Plötzlich bunt
[Thema: Plötzlich bunt
Genre: Jugendliteratur
Vorgabe: -
Stufe: 1
Wörter: 639]
„Lew! Hör auf! Blieb stehen!"
Langsam drehte ich mich um, blickte zu dem Jungen, der auf mich zugeeilt kam.
„Warum sollte ich?", fragte ich leise, meine Stimme klang so rau wie schon lange nicht mehr.
Mattew antwortete mir nicht, lief so lange, bis er bei mir ankam.
Sofort packte er mich am Arm, zog mich weg von der Dachkante, an der ich stand.
Sein Atem ging schnell und keuchend, er schien so schnell wie noch nie zuvor gerannt sein.
Um mein Leben.
Um mich von dem Abgrund wegzuziehen, der hinter uns zu sehen war.
Doch er konnte mich nicht von meinem inneren Abgrund retten.
Und das wusste der Junge auch.
Mein Blick war kalt, keinerlei Emotion zeigte sich auf meinem Gesicht.
Ich sah ihn einfach nur an.
Wieviel Emotionen er doch zeigte; Wut, Angst, Besorgtheit.
So viele Emotionen.
So...bunt.
Viel zu bunt für mich.
Denn mich kann niemand mit Farben füllen; Niemand konnte mich aus diesem tiefen Schwarz ziehen, in dem ich mich befand.
Niemand.
Auch nicht Mattew.
Und dies war erst der Anfang zu meinem Abgrund; Meiner schwarzen Farblosigkeit in mir.
Der Junge vor mir begann zu weinen, packte mich verzweifelt an den Schultern und schüttelte mich.
„Lewis...du...du kannst dich doch nicht einfach...einfach umbringen! Das...das geht nicht! Du kannst mich doch nicht alleine lassen...das Leben ist so bunt und fröhlich, du hast nur ein Leben!"
Ich schüttelte langsam meinen Kopf, mein Gesicht war getränkt mit diesem emotionslosen Ausdruck. Keine einzige Rührung durchbrach sie; Kein Funken Menschheit.
Kein Funken gefüllt mit Farbe.
Denn es war dunkel in mir; Gab keinen Fluchtweg preis.
Ich war einzig allein schwarz, passte nicht in diese so bunte Welt.
„Doch Mattew. Das kann ich. Ich kann nicht plötzlich bunt werden; Das funktioniert nicht. Ich werde für immer farblos bleiben; Für immer keine Gefühle zeigen. Für immer, Mattew"
Der Junge schluchzte auf und klammerte sich eng an mich.
„Aber du darfst doch nicht gehen, Lew. Ich habe dich doch so lieb...Ich will bei dir bleiben; Du sollst bei mir bleiben. Ich verspreche dir, dass ich dir auch helfe diese wunderschönen bunten Farben zu sehen. Wirklich. Bitte, Lewis...du darfst mich nicht alleine lassen", wimmerte er unter Tränen.
Ich streckte meine Hand aus, strich sanft über seine Wange, während mein Ausdruck unverändert blieb.
„Mattew. Es ist besser so. Du gehörst in diese bunte, farbenfrohe Welt. Ich in die dunkle, unendliche Tiefe, ohne Halt und ohne Boden"
Er schluchzte erneut, ich spürte, wie sich seine nassen Tränen den Weg durch mein T-Shirt bahnten und meine Haut berührten.
Doch er würde niemals meine Seele berühren; Sie nicht mit dieser menschlichen Buntheit ausmalen können.
Ich drückte ihn ein letztes Mal sanft an mich, beugte mich nach unten und küsste ihn auf die Lippen.
„Danke Mattew. Aber jetzt ist Zeit zu gehen...", hauchte ich kaum hörbar und verblassend.
So verloren...
Er hielt vollkommen irritiert inne, schien nicht zu verstehen, was vor sich ging.
Dass ich doch bunt war; Dass meine Sexualität bunt war.
Doch das sollte nicht so sein.
So plötzlich bunt war tödlich.
Ich schluckte, nun war mir doch etwas mulmig zumute.
Vor mir stand dieser Junge.
Der einzige Mensch, der es geschafft hatte, Emotionen zu verspüren.
Der Einzige, der es schaffte, mir zu zeigen, was Farben sind.
Der es schaffte, mir zu zeigen, was Liebe ist.
Ein Lächeln legte sich auf meine Lippen.
„Lebe wohl, mein Freund. Man sieht sich...irgendwann. Hab dich lieb..."
Ich mich aus seinen Armen, trat einige Schritte, bis ich in diese Leere fiel.
,,Ich habe dich auch lieb...Lew", waren die letzten Worte, die ich von ihm hörte.
Dann umfing mich der Wind, der jedes Wort, jeden Laut der Welt verschluckte, mich sanft in seinen Armen hielt, um mich in ein unbekanntes Reich zu bringen.
Ich lächelte immer noch, schloss meine Augen.
In ein Reich, das für mich bestimmt war.
Schon seit Geburt an.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top