Rhythmus von Angst und Güte

Das Aufsetzen ihrer Füße auf dem Waldweg schlug einen verhöhnenden Rhythmus. Gedanken blitzten bei jedem unregelmäßigen Herzstoß durch ihren Kopf. Lainis Blick flog erneut über den Weg in ihrem Rücken und wie auch die dutzenden Male zuvor stand niemand hinter ihr. Schatten huschten vorbei, hier ein zu erahnender Kopf, dort ein menschlicher Körper. War niemand von
ihnen hier? Von Asylsuchenden hatte das Wochenblatt gesprochen. Vorrübergehend. Konfliktpotential. Sie waren hier. Bestimmt waren sie hier. Und wenn sie ihr etwas antunt wollten? Wenn sie nur auf jemanden wie sie warteten? Machtlos, wehrlos, klein. Es war schließlich schon dunkel.

Ihr Oberkörper beugte sich nach vorne, um dem Ziehen in ihrer Seite nachzugeben. Weiter. Nicht langsamer werden. So lange sie sich bewegte, konnten sie sie nicht so schnell einholen.

Der Stamm eines Baumes kippte über sie hinweg. Der Boden bäumte sich auf und hieß sie mit einem kalten Schmerz in seinen Armen willkommen. Ihre Ohren verstummten. Ein Kiselstein drükte in ihre Wange. Ihre Finger betteten sich auf weiches Kalt. Luft verließ ihre Lunge. Frische Luft strömte nach. Lainis Finger kribbelten. Schmerz breitete sich auf ihrer Wange aus. Sie hörte das Singen der Luft. Und dann strömte die Angst in einem wilden Tanz durch ihre Zehen, ihren Rücken, ihren Hinterkopf.

Ein Asylsuchender, der die Sprache unseres Landes, unserer Gesetze nicht verstand, könnte sie mitnehmen. So einer könnte auch jetzt noch hier vorbei kommen. Es war später Abend. Ihre Finger bewegten sich. Ein Ast. Gras. Kühl. Aber nicht ihr Handy.

Lainis Sinne waren überall in der Dunkelheit. Wachsam. Als sie sich auf den Rücken drehte, verließ ein Laut ihren Körper, bei dem sich ein Zuhörer nicht hätte entscheiden können, ob er seinen Ursprung lieber in Lainis Gedanken oder ihren Schmerzen hätte haben sollen. Lainis Körper bebte.
Luft kam und ging. Da war noch eine Erschütterung. Lainis Verstand schrie auf. Ihre Augen schlossen sich. Jemand trat zu ihr.

Wieviel Zeit verging mit den Schritten, die sie aus dem Wald trugen? Wie viele Musiker spielten den Takt, der ihre Wunden wusch? Worte welcher Sprache hielten sie sicher zwischen
Schmerz und Schlaf?

Augen wie dunkle Erde wachten über ihr, als Laini sich aufsetzte. Ein Wort brach über ihre spröden Lippen, begleitet von dem Gefühl, das ihr die Angst genommen hatte. Es war leise aber ehrlich: Danke.

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