22. Alter ist nur eine Zahl
Trotz meines fortschreitenden Alters bin ich sehr zufrieden mit der Entwicklung meines Staates. Alle größeren Revolten sind beseitigt und meine Henotellos gedeihen prächtig.
Mein Junge, Lothar II, wird schon bald in eine Militäreinheit versetzt werden und dort lernen zu führen. Ich habe ihn gut abrichten lassen, er wird mir keine Schande machen.
Nelenia ist zwar verschwunden, doch ich habe ihre erstgeborene Tochter und sie wird unglaubliches leisten, da bin ich sicher. Dazu kommt das meine liebe Nichte mir sogar zwei erstgeborene Henotellos bringt.
Das Kloster in dem ich die Henotello-Kinder ausbilden lasse, ist nicht dazu gedacht viele Kinder zu halten, daher werde ich ein anderes Projekt starten. Eine Akademie für die Kinder mit Gaben.
Sie sollen dort gelehrt und schließlich gebrochen werden. Ich will meinen Nachfolgern eine Armee von Hexen hinterlassen.
Mein Reich soll auf Ewig Bestand haben. So will ich es, so wird es geschehen!
Private Aufzeichnungen Lothar von Bärensteins I.
Brandon saß auf einen Metallhocker neben Flowers unaufgeräumten Arbeitstisch und beobachtete fasziniert wie sie an einem alten Funkgerät bastelte. Ihre Gesichtszüge war entspannt, doch der strenge Zug um den Mund verriet Brandon wie konzentriert sie in Wahrheit war. Zufrieden mit seinem Tag und dem nun abendlich, lockeren Beisammensein mit Flower sah er sich in der Werkstatt seines Babysitters genauer um. Es war ein kleiner abgetrennter Bereich in der großen Halle durch die er an seinem ersten Tag gegangen war. Die Wände waren aus einfachen Abtrennwänden und beherbergten viele Konstruktionspläne und Anweisungen zu bestimmten technischen Geräten. Der Boden war wie überall außer dem Speisesaal einfacher Beton. Flower war mit ihm nach dem Frühstück durch die gesamten Einrichtung geschlendert.
Es war ein beeindruckender Bunker, ohne Frage. Brandon hatte interessiert ihren Erzählungen zum gemeinschaftlichen Leben gelauscht. Anscheinend gab es bei OneSheep Karaoke- und Spieleabende. Nur widerwillig gestand sich Brandon die Unwichtigkeit dieser Einrichtung ein.
Es war wie Flower angedeutet hatte, mehr ein Verstandtsystem und keine Militärische Einheit, wie Brandon sich erhofft hatte. Er wollte kämpfen, nicht lernen. Aber dies war nun mal sein Weg. Fred, so hatte Flower erklärt, würde ihn niemals zu einer Militäreinrichtung schicken, ohne sich zuvor von seinen Fähigkeiten überzeugt zu haben. Irgendwo in seinem Herzen verstand Brandon Freds Logik und er wusste, dass er noch viel zu lernen hatte, nur war die Ungeduld wie eine zweite Haut, die wahnsinnig juckte.
"Also ich hätte da doch noch eine Frage." Flower sah von ihrer Arbeit auf und begegnete seinem Blick.
"Schieß los. Du hast meine volle Aufmerksamkeit." Die hatte er immer, dachte Brandon zufrieden. Selbst in diesem Moment in dem es für Flower wichtig war dieses Funkgerät auf Anordnung Freds schnell zu reparieren, legte sie ihre Werkzeuge weg und wartete auf seine Frage.
"Zur Hierachie noch mal. Also es gibt Fred. Wer kommt unter ihm? Wer ist sein Stellvertreter?" Flower stutzte und strich sie eine lose Strähne hinters Ohr.
"Nun, niemand wirklich. Unter ihm, gleichberechtigt arbeiten Crow, Jillian,."
"Die alte Frau?", unterbrach Brandon zweifelnd. Seine Augenbrauen zogen sich skeptisch zusammen, als er an die gebrechliche ältere Dame dachte, die ihm bei der Essensausgabe so freundlich begegnet war. Flower lachte auf.
"Ja, die alte Frau, aber lass sie das ja nicht hören. Sie ist für die Schmuggel- und Flüchtlingsarbeit zuständig und hin und wieder für die Essensausgabe, wenn sie Lust hat. Tough, durch und durch. Hat ihr ganzes Leben hier verbracht. Dann kommen Tai und Rami; Tai ist Chefarzt und Rami managend die Ressourcen. Und ich natürlich. Ich bin der Chef von Elektronik und Sicherheit." Brandon sah sie mit großen Augen an.
"Du arbeitest direkt unter Fred?"
"Jap.", antwortete sie etwas verlegen und griff wieder nach einem ihrer Werkzeuge. Brandon konnte es nicht glauben. Dieses Mädchen war wirklich eine wichtige Persönlichkeit hier, kein Wunder, dass jeder sie kannte und grüßte. Ihre Stellung schüchterte ihn zugegen etwas ein.
"Aber du bist so jung.", versuchte er seine Verwirrung in Worte zu fassen. Flowers Lächeln war traurig, als sie das Werkzeug wieder beiseitelegte und ihn ansah.
"Ich arbeite schon eine Weile hier und ich war immer ausgezeichnet mit Technik. Fred hat das erkannt und mir mehr Verantwortung gegeben. Außerdem bin ich nicht so jung. Ich bin 22." Brandon wich zurück als hätte er sich an Feuer verbrannt.
"Du bist 22 Jahre alt?", fragte er schockiert. Flower schmunzelte und legte den Kopf schief. "Das Alter ist nur eine Zahl, Wolf. Man kann Menschen nur schwer einschätzen. Ich dachte ja auch du wärst älter."
Er schluckte hart und versuchte sein Bild von Flower mit einer 22-Jährigen in Einklang zu bringen. Tatsächlich hatte sie etwas Reifes an sich, doch kam er sich nun umso jünger vor. Die Funken zwischen ihnen musste er sich also nur eingebildet haben, dachte er enttäuscht, niemals würde eine Frau ihres Alters und Position einen Mann seines Alters als festen Freund in Betracht ziehen. Noch einmal ließ er sich ihre Aussage durch den Kopf gehen, ihr Gesichtsausdruck während dieser schien keineswegs glücklich über die Tatsache, dass sie bei OneSheep war. Neugierig rückte Brandon näher, griff nach ihrer Hand.
"Warum macht es dich traurig, hier zu sein?" Sie zog ihre Hand nicht weg, erwiderte seinen Griff aber auch nicht.
"Weil ich aus ähnlichen Gründen hier bin wie du. Nur das ich weitaus jünger war, als es passierte." Nun begriff er, konnte ihre Sympathie ihm gegenüber verstehen. Sie teilten dasselbe Schicksal.
"Was ist passiert?", fragte er neugieriger als beabsichtig. Der Gedanke seine Erlebnisse mit denen jemand anderes zu teilen schuf ein drängendes Bedürfnis. Unwillig entzog sie ihm ihre weiche Hand und verschränkte seufzend die Arme.
"Es ist alles schon lange her. Ich möchte nicht darüber sprechen."
Damit schien für sie das Thema erledigt. Mit einem Blick auf die Uhr, begann sie ihre Sachen wegzuräumen. Brandon respektierte ihre Privatsphäre zu sehr um sie zu einer Antwort zu drängen.
"Was ist? Bist du schon fertig?", fragte er und stand auf.
"Ich hab die Zeit vergessen. Um acht schmeißt ein Freund von mir eine Art Party im roten Schlafsaal. Ich wollte dort mit Cassandra hin. Willst du mit oder gehst du lieber schlafen?", fragte Flower atemlos als sie das letzte Werkzeug in eine Kiste zurücklegte.
"Braucht Fred das Funkgerät nicht noch heute? Und sagtest du nicht was von keine Partys?" Flower stöhnte genervt.
"Also echt, du hast in deinem Leben aber auch nie Regeln gebrochen. Natürlich hab ich keine Partys gesagt! Weil überall Erwachsene waren. Und Fred will das Funkgerät erst morgen. Keine Panik. Es wird schon nicht die Welt untergehen. Jetzt beweg dich, Wolf! Ich muss mich umziehen und wir müssen Cassandra noch aus ihrer Höhle zehren."
Flower rannte voraus und perplex folgte Brandon ihr. Es gab schließlich nicht viel das er hier alleine machen konnte. Schlafen war keine Option, da das Adrenalin ihn weiterhin aufputschte und eine Party schien ein guter Weg zu sein um neue Freunde zu finden. Gemeinsam rannten sie die bunten Flure entlang bis Flower vor einer dunklen Spannplatte mit einer großen, blauen Blume darauf stehen blieb.
"Warte hier.", wies Flower ihn an, hob die Platte beiseite und huschte ins Innere des Raumes. Brandon konnte sich nicht davon abhalten hineinzusehen, zu verlockend war der Gedanke Flowers Privaträume zu sehen. Erheitert zog er die Augenbrauen hoch, als er merkte, dass ihr Zimmer genauso aussah wie ihr Arbeitsplatz. Ein großer Tisch mit technischen Geräten nahm den Großteil der Fläche ein. Es gab ein Einzelbett, dessen Bettbezug aus blauen und grünem Stoff war, sowie einen einfachen Holzschrank, ähnlich dem Brandons.
Der wichtigste Aspekt jedoch war, das sie sich dieses Zimmer mit niemandem teilen musste.
Es gab also doch Vorteile wenn man in der Hierachie nach oben steigt, dachte Brandon interessiert.
"Augen nach vorne, Soldat!", rief sie ihm zu und begann sich zu entkleiden.
Mit hochroten Wangen drehte Brandon sich um und schluckte schwer.
Er hörte das Rascheln ihrer Kleidung und versuchte vehement an etwas anderes zu denken.
"Warum nennen sie dich eigentlich Flower?", fragte er um sich abzulenken. Ihre Antwort ließ mehrere Minuten auf sich warten und kam dann von einem Standort viel zu nah.
"Kannst schauen. Ich bin angezogen.", meinte sie schmunzelnd. Brandons Blick glitt wieder zu ihr und mit offenem Mund starrte er die Frau vor sich an. Sie trug ein kurzärmliges, blaues Kleid mit tiefem Ausschnitt. Ein Anhänger in Form einer Träne kullerte zwischen ihren Brüsten. Die Haare flossen in wilden Locken über ihren Rücken. Aus dezent geschminkten Augen sah sie ihn an. Brandon atmete tief durch, versuchte sein rasendes Herz zu beruhigen.
"Was hast du gefragt?", wollte die Sirene vor ihm wissen und stützte die Hände in die Hüften. Nur mit Mühe schaffte es Brandon sich an seine Frage zu erinnern.
"Ähm, ich wollte,..ach ja, ich wollte wissen warum dich alle Flower nennen." Flower zuckte mit den Achseln und führte ihn die Flure entlang. Er konnte sich nicht mal mehr erinnern wo sie hingingen. Wie ein Zombie folgte er ihr.
"Mein richtiger Name ist Reina. Als ich hier ankam, haben mich einige Jungs wegen diesem Namen ziemlich gehänselt. Fred meinte damals ich solle mir einfach einen neuen Namen suchen. Ich war als Kind verrückt nach Blumen und daher Flower. Seit dieser Kindheitstage nannten mich alle nur so."
Sie blieb vor einer Spannplatte mit einem Häschen drauf stehen.
"Darf ich dich Reina nennen?", fragte Brandon lächelnd. Sie zog die Augenbrauen hoch.
"Warum würdest du das wollen?" Lässig lehnte Brandon sich an die Wand und verschränkte die Arme. Seine Intention war es cool zu wirken, er war sich nicht sicher ob ihm das so gut gelang.
"Ich finde Reina einfach schöner, persönlicher als einfach nur Flower. Blumen gibt es viele, aber nur eine Reina."
Bei dieser Aussage, sah Brandon Reinas Gesicht von ungläubig zu gerührt wechseln. Scheu lächelte sie ihm zu.
"Gut, dann nenn mich Reina.", sie räusperte sich und zeigte auf die Platte vor ihnen, "da drin wohnt Cassandra mit ihrer kleinen Schwester. Die sollte aber heute bei ihrer Mutter übernachten. Das heißt Cassie ist allein. Wir werden sie überreden mitzukommen und egal was passiert: Wir werden nicht ohne sie gehen!", befahl ihm Reina mit ernster Miene. Verwirrt sah er vom Eingang zu Cassandras Heim zu der Frau neben sich.
"Warum würden wir sie zu so etwas zwingen wollen?" Als wäre dies offensichtlich warf Reina die Hände in die Luft.
"Weil sie es braucht! Sie ist viel zu schüchtern und muss mehr raus. Ich bin die einzige Freundin, die sie hat und werde sie auf keinen Fall ihr Leben verpassen lassen!" Das Thema schien ihr am Herzen zu liegen. Ihre Stimme war höher und lauter geworden.
"Bist du dabei?", fragte sie ernst. Brandon fasziniert von ihrer Loyalität und Überzeugung willigte mit einem schiefen lächeln ein.
"Klar, holen wir sie!", feuerte er ihre Entschlossenheit an. Mit Schwung hob Reina die Spannplatte von ihrem Platz und stürmte hinein, Brandon war dicht auf den Fersen, zu allem bereit. Cassandra schrie überrascht auf, daraufhin anfing Reina beinahe hysterisch an zu lachen.
Brandon sah von Cassandra zu Reina, sah sie beide nun sich lachend in den Armen liegen und spürte ebenfalls ein Lachen seine Kehle emporsteigen.
Endlich, endlich fühlte er sich willkommen. Er konnte hier leben, lernen, lieben.
Dies war seine zweite Chance und als Reina ihm einen Arm um die Schultern legte und mit ihrer Überzeugungsarbeit bei Cassandra begann, spürte er sein Herz lebendig in seiner Brust schlagen.
Anmerkung der Authorin: Also meine Lieben, wie ihr seht lebt sich Brandon schön ein.
Aber was ist aus Kyrie geworden?
Im nächsten Kapitel findet ihr es heraus!! Einen dicken Kuss, eure Lisa-Marie
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