Himmel und Hölle Part 2
Langsam öffnete Himmeljunges ihre blauen Augen. Vor ihr leuchteten mehrere Gräser und Farne. Verwundert hob sie den Kopf. Sie fühlte keine Schmerzen mehr. Bei einem Blick auf ihre Flanken konnte sie auch keine Wunden mehr sehen, nicht einmal Narben. Ihr weißes Fell war makellos.
"Hallo."
Erschrocken fuhr Himmeljunges hoch und blickte einer wunderschönen Kätzin in die Augen. Sie kannte diese Kätzin. Sie blickte in himmelblaue Augen und in ein Gesicht, dass von rotbraunem Fell umgeben war.
"M...Mama? Mama...bist das du?"
"Ja, mein Schatz. Ich bin hier.", sie sah glücklich aus. So unfassbar glücklich.
"Wo ist Höllenjunges?", Himmeljunges blickte sich um, konnte ihren Bruder aber nicht entdecken.
"Hat er überlebt?", Hoffnung erfüllte ihr kleines Herz. Sie hatte ihren Bruder fallen sehen, aber vielleicht hatte er es ja überstanden!
Doch der Schatten der sich über Haselherz blaue Augen legte verriet ihr, das dem nicht so war. Höllenjunges war tot. So wie sie selbst.
"Himmeljunges, dein Bruder...ihr werdet euch nie wieder sehen.", sagte die Kätzin leise und blickte auf ihre schneeweiße Tochter hinab.
"Warum nicht? Er ist doch tot oder nicht? Dann muss er hier sein."
"Nein Himmeljunges. Dein Bruder ist nicht im SternenClan."
"Wo denn dann?", piepste die kleine Kätzin und ein mulmiges Gefühl beschlich sie.
"Er ist jetzt dort wo die dunklen Seelen hausen."
"Was?! Aber...Aber...Höllenjunges...warum?", als hätte der Vogel sie wieder gepackt breitete sich ein unendlicher Schmerz in ihr aus.
"Erinnerst du dich noch an Abendschnee."
"Natürlich. Ein mieser Krähenfraßfresser.", neben dem Schmerz kam die alte Wut auf den Kater zurück. Er hatte sie und Höllenjunges nie akzeptiert und sie immer verspottet.
"Er ist tot. Wegen Höllenjunges."
Der Schock packte Himmeljunges Herz. Ihr Bruder war ein Mörder? Das konnte nicht sein. Das war unmöglich. Höllenjunges war immer lieb. Immer gutherzig. Immer für sie da.
"Ich will zu ihm!", jammerte Himmeljunges und glitzernde Tränen stiegen in ihr auf. Sie wollte zu ihm. Sie wollte nicht glauben, dass er ein Mörder war. Aber tief in ihrem Inneren wusste sie es. Es war der Tag gewesen, an dem sie sich nicht gut gefühlt hatte. Höllenjunges war lange weg gewesen an dem Tag. Als er zurückkehrte roch er streng. Himmeljunges wusste nun, er hatte Blut an den Pfoten gehabt. Stinkendes Blut. Doch er hatte es abgewaschen und den Geruch mit etwas anderem überdeckt. Er war nie, was sie glaubte. Aber die Sehnsucht war trotzdem da.
"Du kannst nicht zu ihm. Er ist im Wald der Finsternis. Niemand kann von dort in den SternenClan kommen. Niemand.", miaute Haselherz und wollte den Schweif um ihre Tochter legen, doch sie war losgerannt. Auf den einzigen Punkt zu, der in ihrem Blickfeld finster war. Ihre Pfoten teilten das von Sternen besetzte Gras und sie lief einfach nur. Schneller als der Wind, bis vor ihr karge Bäume in den Himmel ragten. Bedrohlich und kahl schienen die Äste Himmeljunges packen zu wollen, konnten aber das gleißende Licht nicht durchbrechen, dass gut von böse, hell von dunkel trennte.
Aber Himmeljunges wusste, sie würde das Licht durchschreiten können. Sie würde hindurchgehen und ihren Bruder suchen. Doch das war gar nicht nötig, denn als sie genau hinsah, erblickte sie Höllenjunges. Er stand auf der finsteren Seite. Sie blickten sich an wie Spiegelbilder. Eines gut, eines böse. Eines hell, eines dunkel. Eines mit klarem Herzen und eines mit Blut an den Krallen.
Himmeljunges Ohren zuckten. Sie vernahm leise Höllenjunges Stimme. Sie war so vertraut und gleichzeitig so hohl und weit weg. Sie sagte nur drei Worte.
"Es tut mir leid."
Höllenjunges Blick war so voller Traurigkeit, so voller ehrlicher Reue und voller Scham für das, was er getan hatte. Mitleid keimte in der kleinen, weißen Kätzin auf. Er war immer noch ihr Bruder. Der, der immer für sie gesorgt hatte. Der, der sie im Schlaf warm gehalten und ihr Essen gebracht hatte. Das war immernoch er. Ihr Höllenjunges. Sie machte einen Schritt vorwärts, auf das Licht zu. Hinter ihr ertönte die Stimme ihrer Mutter.
"Nicht! Himmeljunges, wenn du das tust, kannst du nie wieder zurück.", in Haselherz blauen Augen schwamm der Kummer.
Doch Himmeljunges hatte sich entschieden. Sie blickte ihre Mutter an, hielt ihrem traurigen Blick stand und trat über die Linie.
"Ich will auch gar nicht zurück. Ich will Höllenjunges."
Himmeljunges sah die Tränen an den Wangen ihrer Mutter herunterlaufen. Sie waren wie kleine Sterne.
"Auf Wiedersehen, Mama.", miaute sie, auf das Licht zu und drehte sich mit ihrem Bruder um.
"Warum hast du das getan?", fragte der rote Kater und auch in seinen Augen blitzten Tränen.
"Für dich würde ich alles tun. Lass uns gehen."
Und so taten sie es. Sie sollten nie wieder etwas essen, oder trinken. Aber sie aßen und tranken gemeinsam nichts, bis sie sich irgendwann auflösten. Gemeinsam.
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