Sei nicht traurig, Mama!
Es war schon spät abends. Trotzdem arbeiteten wir noch im Garten. Denn die Scheune baute sich nun einmal nicht von alleine. Das wusste ich natürlich. Müde schleppte ich mich den Weg entlang, um noch mehr Dachplatten zu beschaffen. Zwischen Zaun und BMW, der meinem Stiefvater sehr heilig war, lief ich hin und her. Vorsichtig und stets darauf bedacht das Auto ja nicht zu berühren trug ich eine Platte nach der anderen zu ihm hinüber. Es wunderte mich, dass ich meine Aufgabe diesmal nicht vermasselte. Dieses Mal würde ich etwas, das mir aufgetragen wurde, für ihn zufriedenstellend ausführen.
Endlich! Die Arbeit war fast geschafft. Eine einzige Dachplatte lehnte noch vorne an der Hausmauer. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen schnappte ich mir die Platte, schloss die Augen und nahm einen tiefen Atemzug. Als ich wieder etwas klarer im Kopf wurde, schritt ich los. Ich tat einen langsamen Schritt nach dem anderen. Auf einmal geschah es!
Alles drehte sich! Schwindelgefühl. Übelkeit. Ein Scharren als würde ein Kratzer entstehen. Ein stechender Schmerz. Mit voller Wucht prallte ich gegen den Zaun. „Oh nein, das Auto!", dachte ich noch. Dann wurde mir schwarz vor Augen. Kurzzeitig nahm ich nichts mehr wahr. Jedoch dieser Zustand hielt leider nicht lange an.
Ich spürte, wie jemand nach mir griff. Fest wurde ich am Handgelenk gepackt und unsanft vom Boden hochgezogen. Etwas Licht drang durch die Dunkelheit, die mich umschlungen hatte. Ich sah geradewegs in das vor Wut verzerrte Gesicht meines Stiefvaters. Ich dachte an meine Aufgabe. Schon wieder hatte ich versagt. Ich wusste, für meine Dummheit musste ich bestraft werden. Warum musste ich auch so ein Tollpatsch sein? Ich war bestimmt verflucht.
Ich hörte ein Wimmern und Schluchzen. Meine Mutter weinte schon wieder. Wegen mir. Das tat sie immer, wenn ich einen Fehler beging und mein Stiefvater böse wurde. Ständig enttäuschte ich sie. „Sei nicht traurig, Mama!", flüsterte ich", „Irgendwann wird er es schaffen, aus mir ein gutes Kind zu machen. Dann wirst du meinetwegen nie wieder unglücklich sein, das verspreche ich dir."
Kraftlos ließ ich mich von meinem Stiefvater weiterziehen. Seine Hand umklammerte immer noch schmerzhaft die meine. Am Eingang angekommen stieß er mich ins Haus und warf die Türe hinter sich zu. Der laute Knall ließ mich zusammenzucken. Müde schloss ich die Augen und wartete auf den ersten Schlag.
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