#1 - Trinken
Er stand direkt hinter mir, locker an die Arbeitsplatte meiner Küchenzeile gelehnt. Ich kannte ihn nicht, wollte ihm lediglich seinen Wunsch nach etwas Wasser erfüllen. Seine ruhigen, doch wachsamen braunen Augen schienen sich förmlich in meinen Rücken zu brennen als ich ihm eines der Gläser aus dem Regal nahm und dieses mit klarem Leitungswasser füllte.
Die Flüssigkeit reflektierte das kaminrote Licht der herbstlichen Abendsonne welches die Küche sanft durch das geschlossene Fenster flutete. Die Sekunden schienen viel zu schnell zu verstreichen. Das monotone Ticken der Uhr hämmerte in exakter Genauigkeit sein unaufhörliches Lied durch meinen Kopf.
Erschrocken durch plötzliches kaltes Nass auf meiner Haut schob ich den abgenutzten, stählernen Griff des Wasserhahns nach oben und trocknete meine Hand schnell an meinem weißen Poloshirt ab. Sofort drehte ich mich wieder meinem Gast zu. Dieser nahm dankend das überfüllte Glas aus meiner Hand. Er berührte mich dabei nur leicht, doch es reichte aus um mir einen kühlen Schauer über den Rücken zu jagen. Seine Hand war groß mit langen schlanken Flingern und gepflegten Nägeln. Die Adern auf dem breiten Handrücken stachen dezent hervor und zogen sich bis zur Mitte seines sonnengebräunten Unterarms. Leicht sichtbare Muskeln zogen sich zusammen und verschoben eben jene Adern minimal unter der dünnen Haut als er das Glas fester griff um es aus meiner eigenen Hand zu entfernen. Unsicher sah ich auf, mein Blick traf seinen. Seine Augen strahlten im roten Sonnenlicht, glichen frischem Honig welcher zäh und langsam von einem hölzernen Honiglöffel floss oder gar einem endlosen See aus flüssigem Gold. Selbst sein Haar erinnerte an blonde, Engelsgleichen Locken bestehend aus purem Gold.
Er führte den kristallenen Behälter zu seinen blassen, dünnen Lippen. Ich sah zu wie sein ausgeprägter Adamsapfel bei jedem Schluck nach oben und zurück sprang, fast als würde sich der Knorpel über die kühle Erfrischung freuen. Ein einzelner Tropfen der klaren Flüssigkeit bahnte sich seinen Weg von dem Mundwinkel wo er sich durch kaum sichtbare blonde Härchen bis zu seinem Kinn kämpfte. Nur um dort rasch fortgewischt zu werden.
Hätte ich gewusst, was wirklich in seinem Rucksack war und weshalb er gerade bei mir nach Wasser fragte.
Hatte ich es gewusst würde ich heute noch leben.
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