TEIL 3

Ich saß in meinem Bett und starrte aus dem Fenster. Es war stockfinster draußen. Es war spät und ich wollte nichts lieber als schlafen, aber immer wenn ich die Augen schloss tauchten Bilder von Szenarien auf, die wie aus einem billigen Horrorfilm klangen, aber pure Realität waren. Ich sah die fremden Vampire vor mir. Hörte ihre Schreie. Spürte ihr Blut. Sah ihre Leichen.

Über mein folgendes Handeln dachte ich gar nicht nach, wusste aber im nachhinein nicht, ob ich es anders gemacht hätte. Ohne es erklären zu können, stand ich auf, zog mir eine Jacke über, band mir meinen mittlerweile dritten Schal um und verließ dann möglichst leise das Haus.

Ich musste Kyle sehen.

Nachdem mein Bruder allen erzählen musste was passiert war, wurde ich von niemandem mehr in Ruhe gelassen. Zwar wusste niemand, dass ich gerettet wurde, aber das tat auch gar nichts zur Sache. Niemand wusste von Kyle. Alle fragten sich nur, wie ich einen Angriff von fünf Vampiren überleben konnte.

Ich lief in Richtung Innenstadt, nicht wissend, ob ich Kyle überhaupt finden würde oder geschweige denn, wo ich suchen sollte. Ich verließ mich komplett auf mein Gefühl, lief auf direktem Wege in die Innenstadt, ohne zu wissen was mich erwarten würde.

Ziemlich sicher seiend, dass ich diesen Abend nicht überleben werde, zog ich meinen Schal enger und versteckte mich in diesem. Er war warm und weich, genauso wie mein Bett. Wieso war ich nicht da geblieben?

Ich lief ungefähr eine Stunde, bis ich in der Stadt ankam. Ich bog in die Einkaufsstraße ein und blieb überrascht stehen. Die ganze Stadt wirkte wie ausgestorben, nur diese eine Straße bewieß, dass die Menschen den Krieg noch nicht verloren hatten. Überall liefen Männer in Uniformen herum und schleppten riesige Waffen, die wie aus Filmen wirkten, mit sich herum. Jeder von ihnen hatte einen ernsten Blick aufgesetzt und die meisten wirkten, als hätten sie mehrere Jahre nicht mehr gelächelt.

Vorsichtig und darauf bedacht mich unauffällig zu halten, lief ich an der Wand eines großen Kaufhauses entlang. Ich durfte niemandes Blickes auf mich ziehen, sonst würde ich zum Einen extremen Ärger bekommen, aber zum Anderen auch keine Chance mehr haben Kyle zu finden.

Es überraschte mich doch, wie einfach ich mich durch die Straße mogeln konnte. Zumindest bis ich plötzlich von hinten gepackt wurde.

Ich schrie erschrocken auf und spürte gleich darauf schon die Wand im Rücken.

„Was verdammt noch mal machst du hier!“ mehr als überrascht sah ich in das Gesicht meines Vaters. Wieso war er hier? Mum meinte doch, dass er frei hätte und nach Hause kommen würde, um über die Feiertage bei uns zu sein.

„Ich rede mit dir!“ Auch wenn seine Stimme leise war und ruhig klang konnte ich seine Wut ganz genau raus hören. Ich konnte es ihm aber auch nicht verübeln, ich wäre an seiner Stelle wohl genauso sauer.

Nicht genau wissend was ich ihm sagen sollte senkte ich den Kopf um ihm somit zu zeigen wie sehr es mir leid tat. Auch wenn es das gar nicht tat. Wieso sollte es mir Leid tun? Es war mein Leben und ein Vater der nie da war und nur jetzt plötzlich kam und mich zur Rede stellte, konnte ich nicht gebrauchen.

Ich hatte diesen doch recht harten Gedanken gerade zuende gedacht, als ich plötzlich etwas an meinem Handgelenk spürte und von meinem Vater weggezogen wurde. Erschrocken schrie ich auf und stolperte von meinem Vater weg.

Als ich wieder festen Stand hatte, sah ich auf. Wie auch schon vor kurzem war ich an einem völlig anderen Ort. Und mir gegenüber stand ein Vampir. Ein blonder Vampir mit zerzausten, etwas längeren Haaren. Kyle.

„Bist du eigentlich komplett durchgeknallt?“ fragte er aufgebracht und ich zuckte überrascht zusammen. „Du kannst doch nicht einfach so, mitten in der Nacht einen Spaziergang machen! Hast du aus der Aktion letztens nichts gelernt?" Leicht beschämt sah ich weg. Er hatte ja recht. Was ich getan hatte war unglaublich gefährlich gewesen.

Betroffen sah ich auf den Boden. Ich schämte mich ihn anzusehen und wusste nicht, ob ich in der Lage sein würde, seinen Blick zu erwidern. Er seufzte und ich blickte kurz auf, wobei ich sah, wie er sich die Haare aus dem Gesicht strich.

„Was hast du dir eigentlich dabei gedacht?“ fragte er, jetzt schon etwas ruhiger und ich überlegte, wie ich es formulieren könnte, ohne dass es bescheuert klang. Doch mir fiel keine Ausrede ein, also sagte ich einfach die Wahrheit.

„Ich habe dich gesucht.“

Er schwieg und es war gruselig still um uns, bevor er wieder das Wort ergriff.

„Ich bin ein Vampir. Es liegt in meiner Natur Menschen zu töten. Ich habe dich nur am Leben gelassen damit ich eine zuverlässige und zudem recht leckere Nahrungsquelle habe. Wieso zur Hölle hast du mich gesucht?“

„Ich glaube du bist nicht so böse wie du den Anschein erweckst. Oder zumindest versuchst den Anschein zu erwecken.“ sprach ich aus was ich dachte. Bei unserer ersten Begegnung hatte ich natürlich Angst vor ihm. Es war das erste Mal, dass ich einem Vampir so direkt begegnet war. Aber schon am Tag darauf dachte ich nicht mehr in reiner Furcht an ihn zurück. Schon da war er irgendwie eher interessant und aufsehen erregend, als angsteinflößend.

Ich schaute ihn vorsichtig an und sah ihn mit einem minimalen, fast unerkennbaren Lächeln dastehen. „Weißt du Prinzessin, du bist das süßeste und zudem heißeste Mädchen von dem ich jemals getrunken habe, ohne sie zu töten.“

„Ist das ein Kompliment?“ fragte ich und er nickte mit einem ziemlich selbstbewussten Lächeln auf den Lippen. „Wenn ja, dann kann ich mich jetzt nicht entscheiden ob ich dich von einer Brücke stürzen oder doch lieber küssen soll.“ kam es unüberlegt über meine Lippen, was aus seinem Lächeln ein breites Grinsen werden ließ, während er langsam auf mich zu kam.

„Darf ich entscheiden?“ fragte er und blieb vor mir stehen. „Das Problem ist nämlich,“ er beugte sich zu mir runter und hauchte die folgenden Worte schon fast in mein Ohr „dass wenn wir uns küssen, ich nicht weiß, ob ich in der Lage wäre wieder aufzuhören.“

Ich wusste nicht was ich darauf antworten sollte und sah ihn einfach an. Nicht verwirrt oder neugerig was als nächstes passieren würde. Ich sah ihn einfach nur an. Und er erwiderte meinen Blick.

„Wer war der Mann eben?“ fragte er ziemlich zusammenhangslos und ich löste meinen Blick von ihm. „Was willst du hören?“ stellte ich die Gegenfrage. Ich denke ich sollte vorsichtig sein, wenn ich über meine Familie sprach. „In welcher Beziehung steht ihr zu einander? Er hat dich angefasst, dafür würde ich ihn gerne den Gar ausmachen!“

„Nein!“ Er konnte doch nicht meinen Vater umbringen. „Das war mein Vater“, klärte ich auf, bevor er irgendwas sagen konnte.
„In Ordnung, dann akzeptiere ich, dass er dich angefasst hat.“ Er starrte einen Moment an mir vorbei, bevor er dann die nächste Frage stellte. „Dein Vater ist beim Militär?“ Ich nickte. Was sollte ich auch groß dazu sagen? Fast jeder war beim Militär.

Wir schwiegen einen Moment lang. Wir wussten wohl beide nicht was wir jetzt sagen sollten, also hatten wir beide beschlossen zu schweigen.

„Komm, ich bringe dich nach Hause.“ unterbracht er dann irgendwann die Stille und griff, ohne auf eine Antwort zu warten nach meiner Hand.

Ich war diese Sprünge oder was das auch war wohl schon gewohnt, deshalb überraschte es mich nicht mal, dass wir keine Sekunde später im Wohngebiet standen. An genau der Stelle, wo wir uns auch zum ersten Mal getroffen hatten.

„Ich verschwinde wieder, wir sollten lieber nicht zusammen gesehen werden.“ meinte er und drehte sich weg, doch ich hielt ihn mit einem „Warte!“ zurück.

Sofort drehte er sich zu mir und es machte auf mich den Eindruck, dass er selber gar nicht gehen wollte. „Ja?“ fragte er dann und sah mir tief in die Augen.

„Ich habe letzte Nacht von dir geträumt.“ murmelte ich und sah unsicher auf den Boden. Als ich jedoch keine Antwort bekam und nicht wusste, ob er vielleicht doch verschwunden war sah ich wieder auf. Er stand noch immer da. Unverändert.

„Und nicht nur letzte Nacht. Ich träume immer von dir. Ich will es gar nicht, aber es passiert einfach.“ sagte ich ihm ehrlich und sah ein ganz leichtes Lächeln auf seinem Gesicht. „Und was willst du damit sagen?“

„Ich habe nur gehofft dass du dich...“ Käme es komisch das jetzt zu sagen? Vermutlich schon, doch ich konnte nicht anders als das auszusprechen, was mir schon seit Tagen auf dem Herzen lag „du weißt schon...“ Er legte seinen Kopf leicht schräg, schien damit fragen zu wollen was ich sagen wollte. „... dich in mich verliebst.“ Ich wurde während dieser Worte immer leiser und da ich auch keine Antwort bekam rechnete ich schon fest damit, dass er mich gar nicht verstanden hatte. Doch als ich auf sah und er mich immer noch ansah, dieses Mal jedoch mit einem breiten Grinsen, wusste ich, dass er es verstanden hatte.

„Wir kennen uns doch gar nicht.“

Seine Worte schienen mir direkt ins Gesicht zu schlagen. Seine belustigte Stimme passte überhaupt nicht zu seinen Worten. Ich wusste nicht, was er damit sagen wollte.

Doch plötzlich kam er mir immer näher und blieb letztendlich so nah vor mir stehen, dass mir wieder sein Geruch in die Nase stieg. Blut und Tod, Kyle. „Du weißt gar nicht wie schwer es mir fällt, deinem süßen Körper zu widerstehen.“ Während er das sagte ließ er seinen Blick über meinen Köper wandern und leckte sich über die Lippen. „Ich bekomme gerade auf viel mehr Lust als nur dein Blut.“

~ ~ ~ ~

Ich streckte mich und setzte mich langsam auf. Sofort überkam mich die Kälte, die von meinem Fenster ausging, das Nachts für eine bessere Luftzirkulation immer offen stand. Ich öffnete die Augen und merkte, dass es schon hell war.

Und dass er mich ansah. Seine Haare waren immer noch zerzaust, aber in der schimmernden Morgensonne sah er schöner aus denn je. Und menschlicher. „Du bist wach?“ fragte er und ich nickte, hörte aber an seiner Stimme, welche noch rauer war als gewöhnlich, dass er selber noch nicht lange wach war.

„Baby,“ Ich sah ihn an und mein Blick verlor sich in seinen leuchtenden, wunderschönen Augen, während er sich seitwärts neben mich legte um seinen noch immer verletzten Rücken zu entspannen „willst du mir eigentlich auch irgendwann mal sagen wie du heißt?“
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Hallo!

Im Voraus erstmal vielen Dank fürs Lesen, ich hoffe, dass euch diese kurze Geschichte unterhalten konnte.

Was haltet ihr von Kyle?
Und was würdet ihr der Protagonistin für einen Namen geben?;)

Ich wünsche allen eine schöne kommende Woche!
LG

SarinXna

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