Unausgesprochen (1)

Keegan:

Als Damian aufsteht, sieht er sich noch einmal zu mir um und nickt mit dem Kopf in Richtung Ausgang. Ich schmunzele und blicke in die Runde meiner Freunde. Ich weiß noch genau, wie ich sie alle kennengelernt habe.

Ich war frisch in die neue Stadt gezogen, für den neuen Job, und mein Kollege Max hat mich gleich am ersten Freitagabend mit in diesen Club gezerrt. Ohne mich zu fragen hat er scheinbar direkt gewusst, dass ich schwul bin. Dann saßen wir an dem Tisch in der Nische, an dem wir auch jetzt sitzen, und er hat mir seine Freunde vorgestellt. „Das ist Dominik.", hat er gesagt und auf einen düster gekleideten Typen mit Piercings in den Ohrmuscheln gezeigt. „Der ist nichts für dich, lässt sich nicht ficken.", hat er erklärt und Lacher von den anderen geerntet. Ich habe mich an meinem Drink verschluckt und Dominik gemustert. Max hatte Recht, nicht mein Typ. „Das ist Damian, er ist ein bisschen speziell." Der etwas zierlichere Kerl neben Dominik hat blondes Haar, das ihm in die Stirn fällt, als könne er sich dahinter verstecken. Süß, vielleicht etwas schüchtern, denke ich, aber es geht noch weiter. Max beugt sich zu mir herüber und raunt so laut, dass alle am Tisch es hören: „Ihn muss man etwas härter anfassen. Also, wenn du auf sowas stehst..." „Ey!", beschwert genannter sich. „Was ist das denn für 'ne Vorstellungsrunde? 'Ich bin Damian und ich stehe auf Schmerzen' oder was?" Max zuckt amüsiert die Schultern und deutet auf den nächsten. „Mike hier ist eher der Beziehungstyp.", erklärt er weiter und ich betrachte den schlanken, im Sitzen auffallend großen Mann, der mir verlegen über den Tisch hinweg zuwinkt. Beziehungstyp?, denke ich. Von wegen. Ich nicke allen zu und stelle mich vor. „Keegan. Bin grad hergezogen." Dann mustere ich Max von der Seite. „Du hast mir gar nicht verraten, worauf du stehst?", necke ich ihn, worauf er sich zu mir herüberlehnt und diesmal tatsächlich im Flüsterton in mein Ohr spricht. „Du kannst mit mir machen, was auch immer du willst, Großer." Obwohl mich das ziemlich anmacht, werfe ich den Kopf in den Nacken und lache laut. Eine Gruppe gutaussehender junger Männer, die in wechselnden Konstellationen miteinander schlafen? In dem Moment klang das ziemlich gut für mich. Zumindest so lange, bis ich mich irgendwann binden möchte. Wenig später kam ein Weiterer zum Tisch, ein Tablett mit Getränken vor sich. Er stellte es ab und kletterte umständlich über Max' und meine Beine zu dem freien Platz auf der Bank, sodass ein äußerst ansehnlicher Hintern auf Augenhöhe an mir vorbeiglitt. „Oh, und das ist Tom.", sagte Max.

Ein Jahr später habe ich mich schon ziemlich gut eingelebt. Jeden Freitag treffe ich die Jungs im Club und wenn sich keine anderweitige Bekanntschaft ergibt, komme ich immer mal wieder auf einen von ihnen zurück. Mike ist tatsächlich nicht der Beziehungstyp, als der er vorgestellt wurde. Was Max damit vielleicht eher beschönigen wollte, ist, dass er keinerlei besonderen Vorlieben hat und der Sex mit ihm eher langweilig ausfällt. Damian ist ein wenig anstrengend und ich gehe tatsächlich nur mit ihm mit, wenn ich einen Push für mein Selbstbewusstsein brauche. Tja, und Max selbst hat gehalten, was er versprochen hat. Wären da nicht seine aprilwetterartigen Launen und seine bescheuerten Witze, könnte ich mich glatt in ihn verlieben. Naja, zumindest ist der Sex so gut.

Sogar auf Dominik habe ich mich einmal eingelassen, schließlich muss man ja offen für Neues sein, aber vermutlich hat keiner von uns sonderlich gute Erinnerungen an die Nacht.

Ich blicke wieder zu Damian, der in der Nähe des Ausgangs wartet, und will gerade aufstehen, als sich eine kleine Hand auf meinen Unterarm schiebt. Verwundert schaue ich Tom an, der durch seine langen Wimpern zu mir hochguckt. „Ähm, Keegan? Würdest du vielleicht..." Ich lächle ihn aufmunternd an, damit er weiterspricht. Im ganzen letzten Jahr habe ich kaum ein Wort mit ihm gewechselt, doch das ging den anderen auch so. Bis zuletzt kann ich mich nicht entscheiden, ob er schüchtern ist oder einfach reserviert. „... Also magst du vielleicht später noch mit zu mir kommen?", fragt er und ich spüre, wie der Blick aus seinen kühlen Augen sich in meinen bohrt. Fragt er mich gerade tatsächlich, ob ich die Nacht mit ihm verbringe? Ich schaue wieder zu Damian herüber, der eine fragende Miene aufgesetzt hat. Dann sehe ich Tom an.

Mir fällt auf, dass ich ihn bis jetzt immer nur flüchtig betrachtet habe. Dabei ist er hübsch, keine Frage. Man möchte in seine braunen Locken greifen und sie verstrubbeln, dieses niedliche Grübchen streicheln. Und seinen verlockenden Hintern hat er mir ja bereits am ersten Tag vor die Nase gehalten. Dennoch habe ich nie auch nur in Erwägung gezogen, etwas bei ihm zu versuchen. Irgendetwas strahlt er aus, dass ich ihn einfach zu sehr respektiere für zwanglosen Sex.

Dennoch werde ich bei seinem Angebot schwach. Was Neues ausprobieren, ist noch immer meine Devise, und auf Damians Rollenspielchen habe ich heute auch nicht die größte Lust. Abgesehen davon hat Tom diesen wunderbaren Hintern...

Ich nicke. „Jetzt gleich?", frage ich und stehe auf, als er unsicher die Schultern zuckt. Ich umfasse seine zierliche Hand und führe ihn zum Ausgang, wo wir an Damian vorbeikommen, der uns verblüfft entgegen starrt. „Sorry, Mann.", grinse ich ihn an und ziehe Tom nach draußen.

„Ich wohne hier ganz in der Nähe, wir können laufen.", erklärt er mit belegter Stimme und setzt sich in Bewegung. Seine Hand immer noch in meiner halte ich Schritt, lasse sie dann aber los. „Wie kommt's?", frage ich nach ein paar Metern, mustere sein blasses Gesicht von der Seite. Kurz zuckt auch sein Blick zu mir, doch er zuckt nur wieder die Schultern. Redet wirklich nicht viel.

Bei ihm zuhause streifen wir noch im Wohnungsflur unsere Schuhe ab, ohne das Licht anzuschalten. Ich lächle im Halbdunklen zu seiner Silhouette herüber, die etwas unschlüssig darauf wartet, was als nächstes passiert. Vielleicht überlegt er, ob er mir noch etwas zu Trinken anbieten soll, oder mir gleich sein Schlafzimmer zeigen.

Ich gehe mit bedachten Schritten auf ihn zu und umfasse seine Handgelenke. „Keegan.", flüstert er, als ich ihn sanft gegen die Wand dränge. „Ja?", raune ich zurück und nähere mich seinem Gesicht. Doch er sagt nichts mehr, ehe ich meine Lippen an seinem Hals platziere. Ich küsse mir einen Weg hinab zu seinem Schlüsselbein und wieder herauf, wo ich unter seinem Kiefer Halt mache und an der weichen Haut knabbere. Tom entlässt ein Seufzen, das mich schmunzeln lässt. Was auch immer ihn bewegt hat, mich zu sich einzuladen - ich bin froh, dass ich hier bei ihm bin.

„Willst du mit mir schlafen?", höre ich ihn atemlos fragen. Ich löse mich von seinem Hals und hoffe, dass er mein Grinsen sehen kann. „Das möchte ich sehr gerne, Tom.", erwidere ich höflich. Ich erkenne, wie er in die Dunkelheit nickt, als wolle er sich selbst gut zureden. Ich verstärke den Druck auf seine Hände und nehme die Küsse an seinem Hals wieder auf. „Gleich hier?", raune ich gegen seinen Kehlkopf. Tom schüttelt wild den Kopf und zieht mich kurzentschlossen hinter sich her, bis wir in einem anderen Raum vor seinem Bett stehen.

Er schaltet das Licht an seinem Nachtschränkchen an und ich beginne, mein Hemd aufzuknöpfen, das ich nach der Dusche am späten Nachmittag einfach wieder angezogen habe. „Nicht.", höre ich Tom leise protestieren und schon steht er vor mir, schlägt meine Hände weg und ersetzt sie mit seinen eigenen. Unnatürlich langsam öffnet er mein Hemd Knopf für Knopf und streicht es mir schließlich in einer ähnlich quälenden Bewegung von den Schultern. Seine Hände lässt er von dort aus über meine Brust zu meinem Bauch herunter gleiten, wo seine Finger meinen Gürtel finden. „Du darfst mich ausziehen.", bestimmt er. Ohne zu zögern zupfe ich sein Shirt aus dem Hosenbund und ziehe es ihm in einer fließenden Bewegung über den Kopf. Betrachte seinen Oberkörper im schwachen Licht, der nicht zu mager ist, aber auch nicht zu muskulös. Ich passe mich seinem Tempo an, streichle seine Schultern, seine Flanke, ehe ich seine Hose aufknöpfe, sie an seinen Beinen herunterziehe und ihn heraussteigen lasse. Dann kann ich aber doch nicht an mich halten, beuge mich vor und küsse ihn, im gleichen Moment, in dem ich meine Hände in seinen Hintern kralle. Er kichert an meinen Lippen, als meine Finger sich in die straffe Haut graben.

Innerhalb von Augenblicken liegt er auf dem Bett und ich nackt über ihm. Ich lasse meine Hände an seinem Körper auf Wanderschaft gehen, halte ihn mit meiner Zunge in seinem Mund davon ab, zu protestieren. Meine Finger tanzen um seine Nippel und zwirbeln sie dann leicht. Tom schnappt nach Luft und schafft es so doch, etwas zu sagen. „Nicht so schnell!", verlangt er.

Tom:

Ich kann es nicht fassen, dass ich mich endlich getraut habe. Und dass er tatsächlich Ja gesagt hat!

Keegan kniet nackt über mir und küsst mich. Er ist noch schöner, als ich durch die Klamotten hindurch vermutet hätte, mit seinen ausgeprägten Schultern und den starken Armen. Er duftet atemberaubend und schmeckt fantastisch. Sogar seine Zunge kann ich ihm verzeihen, die meinen Mund von innen ertastet. Davon halte ich nicht viel, aber es ist immerhin Keegan. Und er entschädigt mich mehr als genug, als er seine Lippen an meinem Körper herabwandern lässt. Ich liebe die Art, wie er mit der flachen Zunge über meine Brustwarze leckt und wie er meinen Bauchnabel umkreist. Als er weiter unten angelangt ist, bäume ich mich ganz von selbst gegen ihn auf, dränge ihm meine Hüfte entgegen. Ich bin hart, seit er im Flur meinen Hals geküsst hat. Natürlich bin ich das, immerhin ist es Keegan.

Aus seinen dunklen Augen schaut er zu mir hinauf. „Darf ich?", raunt er und ich nicke energisch. Auch wenn meine Antwort vollkommen offensichtlich ist, bin ich froh, dass er fragt. Dass er irgendwie einfach zu verstehen scheint, was ich brauche.

Keegan beginnt, mit der Hand an meiner Erektion auf und ab zu fahren, ehe er seine Lippen darüber stülpt und ich aufstöhne. Es ist sogar noch besser, als ich es mir vorgestellt habe. Er leckt ein paar Mal neckend über die Spitze, ehe er mein Glied immer wieder tief in den Mund nimmt und seine Zunge über meinen Schaft fahren lässt. „Mhh, nicht so schnell, Keegan!", wimmere ich und entspanne mich unter ihm, als er tatsächlich auf mich hört und viel langsamer und mit weniger Druck mit seinen Bewegungen fortfährt.

Keegan:

Obwohl er der schüchterne von uns beiden ist und keuchend unter mir liegt, wird mir auf seine Bitte hin klar, dass ich ihm komplett gehorche. Es ist nichts Absonderliches, um das er mich bittet, trotzdem lasse ich ihn vorgeben, unter welchen Bedingungen diese Nacht abläuft. Er will es nicht so schnell, vorsichtig und liebevoll, und ich würde nicht eine Sekunde zögern, es ihm zu geben.

Ich lasse mir Zeit damit, ihn vorzubereiten. Merke, dass er mit den Tränen kämpft, als ich meine Finger in ihn einführe, und lasse ihm so viel Zeit, wie er braucht, um sich an das Gefühl zu gewöhnen. Kurz muss ich an Damian denken, und wie wir wahrscheinlich längst verschwitzt und ausgelaugt nebeneinander liegen würden, wäre ich mit ihm mitgegangen. Aber es fühlt sich richtig an, hier bei Tom zu sein und ihm alles zu geben, das er sich wünscht. Als ich dann endlich – denn Tom die ganze Zeit so zu sehen, hat mich ganz schön verrückt gemacht – meinen harten Schwanz an seinem Eingang positioniere und minimalen Druck ausübe, verliert Tom den Kampf gegen die Tränen und lässt sie stumm über seine Wangen kullern. „Sch-sch, hey!", murmele ich und sreichle über die feuchten Spuren. „Ich kann aufhören, wenn du willst.", versichere ich, doch er schüttelt wild entschlossen den Kopf. „Ich will das.", presst er hervor. „Gott, ich will dich in mir, Keegan!"

Fuck. Diese Aussage aus seinem unschuldigen Mund macht mich fertig und ich verliere für einen Moment den Kopf. Für einen äußerst dummen Moment. Tom schreit auf, als ich mich in seine Hüften kralle und bis zum Anschlag in ihn hineinstoße. Erschrocken blicke ich auf den schluchzenden jungen Mann herunter. „Oh verdammt, t-tut mir so Leid, Tom. Du hast... Fuck, ich konnte nicht klar denken!", fasele ich, mein Verstand noch immer ziemlich umnebelt von dieser Enge. So etwas habe ich schon lange nicht mehr gespürt, sehr lange nicht mehr. Tom muss schon eine Weile nicht mehr so berührt worden sein, dass er sich so für mich anfühlt.

„Schon okay.", keucht er durch zusammengebissene Zähne. „Mach nur... Langsam. Okay?", fleht er. Ich blicke in seine ängstlich geweiteten hellblauen Augen und nicke. Ich will verdammt sein, wenn ich mich noch einmal so vergesse und ihm wehtue. Wie gewünscht bewege ich mich nur ganz langsam. So langsam, dass ich meinen Körper zurückhalten muss, der mir recht bald vermitteln will, dass das nicht zum Aushalten ist. So langsam, dass der quälende Wunsch, ihn ohne Halten zu vögeln, irgendwann ein warmes Gefühl in mir entfacht. So langsam, dass Tom sich schließlich entspannt und ein leises Stöhnen aus seinem Mund entlässt.

In dem Moment klinkt mein Gehirn sich aus und ich bin nur noch Gefühl. Obwohl ich über ihm knie, spüre ich ganz genau, wie er den Takt vorgibt, wie er alles in der Hand hat. Egal, was er jetzt wollen würde, ich würde es für ihn tun. Als hätte er mich verhext, noch in dem Moment, als wir uns geküsst haben. Ob man sich durch Sex verlieben kann? Immerhin haben wir noch immer kaum miteinander geredet, ich weiß nicht viel über ihn oder sein Leben. Ich weiß nur das hier, nur dieses Gefühl.

„Keegan.", raunt er irgendwann wieder. Kurz wundere ich mich, dass er mich beim Namen nennt. Es war immer eine unausgesprochene Abmachung zwischen den anderen Jungs und mir, dass so etwas nicht passiert. Irgendwie ist es einfach hilfreich, um sich dann im Club wieder als Kumpels zu begegnen. Vor allem bei Max, der mir im Büro gegenüber sitzt, bin ich froh, dass wir uns wie ganz normale Freunde verhalten können, obwohl wir fantastischen Sex miteinander haben.

Doch als Tom meinen Namen haucht, klingt es einfach richtig, es gehört einfach hierhin. „Oh, Gott, Kee- Keegan!", entfährt es ihm noch einmal, wie ein unterdrücktes Rufen.

Kurze Zeit später sinke ich neben ihm in die Matratze und starre an die Decke. Was für ein blödsinniger Gedanke, dass ich nun verliebt in ihn sei. Wir hatten unbeschreiblichen Sex, etwas, das zwischen unseren Körpern passiert ist, sonst nichts.

Ich streichle Tom über die Wange, die feucht ist, von neuen Tränen. „Wieso weinst du?", frage ich zögerlich. Habe ich doch etwas falsch gemacht? Er wendet lächelnd seinen Kopf zu mir herüber und tut etwas, das einer der anderen Jungs niemals tun würde. Er küsst mich, unabhängig vom Sex, auf den Mund. „Weil es so schön war.", haucht er an meinen Lippen.

Als ich aufstehen und mich langsam auf den Heimweg machen will, hält Tom mich mit beiden Händen am Arm fest. „Bleib hier!", bittet er mich mit großen Augen. Ich lächle zu ihm herunter. Kuscheln? Wie niedlich. Das passt zu ihm. „Wir... Wir können den Tag einfach im Bett verbringen." Ich lache, ehe ich realisiere, dass er das ernst meinen muss. „Oh.", entgegne ich. „So verlockend das klingt, ich muss..." Er unterbricht mich. „Wenigstens bis zum Frühstück, ja?", geht er auf mich ein. In dem Moment wird mir klar, dass er keinen Schimmer hat.

Dass alles so anders war als beim Sex mit einem der anderen Jungs, liegt nicht daran, dass ihm die unausgesprochenen Regeln egal sind. Er gehört ganz einfach nicht dazu. Mag sein, dass jeder von ihnen bereits mit jedem der anderen geschlafen hat. Aber nicht Tom. Und er weiß ganz offenbar auch nicht, was vor sich geht. Dass ich das getan habe.

Nur wieso hat er mich dann gefragt, ob ich mitkommen will?, geht es mir durch den Kopf. Doch die Frage beantworte ich mir selbst.

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