und seitdem bestehen meine Eltern noch mehr darauf, dass Takumi ein Auge auf mich wirft.

,,Du solltest echt daran arbeiten, dass man es dir nicht so sehr ansieht, wenn du eben mal kurz den Planeten Erde verlässt", reißt Mina mich aus meinen Erinnerungen und ich schüttel leicht meinen Kopf, um wieder in die Realität zurückzufinden.

,,Komm! Lass uns tanzen", sagt Mina, nachdem sie ihr Glas schnell leer trinkt und auf die Bar stellt. ,,Das ist mein Song!"

Ich habe überhaupt keine Zeit zu reagieren, da schleppt sie mich bereits nah an die Musikanlage und beginnt sich passend zur Musik zu bewegen, während ich noch ein wenig perplex vor mich hin starre und aufpasse, dass mein Glas nicht überschwappt.

Aus dem Augenwinkel kann ich sehen, wie wir beobachtet werden und atme schockiert auf, als ich erkenne, dass nun auch mein Bruder zusammen mit den Anderen auf der Couch sitzt.

,,Sag mir jetzt nicht, dass mein Bruder auch zu dieser Gruppe gehört", murmel ich leise.

,,WAS HAST DU GESAGT? ICH KANN DICH NICHT HÖREN!", schreit Mina mir ins Ohr und über die Musik hinweg.

,,Takumi scheint sich jetzt auch mit Junmyeon angefreundet zu haben", sage ich lauter und sie nickt heftig, bevor sie sich in deren Richtung umdreht.

,,Mach dir doch einmal keine Gedanken darum! Wir haben gesagt, dass wir uns von ihm nicht den Abend versauen lassen", schmollt Mina nun, was mich leicht zum Kichern bringt und ich ihr daraufhin Recht gebe und versuche einfach alles aufzublenden.

Wenigstens für diesen Moment.

SKIP

Eiskaltes Wasser fließt über meine Hände, bevor ich den Hahn schnell weiter nach links drehe, wodurch es sofort wärmer wird.

Ich fahre mit meinen Handflächen über den jeweils anderen Handrücken und stoppe dann den Wasserhahn, trockne meine Hände am weichen Handtuch hinter mir ab.

,,Mach schneller, Minnie! Ich muss auch!", höre ich Mina vor der Tür, die bereits etwas zu viel Alkohol hatte.

Schnell richte ich noch meinen Pony und verlasse dann das Badezimmer.

Mina stolpert leicht, stürmt dann aber ins Bad hinein und verriegelt die Tür.

Ich lehne mich im Flur an die Wand, um auf sie zu warten, als ich Jemanden laut und wütend streiten höre und mich mit geweiteten Augen umsehe.

Langsamen Schrittes gehe ich in die Richtung, aus welcher gebrüllt wird.

,,Was soll die ganze Scheiße eigentlich?!", schreit eine weibliche Stimme von draußen, die ich durch das geöffnete Fenster klar und deutlich hören kann.

,,Ryuji-"

,,Nein! Nichts Ryujin! Wieso verstehst du einfach nicht, dass du mich damit verletzt, Yoongi?", schreit sie weiter und selbst ich kann hören, wie sie ihre Tränen zurückhalten muss.

,,Du bist einfach zu verletzlich, Ryujin", erwidert eine männliche Stimme, die vermutlich zu Yoongi gehört.

,,Wie sollte ich denn deiner Meinung nach reagieren, wenn du jedem Mädchen, was an dir vorbei läuft, hinterher schaust?!", schluchzt sie laut.

,,Ich schaue niemandem hinterher, okay? Du hast schon zu viel Alkohol getrunken und bildest dir Dinge ein. Jetzt lass uns nicht über so unnötig-"

Ein lauter Klatsch unterbricht ihn und im nächsten Moment betritt Ryujin weinend das Gebäude.

Schnell stelle ich mich an meine ursprüngliche Stelle zurück und tue so, als hätte ich nie etwas gehört.

Ryujin kommt den Flur mit gesenktem Kopf entlang und sieht mich mit düsteren Augen an.

,,Ist alles.. okay?", frage ich sie besorgt, doch sie antwortet mir nicht, sieht nur auf die verschlossene Badezimmertür und verschwindet dann genauso schnell, wie sie gekommen ist, wieder.

,,Mit wem hast du geredet, Minnie?", fragt Mina, als sie einige Sekunden später aus dem Bad kommt.

,,Mit Ryujin, aber sie wollte wohl kein Gespräch aufbauen", zucke ich leicht mit den Schultern, da ich weiß, dass Mina sowieso die Hälfte nicht mehr mitkriegt.

,,Ich brauche noch einen Drink!", lallt sie und sprintet los, während ich ihr langsam folge.

Takumi hat seine Aufsichtspflicht wohl alles andere als erfüllt.

Zurück im großen Wohnzimmer besetzen Junmyeons Freunde immer noch das Sofa und der Barkeeper bringt ihnen gerade eine neue Ladung an Shots.

Alle sitzen dort, bis auf Ryujin.

,,Hey, Mädels~ Wollt ihr auch einen?", werden wir von Yoongi gefragt, der uns auf sie zukommen sieht.

Mina bejaht dies natürlich sofort und er reicht ihr einen Shot.

Gerade als er auch mir einen geben will, den ich so oder so abgelehnt hätte, schnappt sich Takumi das Glas.

,,Sie hatte schon genug", grinst er schief und reicht das Shotglas an Yeeun weiter.

,,Ich glaube es ist wohl eher andersrum", erwidere ich schnippisch, als ich seine geweiteten Pupillen erkenne und daraufhin meine Augen verdrehe.

,,Ohhh! Der hat gesessen", lacht Seungyoun laut.

Nach diesem Kommentar wirft mir Takumi nur einen giftigen Blick zu, bevor sie dann alle gemeinsam ihre kleinen Gläser leeren.

SKIP

Mit viel Mühe halte ich meine Augen noch gerade so offen und schaue müde umher.

Die meisten der Partygäste sind bereits gegangen und der Blick auf die Uhr verrät mir auch, warum.

,,Scheiße! Es ist gleich 1 Uhr", fluche ich und tippe an Minas Schulter, damit sie auf mich aufmerksam wird, da sie gerade in ein Gespräch mit Seungyoun vertieft ist.

,,Ich unterhalte mich gerade, Minnie", wimmelt sie mich ab, woraufhin ich sie nur empört muster.

,,Wir müssen nach Hause! Wo ist Takumi schon wieder?", frage ich genervt und die einzige Antwort, die ich erhalte, ist ein Schulterzucken.

,,Na schön. Du bleibst hier, klar?", befehle ich ihr, obwohl ich bezweifle, dass sie irgendwohin geht, solange sie mit Seungyoun beschäftigt ist.

Ich sehe mich in den einzelnen Räumen, die für die Party gedacht waren um, doch finde meinen Bruder einfach nicht.

Als ich die Hoffnung schon beinahe aufgegeben und mich mit einem riesigen Streit mit unseren Eltern abgefunden habe, weil wir zu spät sein werden, trete ich auf die Terrasse hinaus.

Ich atme tief ein und schaue auf mein Handy und auf die nicht gelesenen Nachrichten an meinen Bruder.

Gerade als ich wieder ins Haus zurückkehren will, bleibt mein Blick an etwas hängen.

Auf einer Bank im Garten sitzt Takumi.

Jedoch sitzt er dort nicht alleine, sondern mit Ryujin.

Und sie sitzen dort auch nicht einfach nur so, sondern küssen sich.