Der Tagträumer

Das nervtötende Biepen des Radioweckers riss Jakob aus seinem unruhigen Schlaf. Schlaftrunken richtete er sich im Bett aus und langte nach dem Gerät dass sein Leben ruinierte, und haute kraftlos auf Snooze. Das kleine Display verkündete stolz: Dienstag, 12.07., 06:30.Die nächsten 5 Minuten bis der Wecker erneut klingeln würde lag Jakob mit offenen Augen auf seiner Matratze, starrte die Decke an und wünschte sich sie würde doch einstürzen. Dieser Wunsch wurde ihm jedoch nicht gewährt, und mit dem zweiten Wecker-klingeln hievte er sich aus dem Bett.15 Minuten und zwei Kaffeetassen später saß Jakob am Steuer seines kleinen Käfers und roch seinen Atem. Ugh. Da die Ampel nicht den Eindruck machte, es eilig mit dem grün-werden zu haben, griff Jakob ins Handschuhfach und suchte nach den Minzbonbons die er extra für diesen Anlass im Auto behielt. Doch als seine Finger die Packung ertasteten, raschelte nichts. Leer! Doch Jakob hatte keine Zeit sich aufzuregen oder noch einmal genauer hin zu schauen, denn die Ampel schlug auf Grün um und in derselben Sekunde fingen die Autos hinter ihm an wie vom Stolze getrieben ihre Hupen zum Besten zu geben. Im Büro machte Jakob etwas mit Versicherungen. Und das war nicht vereinfacht ausgedrückt, Jakob wusste es einfach selbst nicht genauer. Die meiste Zeit verbrachte er damit, Zahlen von einer Tabelle in die nächste zu übertragen, und diese dann zu sortieren, nur um sie dann wieder zu übertragen und neu zu sortieren, solange bis die Uhr vier schlug und er nach Hause fahren durfte. Aber es war einfache Arbeit, und Jakob beschwerte sich nicht gerne. Das war den damit verbunden Aufwand einfach nicht wert.


Auf der Arbeit war jedoch nicht alles schlecht. Die Kaffeepausen zum Beispiel fand Jakob klasse. Da sah er nämlich Jenny. Jenny war die Sekretärin von Jakobs Chef, und Jakob fand sie mindestens genau so klasse wie Kaffeepausen. Zwar hatte er außer dem morgendlich genuscheltem »Morg'n« nie ein Wort mit ihr gewechselt, aber das brauchte er nicht. Er wusste einfach dass er sie klasse fand. Wenn er sie dann beim Kaffee trinken in der kleinen Küche des Büro's beobachtete, wie ihre müden Augen gelangweilt im Raum umherschweiften stellte er sich vor wie er sie ansprechen würde. Er würde ihr von seiner Idee erzählen, Latte Art zu lernen. Jenny war jung, jünger als Jakob zumindest, darauf würde sie bestimmt abfahren. Dann würde er ihr einige seiner Ideen zeigen, die er in einer Schublade unter langweiligen Verträgen vor dem Träume-vernichtendem Blick des Chefs versteckte. Sie würde sich ganz nah über seine Schulter beugen und ihn loben. Dann würden sie vielleicht etwas trinken gehen, Kaffee am besten. Doch auch heute sprach Jakob Jenny nicht an. Er beobachtete lieber ihre hastig geschminkten Lippen, die sich braun färbten vom Kaffee. Eine wunderschöne Farbkombination, und Jenny trug sie mit Würde.Dann schellte die kleine Pausenglocke, und einer nach dem anderen schlurften müde Gestalten wieder zu ihren Schreibtischen.

Auf dem Weg nach Hause stand Jakob, wie jeden Tag, im Berufsstau. Hin und wieder drückte er auf die Hupe, nicht weil es etwas brachte sondern weil alle das taten. Jakob's Gedanken waren noch immer bei Jenny, die bestimmt irgendwo hinter ihm dasselbe tat.

Zuhause angekommen wärmte Jakob die Lasagne von letzter Woche ein weiteres Mal auf, aß ein paar Bissen und ließ sich dann auf sein Bett/Sofa fallen und schaltete den Fernseher an. In dieser Position sank er langsam in den immer selben unruhigen Schlaf.



Das Biepen des Weckers schien leiser als sonst, und Jakob öffnete die Augen. Aus Gewohnheit drückte er trotzdem auf Snooze. Das Display verkündete Mittwoch. Müde stieg Jakob aus dem Bett und öffnete die Autotür seines Käfers um zur Arbeit zu fahren. Doch als er wie jeden Morgen an der Ampel stand, traf es ihn: Er hatte vergessen zu frühstücken! Kurzerhand setzte er den Blinker in die andere Richtung. Ohne Frühstück konnte er doch nicht zur Arbeit erscheinen, was würde der Chef sagen. Lieber noch schnell was beim Bäcker holen. Auf dem Weg zum Bäcker staunte Jakob nicht schlecht. Die Welt vor den Fenstern seines Wagens war nicht grau und trüb wie sonst, sondern grün, gefüllt mit spielenden Kindern und bellenden Hunden. Er hatte nie bemerkt dass hier ein Park war. Mit einem Brötchen in der Hand fuhr er am Rande der Grünflächen entlang, und nahm die Verspätung zur Arbeit in Kauf um den Ausblick zu genießen. Als er im Büro erschien bemerkte ihn niemand, nur Jenny lächelte ihm herzlichst zu. Fröhlich stellte Jakob seine Tasche an seinem Schreibtisch ab und fing an zu arbeiten. Doch schon bald klingelte die Glocke, und ein Liedchen trällernd folgte er Jenny in die Küche. Über ihren Kaffeetassen-Rand warfen sie sich immer wieder verstohlene Blicke zu, bis Jenny sich zu ihm setzte. Mit großen Augen warf sie einen Blick in seine Tasse. »Wow, hast du das gemacht?« Stolz betrachtete Jakob den kleinen Milchschwan in seinem Kaffee und nickte. »Cool.« Jakob lachte. »Hey, hast du Lust mit mir was trinken zu gehen? Also nicht jetzt, später? Nach der Arbeit?« Jenny nickte fröhlich. »Ich dachte du fragst nie. Du kannst mir ja ein wenig über dein Kunstwerk da erzählen.« Jakob nickte. Auch der Chef bewunderte seinen Schwan, und folgte nach der Pause Jakob zu seinem Tisch um die anderen Skizzen zu begutachten. Auf dem Weg nach Hause fuhr Jakob wieder am Park entlang. Die Kinder winkten ihm, und freuten sich offensichtlich dass er wieder da war.



Aufkeuchend fuhr Jakob hoch. Das Biepen seines Weckers war zu einer Lautstärke angeschwollen, die jeden Hund in den Wahnsinn getrieben hätte. Während Jakob sich den Hinterkopf rieb warf er einen Blick auf das Display. Mittwoch, 13.07., 06:50...Er hatte verschlafen! Panisch warf er die Bettdecke von sich, entdeckte dass er in seinen Klamotten eingeschlafen war, nahm einen Schluck vom kalten Kaffee der gestern noch in der Kanne geblieben war und stürzte das Treppenhaus hinunter. Doch auch um diese Zeit blieb er an derselben Ampel stehen wie jeden Morgen. Während er das rote Licht fixierte, setzte er plötzlich den Blinker in die andere Richtung. Er wusste nicht wieso. Es fühlte sich richtig an. Und bevor er seine Meinung ändern konnte sprang das Licht auf Grün um und hinter ihm erklang die Hupsymphonie in nie gekannter Lautstärke. Also fügte Jakob sich seinem Schicksal, er würde sowieso zu spät kommen, und bog nach links. Während er fieberhaft überlegte welche Straßen er nun nehmen musste schweifte sein Blick nach draußen. Verdutzt hörte er auf zu denken. Da draußen lag ein kleiner Park, und ein Kind spielte mit einem Hund während die Mutter auf einer Parkbank Zeitung las. Naja, Park war vielleicht ein wenig übertrieben. Es war eine Grünfläche zwischen zwei Straßen, und ein Baum warf seinen Schatten über die morsche Bank.Jakob hatte diesen Ort noch nie gesehen. Außer den kläglich aussehenden braunen Büschen, die auf Verkehrsplattformen wuchsen, fehlte es dieser Stadt an jeglicher Vegetation. Dieses echte Grün zog Jakob in seinen Bann, und beinahe hätte er angehalten, um die Grashalme zu fühlen. Doch ein Blick auf die Uhr holte ihn aus seinen Träumen heraus, und er richtete seinen Blick wieder auf die Straße. Doch er machte sich im Geiste eine Notiz, diesen Weg öfter zur Arbeit zu nehmen.


Im Büro angekommen zwinkerte Jenny Jakob überraschend zu. »Ich hab ihm gesagt du hättest etwas auf dem Parkplatz vergessen, wenn du schnell bist wird er gar nicht bemerken dass du zu spät bist.« Jakob murmelte ein: »Danke«, und rannte zu seinem Tisch. Während er seiner täglichen Arbeit nachging hatte Jakob die ganze Zeit das Gefühl, als ob er etwas vergessen hätte. Doch als die Pausenglocke schellte hatte er immer noch nicht herausgefunden Was. Dann, als er an seinem Kaffee nippte und Jenny beobachtete, fiel es ihm wieder ein. »Hey Jenny?« Jenny blickte auf, als hätte er sie gerade beim Tagträumen gestört. »Hmm?« »Wollten wir nicht was trinken gehen?« Verdutzt blickte Jenny Jakob an. »Wie, hier?« »Nein, nach der Arbeit. Hast du es etwa vergessen?« Kurz starrte Jenny ihn an, dann fing sie an zu lächeln. »Ich würde gerne was mit dir trinken gehen.« Auch Jakob lächelte jetzt. Er hatte schon befürchtet er habe das nur geträumt.

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