Im Gewächshaus
"Im Gewächshaus" ist ein Teil aus der wieder zurückgezogenen Geschichte "Das Nebelinstitut" aus 2021. Die Geschichte wird in einer neuen Fassung privat von mir fortgesetzt, damals war es noch eine MMG, deswegen gehört der hier auftretende Charakter Dal auch nicht mir, sondern wurde von LaraLouise erstellt. Diese Szene hatte ich vorgeschrieben und wurde nie veröffentlicht.
Das stetige Rauschen des Windes durch die Bretter des Gewächshauses und das entfernte Geräusch des Wassers, welches immer weiter und weiter floss besorgten Largo eine Gänsehaut. Dunkel war die Nacht und kalt, aber in Dals Armen fühlte er sich in diesem Moment geborgen und sicher.
Das Gartentor quietschte, aber es war nur der Wind, der es sanft auf und zu zog, als wüsste er genau wo sie sich befanden, aber nicht wie sie zu erreichen waren. In diesem Moment fragte Largo sich mehr denn je, ob es überhaupt Sinn machte die Suche fortzusetzen. Die naive Hoffnung etwas Bedeutendes unternehmen zu können hatte ihn blind gemacht, blind davor, dass sie dieser Wunsch ins Verderben gestürzt hatte.
Er hatte gedacht, dass... hatte gehofft, dass sich ihnen die Lösungen an Ort und Stelle präsentiert werden würden, dass sie nichts weiter tun mussten als alles zusammenzuführen und damit die Mutanten zu befreien, dass es einfach werden würde. Aber das war es nie.
Dass Dal noch hier war zeigte ihm nur, dass auch er daran geglaubt hatte und ihrer beiden Hoffnung jetzt auf dem Boden zerschmettert dalag. Am besten konnten sie jetzt sofort aufgeben, sich wieder auf den Weg zurück nach Hause machen und Niemanden über den wahren Grund ihrer Reise aufklären.
Leise prasselten Regentropfen auf das Glasdach und langsam verwandelte sich das einsame Häuschen in eine sichere Unterkunft gegen das Unwetter, welches draußen heranschwoll. Windstöße pfiffen durch die Bretter und Largo schmiegte sich fröstelnd näher an Dal, der ihn sanft an sich zog.
In diesem Moment machte es Largo nichts aus zu weinen und auch Dal durchbrach die seltsam heilige Stille nicht, als er seine Tränen fortwischte. Am liebsten hätte er sich nie wieder von Dal gelöst, hätte ihn für immer umklammert und festgehalten aus Angst ihn zu verlieren, aber die Wärme und der kräftige Körper entglitten ihm, als Dal nicht mehr ihn, sondern das Innere des Gewächshauses betrachtete.
Und so stand er nur da, zog seinen Mantel enger um seinen zitternden Körper und folgte Dal mit tränenverschleiertem Blick, wie er sich vorsichtig einen Weg durch die Scherben und Splitter bahnte und mal ein altes Buch aufklappte und das Pergament zwischen den Fingern rieb bis es sich fast auflöste, mal einer wild wuchernden Pflanze über die Blätter strich.
Das mystische Gefühl, welches dank des Sturms und Dals Anblick inmitten des verlassenen Gewächshauses bei ihm ausgelöst wurde, bescherte ihm erneut eine Gänsehaut.
Wer mochte hier früher gearbeitet haben? Wer hatte den Pflanzen beim Wachsen zugesehen? Ihnen Wasser gegeben, vielleicht sogar Gemüse geerntet als Dank? Warum war diese Person nicht mehr hier? Es war als wäre ihre Präsenz noch anwesend, als würde sich das Gewächshaus nach den vergangenen Zeiten sehnen.
Diese Vorstellung machte Largo erneut so traurig, dass er am liebsten in Dals Arme geflüchtet wäre, die Arme in die er in letzter Zeit immer hatte flüchten können. Aber nicht jetzt, jetzt gab es diese unbeschreibliche Spannung, die mit jeder stillen Sekunde die verstrich weiter und weiter anschwoll.
Largo war sich bewusst, dass diese neue Wendung auch für Dal viel bedeutete. Auch wenn er ihn zu Beginn zu dieser Reise gezwungen hatte, so hatte Dal in den letzten Tagen die Wichtigkeit davon eingesehen und sich genau so sehr dafür eingesetzt wie er selbst. Er hatte vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben so etwas wie Hoffnung gespürt.
Die Schwere des Wissens, welches sie jetzt beide besaßen war erdrückender als die stickige Luft und es schien als würden sie beide nicht als erster die Stille durchbrechen wollen.
Schließlich hielt Largo es nicht länger aus und flüsterte heiser: "bist du wütend auf mich?"
Dal drehte sich langsam zu ihm um und in diesem Licht sahen seine sturmgrauen Augen so dunkel aus, als würde die Trauer sich tatsächlich wie ein schwarzer Schleier über alles legen, was er ansah.
Largo konnte es kaum ertragen ihn so zu sehen und er musste wieder einmal realisieren, dass Dal ebenfalls ein Mutant war. Ihm lag wie kein anderer daran diesen Wahnsinn zu beenden, den Fluch zu brechen und endlich wieder Frieden einkehren zu lassen.
Aber es war hoffnungslos, wenn der Preis für dieses Unterfangen der Tod aller Mutanten war... Dals Tod.
"Bitte sprich mit mir", wimmerte er, als Dal sich mit einem Seufzen wieder abwandte, anscheinend noch nicht bereit die Konfrontation mit ihm anzugehen.
Jetzt wirbelte er aber plötzlich wieder zu ihm herum. "Was willst du denn hören?!", fauchte er wütend und Largo zuckte erschrocken zurück bei der Wucht dieser Worte, die Härte mit der er sie aussprach.
"Ich habe mein Leben zurückgelassen, um mit dir auf diese Mission zu gehen. Ich habe dir geglaubt, als du mir von deinem Plan erzählt hast, aber dein naiver Wunsch die Welt zu retten, hätte einen Großteil der Bevölkerung auslöschen können, mich eingeschlossen, ist dir das bewusst?!"
Dals Worte trafen Largo wie ein Schlag ins Gesicht. Es war wirklich seine Schuld, wenn er diesen Plan durchgesetzt hätte, dann hätte er sie umgebracht, sie alle. Übelkeit stieg in ihm auf und sich einfach den Tränen hinzugeben schien jetzt sehr verlockend. Trotzdem kämpfte er sie zurück, verschuchte sie runterzuschlucken und sich jetzt ein Mal in seinem Leben zusammenzureißen.
Vergeblich versuchte er alles was ihm im Kopf herumspukte in Worte zu fassen, Sätze in seinem Kopf zu formulieren, aber er war selber zu verwirrt, zu aufgelöst, um auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.
Genau davor hatte er all die Zeit Angst gehabt. Jetzt war der Moment gekommen, indem Dal ihn verlasen würde, in der er sagte er würde nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen.
Dal entfernte sich wieder von ihm und lehnte sich ergeben gegen eine verwitterte Tischplatte aus Holz, worauf ein paar Tonscherben und dunkle Erde verstreut lagen.
"Es hat doch keinen Sinn mehr", murmelte er. "Entweder wir töten die Mutantengöttin und damit ihre ganze Schöpfung oder wir lassen es dabei beruhen und gehen zurück nach Hause."
Seine Worte hatten für Largo einen beschwichtigenden Unterton, als wäre er derjenige, der nicht mehr klar dachte und der beruhigt werden musste, dabei war es Dal gewesen, der ihn gerade angebrüllt hatte.
Verzweifelt ballte er seine Hände zu Fäusten und krallte seine Fingernägel in seine Haut, um sich selbst davon abzuhalten laut loszuschreien.
Vielleicht gab es doch noch Hoffnung, vielleicht hatten sie es nur falsch interpretiert und würden sie die Göttin mit dem Ritual doch nicht töten. Noch bevor er irgendetwas sagen konnte, unterbrach Dal schon wieder seinen Gedankengang, als wüsste er genau woran er gerade dachte.
"Du willst es doch nicht trotzdem versuchen, oder?" Largo klappte den Mund wieder zu, als er merkte wie verletzt Dal wirkte.
"Du würdest mich höchstwahrscheinlich umbringen. Dich selbst übrigens auch, wenn die Reise weiter so verläuft wie bisher. Und wenn du überlebst, kannst du dich dann damit abfinden unzählige unschuldige Wesen getötet zu haben, darunter Kinder? Bei den Menschen wirst du vielleicht als Held gefeiert werden, aber tief in deinem Herzen wäre dir bewusst, dass du ein Mörder wärst."
Dal sprach die Worte so feindselig aus, dass Largo fast wieder an ihr erstes Treffen erinnert war, wo sie sich noch komplett fremd gewesen waren. Er hatte darauf bestanden, dass Dal seine Albträume verhinderte und Dal hatte nur zugestimmt, damit er ihn in Ruhe ließ.
Mittlerweile kannten sie einander aber besser und das zeigte sich schon daran, dass Dal mit seinen Worten genau ins Schwarze getroffen hatte. Er wäre ein Mörder, wenn er das Risiko einging, das Ritual vollzog und damit die Göttin vernichtete.
Und so sehr Largo sich auch wünschte etwas für diese Welt zu bedeuten, er wollte ihr etwas Gutes tun, er wollte die Mutanten befreien, nicht töten.
Dal kannte ihn inzwischen so gut, dass es für ihn ein Leichtes war die richtigen Argumente zu finden, um ihn von etwas zu überzeugen. Und er wusste auch ganz genau, dass er niemals mit dem Wissen leben könnte, dass so viele Seelen durch sein Zutun ums Leben gekommen waren.
"Ich werde es nicht tun und das weißt du."
Zitternd holte Largo tief Luft.
"Aber ich werde trotzdem weiter suchen."
Schreibt mir gerne, ob es euch gefallen hat diesen kleinen Ausschnitt zu lesen und ob ihr auch die alten Kapitel aus "das Nebelinstitut" veröffentlicht haben wollt. Die Geschichte wird nicht fortgesetzt, aber ich kann die bereits verfassten Kapitel gerne hier veröffentlichen.
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