Abgabe für den Wettbewerb von @Allie_Diana

Meine Schuld (Titel)

Ich hatte ein seltsames Gefühl als ich durch die dunklen, verlassenen Straßen meiner alten Heimat streifte.

Vielleicht war es den Erinnerungen verschuldet die ich mit diesem Ort verband oder weil ich mich hier mit einer Person treffen würde, die mir weder ihren Namen noch irgendwas anderes über sich erzählen wollte.

Ich wusste nicht was in mir vorgegangen war, als ich zugesagt hatte, aber es hatte sich seltsamer Weise richtig angefühlt und jetzt war ich hier, an einem Ort, zu dem ich nie wieder zurückkehren wollte.

Es regnete in Strömen und nur hin und wieder kam jemand mit einem Regenschirm vorbei.

Die Kneipe in der der Fremde und ich uns treffen wollten war nur noch ein paar Abzweigungen und Straßen entfernt.

Früher war ich oft dort gewesen und trotz der Tatsache, dass es Jahre her war als ich das letzte mal einen Fuß in diese Stadt gesetzt hatte, kannte ich den Weg noch in und auswendig.

Ein paar Minuten vergingen, in denen ich nur meine eigenen Schritte und deren dumpfen Wiederhall in meinem Körper hörte, dann stand ich vor einer hölzernen Tür durch die gedämpft Musik drang und neben der gemütliches goldenes Licht aus den kleinen Fenstern einen ins innere Zog.

Ich öffnete die Tür und die ganzen Gespräche, die zu einem Murmeln im Hintergrund verschmolzen waren, drangen auf mich ein, übertönten beinahe die heitere und beherzte Musik.

Der Raum wurde von ein paar altmodischen Kronenleuchtern erhellt und auch innen bestant alles aus hellem Fichtenholz. Es wirkte so uhrig und beharglich, dass man das Gefühl hatte, jedes Mal in eine andere Welt einzutauchen wenn man hier rein kam.

Ich sah mich um, unsicher nach wem ich überhapt suchte, bis ich einen jungen Mann mit zerzausten, hellblonden Haaren und frühlingsblauen Augen sah.

Er saß vorne an der Bar auf einem Stehhocker, sein Blick war unvermittelt auf mich gerichtet, seine eine Hand stützte sich auf dem Tresen ab und die andere hielt einen halbvolles Glas Bier.

Gabriel.

Mein erster Gedanke war wegzurennen, wieder alles zu vergessen und diesen Teil meines Lebens ein zweites Mal zu verdrengen. Doch mir war bewusst, dass es jetzt zu spät war, dass ich keine Chance mehr hatte unbeschadet aus dieser Situation zu flüchten. Also schritt ich langsam und betont gleichgültig auf ihn zu und nahm wortlos neben ihm Platz.

Eine Weile schwiegen wir beide, während ich ins Leere starrte und so tat als würde ich seine Blicke, die sich in meinen Nacken borrten garnicht bemerken.

"Ich habe ihr nicht geglaubt." Die Reuhe und Bitterkeit, die in seiner Stimme mitschwang, als er das Gespräch began und somit auch die minutenlange Stille durchbrach, versetzte mir einen Stich.

"Sie hat mir gesagt, dass sie Angst hat und mich um Hilfe gebeten, aber ich habe ihr nicht geglaubt. Ich wollte nicht wahrhaben, dass mein bester Freund sie misshandelt."

Es fühlte sich an als wäre es gestern gewesen, als ihre Schreie in mir nachhalten und ich ihre Tränen sah, die über ihr blutverschmiertes Gesicht liefen.

"Irgendwann wurde sie still, kam mit immer mehr Narben und blauen Flecken nachhause und redete kein Wort mehr mit mir. Ich habe ihr immer noch nicht geglaubt, ich wollte meine heile Welt nicht aufgeben."

Tränen sammelten sich in seinen Augen und es war das erste mal, dass ich ihn weinen sah.

Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Egal wie oft ich mich entschuldigte, er würde mir nie verzeihen und ich konnte es ihm nicht mal verübeln.

„Und als ich ihre Nachricht gelesen habe, habe ich auf einmal alles verstanden. Mir ist klar geworden, was für einen Fehler ich begangen habe, aber es war zu spät."

Seine Stimme war zu einem Schluchzen geworden und aus dem Augenwinkel sah ich, wie uns schon ein paar Leute verwirrte Blicke zuwarfen.

„Weißt du was das letzte war was sie zu mir gesagt hat?" Gabriel antwortete bloß mit einem unmerklichen Kopfschütteln.

„Sie hat gelächelt und gemeint, dass sie uns verzeiht. Uns beiden."

Eine Weile herrschte wieder Stille bis, Gabriel sie erneut durchbrach.

„Warum ist sie immer wieder zu dir gekommen, warum hat sie dich nicht einfach verlassen."

„Ich weiß es nicht, ich frage mich selber wie sie immer wieder lächelnd vor mir stehen konnte, mit all den Narben und blauen Flecken für die ich verantwortlich bin."

„Ich habe damals viel getrunken, mein Vater hat mich schon als kleines Kind angefangen zu schlagen und irgendwann bin ich zu genau dem Monster geworden, was ich immer gefürchtet habe.", fügte ich nach einiger Zeit hinzu.

„Aber warum sie Flynn?", wollte mein Gegenüber, mit erstickter und beinahe schriller Stimme, wissem.

„Sie hatte es nicht verdient, niemand hätte es verdient und ich wünschte ich könnte die Zeit zurückdrehen und alles ungeschehen machen, aber es geht nicht."

...

"Wo gehen wir hin?", fragte ich. Die kalte Nachtluft verwehte meine Haare und ließ mich frösteln. Über uns konnte man unendlich viele Sterne sehen, die sich in den einzelnen Pfützen widerspiegelten.

Gabriel hatte mich gebeten, die Kneipe zu verlassen und nachdem er sein Bier bezahlt hatte, hatte er mich durch einige Straßen geführt ohne mir zu sagen, was sein Ziel war.

„Zu ihrem Grab.", erwiderte er tonlos.

Ein Schauer durchfuhr meinen Körper. Ich war weder bei ihrer Beerdigung gewesen, noch hatte ich sie später auf dem Friedhof besucht.

Vielleicht weil ich Angst davor hatte, was es mit mir machen würde, wenn ich dort sein würde, wenn ich sah was durch meine Hände geschehen war.

„Wie ist es so als einer der berühmtesten Ärzte ganz Deutschlands?",wandte ich mich an meinen ehemaligen besten Freund um mich von meiner Angst ablenken zu lassen.

Er zuckte bloß mit den Schultern.

„Fühlt es sich nicht gut an so viele Menschen gerettet zu haben?"

Plötzlich blieb Gabriel stehen. Er sah mir tief in die Augen, so als würde er dort nach der Antwort auf meine Frage suchen.

Dann wand er den Blick ab und sah zum Horizont.

„Weißt du es ist egal wie viele Menschen man gerettet hat, man wird sich immer nur an die erinnern die man nicht retten konnte."

Uns war beiden bewusst, dass er damit nicht nur einen seiner Patienten meinte.

Den Rest des Weges sagten wir nichts, sahen auf den Boden oder in den dunklen Himmel und ließen unseren Gedanken ein wenig Freiraum.

„Wir sind da.", meinte Gabriel, der vor einem schwarzen Tor stehen geblieben war.

Er hätte es gar nicht erst sagen müssen, die vielen ordentlich aneinander gereihten Steine hinter dem Metallzaun sprachen für sich.

Kurz fragte ich mich ob der Friedhof um diese Uhrzeit überhaupt noch offen war, doch dann holte Gabriel einen Schlüssel aus seiner Tasche.

„Der Bestatter ist ein Freund von mir.", murmelte er während er aufschloss.

Als wir ein paar Augenblicke später vor dem Grabstein seiner Schwester standen, traten mir Tränen in die Augen.

All die Schuldgefühle, die ich Jahre lang zurückgehalten hatte stürzten sich auf einmal auf mich wie wilde Tiere.

„Ich wünschte ich könnte es irgendwie Rückgängig machen, irgendwie meine Schuld begleichen, aber ich weiß nicht wie." Meine Stimme klang erstickt während ich die Worte aus mir herauspresste wie aus einer halbleeren Zahnpastatube.

„Dein Leben ist nicht vorbei nur weil es sich gerade am Tiefpunkt befindet. Ich weiß das ist nicht leicht, aber man muss sich immer wieder aufraffen und das beste draus machen."

In diesem Moment verstand ich nicht warum Gabriel, dessen Schwester sich meinetwegen umgebracht hatte mir helfen wollte.

Vielleicht weil er dachte, dass er ihr damit einen Gefallen tun würde, vielleicht weil er einfach nur Mitleid mit mir hatte, aber seine Worte habe ich nicht vergessen. Ich trage sie jeden Tag mit mir herum um mich daran zu erinnern wer ich bin, wer ich einmal war und wer ich sein möchte.

1269 Wörter

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Es tut mir mega leid, dass ich die Geschichte jetzt erst mit einem Tag Verspätung abgebe. Ich hoffe sie wird trotzdem noch gewertet und man kann halbwegs nachvollziehen worum es da geht. Sorry nochmal.

LG 1_strange_girl <3

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