Das merkwürdige Paar

Crustulum hat mich vor laaaaanger Zeit nominiert, eine Kurzgeschichte zu einem bestimmten Bild zu schreiben und endlich habe ich es mal geschafft, Motivation dazu zu finden xD

Das Bild ist oben eingeblendet.

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Der Raum war dunkel und die Luft stickig und viel zu warm. Die dunkelroten Samtwände des kleinen Zeltes wirkten düster in dem schummrigen Licht, dessen Quelle nur eine Kerze auf einem bleichen Totenschädel war, der auf einem runden Tisch stand. Eine dunkelgraue, mit seltsamen, mystischen Symbolen verzierte Tischdecke verdeckte das Glas, aus dem die Oberfläche gemacht worden war.

Zwei Stühle aus dunklem Holz, die aussahen, als hätte man sie gerade aus ein paar Ästen im Wald zusammengebaut, standen ebenfalls in dem doch relativ engen Raum. Eine Frau mit wilden, roten Locken und einem Kopftuch mit bunten Mustern saß auf einem der Stühle und starrte einfach nur auf die Kerze, die sich kaum bewegte. Es wirkte fast so, als würde die ältere Frau gar nicht mehr atmen, so sehr konzentrierte sie sich auf das Starren.

Für einen Moment flackerte die kleine Flamme und helles Sonnenlicht fiel in das Innere, als die Zeltwand angehoben wurde und ein junges Mädchen unsicher hineinspähte. Als sie die unbewegliche Frau entdeckte, schlucke sie und räusperte sich, doch bevor sie dazu kam, etwas zu sagen, krächzte die Alte: "Komm rein oder lass es bleiben, ich ertrage die Helligkeit nicht!"

Das Mädchen tat sofort, was ihr aufgetragen wurde und trat in das Zelt hinein, hinter ihnen erschien auch noch ein Junge mit gequältem Gesichtsausdruck, der sehr offensichtlich ihr Freund war. Die dünne Luft im Inneren machte ihnen zu schaffen, doch schließlich atmete das Mädchen tief durch und setzte sich vorsichtig auf den zweiten Stuhl. Fast glaubte sie, dass er unter ihr zerbrechen würde, doch glücklicherweise wackelte nur ein bisschen.

"Ich bin die Hexe Sylfiria. Du bist hier, um deine Zukunft zu erfahren?", sprach die Frau nun an das Mädchen gewandt. Der Junge stand mit verschränkten Armen daneben und beobachtete die Szenerie. Die junge Frau antwortete nicht, denn ihr Blick war am Totenschädel hängen geblieben und ließ sich nun nicht mehr von diesem lösen. Entsetzen war ihr ins Gesicht geschrieben.

Die Frau mit dem Zigeuneroutfit grinste, als sie erkannte, was das Mädchen so irritierte und hauchte: "Der letzte Kunde, der gehen wollte, ohne zu bezahlen, blieb für immer hier..."

Der entsetzte Blick glitt vom Schädel zu Sylfiria, die ihre schiefen Zähne entblöste. Waren das Fleischreste, die ihr dort noch hingen? Hatte sie den armen Kerl gegessen?

Der Junge blieb völlig unbeeindruckt und verdrehte die Augen.

"Klar, den haben sie doch aus dem Halloweenshop nebenan", bemerkte er nur und die Frau wandte sich ihm zu. Ihre kalten Augen, die wirkten, als hätten sie Dinge gesehen, die andere nicht für möglich gehalten hätten, brachten jetzt jedoch auch den Freund aus dem Konzept.

"Willst du es austesten?", fragte die Zigeunerin nach einer langen, unangenehmen Pause und der Junge schüttelte schnell den Kopf. Ein Schauer lief ihm über den Rücken.

"Gut, dann sagt mir, wollt ihr eure Zukunft erfahren?", wiederholte die Frau ihre Frage und die Jugendliche nickte schnell, als sie merkte, dass ihre Stimme sie im Stich ließ. Sie hatte nicht das Gefühl, als könne sie jetzt noch verschwinden.

Sylfiria zog plötzlich alte, vergilbte Karten hervor, deren Rückseite merkwürdige Sternenbilder zeigte, die das Mädchen aber durch den Mangel an Licht nicht besonders gut sah. Langsam ließ die alte Frau die Karten von einer Hand in die andere gleiten, so lange, bis die Spannung so stieg, dass sich sogar der Junge etwas vorbeugte.

Genauso langsam legte sie die Karten aus und legte dann ihre Hand auf eine von ihnen, bevor sie sie langsam umdrehte.

"Der Gehängte", wisperte sie mit einem bedrohlichen Unterton, der nichts Gutes verhieß. "Du warst in der Vergangenheit einer Situation ausgeliefert, aus der du keinen Ausweg fandest und nur hilflos abwarten konntest." Die Augen des Mädchens weiteten sich erschreckt, also musste Sylfiria ins Schwarze getroffen haben.

Die Hand wanderte zur nächsten Karte, doch bevor sie sie umdrehen konnte, hörte man eine neue Stimme: "Jetzt bin ich dran mit wahrsagen!" Die beiden Jugendlichen sahen sich erschreckt nach dem Ursprung der Stimme um, doch Sylfiria verdrehte nur die Augen und sah auf den Boden des Zelts.

Ein alter Mann mit langem Vollbart und einem Monokel auf dem linken Auge lag dort, nur den Kopf unter der Zeltwand hindurchgestreckt, aber mit hochkonzentrierter Miene.

"Ich denke, die nächste Karte wird erneut eine beunruhigende Zeichnung mit erschreckender Botschaft sein, die genauso wenig echt ist, wie deine Zigeunerkleidung."

Die Rothaarige stieß dem Eindringling mit ihrem Schuh gegen den Kopf und beschwerte sich: "Verschwinde wieder, du vergraulst meine Kundschaft!"

"Ach, das schaffst du auch ganz allein", gab der alte Mann zurück und wandte sich dann an die Jugendlichen, die von der Situation sichtlich überfordert schienen: "Also, wenn ihr echte Magie sehen wollt, dann kommt zu mir, bei mir ist die Atmosphäre auch sehr viel freundlicher!"

"Ich sagte, verschwinde, Gandalf! Dich will hier keiner haben", versuchte Sylfiria den ungebetenen Gast zu verscheuchen, aber leider blieb sie erfolglos. Stattdessen erwiderte er nur empört: "Ich bin der Zauberer Adelar, also nenn mich auch so! Das hab ich dir schon dreitausend Mal gesagt!"

"Mich hat es noch nie interessiert, was aus deinem Mund kommt, mein Lieber", entgegnete die Zigeunerin, die bereits vergessen hatte, dass sie noch Kundschaft hatte. "Vor allem, wenn du behauptest, deine 'Magie' auszuführen. Komische Zaubersprüche klappen ebenso wenig, wie ein Blick in die Kristallkugel."

"Das liegt an den Zuschauern, das zu beurteilen", bemerkte der Zauberer und wandte sich wieder an das Pärchen.

"Habt ihr Lust, echte Magie zu sehen, statt euch von dieser Hexe vergilbte Karten legen zu lassen?", fragte er mit einem breiten Lächeln und die Beiden tauschten einen ratlosen Blick. Eigentlich wären sie jetzt am Liebsten ganz weit weg.

Doch sie mussten auch gar nicht antworten, denn das tat Sylfiria schon für sie: "Ich bin Kartenlegerin, keine Hexe, aber bei deinen veralteten Vorstellungen von Frauen kann ich dir das auch gar nicht übel nehmen. Gut, dann zeig uns mal, was du so drauf hast, deine 'Magie' will ich sehen!"

Jetzt blieb den Jugendlichen nichts anderes übrig, als schweigend der rothaarigen Frau zu folgen, die aus ihrem Zelt stapfte und in das daneben eintrat. Im Gegensatz zu ihrem kleinen rot-braunen Samt-Zelt, hatte der Zauberer ein prunkvolles, viereckiges, blau-weißes Zelt mit, das in der Mitte eine Öffnung hatte, in die auch Sonnenlicht fiel.

Als die Jugendlichen das Zelt betraten, wurde ihnen der Gegensatz der beiden 'Magier' noch stärker bewusst. Hier war es hell und einladend. In der Mitte stand auch wieder ein Tisch, diesmal aber ein eckiger ohne Tischtuch, sondern ganz in weiß. Und auf dem Tisch stand beruhigenderweise kein Totenschädel, sondern eine Kristallkugel. Es wirkte fast, als würde sie in dem vierarmigen Gerüst, dass die Kugel hielt, schweben.

"Gut, dann setzt euch mal", bot der Zauberer an und zog noch einen Stuhl hervor, an Sylfiria gewandt meinte er: "Du wirst wohl leider stehen müssen."

Die Kartenlegerin verschränkte ihre Arme und warf dem Jungen, der sich gerade gesetzt hatte, einen scharfen Blick zu, sodass dieser sofort wieder aufstand und der Rothaarigen den Platz anbot.

Adelar seufzte, ließ es aber dann dabei bewenden. Stattdessen verkündete er: "Und jetzt macht euch bereit für eine atemberaubende Show!" Er fixierte den Kristall und streckte seine mit weißen Handschuhen versehene Hände der Kugel entgegen.

Funken sprangen von seinen Fingern zu dem Gerüst auf dem Tisch, sodass die beiden Jugendlichen erschrocken zusammenzuckten, dann aber fasziniert das Geschehen beobachteten.

Sylfiria zuckte allerdings nicht einmal mit der Wimper, sondern wirkte ziemlich unbeeindruckt.

Nachdem Adelar irgendwelche Zauberformeln von sich gegeben hatte, die kein Mensch verstand, begann die Kugel plötzlich bunt von innen heraus zu leuchten

"Das ist die Macht der Zauberei!", rief Adelar euphorisch aus und weitere Blitze fuhren von der Hand zum Kristall. "Bald wird mir deine Zukunft als Bild erscheinen, junges Fräulein!"

"Du kannst jetzt aufhören, ich hab genug gesehen", bemerkte Sylfiria mit verschränkten Armen und verdrehte die Augen. "Das sind billige Tricks, mehr nicht. Tarotkarten sind die einzig wahre Möglichkeit, die Zukunft vorherzusagen und es ist auch nicht so aufgebauscht und kitschig wie dein Auftritt hier."

Der Zauberer ließ seine Hände sinken und sah die Zigeunerin wütend an.

"Tarotkarten sind doch keine Magie! Das ist reine Auslegung und sehr ungenau!"

"Wenigstens greife ich nicht auf elektromagnetische Tricks und Lichteffekte zurück, meine Tarotkarten sind echt!"

Die beiden Jugendlichen hatten sich wieder einen unsicheren Blick zugeworfen, als sie sich wieder angefangen hatten, zu zoffen und nachdem weder die Zigeunerin noch der Zauberer großartig auf die Kunden achteten, nutzte das Paar die Gelegenheit zur Flucht.

"Du glaubst wirklich, dass du so viel besser bist als ich?", fragte Adelar mit zornig zusammengezogenen Augenbrauen und Sylfiria gab ein Schnauben von sich.

"Eigentlich ging es hier immer noch um die Magie, aber wenn wir grade dabei sind, ich bin definitiv besser als du und das in jedwedem Bereich!"

"Ach wirklich? In der Beziehung warst du auf jeden Fall nicht besonders großartig!", behauptete Adelar beleidigt und Sylfiria hob warnend einen Finger, während sie sprach: "Du wirst mir doch jetzt nicht unterstellen, dass ich der Grund war, warum die Beziehung nicht geklappt hat!"

"Du hast immer an mir rumgenörgelt", beschwerte sich der Zauberer.

"Du hast deine Socken ins Waschbecken gelegt!"

"Ja, ich dachte, da wird es gewaschen, deswegen heißt es doch so!"

Entgeistert sah Sylfiria ihn an, als könne sie nicht glauben, was ihr ehemaliger Seelengefährte gerade gesagt hatte.

"Bist du völlig bescheuert?! So jemanden wie ich gibt es wirklich nur einmal auf der Welt..."

Als Adelar plötzlich begann, leicht zu lächeln, sah sie ihn irritiert an.
"Was ist? Was grinst du so blöd?", fragte die Zigeunerin verwirrt.

"Dich gibt es auch nur einmal auf der Welt. Das habe ich dir bereits damals gesagt", gab der Zauberer jetzt von sich und diesmal war es keine Beleidigung oder eine Provokation. In seinem Blick lag sogar noch etwas von der Wärme, die Sylfiria kennen und zu lieben gelernt hatte. Ihre Wangen färbten sich angesichts dieser überraschenden Wendung leicht rosa.

"Du bist ein Idiot! Glaubst du etwa, dass ich jetzt auf deine Flirtversuche reinfalle und mich dir vor die Füße werfe oder so?", gab sie patzig von sich, als sie nicht wusste, was sie sonst sagen sollte, doch Adelar ließ sich diesmal nicht provozieren, sondern hielt seiner alten Freundin den Arm entgegen.

"Da unsere Kundschaft sowieso bereits gegangen ist, lass uns doch einen Kaffee trinken gehen, so wie wir es früher gemacht haben", schlug er vor und wieder überraschte er damit die Zigeunerin, die allerdings einem spontanen Entschluss folgend darauf einging und sich bei ihm einhakte.

"Einverstanden, aber du zahlst!", verlangte sie schroff und Adelar lachte leise.

"Also genau so wie früher auch..."

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Die Wendung am Ende mag etwas überraschend sein und vielleicht ist sie nicht ganz logisch, wenn man nicht (wie ich) im Hinterkopf hat, dass er auch nur die ganze Zeit versucht hat, ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen und sie zu beeindrucken xD

Und ich bin froh, dass ich das jetzt endlich mal geschrieben habe xD

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