V E R R A T.
Das ist mein Beitrag zu dem Schreibwettbewerb von OpenAwards4u , mal etwas anders als sonst.
Vielleicht sollte ich zum Anfang sagen, dass meine Protagonistin jemanden mit ihrem Blog anspricht, nicht ich!
Eventuell könnte sich eine gewisse Person für das 'Du' halten, aber so ist es nicht gemeint!!!
Ich hoffe, das ist klar.
Und jetzt die Geschichte:
Hey du. Hey ihr, wer auch immer ihr seid.
Nein, das ist kein Blog.
Kein normaler zumindest.
Ich schreibe das hier aus einem bestimmten Grund.
Es wird das einzige sein, das ich je poste, darauf könnt ihr euch verlassen.
Ihr alle könnt mich danach vergessen.
Bis auf dich.
Du wirst wissen, dass ich dich meine, wart's nur ab. Und ihr anderen, fragt erst gar nicht. Es geht euch nichts an. Ja, werdet ihr sagen, poste es doch nicht im Internet, wenn es uns nichts angeht. Ihr habt doch Recht. Aber du lässt mir keine Wahl. Du weißt warum. Du warst diejenige, die mich blockiert hat, auf sämtlichen Netzwerken, die meine Zettelchen in den Papierkorb wirft, die, die nicht mehr mit mir redet. Es ist ja auch gerechtfertigt.
Aber ich weiß sehr wohl, dass du mich insgeheim immer noch stalkst. Das soll kein Vorwurf sein. Ich würde es genauso machen. Allerdings – Wer lässt sich schon gern mit mir vergleichen? Du sicher nicht.
Aber nun möchte ich zum Thema kommen. Ich möchte eine Geschichte erzählen. Die Geschichte, die Grund dafür ist, dass ich jetzt hier sitze. Auf meinem Bett, allein, den Laptop auf dem Schoß, die Gedanken verwirrt.
Es ist meine Geschichte.
Deine Geschichte. Ja, du bist gemeint, glaub mir.
Die Geschichte, aus deren Grund ich das hier tippe, in die Tasten haue vor Wut und Enttäuschung.
Ich möchte sie erzählen mit vier Worten.
Fehler.
Ich mache Fehler. Du machst Fehler. Ihr alle da draußen, ihr macht Fehler.
Ich habe nicht nachgedacht. Ich habe nur auf mein verwirrtes Herz gehört. Als gäbe es mir die Befehle, nicht mein Kopf. Als hätte es die Aufgabe, mich ohne Verstand durchs Leben zu führen, mich zu dummen Entscheidungen zu bringen.
Wie an jenem Tag, um den es jetzt geht. Du beginnst dich zu erinnern, da bin ich mir sicher. Ich bin mir sicher, dass du rot anläufst, vor Scham vielleicht, oder vor Wut. Du weißt schon, auch wenn du es dir nicht zugestehen willst. Es war der Nachmittag im Wald, der an dem alles anders wurde. Das war es, wovon ich nun erzähle. Es war Sommer, nur im Schatten der riesigen Nadelbäume ließ es sich länger als zehn Minuten aushalten. Ich zupfte dir eine Tannennadel aus dem Haar. Wir saßen auf der alten, morschen Bank vor dem Forsthaus, wo wir immer saßen. Wir redeten, die meiste Zeit gleichzeitig, so, als hätten wir uns Jahre lang nicht gesehen. Das Gegenteil war der Fall. Wir sahen uns jeden Tag. Von zehn vor acht bis Viertel nach eins, jeden Tag. Und donnerstags den ganzen Tag, so wie an diesem Donnerstag. Man könnte meinen, wir wüssten irgendwann nicht mehr, was wir noch sagen sollten. Das war nie der Fall gewesen, wirklich nie. Ok, vielleicht redeten wir tatsächlich immer über dasselbe. Das war doch der Sinn von besten Freundinnen, nicht? Dass uns trotzdem nie langweilig wurde. Aber wir waren nicht die besten Freundinnen, die wir glaubten zu sein. Vielleicht waren wir es nie gewesen. Und in dem Moment, in dem ich nicht nachdachte, da zerstörte ich den letzten Funken einer ‚normalen' Freundschaft endgültig.
Es war der Moment, in dem wir schwiegen. Nicht lange, aber lange genug.
Lange genug, dass ich meine Hände auf deine Schultern legen konnte, mich vorbeugen, dich ansehen, abwarten.
Du hast nichts dagegen getan. Das war dein Fehler.
Ich habe es getan. Das war mein Fehler.
Und dann haben wir uns geküsst.
Und das war wohl unser beider -
Fehler.
Vertrauen.
Ich habe dir vertraut. Du hast an mein Vertrauen geglaubt. Ihr alle habt jemanden, dem ihr denkt, ihr könnt auf ihn zählen. Aber ich habe meine Lektion gelernt aus dem Vertrauen.
Ich habe nichts gegen Vertrauen, das will ich damit nicht sagen. Ich will lediglich sagen, dass ihr damit aufpassen solltet. Nicht jeder ist in der Lage, mit Vertrauen umzugehen. Das weiß wohl niemand besser als ich. Ich und du.
Ich war die Neue in der Klasse. Zum Schulanfang, als alle ihre alten Freunde umarmt haben, sich ihre Plätze reserviert haben nebeneinander, da stand ich allein da, ja, man kann es schon eher einsam nennen. Einsamkeit ist auch etwas, das über unser Handeln entscheidet, unser Gehirn scheinbar abstellt. Genau wie Vertrauen. Einsamkeit ist das, was uns förmlich mit ausgebreiteten Armen blind durch die Gegend laufen lässt. Ich hätte wohl jeden an mich heran gelassen, der mich nur angesprochen hätte, als ich allein die Schule kam. Du warst die Erste, nein, du warst die Einzige, die mit mir geredet hat. So traurig es klingt, es war dennoch genug für mich. Und dafür hast du schließlich viel geredet. Zu viel, würden die meisten sagen. Doch wen interessiert das schon? Ich mochte es. Wenn du bei mir warst, musste ich nicht selbst reden. Ich habe das Gefühl genossen. Heute frage ich mich, ob es wirklich an dir lag, oder nur am Reden. Ich war zu nichts gezwungen, dennoch war es die Zeit, in der ich das Reden neu zu lernen schien. Ich lernte es von dir. Die Zeiten des stillen, zurückgezogenen Mädchens lagen hinter mir. Ich habe dich mit offenen Armen empfangen und du liefst genau so auf mich zu. Schlossest deine Arme um mich und ließt mich nie mehr los. Ich habe die Gefahr nicht gesehen. Die Gefahr am Gefangensein. Nein, ich hielt es alles für gut. Ich hielt es für -
Vertrauen.
Vergebung.
Ich hoffe auf Vergebung. Du denkst, du kannst vergeben. Ihr alle da draußen, ihr haltet eure Fehler für irrelevant. Es gibt doch Vergebung, denkt ihr. Vielleicht habt ihr sogar recht. Doch in meiner Welt sieht alles anders aus.
Für einen Kuss fordert man keine Vergebung. Wir waren beide schuld. Wir haben es sogar beide gemocht. Vergebung ist ohnehin nichts, das man fordern sollte. Sie kommt, dann ist es vielleicht sogar echtes Vertrauen gewesen, Vertrauen, wie ich es nie jemandem geben konnte. Oder sie kommt nicht, dann lernt man daraus. Aber den Fehler macht man trotzdem wieder. Weil man nicht nachdenkt. Vergebung scheint das Nicht-Nachdenken entschuldigen zu können, doch so ist es nicht. Wenn ich von Vergebung in meinem Leben schreibe, dass hat das nichts mit dem Kuss zu tun. Der Kuss liegt hinter uns. Ein Fehler, wenn es nach mir ginge. Doch es gibt Dinge, die bei weitem schwerwiegender sind als ein Fehler. Schwerer als ein Kuss. Es gibt Dinge, die ich im Moment nicht wage, zu tippen. Die mich davon abhalten würden, auf "posten" zu klicken, da bin ich sicher. Ich habe sie getan. Ich bin schuld. Du warst einfach da. Konntest nichts dagegen unternehmen. Denn ich habe es schließlich getan.
Und wahrscheinlich verdiene ich nicht einmal so etwas wie -
Vergebung.
Vier Wörter, hast du gesagt, das werdet ihr denken. Das waren erst drei, denkt ihr. Du kannst wohl nicht zählen. Ich kann sehr wohl zählen. Ich war noch nicht fertig. Denn jetzt erfahrt ihr das letzte Wort.
Es ist die Summe aus den anderen. Vielleicht auch das Produkt.
Es ist das Schlimme.
Ich bin feige, wenn ich nicht nennen will, nicht wahr?
Ja, ich weiß.
Ihr habt ja recht.
Und ich will eure Neugier sättigen.
Ich will euch die Geschichte erzählen. Beziehungsweise den Teil, den ihr nicht ohnehin schon kennt.
Junge Liebe, das ist es, wovon die Leute reden. Sind wir auch Teil dieser 'jungen Liebe', wir, zwei 13-jährige Mädchen, die sich auf einer Bank im Wald geküsst haben. Junge Liebe ist nicht einfacher als jegliche andere. Und ich kann auch nicht behaupten, ich sei zu diesem Zeitpunkt das erste Mal verknallt gewesen. Du warst bloß die erste, die meine Gefühle erwidert hat. Zumindest diese zwei Monate lang. Es war auch nicht mein erster Kuss, es war bloß der erste freiwillige. Der erste unbeobachtete. Ja, aber wahrscheinlich war es wirklich diese 'junge Liebe', die mich blind gemacht hat. Nur, dass wir nicht wie alle anderen waren. Dass wir eben Mädchen waren. Und das ist der Punkt, an dem die Leute nicht mehr von ihrer doch so geliebten jungen Liebe sprechen. Nur eine Phase ist das, sagen sie. Ein Trendzug, auf den wir aufspringen. Wir seien doch noch so jung, sagen sie, wir wissen doch gar nicht, was Liebe ist. Ich fürchte, im letzten Punkt kann ich den Leuten zustimmen. Zumindest vom heutigen Standpunkt aus betrachtet. Das, was ich für Liebe hielt, war es, was mich blind gemacht hat, und dumm.
Ich glaube nicht an Unendlichkeit. Und also so glaube ich auch nicht daran, dass Liebe unendlich sein kann. Ich wusste also eigentlich schon immer, dass es ein Ende geben würde. Ich habe es verdrängt. Und um so plötzlicher kam es. Die Leuten lästern in der Schule über dich, weißt du? Meine Freunde lästerten über dich. Du hast mir keine Ruhe mehr gelassen. Geredet, was mich nicht mehr interessiert hat, im Unterricht, wenn ich aufpassen wollte, zu Hause, wenn ich allein sein wollte. Das rechtfertigt nichts, ich weiß. Rein gar nichts.
Was ich getan habe, fragt ihr euch?
Ich habe auch geredet. Mit jedem habe ich geredet. Verraten. Verleugnet.
"Ihr kennt doch das Mädchen aus der c, oder?", habe ich gefragt. Gelacht haben sie, schließlich waren sie es, die gelästert haben. Sie, denen ich zugehört hatte. "Wisst ihr was?", habe ich weiter gefragt. "Die ist lesbisch."
Da lests ihr's. Lest, was ich getan hab. Die ganze Schule wusste es innerhalb ein paar Stunden. Kein Weg zurück.
Keine Chance, all das rückgängig zu machen.
Dich vor den gehässigen Kommentaren zu beschützen.
Ich konnte dich nicht mehr leiden.
Vielleicht war es das, was ich für Liebe gehalten hatte, das unsere Freundschaft und unsere Beziehung zerstört hatte.
Vielleicht warst du es gewesen, mit deiner rücksichtslosen und nervtötenden Art.
Das habe ich mir eingeredet.
Doch ich wusste die Wahrheit, wusste sie und habe doch versucht, sie zu verdrängen. Wie ich es immer getan habe.
Ich wusste, wer die Schuld trug.
Denn das war ich.
Ihr wollt also nun endlich das Wort wissen?
Ich kann es euch sagen.
Ich kann es euch sogar buchstabieren.
Es ist das, was ich getan habe.
V wie Vertrauen.
E wie Erkennen.
R wie Risiko.
R wie Rausreden.
A wie Aufgeben.
Und T, wie Täuschen.
V. E. R. R. A. T.
Verrat.
Posten.
Laptop zu.
Licht aus.
Fenster schließen.
Aufs Bett fallen lassen.
Nicht Heulen.
Nur denken:
Jetzt hab ich's komplett verbockt.
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