Epilog

ein Jahr später

𝒜 𝓁 ℯ 𝒶
ᴡɪʟʟɪᴀᴍs

Anfangs hatte ich die Nase voll von Männern. Vor allem von den Kerlen, die nicht wussten, was sie wollten. Und trotz aller Vernunft hatte ich mich in den kompliziertesten Typ verliebt, der mir je über den Weg gelaufen war.

Aber nach all dieser schweren Zeit und meiner negativen Erfahrungen mit Beziehungen, hatte ich mich dennoch von meinen Gefühlen leiten lassen, machte weiter und wurde belohnt.

Kyson Evans war die langersehnte Belohnung für all meine gescheiterten Versuche.
Jemand, der gelernt hatte, abzuschließen um sich neu zu verlieben.
Bedingungslos, obwohl er Schmerzen erlebt hatte, die ich womöglich nie nachempfinden, aber verstehen konnte.

Er liebte mich und er war so stark, sich das einzugestehen. Meinetwegen.

Ein größeres Geschenk als seine aufrichtige Liebe mir gegenüber gab es nicht. Seine Liebe war alles, was ich brauchte, um glücklich zu sein.

Und den Rest würden wir gemeinsam hinbekommen.

Auch, als er gerade mit bebendem und zitternden Körper in meinem Armen lag und ich spürte, wie in unregelmäßigen Abständen vereinzelte Tränen auf meine nackten Oberschenkel tropften, wusste ich, dass wir das schafften.

Was Kyson so aus der Bahn warf, wusste ich im Moment noch nicht. Sicherlich ein Traum oder Gedanken, die ihn belasteten. Seine Vergangenheit, die ihn für den Bruchteil einer Sekunde wiedereinholte und Narben aufgerissen hatte. Wenn das passierte, dann sehr selten.

Jetzt war es nur wichtig, für ihn dazu sein und ihn so lange zu halten, bis Kyson den Schmerz ertrug.

Dieser Weg, den wir gingen, war niemals einfach und er würde nicht so schnell einfach werden.

»Ist okay, Liebling«, flüsterte ich in Kyson Evans schwarzes Haar, das er seit einem halben Jahr kürzer trug, welches mein Gesicht soeben kitzelte und strich ihm beruhigend über den vernarbten Rücken. Immer und immer wieder, bis das Beben weniger wurde und er sich entspannte.

»Alea?«, kam es rau von ihm, als Kyson sich aus meiner Umarmung löste und sich aufsetzte, um mir in die Augen sehen zu können.

Dadurch, dass seine Augen gerötet waren, strahlte mir das Apfelgrün intensiv entgegen und ich strich mit meinen Daumen über seine Wangen. Die Farbe seiner Augen faszinierte mich noch immer, wie beim ersten Mal, als ich sie sah. Der leichte Drei-Tage-Bart kitzelte unter meinen Fingern, hielt sie aber nicht auf, immer und immer wieder darüber zu streichen, bis Kyson sagte: »Bemitleide mich nicht und küss mich stattdessen«

Ich schnaubte und verdrehte die Augen, weswegen sich Kysons Griff an meiner Taille verstärkte. Nach einem Jahr wusste ich nun, dass er es nicht leiden konnte, wenn ich die Augen verdrehte. Aber dass er es andauernd tat, war ihm scheinbar noch nicht aufgefallen.

»Ich bemitleide dich nicht, du Idiot. Das weißt du auch. Und du weißt auch, wie das bei uns endet, wenn wir mitten in der Nacht anfangen, uns zu küssen«, rügte ich ihn halbherzig, aber das Feuer, welches in mir ausbrach, als sich seine Finger noch tiefer in meiner Haut vergruben ließ mich meine Vorsätze fast über Bord werfen.

Kyson drückte mich zurück in das schmale Bett und mein Kopf befand sich auf viel zu harten Kissen, während er sich über mich lehnte und innerhalb von Sekunden wieder total anders war.

Da war keine Verzweiflung mehr, keine Schwäche. Da war nur noch diese Begierde und ich wusste, wenn ich Kyson nicht aufhielt, dann würden wir übereinander herfallen.

Nach über einem Jahr, welches ich nun mit Kyson verbrachte, wusste ich mittlerweile besser als alle anderen, dass seine Stimmungsschwankungen ein Teil von ihm waren. Ich fand es auch nicht schlimm, aber manchmal brachte er mich damit echt um den Verstand.

So wie jetzt. Ky wollte sich ablenken, er brauchte mich, nachdem er sich seinen Dämonen gestellt hatte und ich wollte für ihn da sein, so wie er für mich da war. Denn das war es, was wir taten. Wir liebten uns. Wir halfen einander. Wir heilten einander. Wir lebten.

»Deine Eltern schlafen ein Zimmer weiter. Und meine Eltern liegen über uns. Und Adam und Sally...«, setzte ich an und ließ den Rest meines Versuches in der Luft hängen, als Kyson seine heißen Lippen auf meine presste und mich küsste, als gäbe es keinen Morgen. Als gäbe es nur das hier und jetzt. Kein Gestern, kein Morgen, kein in ein paar Wochen. Nur jetzt.

»Dann müssen wir einfach leise sein«, murmelte er zwischen zwei sanften Küssen und ich schmunzelte leicht, gab aber noch nicht nach. In mir brannte die Frage, was ihn gerade so beschäftigt hatte. Und als hätte Kyson meine Gedanken gehört, hielt er inne und vergrub seine Nase in meinem Haar. Sein warmer Atem wärmte meine Halsbeuge.

Mittlerweile versteckte er seine Ängste nicht mehr vor mir, sondern erzählte mir meist, was ihn beschäftigte. Es half ihm und mir gleichermaßen.

»Heute vor 10 Jahren habe ich sie kennengelernt«, flüsterte er und ich verstand nun, weswegen er sich ablenken wollte.

Was ihn gerade so aus der Bahn geworfen hatte. Ich blickte zu dem riesigen Fenster und konnte das dunkle Meer erkennen, das unruhige Wellen in unregelmäßigen Abständen gegen den Strand drückte. Die Sonne ging langsam auf.

Ann und Miles, die Eltern von Kyson, hatten vorgeschlagen zum Geburtstag von Sally einen Wochenendtrip in ein Strandhaus am Meer zu machen.

Meine beste Freundin mochte materielle Geschenke nicht so und das hatte sie gestern echt aus den Schuhen gehauen.

Kyson und ich gaben uns mit dem kleinsten Bett zufrieden, da uns das nicht störte. Und mich störte es erst recht nicht, als Kyson mein nacktes Schlüsselbein erkundete.

»Sag was«, murmelte er dicht an meiner Haut und ich schluckte.

Hayley war seit vier Jahren tot und dennoch würde sie für immer ein Teil von ihm und somit auch von uns sein.

Aber ich war nicht eifersüchtig oder wütend. Alles, was ich gerade empfand war Mitgefühl und eine tiefe, innere Ruhe, die ich selbst nicht ganz verstand.

»Ich glaube, sie hätte sich gewünscht, dass du diesen Tag in Ehren behältst und dich deswegen nicht fertig machst«, hauchte ich in die Stille hinein. Alles was ich hörte, war sein Atem und dann meiner.

An meiner Wange hielt Kyson inne und lehnte sich zurück, damit er mich ansehen konnte. Es verstrichen ein, zwei Sekunden.

»Ich liebe dich, Alea.«

Ich zog die Augenbrauen hoch und grinste breit, weswegen er die Augen verdrehte und ich leise lachte. Mein Herz allerdings machte einen Freudentanz und meine Muskeln wurden so weich wie Pudding.

»Ich habe alles erreicht, was ich mir gewünscht habe«, sagte ich triumphierend und verschränkte die Arme hinter meinem Kopf. Kyson zu ärgern war eines meines Lieblingshobbys geworden.

»Normalerweise sagt man da »Ich liebe dich auch««, murmelte er und warf einen Blick nach draußen. Ich beobachtete ihn dabei, wie er sich zurücklehnte und entspannt auf meiner Hüfte saß, als wäre er federleicht.

Aber das war er nicht. Trotzdem sagte ich nichts und nahm den Anblick schweigend in mir auf. Streckte die Hand aus und fuhr die große Narbe an seinem Oberkörper hinauf, die er sich vor vier Jahren zugezogen hatte. Sie ging vom Bauchnabel quer zu seiner Brust nach oben.

»Wir beide sind aber alles andere als normal, Kyson. Und deswegen sage ich dir, dass du mir einfach alles bedeutest. Und ich dir danke«

»Wofür? Für all die Momente in denen du meine Launen ertragen musstest? Ich dich scheiße behandelt habe oder dir von Hayley erzähle?«

Ich schwieg kurz, aber Kyson sah sich noch immer das Meer an, anstatt mich.

Nein, wir waren weit davon entfernt normal zu sein, aber das war in Ordnung. Denn er und ich hatten viel miterlebt. Unsere Vergangenheit hatte uns geprägt und jetzt waren wir die, die wir heute waren.

»Für all die Momente, in denen du mir gezeigt hast, dass das Leben es wert ist, weiterzukämpfen.«

Kyson schloss die Augen und holte tief Luft. Seine Bauch hob und sank sich einige Male unter meiner Hand. Die Narben auf seiner Haut waren wärmer als der Rest.

Und dann sah er wieder zu mir und seine Augen blickten zwischen meinen neugierig hin und her.

Er verarbeitete meine Worte und Kyson musste nichts sagen.

Ich hielt seinem Blick stand um ihm zu zeigen, dass das mein Ernst war und dann, als er lächelte, grinste ich und fügte hinzu: »Und ich liebe dich übrigens auch«

»Geht doch.«

Kyson Evans schmunzelte, bevor er sich zu mir beugte und mir mit nur einem einzigen Kuss zeigte, wie sehr er mich liebte.

Als er sich zurücklehnte und mir mit diesen schönen grünen Augen ins Gesicht sah, erinnerte ich mich an unsere erste Begegnung.
Ich erinnerte mich genau. Auch an meine Gedanken, bevor er in mein Leben trat.

Meine Mom hatte recht, als sie sagte: Menschen kommen und gehen, Alea. Daran kannst du nichts ändern.

Ja, Menschen kamen und sie verließen uns.
Aber manche blieben lebenslang bei uns und gingen nur, weil der Tod sie sich holte.

Es liegt also an uns, was wir mit der Zeit bevor der Tod uns die Hand reichte, taten.
Es lag an uns, was wir mit unserem Leben und den Menschen, die uns begleiteten, anstellten.
Ob wir nur Überlebende sein wollten in dieser Welt, oder Lebende.
Ob wir in der Vergangenheit oder im Hier und Jetzt sein wollten.
Ich entschied mich für das Leben.
Für die Liebe.
Für die Gegenwart.
Und für Kyson Evans.

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E N D E

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