Roses Are Red
Ein lautes Klirren riss mich aus meinem Schlaf. Erschrocken hob ich meinen Kopf, sah mich um.
Es war finster.
Stockfinster.
Ich konnte kaum etwas erkennen.
Was war das gewesen?
Wo war ich?
Etwas verwirrt wollte ich nach meinem Lichtschalter greifen, als ich irritiert innehielt.
Ich konnte meine Hände kaum bewegen.
Ich konnte mich kaum bewegen.
Denn mich umschlangen starke Taue, hielten mich davon ab aufzustehen.
Ich saß auf einen hölzernen Stuhl, welcher leise quietschte, als ich mich bewegte.
Unruhig blickte ich mich weiter um.
Doch es war so dunkel, dass ich nichts erkennen konnte.
„H...hallo?", fragte ich leise, versuchte mich irgendwie zu befreien.
Es war unmöglich, die Taue waren so fest ineinander verknotet, dass sie bei jeder meiner Bewegungen sich enger zu ziehen schienen.
Keine Antwort.
Stille.
Absolute Totenstille.
Dann, auf einmal, flackerte ein Licht über mir auf.
Etwas geblendet sah ich nach oben.
Eine Lampe, verstaubt und verdreckt, spendete spärliches Licht.
Langsam lehnte ich mich wieder nach vorne und erschrak.
Vor mir stand jemand.
Eine Gestalt, welche sich komplett in schwarze Kleidung gehüllt hatte.
Ich schrie erschrocken auf.
Wer war das?
Im spärlichen Licht erkannte ich weder das Gesicht der Person, noch wo genau ich mich befand.
Doch ich registrierte, woher das Klirren stammte: Von der vergitterten Eisentür, die nun wieder geschlossen war.
Ansonsten war der Raum, in dem ich mich befand sehr einfach zu beschreiben: Leer.
Er war einfach leer.
Ein Raum ohne Bemalung, ohne Fußboden.
Alles war gleich.
Die einzigen Dinge, die anders waren, war ich selbst, der Stuhl, die Lampe, die vergitterte Eisentür und die schwarze Gestalt, die mir nun mit langsamen Schritten immer näher kam-
Erschrocken drückte ich mich enger an den Stuhl, hoffte, dass dieser nicht umkippen würde.
Er hielt tatsächlich.
Verängstigt starrte ich die Gestalt an, spürte, wie mein Herz immer schneller zu Pochen anfing.
Ich kannte diese Person.
Ich kannte sie.
Und doch konnte ich ihr Aussehen nicht zuordnen.
Ihre dunkelbraunen Haare fielen ihr in ihr Gesicht, verdeckten die Augen.
Die Haut war blass, ähnelte eher einer weißen Wandfarbe.
„Jenny."
Ich zuckte zusammen.
Woher kannte sie meinen Namen?
Etwas zitternd presste ich mich enger an den Stuhl.
Was zur Hölle ging hier vor?
Ich wusste es nicht, ich kannte zwar diese Person – aber ich wusste nicht woher.
„Bitte...befreie mich", wimmerte ich leise, versuchte mich irgendwie aus den Seilen hervor zu winden, was absolut unmöglich war.
Die junge Frau vor mir lachte leise auf.
„Du denkst also ernsthaft, dass ich dich befreien werde?"
Dann kam sie mir langsam immer näher, Schritt für Schritt.
Ich vernahm dieses dumpfe, wiederhallende Geräusch, das bei jedem Auftreten erklang, spürte, wie mein Herz immer schneller schlug, mein Atem sich beschleunigte.
Sie würde mich nicht befreien, dass wusste ich.
„Kannst du dich denn nicht an mich erinnern, Jenny?"
Ihre Stimme war leise, fast zischend, jedoch genau das Gegenteil von sanft und beruhigend. Eher bedrohlich.
Etwas zögerlich schüttelte ich meinen Kopf, als sie mir immer näherkam, bis die junge Frau direkt vor mir stand.
Sie sagte nichts, sie starrte mich nur an.
Und dann, ganz langsam und in einem schleichenden Prozess veränderte sich ihr Gesichtsausdruck.
Ihre Mundwinkel wanderte langsam immer weiter nach oben, bis ihre Lippen zu einem irren Grinsen verzerrt waren.
Sie grinste.
Doch ihre Augen zeigten keinerlei Freude, im Gegenteil.
Pure Kälte starrte mir entgegen.
Ihr Blick war verachtend, missbilligend.
Ihr Grinsen psychopatisch und unkontrolliert.
Unruhig versuchte ich mich erneut zu befreien, mich irgendwie los zu reißen.
Unmöglich, ich konnte nicht fliehen.
Unmöglich.
Langsam beugte sie sich zu mir nach vorne, begann mir leise ins Ohr zu flüstern.
„Du kennst mich, Jenny, du kennst mich. Kannst du dich nicht erinnern? Das Mädchen, das dich geküsst hat. Das Mädchen, das du weggestoßen hast. Erinnerst du dich nicht? Hm?"
Ich zuckte etwas zusammen, als mir schlagartig einfiel, wer sie war.
Lizzy.
Die Zwillingsschwester meiner besten Freundin.
Ich kaute auf meiner Lippe, starrte sie an.
„Was...was hast du...vor?", hauchte ich mit zitternder Stimme, spürte, wie sich Panik in mir ausbreitete.
Das war doch krank.
Komplett krank.
„Ich?"
Lizzy lachte, als hätte ich einen besonders lustigen Witz gemacht. Sie lachte und lachte, wollte gar nicht mehr damit aufhören.
Ich spürte, wie sich meine Panik immer mehr und mehr verfestigte.
Sie war irre geworden, verrückt.
Geisteskrank.
„Ach, Schätzchen, weißt du. Ich werde dir nur eine Rose schenken, eine wunderschöne rote Rose"
Sie zog tatsächlich jene hervor und legte sie mir auf meinen Schoß.
„Eine wunderschöne rote Rose...sie wird deine letzte Rose sein"
Wieder stieß Lizzy dieses irre Lachen aus, ihr Gesicht war zu einer Grimasse verzogen.
Dann – ohne jegliche Vorwarnung – verstummte Lizzy, ihr Gesicht zeigte keinerlei Emotion mehr, war komplett regungslos.
Erst viel später, als ich mich endlich von ihren Augen abwenden konnte, entdeckte ich mit großem Entsetzen das scharfe Messer in ihrer Hand.
Lizzys Grinsen wurde wieder sichtbar, während sie mir immer näher kam.
„Roses are red, blood too, my heart is dead, such as you"
Das Licht flackerte etwas, wurde schwächer.
Mein Herz schlug immer schneller, ich schwitzte wie verrückt.
Nein.
Nein, das war nicht real.
Niemals.
Doch der Schmerz war da.
Der Schmerz war sowohl real.
Der Schmerz des Messers in meiner Brust.
Ich schrie.
So laut, wie ich noch nie geschrien hatte, sah ein letztes Mal zu ihr.
Doch Lizzy stand einfach nur da, lächelte mich an, während sie leise sang.
Leise und beruhigend, als wäre es ein Schlaflied.
„Roses are red, my knife too, you are dead, blood around you"
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