Das Haus am See
***
(Vorsicht: Enthält depressive Züge!)
Bereits seit Stunden regnete es draußen in den kalten Straßen ihres Dorfes. Mittlerweile war es spät geworden. Die Straßenlaternen beleuchteten ihre schmale Einfahrt des Hauses, welche sie aus ihrem Badezimmer aus sehen konnte.
Es war die Stille. Es war diese verfluchte Stille die sie fürchtete.
Normalerweise herrschte in ihrem Haus am See keine Stille. Sie konnte zu ihrer lauten Musik durch ihr Haus tanzen oder den Garten und die Terrasse in den grellsten Farben leuchten lassen, aber heute war nichts. Keine laute Musik und keine grellen Farben. Nur Stille und Dunkelheit, gefolgt von einer tiefen Leere. In Gedanken hörte sie Stimmen, die ihr zuriefen.
Sie nahm einen tiefen Atemzug und schloss ihre Augen. Ihr schossen vergangene Erinnerungen durch den Kopf. Die bunten Bilder tanzten fröhlich vor ihren Augenlidern hin und her.
Eines davon zeigte sie und ihren Mann, wie sie Hand in Hand durch den Sand tanzten. Ihr buntes Sommerkleid wirbelte wild um sie herum während sie sich drehte und eine Krone aus Hibiskusblüten ihren Kopf zierte. Sie konnte den Sand des Strandes unter ihren Füßen spüren und wie diese darin kaum halt fanden. Sie konnte das Meer spüren, welches in Form von Wellen an den Strand gespült wurden. Das Wasser war kalt und ließ sie jedes Mal kurz zusammenzucken, wenn es auf ihre nackte Haut traf. Aber das war unwichtig, solang sie mit ihm zusammen war.
Nur mit ihm war sie glücklich.
Nur mit ihm konnte sie leben.
Immer weiter drehte sie sich in seinen Armen und ihre Haare wirbeln durch die Luft. Während sie sich durch die dunkle Nacht drehte, verschwamm ihr Bild. Es wechselte. Ihre Umgebung wurde grün. Umgeben von Bergen und kleinen Sträuchern stieg sie den Berg hinab, zusammen mit ihm. Er lief vor ihr den Hang herunter, seine Kleidung ganz in grau gehalten. Mit seinen großen Schritten war er um einiges schneller wie sie, deshalb musste sie sich bemühen ihm hinterher zu kommen. Holprig hastete sie den Hang hinunter und versuchte große Steine zu vermeiden und ihr Gleichgewicht zu halten. Ihr Kopf fühlte sich plötzlich schwer und unhaltbar an. Ihre Sicht wurde milchig und sie verlor das Gleichgewicht und stürzt. Aus ihrer Kehle drangen Schreie nach ihrem Partner, nach dem Mann ihrer Träume, welcher sie retten sollte. Ihre Muskeln waren zu schwach und der Schmerz zu groß, sich aufzuraffen. Was war mit ihr passiert?
Nur er konnte sie jetzt noch retten.
Nur er konnte sie jetzt noch dazu bringen aufzustehen.
Ihre Glieder schmerzten und sie jaulte immer wieder auf. Doch sie spürte keine Hände, die sie hochzogen. In der Ferne tauchte eine leise Stimme auf, die weinerlich klang. Immer noch auf dem Boden liegend hebt die Frau den Kopf und sah sich um. Um sie herum war nicht mehr die Berglandschaft und auch nicht mehr ihr Geliebter, sondern ein grauer Raum mit grellem Licht. Sie kniff energisch die Augen zusammen, als das Licht sie blendete. Die Stimme wurde immer lauter und begann Kreise um ihren Kopf zu ziehen. Es war eine junge und zierliche, wenn auch weinerliche Stimme. Die Stimme eines Mädchens. Mit aller Kraft sah die Frau durch das grelle Licht und erkannte ein junges Mädchen mit hellblonden Haaren und einem rosafarbenen Nachthemd, mit einem Bären in der Hand. Das Gesicht wurde vom Licht verdeckt. Das Mädchen hielt der Frau die Hand und bat sie aufzustehen, doch sie lehnte ab. Sie wollte zu ihrem Mann, zu ihrem Geliebten und keinem Kind. Doch das kleine Mädchen hielt ihr erneut die Hand hin und bat sie erneut aufzustehen. Die Stimme des Kindes brach und sie wurde laut, doch im Kopf der Frau klang sie dumpf und weit entfernt. Mühevoll drehte die Frau sich auf die Seite und raffte sich auf. Das grelle Licht blendete sie und machte es ihr schwer. Schwankend fing sie sich und taumelte voran. Die Kinderstimme hinter ihr wurde leiser. Verzweifelnd suchte sie nach ihrem Mann, ihrem Geliebten in dem großen Meer aus Grau. Doch sie sah ihn nicht. Schreie erfüllten den Raum.
Sie wollte zu ihm.
Sie musste zu ihm.
Doch er war nicht da. Nirgends konnte sie ihren Mann sehen. Den Mann, den sie jetzt brauchte. Er musste für sie da sein, sie beschützen. Wem konnte sie noch vertrauen? Wieder drehten sich die Bilder vor ihren Augen und sie erkannte in der Ferne ein paar bunte Lichter. In ihr stieg ein kleines Stück Freude auf. Vielleicht war er bei den Lichtern und wartete auf sie? So schnell es ging trugen ihre nackten Füße sie über feuchten Boden, in ihren Augen ein Schimmer Hoffnung. Die Lichter kamen immer näher, bis sie schließlich vor ihnen stand. Es waren Kerzen umhüllt von bunten Gläsern, die zwischen den Steinen am Meer platziert waren. Freudig sah sie sich um. Wo war ihr Geliebter? Er musste doch hier auf sie warten. Was sonst sollte er tun?
Fragend sah sie sich weiter um, die Füße vergruben sich nervös in den feinen Steinen. Ein Strahlen legte sich auf ihr Gesicht. Sie sah ihren Geliebten. Im Schein der Kerzen erkannte sie seine Umrisse. Er stand Hüfttief im Wasser und winkte ihr zu. Freudig winkte sie zurück. Da war er endlich! Ihr Geliebter Mann, ihr ein und alles. Er rief ihr zu, sie solle ihm in das Wasser folgen. Glück umfiel ihr Herz, denn er wollte sie bei sich haben! Zusammen glücklich werden. Das ist was sie immer wollte.
Ihre Lippen umspielte ein Lächeln und ihre Füße setzten sich in Bewegung, doch sie wandte den Blick nicht von ihrem Geliebten ab. Ihre Füße wurden vom kalten Nass umgeben, dicht gefolgt von ihren Schenkeln. Immer wieder rief sie ihm zu, während er langsam anfing in das offene Meer zu schwimmen. Sie hatte Mühe ihm zu folgen, doch ihr Herz trieb sie an weiter zu schwimmen. Immer weiter bis sie bei ihm war. Gleich hatte sie ihn erreicht, in der fast völligen Dunkelheit. Der Schein er Kerzen war schon lange erblasst, nur noch der Mond und die Sterne leiteten sie nun. Der Mond spiegelte sich auf der Wasseroberfläche. Es waren nur noch wenige Meter zu ihrem Geliebten. Er schwamm auf der Stelle, hielt den Blick konstant zu ihr aufrecht. Wie glücklich sie doch war. Sie wollte nichts anderes auf der Welt. Gierig hielt sie ihm bereits eine Hand hin und er ergriff sie. Sofort spürte sie endlich das, was sie brauchte. Glück, Liebe und ein Gefühl des kribbelns an der Stelle wo er sie berührte.
Er zog sie sanft an sich und der Mond wurde von Wolken verdeckt. In der tiefsten Nacht spürte sie nur ihn und das war alles was sie je wollte.
Nur ihn.
Für immer bei ihm bleiben.
Egal was es kosten sollte.
Die Kälte zog in ihre Knochen und ihre Augen wurden trüb und sie ließ sich treiben.
Gleich war sie vollkommen bei ihm.
,,Hast du uns angerufen, Kleines?" Der Mann in Uniform beugte sich zu ihr herunter.
Das Mädchen nickte.
,,Wieso denn?"
Das Kind zögerte und es sammelten sich Tränen in ihren Augen.
,,Gestern Abend schrie Mama laut Papas Namen, aber Papa ist schon seit 2 Jahren sehr weit weg. Dann ist sie raus gegangen, aber kam nicht wieder. Ich mache mir Sorgen."
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