Happier
Lately, I've been, I've been thinking, I want you to be happier, I want you to be happier
Unwillkürlich muss ich grinsen. Ich kenne das Lied, natürlich, jeder kennt das Lied. Aber früher wäre es mir nie aufgefallen. Nie so wie jetzt. Ich rechne nach. 4 Stunden ist es jetzt her, ich liege im Bett, höre Musik, das Lächeln noch ganz frisch. Und die Erinnerung genau so. Das Radio läuft, das nächste Lied. Ich höre nicht mehr hin. In meinem Kopf ist nur für eines Platz: Für sie.
Ich starre an die Decke, die Gedanken beginnen bereits, sich zu drehen, zu verwirren. Bald werde ich nicht mehr verstehen, was passiert ist. Aber noch kann ich es fühlen. Ich stehe auf, hole Block und Stift. Ich blättere in dem Ringbuch, blättere mich durch dutzende bekritzelte Blätter, klicke ein paar mal mit dem Kuli und beginne dann endlich zu schreiben.
Liebe Meg,
ich wusste schon, dass alles auf einmal anders werden könnte. An einem Tag, in ein paar Stunden. Aber ich wusste nie, wie anders. Jetzt weiß ich es. Ich liege in meinem Bett, sehe mich im Zimmer um. Es sieht anders aus, aber es ist nicht anders. Ich bin anders. Und ich frage mich, ist es deinetwegen? Oder hast du es mir einfach nur klar gemacht? Egal, was die Antwort ist, ich bin irgendwie dankbar. Auf eine seltsame Art dankbar, so, wie man sich fühlt, wenn eine fremde Person einen einfach anlächelt und man sich gleich ein bisschen besser fühlt. So, nur viel intensiver. Du bist nicht fremd für mich und gleichzeitig bist du es. Ich meine, ich kenne dich seit der achten Klasse. Schon fast zwei Jahre. Du bist nicht fremd. Du bist eine Freundin, nie eine allerbeste gewesen, aber doch mochte ich dich von Anfang an. Ich mochte deine Augen, die so blau sind wie dein Lieblingspulli, ganz exakt genau so. Das war das erste, das mir an die aufgefallen ist, so komisch es klingt, es ist so. Ich fand das witzig. Du hast den Pulli immer noch, obwohl er dir inzwischen viel zu klein ist. Es sind die kleinen Dinge, an die man sich erinnert.
So wie an den Tag am Anfang der neunten Klasse, als du mir von dem Typen mit den Sommersprossen überall im Gesicht erzählt hast. Er ist süß, hast du gesagt. Sommersprossen sind süß. Heute frage ich mich, ob du wirklich ihn gemeint hast. Oder an das eine Mal in der achten Klasse, als du so wütend warst, dass du mir eine Haarsträhne abgeschnitten hast, nur eine ganz dünne. Aber du hast sie fast ein Jahr in deinem Federmäppchen aufbewahrt. Ich erinnere mich noch genau daran, an all die Kleinigkeiten, wegen denen ich dich so mochte. Es ist wie ein Puzzle, ein riesiges, mit 1500 Teilen. Du hast mal gesagt, du liebst diese Puzzles, auch daran erinnere ich mich. Und ich stelle mir vor, alles ist ein Puzzle. Immer wieder finde ich ein Teil. Der Anfang ist das Schwerste, weil ich keine Anhaltspunkt habe. Aber dann wird es leichter und es geht schneller und dann, in ein paar Stunden nur, kann ich alle restlichen Teile auf einmal hinzufügen. Diese paar Stunden waren heute und ich weiß noch immer nicht genau, wie es kam. Wie es kam, dass wir mit dem Referat, das wir zusammen machen, so schnell fertig waren, dass es sich für mich nicht gelohnt hätte, schon nach Hause zu fahren. Wie es kam, dass uns so langweilig wurde, dass wir diese Wahrheit-oder-Pflicht-App heruntergeladen haben und stundenlang gespielt und währenddessen Musik gehört haben. Marshmello. Was sonst? Was sonst würdest du freiwillig stundenlang hören? Wie kam es, dass die Frage erst kam, als ich längst die meisten Lieder auswendig konnte. Wie kam es, dass ausgerechnet du ausgerechnet diese Frage bekommen hast? Es war klar, dass sie irgendwann kommen würde, doch ich habe mir nichts dabei gedacht. Ich nicht. Ich habe nur gelacht und dir die Frage vom Display vorgelesen. "In wen bist du verliebt?" Albern gekichert habe ich, wie ein kleines Kind und du hast mich nur angeschaut, ganz genau in meine Augen geschaut, so lange, dass es fast unangenehm geworden wäre. Normalerweise schaue ich weg. Ich bin nicht der Typ Mensch, der sich gerne so genau betrachten lässt. Aber bei dir war es was anders. Bei dir war es ok. Du hast nicht gestottert, überhaupt nicht. Du hast die Sätze gesagt, ganz ruhig, als hättest du sie hundert mal vor dem Spiegel geübt. Und falls du das wirklich getan hast, dann kann ich es nur verstehen. "Zuerst einmal ist da etwas, was du wissen solltest", hast du gesagt. "Dieses etwas ist, dass ich auf Mädchen stehe. Ganz einfach. Ganz normal, so wie du auf Jungs stehst." Ich hätte dich an dem Punkt gern unterbrochen, gesagt, dass ich noch nie verliebt war, zumindest noch nie so richtig und darum würde ich nicht davon ausgehen. Es war das erste Mal, dass ich überhaupt auf die Idee gekommen bin. Aber ich habe es nicht ausgesprochen. Es hätte blöd geklungen, blöd aus dem Mund eines Mädchens, das seit Monaten ständig so einem komischen Typen nachschaut und dabei immer knallrot wird. Aber das ist nicht 'verliebt'. Verliebt ist was anderes. Und du hast gesagt, "Ich bin tatsächlich verliebt. Und die Person sitzt gerade neben mir."
Ich hoffe, du bist nicht böse, dass ich geschockt war. Was sagt man auf so was? Hab ich was falsch gemacht? Ich hab dich einfach nur umarmt. Und dann habe ich leise mitgesungen.
>I want you to be happier, I want you to be happier.<
Das stimmt, das ist wahr. An mehr habe ich nicht gedacht. Du hast das Handy weggelegt. "Wir brauchen es nicht mehr", hast du erklärt. "Du hast Fragen. Stell sie." Wir saßen nebeneinander, ganz nah nebeneinander in deinem Zimmer und ich habe Fragen gestellt. Wie bei einem Interview. Nur mit Herzklopfen. "Würdest du ein Mädchen küssen?", habe ich gefragt und du hast nicht geantwortet, du hast nur gesagt, "Und du?"
Ich habe auch nicht geantwortet. Ich habe dich geküsst.
Jetzt ist alles anders. Und ich bin dir dankbar dafür. Und noch was will ich dir sagen, Meg.
Ich glaube, ich liebe dich.
Deine Lia.
PS: Es ist immer noch wahr. I want you to be happier.
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