Einundzwanzig
𝒜 𝓁 ℯ 𝒶
ᴡɪʟʟɪᴀᴍs
Ich fand ihn in der Küche wieder.
Dort lehnte er mit vor der Brust verschränkten Armen an der Küchenzeile und musterte mich aufmerksam, als hätte er tatsächlich nur auf mich gewartet.
Hier im Haus war es wesentlich leiser als draußen am Pool. Ich konnte niemanden sprechen hören, es war viel mehr ein sehr leises, unscheinbares Stimmengewirr im Hintergrund.
Die Fenster zeigten zwar teilweise in Poolrichtung, aber an der Stelle, an der Kyson stand, konnte man uns nicht sehen.
Nur diese apfelgrünen Augen waren gerade wichtig.
Die Art und Weise, wie er den Kopf leicht zur Seite legte und mich so intensiv beobachtete, wie ich ihm langsam näher kam, war faszinierend.
»Was macht dich so sicher, dass ich dir so viel verraten würde?«, fragte ich ihn.
Kyson zog nur eine seiner dunklen Augenbrauen hinauf. Es war die, mit der Narbe.
Okay...wollte er mich jetzt anschweigen?
»Hab' ich was verbockt?«, fragte ich und konnte nichts gegen das aufkeimende Gefühl von Unsicherheit tun.
Ich stoppte ein, maximal zwei Schritte vor ihm und blieb auf der Hut.
Bei Kyson Evans wusste man nie, wie es ihm im nächsten Augenblick ging. Er hatte schlimmere Stimmungsschwankungen, als ich während meiner Periode.
Aber er sah mich so intensiv an, dass es in meiner Magengegend zu kribbeln begann.
»Komm ruhig noch näher, Alea«, sagte er zu mir, als würde er mit mir über das Wetter reden. So entspannt und locker.
Ich tat, was er gesagt hatte und stoppte erst, als meine Brust, die seine berührte und ich mein Kinn anheben musste, um weiterhin in seine Augen sehen zu können.
»Also...«, versuchte ich es erneut.
»Was macht dich so sicher, dass du mir so viel entlocken kannst, wie du denkst?«
Wieder schwieg er und ich runzelte die Stirn, war kurz davor, ihn zu fragen, was sein Problem war.
Kyson schlang so plötzlich seine Arme um meinen Körper, dass mein Gedanke wie eine Seifenblase verpuffte und da nur noch eine Flamme in mir war.
Eine kleine knisternde Flamme die zu einem Inferno mutieren wollte.
Es blieb keine Zeit für weitere Worte, da hatte Kyson sich zu mir herabgelehnt und seine weichen Lippen auf meine gedrückt und mich geküsst.
Völlig fasziniert von seinen Lippen presste ich mich an ihn, warf alle Sorgen ab und vergrub meine Finger in seinem Haar.
Dieser Kuss war ähnlich wie unser erster. Wild, ungezähmt und voller Lust.
Ich keuchte, als Kyson sich ein Stück zurücklehnte und nach Luft rang.
Eine Hand löste sich von meinem Körper und er nahm meinen Arm und führte ihn hinab, zu seinem Bauch.
Verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen und sah ihm weiterhin in die Augen, während er meine Hand in seine nahm und sie unter seinem Shirt platzierte.
Meine Handfläche lag direkt auf seinem nackten Bauch.
Auf meinem Nacken und meinen Armen stellten sich die feinen Härchen auf.
»Kyson...?«, flüsterte ich verwirrt und schloss die Augen, als er sich erneut zu mir herablehnte. Diesmal küsste er mich leicht. Forschend und zärtlich. Seine Lippen waren warm und irgendwie besitzergreifend. Fesselnd.
Bereits jetzt wünschte ich mir, dass ich erneut in den Genuss dieser Glücksgefühle kommen könnte.
Kyson drehte uns und ich spürte, wie er mich mit einem Arm umgriff und mich auf die Oberfläche der Küchentrese setzte.
Er lockerte seine Hand an meinem Rücken, fuhr damit zwischen meine Beine und spreizte sie, damit er dazwischen treten konnte.
»Ich zeige dir, weshalb ich heute nicht zu dir ins Wasser gegangen bin, obwohl ich es wollen würde«, erklärte er an meinen Lippen flüsternd, dann fuhr er mir mit der anderen Hand tiefer an meinem Rücken entlang und zog mich enger an sich.
Mit der Hand am Bauch glitt ich forschend über seine Haut, die sich anfühlte wie glühende Kohle. Aber ich verbrannte mich nicht.
Plötzlich spürte ich an den Fingerkuppen keine ebenmäßige Haut mehr, da waren etliche Wölbungen.
Kyson schob meine Hand zögernd höher und die Wölbungen wurden größer und härter. Er zog beide Hände zurück und platzierte sie auf meinen Hüften.
Perplex sah ich in seine Augen, unsere Lippen waren nur Millimeter voneinander entfernt.
Aber mein Blick sprach scheinbar Bände, denn er lächelte gequält.
Das unter meinen Fingerspitzen war Narbengewebe.
Haufenweise Narben.
So viel, wie ich noch nie auf einem Körper gesehen - gespürt hatte. Jetzt verstand ich auch, weshalb er an diesem Punkt seines Körpers sensibler reagierte.
»Kyson...«, hauchte ich erstickt und Tränen sammelten sich ungewollt in meinen Augen.
Und ich wollte ihn unbedingt ins Wasser zerren?
Ich konnte mir nicht Mal vorstellen, wie diese Narben aussahen. Es waren zu viele. Eine begann bei seinem Bauchnabel und zog sich leicht schief bis zu seiner Brust hoch.
Dass ich keine Luft mehr holte, merkte ich erst, als mir schwindlig wurde. Oder war es der Schock?
Scheiße, wie egoistisch war ich?
Aber noch viel wichtiger war...was war passiert?
Hatte er eine Auseinandersetzung mit einem Mann mit Messer?
War er in der Kindheit misshandelt worden?
Nein, seine Eltern waren so nett...
Oder war meine Fantasie auf mein Filmwissen beschränkt?
»Was...was ist passiert? Das ist...«, ich schaffte es nicht, meinen Satz zu vollenden.
Stattdessen ließ ich meine Hand selbstständig seinen Körper entlang fahren, während ich seine Reaktion genauestens in mir aufnahm.
Er verzog das Gesicht.
Sah aus, als hätte er Schmerzen.
Das war schrecklich. Was war mit ihm passiert? Wie viel wusste ich eigentlich über diesen Mann vor meiner Nase?
Seine apfelgrünen Augen sahen mich leidend an, weshalb ich meine Hand wieder zurückzog und ihm den Abstand gab, den er jetzt brauchte.
Das war eine Hürde für ihn gewesen, und was für eine.
Aber ich war ihm wichtig genug, dass er diese für mich überwunden hatte.
Ich war dankbar, auch wenn ich nicht klar denken konnte.
»Was ging dir vorhin durch den Kopf, als du im Wasser warst?«, fragte er mich und ach verdammt, warum machte er das?
Warum zeigte er mir sowas und wollte dann das Thema komplett wechseln?
Das war wichtig!
Aber ich wollte ihn auch nicht drängen. Scheiße, es war nicht leicht mit ihm. Ich beschloss, dass ich auf seine Frage einging.
Ich würde ihm definitiv, nachdem er mir das von sich offenbart hatte, auch verraten, woran ich dachte, als ich im Wasser war.
»Ich habe mir vorgestellt, dass du zu mir ins Wasser steigst. Dass niemand da ist und wir da weiter machen, wo wir...das letzte Mal aufgehört haben. Ich kann an nichts anderes mehr denken, Kyson. Ich will dich...ich...weiß nicht Mal, was ich sagen soll, ehrlich gesagt. Du...kannst du sie mir zeigen?«
Ich brauchte nicht sagen, was ich damit meinte. Er verstand, dass es für mich noch immer um die Narben ging.
Doch weigerte sich, das erkannte ich an der Art, wie sich sein Blick veränderte.
Kühler und unberechenbarer.
Allerdings überraschte mich Kyson Evans, als er die Lider senkte und sein Kiefer arbeitete.
»Nicht hier, Alea. Ich muss mich gerade so zusammenreißen, dir nicht diesen schönen Bikini von Körper zu-«
Heilige Scheiße, ich auch. Mein gesamter Körper übernahm das Kommando und ich fuhr mit beiden Händen seine Arme entlang, bis ich sie in seinem Nacken verschränkte und küsste ihn.
Als sich unsere Lippen fanden, erfasste mich ein wohliger Schauer und aus Kysons Mund entwich ein Laut, irgendwo zwischen Brummen und Stöhnen.
Meine Beine legten sich um seine Hüfte und er presste sich dicht an mich, was mich seinen Namen seufzen ließ.
Er bewegte sich, nahm mich an der Hüfte und setzte mich auf dem Boden ab.
Für einen Moment unterbrachen wir den Kuss und sahen uns an, doch dann umgriff er mein Gesicht und zog mich wieder an seinen Lippen.
Ich konnte einfach nicht genug bekommen. So wie er schmeckte und sich anfühlte, war himmlisch. Seine Hände waren an meiner dünnen Bikinihose, doch das war scheinbar nicht sein Ziel. Stoppen tat er bei meiner Hüfte und mit einem Mal hörte er langsam auf und entzog sich mir.
»Da kommt jemand«, flüsterte Kyson, dann drehte er mir den Rücken zu und räusperte sich.
Erst jetzt hörte ich die Schritte, die näher kamen und die Stimmen von Adam und Ryan, als sie in die Küche kamen.
»Kyson, da bist du ja. Kommst du raus, wir wollten anfangen zu essen. Wo ist meine-«, Adam unterbrach sich, als er mich hinter Kyson entdeckte.
Mein Bruder würde eins und eins zusammenzählen.
Meine geröteten Wangen, Kysons geschwollene Lippen und die leicht zerzausten Haare...
»...Schwester. Da seid ihr also. Haben wir gestört?«, Adam grinste breit und auch auf Ryans Lippen erschien ein Schmunzeln, dass er verstecken wollte.
Aber auch etwas anderes blitzte in seinen Augen auf. War es Freude? Glück?
Kyson erwiderte »Nicht doch« und ging an den beiden vorbei nach draußen.
Ich schluckte, während ich versuchte meinen Herzschlag zu beruhigen.
»Also wenn du willst, kannst du mit Kyson auch etwas früher abhauen und das fortsetzen, was ihr hier in meiner Küche-«
»Nicht, Adam. Lass es einfach«, unterbrach ich Adam scharf und tippte ihm mit dem Finger an die Brust, nachdem ich die Küche durchquert hatte.
Adams blau-braune Augen sahen mich amüsiert an.
»Ich freue mich einfach nur, Schwesterlein. Das ist alles«, meinte er und zog mich in eine Umarmung, die ich nicht gleich erwiderte.
»Ähm...Adam? Das ist nicht so, wie du denkst. Wir sind nicht zusammen«, klärte ich ihn auf.
»Wird schon noch, oder was denkst du, Ryan?«
Adam legte den Arm um meine Schultern und wir blickten gemeinsam zu Ryan, der uns ansah.
Er wirkte einen Moment skeptisch.
»Wir werden sehen, was aus den beiden wird. Ich habe ihn zumindest lang nicht mehr so erlebt.«
• • •
Der Abend verging im Handumdrehen.
Beim Essen saßen wir an einem großen Tisch. Kyson war direkt neben mir und dass sein fast nacktes Bein die ganze Zeit gegen meines fiel, hatte das Flattern in meiner Brust nicht gerade gelindert.
Im Gegenteil. Es entstand eine solche Anspannung in mir, die ich nicht beschreiben konnte.
Gerade eben saßen wir gemeinsam in seinem Wagen und fuhren zurück. Ich wusste nicht so genau, was ich sagen sollte, damit er sich entspannte.
Irgendwas stimmte nicht, das erkannte ich daran, wie seine Knöchel weiß wurden, weil er das Lenkrad so umgriff.
»Ich...wollte nur sagen, dass ich es nicht bereue. Also, den Kuss«, setzte ich an, während ich meine kalten Finger in meinem Schoss betrachtete.
Im Augenwinkel erkannte ich, wie er die Finger kurz lockerte und mir einen Seitenblick zu warf.
Er sagte nichts und innerlich seufzte ich.
Na ganz toll, da hatte ich Hoffnungen bekommen und jetzt waren sie wieder weg.
»Kyson?«, hakte ich nach, weil ich keine Lust hatte, dass er mich jetzt wieder tagelang ignorieren würde.
»Wenn du es bereust, kannst du es mir auch einfach sagen. Wir müssen uns deshalb nicht ignorieren. Du solltest mir nur Mal erklären, woran ich bei dir bin...«
Wieder entstand eine solche Stille, die er nicht zu brechen gedachte.
Dementsprechend wütend und enttäuscht lehnte ich mich tiefer in den Sitz und starrte aus dem Fenster.
Es war dunkel, nur ein paar vereinzelte Laternen spendeten Licht.
Ich grübelte vor mich hin. Kyson hatte mir ein scheinbar sehr großes Geheimnis von sich verraten. Sein Körper war übersät von Narben. Und in der Öffentlichkeit schämte er sich scheinbar deswegen.
Und er hatte mich ein zweites Mal geküsst.
Wenn Kyson nichts für mich empfinden würde, rein gar nichts...dann hätte er mich nicht nochmal an sich herangelassen.
Da war etwas. Ich wusste nur nicht, was er für mich empfand.
»Ich bereue es nicht, Alea. Ich bin momentan nur einfach nicht in der Verfassung für etwas Ernstes«, sagte er nach einigen Minuten.
»Also willst du was Lockeres? Freundschaft Plus oder was? Dann tut's mir leid, Kyson. Das ist leider nicht so mein Ding. Entweder ganz oder gar nicht«, meinte ich und wendete meinen Blick wieder auf ihn.
Er hatte seinen Wagen geparkt, da wir Zuhause waren.
Mit einem so stechenden Blick, richtete er seine grünen Augen auf mich.
Ich wünschte, meine Augen wären so intensiv in der Farbe. Dann hätte ich vielleicht auch solchen Eindruck schinden können mit nur einem Blick.
»Wie soll man einen Menschen lieben, wenn man vor Jahren aufgehört hat, an die Liebe zu glauben?«, fragte er mich leise.
So leise, dass ich es beinahe nicht wahrgenommen hätte. Aber ich tat es und das war wirklich bestätigend.
Seine Vergangenheit legte ihm Steine in den Weg.
»Du musst es einfach wieder lernen«, schlug ich ziemlich dumm vor, aber etwas besseres fiel mir nicht ein. Es erschien mir um diese Zeit sogar ziemlich logisch.
Ich war müde und meine Gedankengänge für Außenstehende vielleicht nicht hundertprozentig nachvollziehbar, aber für mich ergab das gerade eben sehr viel Sinn.
Er musste einfach lernen, einen Menschen wieder zu lieben.
»Ich soll lernen, dich zu lieben, Alea?«, fragte Kyson und sah mich zweifelnd an.
»Spürst du denn nichts, wenn du mich küsst? Wenn wir uns berühren...fühlst du da nichts? Jetzt im Moment - löst dieses Gespräch nichts in dir aus?«, flüsterte ich zweifelnd und hatte Angst vor der Wahrheit.
Was wenn das mein Schicksal war?
Abserviert zu werden?
Denn diesmal würde ich es nicht so gut verkraften.
Kyson ging mir unter die Haut.
Er kontrollierte nur mit seiner Nähe, seinen Blicken, Worten oder einem Lächeln meinen Herzschlag.
»Ich bin nicht herzlos, Alea. Aber ich bin...ziemlich müde. Wir sollten jetzt gehen.«, damit beendete er das Gespräch und stieg aus.
Fuck, warum verliebte ich mich auch ausgerechnet in einen Mann, der nicht mehr lieben konnte?
Ach ja, weil ich es nicht wusste.
Kyson öffnete mir die Tür und ich sah ihn aufmerksam an, als ich ausstieg.
Ich musste einfach herausfinden, was der Grund dafür war, dass er nicht mehr an die Liebe glaubte.
Hatte es was mit dem blonden Mädchen auf den Fotos zu tun?
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