Als ich alleine war (Wettbewerb)

Tage vergehen, Stunden verfliegen und Jahre ziehen vorbei. Das ist der Lauf des Lebens. Aber welchen Sinn hat dieser Prozess? Eigentlich wartet doch jeder Mensch nur auf den eigenen Tod und um diese Zeit zu überbrücken, sollte man selbst so viel erleben wie nur möglich. Nichts von dem allen bleibt am Ende übrig, nur in den Erinnerungen der Menschen, die noch nicht verstorben sind. Niemand weiß, was nach dem Überschreiten der Linie zwischen Leben und Tod passiert. Gibt es eine Hölle oder einen Himmel? Sollte ich doch einen Glauben besitzen oder weiterhin meine autistische Denkweise beibehalten? Jeder soll tun und lassen, was der Mensch will, aber niemanden kann man es jemals recht machen.

Ein weiterer Tag, an dem ich aus dem Fenster blicke, die Menschen beobachte, wie sie in der frühen Morgenstunde in die Arbeit oder Schule fahren und ich mir denke, was das für einen Sinn haben soll. Der Nebel legt sich über die düstere Stadt, verschlingt die Autos und Busse, während sie in den Wald einfahren. Die Laternen flackern und der Wind pfeift leise sein Lied, wobei ich keinen einzigen Vogel entdecken kann, der mitsingen könnte.

Damals war alles anders. Die Wiesen grünten mit den Gewächsen um die Wette, die Sonne strahlte heller, als die Sterne am Abend und die Kinder spielten fröhlich in den Gärten oder auf den Straßen miteinander. Jetzt scheint alles verblasst und beinahe traurig. Während ich versuche mir vorzustellen, wie wunderschön die Stadt auf mich gewirkt hat, flüstern meine Gedanken Worte, die kaum verstehbar sind. Vielleicht bin ich diese Negativität bereits gewohnt und höre diese hallenden Beleidigungen kaum mehr.

Eine liebevolle Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. „Guten Morgen, mein Kind. Bist du bereit für die Schule?"

Ich drehe mich um und sehe meine Mutter im Türrahmen stehen. Sie lächelt mich warmherzig und voller Liebe an. Ich versuche dieses Lächeln zu erwidern, aber ich bin kaum in der Lage meine Mundwinkel hochzuziehen. Ein Nicken bestätigt Mamas Frage. Daraufhin nehme ich meinen Schulranzen und verlasse schulterhängend mein Zimmer.

Auf dem Weg zur Schule fühle ich mich leer, als hätte ich gerade Sport gemacht, aber ich weiß, dass das nicht diese Art von Leere ist. Es ist die Hilflosigkeit in mir, gegen die ich nichts tun kann und auch nicht möchte – aus Angst, es könne schlimmer werden. Bereits der erste Schritt in das Schulgebäude fällt mir nicht leicht, denn dort angekommen stehen da schon die ersten Mitschüler aus meiner Klasse und sehen mit selbstbewussten Blicken auf mich herab.

„Oh, da kommt sie ja. Der Loser aus Lonely Hills. Was willst du heute wieder vermasseln? Hast du überhaupt die Deutsch-Hausaufgaben erledigt?" In seiner Stimme ist ein gehässiges Grinsen zu hören, aber ich bin mir nicht sicher, weil ich ihm keinen einzigen Blick würdige.

Ungeschickt drängle ich mich an den Jungs und dem einem Mädchen vorbei, wobei mir mein Schulranzen vom Rücken gerissen wird. Ich wende mich um und sehe dem Jungen tief in die Augen, versuche so zornig, wie es mir nur möglich ist, zu schauen und versuche meinen Schulranzen aus den Händen des Jungens zu bekommen. Es ist mir nicht möglich. Natürlich nicht. Schallendes Gelächter kommt wie ein Tornado auf mich zu und verpasst mir einen Stich in mein Herz. Ich wische über meine Augen, wobei ich versuche, die Traurigkeit nicht Herr über meinen Körper zu werden.

„Ohh, nicht weinen, Loser. Deine Mami kommt ja bald, um dich zu trösten", versucht der Junge, der noch immer meinen Schulranzen in seinen Händen hält, so mitfühlend wie möglich zu klingen. Sein Lachen, das sofort auf diese Aussage folgt, zerstört sofort diese Aufmunterung und lässt sie in tausend kleine Stücke zerbrechen.

Ich fühle mich zu schwach, um irgendetwas sagen zu können. In meiner Hilflosigkeit traue ich mich nicht einmal aus diesem Aufruhr zu flüchten. Wahrscheinlich werde ich diese Demütigungen nie los. Egal, was ich versuche, es ist falsch. Zumal mir einige Schüler eine Liste erstellt haben, wo aufgelistet ist, was ich alles zu beachten habe, damit ich beliebter werde in der Schule. So ein Schwachsinn. Da steht allen Ernstes, dass ich meinen Kleidungsstil und meinen Charakter zu ändern habe. Ich kann diese Tipps nicht ernst nehmen, sie klingen surreal und nicht hilfreich.

Die Schulglocke klingelt zur Stunde, woraufhin der Junge meinen Schulranzen einfach zu Boden wirft und mich zur Seite schubst und in das Schulgebäude eintritt. Er dreht sich noch einmal um und grinst mich spöttisch an.

„Dass du nicht zu spät zum Unterricht kommst."

Ich will nicht in den Unterricht. Stechende Schmerzen bohren sich wie ein Messer in meinen Magen, wobei mir übel wird und ich kurz den Gedanken hege, mich übergeben zu müssen. Schnell beschließe ich, dass ich den Schultag heute schwänze und mich solange in den Wald setze, wo ich über mein zukünftiges Leben nachdenken kann. Wobei mir dieser Gedanke ziemlich unnötig vorkommt. Was bringt mir ein Zukunftsdenken, wenn ich genau weiß, dass ich sowieso bald mein Leben beenden würde...


tiarabijou

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