Berichte über Krieg Teil 1
Meister Bärenstein,
freudig berichte ich von der glücklichen Niederkunft meiner Gemahlin Briana, eurer Tochter.
Ich bin stolzer Vater eines strammen Jungens. Er wird den Namen Willhelm tragen und unserem Land Ehre machen. Ich kann euch für die Ehre der Vermählung mit eurer schönen Tochter gar nicht genug danken. Sie ist zwar noch jung, aber so schön und tüchtig. In einem Monat werden wir für die Namensgebung des Kindes zu eurem Schloss reisen. Von der Front gibt es Gerüchte zu kunden. Meine Spione erzählen von einer Revolution, da es dafür jedoch keine Beweise gibt, halte ich sie für bloßes Geschwätz unzufriedener Bauern. Dennoch wollte ich euch von diesen berichten. Ich freue mich auf unser Zusammenkommen bei dem Fest zu Ehren eures ersten Enkelsohnes. Mögen viele Folgen.
Hochachtungsvoll Commandant Fuchs.
Fred klatschte einen weiteren Berg von Akten auf Brandons kleinen Schreibtisch schräg gegenüber von seinem eigenen und lachte als er dessen genervten Gesichtsausdruck sah.
Seit Wochen quälte Fred ihn mit den Lageberichten von unzähligen Einrichtungen von OneSheep. Er laß Berichte über Essenslieferungen, Vermählungen und Transporte, aber nichts davon war von Interesse für ihn. Schon an seinem ersten Tag als Freds Lehrling hatte er ihn nach dieser sinnlosen, eintönigen Arbeit gefragt, doch Freds Antwort war ein lautes Lachen und amüsiertes Kopfschütteln gewesen. Daher hatte Brandon es aufgegeben zu fragen und einfach die Berichte gelesen und sortiert. Sein Tag begann mit einer Trainingseinheit bei Crow, welcher wie Reina ihm versprochen hatte, ein ausgezeichneter Lehrer war.
Seine Kampftechniken waren unglaublich und sein Verständnis und seine Fähigkeit das Wissen weiterzugeben erstaunlich. Brandon gab es nicht gerne zu, doch er hatte sich in Crow getäuscht. Der Mann hatte tatsächlich den misstrauischen Blick verloren und war nun Brandons Lieblingslehrer.
Ebenso gut kam Brandon mit seinen neuen Mitschülern zurecht. Viele von ihnen waren genauso alt wie er, hatten jedoch weit weniger Erfahrung an der Oberfläche und mit dem Leben in Bärensteins Regime. Manchmal kamen sie ihm wie Kinder vor. Aber vielleicht lag dieses Gefühl nur an seinen Verlusten und der schweren Trauer, die ihn an manchen Tagen zum verbitterten alten Mann werden ließ. Nach dem Training ging jeder Jugendliche zu seiner zugeordneten Lehrstelle. Brandon hatte seine Stelle bei Fred nicht verheimlichen können und war unter den jungen Rekruten bald zur Legende geworden. Der Henotello, der Freds Lehrling war.
Ein Gefühl von Stolz und Ehre durchströmte ihn beim Gedanken an die ehrfürchtigen Blicke seiner Kommilitonen. Obwohl er seit jenem ersten Tag kaum etwas anderes tat als Berichte zu sortieren und Lagerbestände zu überprüfen, schien seine Postition auf andere einen gewissen Reiz auszuüben. Sehnsüchtig sah Brandon auf die kleine, schwarze Uhr an der Wand.
Fünf vor Zwölf. Um punkt Zwölf würde Reina hier auftauchen und ihn zum Mittagessen abholen. Sie war immer pünktlich. Immer. Selbst Fred schien sich an ihrem Zeitrythmus zu orientieren. Unwillkürlich spürte Brandon ein Ziehen in seiner Brust als er an Reina dachte.
Sie war zwar nicht mehr seine Babysitterin, doch die Zeit, die sie gemeinsam verbrachten war nicht weniger geworden. Jeden Tag beim aufstehen, galt sein zweiter Gedanke ihr, gleich hinter dem Gedanken an seine Schwestern.
Diese Frau wurde ihm von Tag zu Tag wichtiger.
"Hm, interessant.", hörte er Fred an seinem Schreibtisch leise murmeln. Etwas an diesem Wort ließ ihn aufschauen und Freds Gesicht und Körperhaltung abschätzen. Die steifen Schultern und das beunruhigte zusammenziehen der Augenbrauen ließen bei Brandon sofort die Alarmglocken losschlagen. Niemals zuvor hatte er Fred so gesehen. Sein Boss war immer so locker und unbedarft.
"Was ließt du da?", fragte Brandon so lässig er konnte und lehnte sich doch unwillkürlich nach vorne. Fred blickte sofort auf und sah ihn an. Für eine Sekunde konnte Brandon tatsächlich Sorge und Kummer in dessen blauen Augen erkennen, doch schon danach verschwanden die Gefühle und machten seinem typischen grinsen Platz.
"Ach nichts. Nur ein Bericht von gestern. Nichts besonderes. Wann kommt denn Reina?", fragte er hastig. Skeptisch zog Brandon die Augenbrauen zusammen und legte den Kopf schräg. Das war wohl der schlechteste Versuch das Thema zu wechseln, den es je gab. Aber da Brandon seinen Vorgesetzten nicht bedrängen wollte, ließ er es zu.
"In ein paar Minuten. Soll ich nach dem Mittagessen die Lagerzahlen an die Transporter senden?" Fred war wieder voll im Bericht vertieft und schien Brandon gar nicht zu hören.
"Fred, ich hab dich was gefragt." Ohne aufzusehen antwortete dieser.
"Nein, nein....Brandon warum nimmst du dir nicht für den Rest des Tages frei. Es ist ja kaum noch was zu arbeiten da."
"Aber,..", versuchte Brandon zögerlich zu widersprechen. Ruckartig blickte Fred auf und sah ihn mit ernster Miene an.
"Du hast frei. Genieß die Zeit und stell keine Fragen." Brandon sah ihn erschrocken über die harschen Worte sprachlos an. Einige Sekunden verstrichen, badete sie in schauderhafter Stille. Die Tür zum Büro wurde geöffnet und eine glücklich lächelnde Reina trat ein. Als sie jedoch die Situation sah, verblasste ihr Lächeln zur Gänze. Fred wandte sich ihr zu.
"Meine liebe Flower! Schön dich zu sehen. Könntest du nach dem Mittagessen Crow, Jillian, Tai und Rami holen und mich hier treffen."
Obwohl seine Worte höflich klangen und er eine Bitte gestellt hatte, wussten sowohl Reina als auch Brandon, dass dies ein Befehl war. Knapp nickte Reina und zog Brandon aus dem Raum, verschloss die Tür hinter ihnen gut.
"Was ist nur los mit ihm? Zuerst sagt er es ist nichts und jetzt will er, dass du die Kommandeure holst.", meinte Brandon und kratzte sich verwirrt den Kopf. Was stand nur in diesem Bericht. Reina ignorierte seine Frage und sah sich suchend um.
"Reina? Hast du mich gehört? Himmel noch mal, bin ich plötzlich unsichtbar?!" Bei seinem verletzten Tonfall zuckte ihr Kopf in seine Richtung und ein entschuldigender Ausdruck stahl sich in ihre Augen.
"Es tut mir leid. Ich kenne Fred in solchen Situationen. Er wird erst etwas dazu sagen, wenn er sich sicher ist, was er sagen will. Ich weiß also so viel wie du. Macht es dir was aus, wenn wir vorher Jillian, Tai, Crow und Rami Bescheid geben und danach erst essen gehen?" Brandon zuckte die Schultern.
"Von mir aus können wir das Essen auch ausfallen lassen. Wenn es etwas so wichtiges ist, solltest du dich sofort darum kümmern."
Unruhig spielte sie mit einem der beiden geflochtenen Zöpfe, die ihre dunklen Haare heute aus ihrem Gesicht hielten.
"Wenn Fred einen solchen Befehl gibt, dann sicher nicht ohne Grund. Ich sollte ihn wirklich erst in einer Stunde aufsuchen."
"Na gut. Gehen wir zuerst zu Crow?" Reina nickte und übernahm die Führung. Sie rannten beinahe so eilig hatten sie es ihren Befehl zu überbringen. Andere Leute wichen ihnen eilig aus und kicherten hinter ihrem Rücken. Es gab Gerüchte, denen zufolge er und Reina längst ein Paar wären und eine Verlobung anstünde. Völliger Blödsinn, aber so vehement die beiden es auch abstritten, hielten sich die Gerüchte doch hartnäckig.
Sie fanden Crow in der Sporthalle, in der auch Brandon in der Früh trainiert hatte. Die Wände waren mit hellen Sprossenleitern bestückt, der Boden mit weichen, roten Matten ausgelegt.
Viel zu oft lagen hier Rekruten auf dem Boden um keine Vorsichtsmaßnahmen zu unternehmen.
Nun um beinahe zwei Uhr Nachmittag, wurden hier nur noch Einzel- und Teamstunden gegeben. Also für militärische Einsatzteams. OneSheep hatte nicht die Ressourcen und die Soldatenanzahl um größere Schlachten zu schlagen. Ihre Verteidigung und ihr Angriff basierte auf diesen Einsatzteams. Brandon hatte vergeblich gebeten in eines der Einsatzteams versetzt zu werden um endlich etwas zur Verteidigung der Einrichtung sowie der Rettung seiner Schwestern beitragen zu können.
Allerdings war eine Grundvoraussetzung für diese Arbeit das Basismilitärtraining bei Crow. Brandon war zwar sehr gut in der Ausbildung, jedoch hatte er noch viel zu lernen und würde frühestens in ein paar Monaten einem Team angehören können. Crow stand mit einem seiner Schüler, Honora, im Trainingsraum und zeigte ihr einige Selbstverteidigungsgriffe.
Als er Reina und Brandon reinkommen sah, ihre Gesichtsausdrücke deutete, ließ er Honora stehen und beeilte sich ihnen entgegenzukommen.
"Hey, ihr zwei! Wo brennt's?", fragte er freundlich und zugleich neugierig. Durch seine enge Sportkleidung konnte Brandon jeden stahlharten Muskel am Körper des Mannes erkennen. Während Reina ihm Freds Befehl und ihre Interpretation davon überbrachte, trat Brandon zu Honora. Das rothaarige Mädchen sah ihn naserümpfend an.
"Was erzählt Flower ihm da?"
"Wenn ich das nur wüsste. Fred will ihn nach dem Mittagessen sehen. Wird aber nichts interessantes sein.", versuchte er Honora und sich selbst zu beruhigen. Er hoffte nur, dass seine eigene Neugierde nicht durchschien. Skeptisch verschränkte die Kleine die Arme vor der nicht vorhandenen Brust und hielt ihre Nase höher um größer zu wirken.
"Und warum seid ihr dann hier hereingestürmt als hättet ihr es unglaublich eilig?"
Daraufhin sah Brandon sie mit offenem Mund an. Fieberhaft dachte er über eine gepfefferte Antwort nach.
"Wir...wir wollten nur schnell die Nachricht überbringen und dann weiter... rumknutschen.", brachte er stockend hervor und verließ Honora, die ihm mit offenem Mund und knallroten Wangen hinterher sah. Crow nickte ihm lächelnd zu und machte sich wieder an die Arbeit. Allerdings so vermutete Brandon, würde Honora nun nicht mehr viel Aufmerksamkeit für Kampfübungen haben. An ihren roten Wangen und dem unterdrückten Kichern konnte er ihre Gedanken erraten.
"Was hast du ihr gesagt?", fragte Reina, als sie zur medizinischen Abteilung gingen um Tai, dem Chefarzt, den Befehl zu überbringen. Lachend beichtete Brandon und beobachtete fasziniert wie auch Reinas Wangen rot wurden und sie zu kichern anfing.
"Jetzt werden wir die Gerüchte nie wiederlos." Leise lachend betraten sie die Sanitätsstation und verstummtensofort.
Anmerkung der Autorin: Da dieses Kapitel sehr lange ist, habe ich beschlossen es in mehrere Teile zu gliedern. Das ist der erste, zwei und drei werden folgen. Liebe Grüße LM
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