Wie Gott den Wal erschuf

Wieder einmal saß Gott in seinem Büro und drehte seinen riesigen Erd-Globus mit den vielen verschiedenen Ansteckfiguren. Während er die Sammlung der Lebewesen betrachtete runzelte er die Stirn, sodass sich tiefe Furchen bildeten. Gerade in diesem Moment kam Petrus ins Büro gestürmt und erwischte den Chef mitten im Grübeln.

„Oh nein", rief Petrus angespannt, „Ich weiß doch, was dieser Gesichtsausdruck bedeutet!"

Gott schaute seinen Gefährten nicht einmal an und murmelte nur: „ Sie ist unvollständig..."

„Oh Gott. Es sind doch schon genug riesige Tiere auf dem Planeten. Da ist doch kein Platz mehr!"

„Beruhige dich. Dieses Mal wird es auch was Kleines und wo kein Platz ist, muss man welchen schaffen." Er griff hinter sich und zog einen großen Stein hervor, den er auf die Erde warf, die sich daraufhin kurz in einen Feuerball verwandelte.

„So, jetzt kann ich eine ganz neue Ära einläuten! Die Dinosaurier waren eh veraltet. Mein neues Modell heißt „das Säugetier". Hier ist der Bauplan." Petrus schaute sich das neue Design an und nickte zustimmend.

„Und ich weiß schon, dass dieses Konzept funktioniert, da ich bereits erste Versuche durchgeführt haben. Der Meteorit hat deshalb auch nur die großen Saurier entfernt. Hoffe ich zumindest... Ach Petrus, ich bin so aufgeregt!"

Seine Augen leuchteten mit der Idee, die er hatte, auf. Rasch griff er nach seinem Schöpfungston und fing an der groben Masse eine Form zu geben. Petrus schaute nur ungläubig zu. Das Tier hatte vier kurze Beine, die in zwei gespalteten Hufen endeten. Dazu kam ein langer, schmaler, pelziger Körper mit einem riesigen Schwanz. Der Kopf passte absolut nicht zum Rest des Körpers, da er im Verhältnis zum Rest sehr groß und unförmig war. Es hatte winzige Ohren und eine lange, breite Schnauze mit spitzen Zähnen. Schließlich goss Gott etwas Weihwasser darüber und schickte es auf die Erde.

„Was ist das??", fragte Petrus entsetzt, „ Ich dachte es soll niedlich werden? Hast du was getrunken?"

„Das ist ein... ein... ein Wal. Ja, ein Wal!", antwortete Gott beleidigt, „Und ich finde es niedlich. Und ja, habe ich! Willst du auch was?"

„Ähhm, nein danke. Und was ist eine Wahl bitte für ein Name? Gab es etwa noch einen anderen Plan?"

„Ohne das „h" und nein, das war die einzige Idee. Das Tier ist perfekt! Es lebt an Küstenregionen und wird sich dort von den im und am Wasser lebenden Tieren ernähren. Außerdem sieht es keinem der bisherigen ähnlich und ist somit so einzigartig, wie alle meine Pläne."

Zufrieden klopfte er sich selbst auf die Schulter und schaute Petrus erwartungsvoll an, der nur kopfschüttelnd aus der Tür ging.

Ein paar Jahrhunderte vergingen und Gott begann die Landschaften der Erde weiter aus und umzubauen. Eines Tages schaute er dabei auf den Wal zurück und entschied, dass das Design nicht mehr zum Rest passte. Da er aber neuerdings an all seinen Erfindungen hang, beschloss er nicht das fehlerhafte Tier auszulöschen.

„Petrus! Ich habe ein Problem!"

„Was ist denn nun schonwieder?! Ich bin gerade damit beschäftigt das Meer zu dekorieren!"

„Genau da liegt das Problem. Wir haben nun so lange daran gearbeitet, dass es auch für die anderen Landbewohner erreichbar werden sollte." Er strich sich den Bart entlang und ließ seinen Blick noch einmal über den Wal gleiten. „Petrus, du musst den Wal fangen und zu mir bringen. Ich muss etwas ändern..."

Wie geheißen brachte Petrus ihm das Tier und schaute verblüfft bei den Änderungen zu. Gott strich das ganze Tier einmal ab, sodass die Kurven verschwanden und der Körper eine etwas eckigere aber glatte Form annahm. Der Schwanz wurde verkürzt und so befestigt, dass er kräftiger wurde, um im Wasser zu lenken. Die Beine verloren an Gelenken und die Hufen wurden zu fünf Pfoten mit Schwimmhäuten und scharfen Krallen. Die Schnauze blieb ungefähr gleich, bis auf das auch sie eckiger wurde.

„Gott, was ist das?? Das sieht aus, wie ein missratenes Krokodil!"

„Brillant, nicht wahr?! Ich dachte mir, dass es so vollständig im Wasser jagen kann, aber gleichzeitig am Land lebt. Das Fell machen wir noch ein bisschen wasserresistent und die Lungen größer, damit es nicht ertrinkt, dann passt das schon!"

Zweifelnd griff Petrus nach dem Geschöpf und brachte es erneut auf die Erde.

Wieder einmal vergingen Jahrhunderte, in denen Gott seine Kreationen anpasste und kleine Änderungen an der Erde vornahm. Dabei stieß er erneut auf den Wal und seufzte tief.

„Petrus, wir müssen doch noch einmal was am Wal ändern!"

„Was ist denn dieses Mal das Problem?", fragte Petrus genervt. Jetzt da Gott sich entschied seine Kreationen stetig zu entwickeln verlor er langsam den Überblick. Jeder Besuch auf der Erde war für ihn nun eine Überraschung, da jedes Tier, was er zuvor sah, verändert wurde. Auch das stetige Einfangen wurde langsam lästig. Außerdem musste er sich ständig Gottes Pläne anhören ohne dabei einzuschlafen. Wenn er sich bei den Engeln beschwerte, lachten diese ihn nur schadenfroh aus. Tolle Nächstenliebe!

„Er passt einfach nicht rein. Zwar klappt das Leben im Wasser ganz gut, doch es ist nicht befriedigend. An Land hält es nicht mehr mit den neuen Tieren mit, wird verdrängt und sieht nur noch fehl am Patz aus."

„Warum lebt es dann nicht vollständig im Wasser?", antwortete er verwirrt.

„Petrus, du bist ein Genie!" Und schon stürzte Gott sich in den hintersten Teil des Büros und kramte ein merkwürdiges Gerät hervor. Es zischte und sprühte Funken.

„Gott, was ist das?" Unfreiwillig trat Petrus einen Schritt zurück, da er keine Lust hatte die Funktion am eigenen Leib zu erfahren.

„Das ist ein Vergrößinator. Du solltest es eigentlich noch von den anderen Meerestieren kennen. Es wurde nur geändert, damit es cooler aussieht. Niemand soll ja sagen können, dass der Himmel langweilig ist!", er zuckte mit den Achseln und begann an einigen der vielen Anzeigen herumzudrehen.

„Ich glaube drei bis fünf Meter länger reichen erst einmal."

„Warum machst du es nun größer? Es gibt schließlich auch kleinere Meerestiere." Petrus gefiel die Idee eines weiteren großen Tieres nicht. Er erinnerte sich immer noch zu gut daran, wie er von anderen zertreten oder ausversehen mit verschlungen wurde.

„Petrus, du weißt doch wie ich immer sage: „There is always a bigger Fish." Der Wal soll weiterhin ein Jäger bleiben und kein gejagter. Außerdem sind die Ozean riesig und müssen gefüllt werden."

„Also machst du nun doch noch einen Fisch daraus. Säugetiere können schließlich nicht im Wasser Leben, da sie irgendwann ertrinken werden."

„Sei nicht lächerlich! Die Kreatur bekommt selbstverständlich größere Lungen und generell Organe, die sich an das Wasserleben angepasst haben. Sie bekommt zudem noch ein Atemloch, eines meiner neusten Erfindungen. So kann es mehrere Stunden tauchen und kommt zum Gasaustausch kurz an die Oberfläche. Dabei öffnet sich das Atemloch et Voila, es ertrinkt nicht!"

Gesagt getan. Der Körper wurde durch die größeren Organe merklich runder und das Fell verschwand gänzlich. Beine und Schwanz bildeten sich noch weiter zurück. Die Zehen verschmolzen zu einer flossenähnlichen Form und auf dem Rücken erschien eine kleine Rückenfinne. Der Kopf wurde länglicher und weniger eckig. Der Kiefer war Kräftig und die Zähne immer noch spitz.

Petrus setzte den Wal nun im Meer ab und beobachtete, wie der neue Wasserbewohner in den Tiefen verschwand, oder besser gesagt versank. Es erinnerte ihn ein bisschen an einen Stein. Letzte Luftblasen erreichten die Wasseroberfläche. Er riss sich los und kehrte in den Himmel zurück.

Nach gar nicht allzu langer Zeit rief Gott ihn wieder zu sich.

„Petrus.."

„Wir müssen was am Wal ändern", beendete er den Satz für Gott.

„Genau! Er macht im Wasser keine wirklich gute Figur. Er ist ungefähr genauso grazil und majestätisch, wie ein Elefant, der über einen Ast springt! Außerdem ist er zu ungelenkig und hat es schwer Beute zu finden und dabei nicht selbst gefressen zu werden. Ich glaube ich muss ihn doch noch etwas mehr an das Leben im Wasser anpassen..."

Petrus stimmte nur zu und wunderte sich, was denn nun ein „Elefant" war. Er sprach es aber nicht an, da er es wohl oder übel noch früh genug erfahren würde.

Gott griff erneut zum Ton und gab dem Wal dieses Mal ein stromlinienförmiges Aussehen. Der Schwanz verschmolz gänzlich mit dem Rest des Körpers und am Ende bildete sich eine große Schwanzflosse. Die Beine bildeten sich nun zu komplexen Flippern und die Rückenfinne prägte sich weiter aus.

„So. Nun kann er sich viel besser im Wasser bewegen. Noch ein bisschen größer machen und ab auf die Erde."

Petrus sah verwirrt zu, wie sich der Körper vor ihm auflöste, als er sich auf die Erde begab.

„Wie groß ist der Wal nun? Sieben oder acht Meter?"

Gott schaute betreten auf seine Füße und murmelte ein leises: „ Eher so fünfundzwanzig..." in seinen Bart, „Mein armes Baby muss sich ja schließlich durchsetzen können."

Petrus Augen wurden riesige und er klappte den Mund wie ein Fisch auf und zu. Ach nein...

„Ich weiß zwar dass du keine großen Tiere magst, aber findest du die Reaktion nicht ein bisschen übertrieben?", kam die gereizte Reaktion auf sein ungläubiges Auftreten.

„Das meine ich gar nicht", versuchte sich Petrus zu retten, „ Hast du dann aber nicht etwas Wichtiges vergessen?

Gott schaute hinunter auf die Erde. Der Wal schwamm nun viel glücklicher im Wasser umher und stellte alle anderen Wassertiere in den Schatten. Er hätte nun einen sehr imposanten Eindruck gemacht, wäre da nicht der Miniaturschädel auf seinem Körper, der es im schwer machte genug Nahrung für seine Größe zu fangen.

Gott blinzelte nur und ein „Ups" verließ seine Lippen.

Schnell rief er ihn wieder zu sich ins Büro und verschaffte ihm ein langes und schmales Maul mit einem Kopf, der dieses Mal passte.

Nun schaute er auf die Kreatur und war fürs erste Mal wirklich zufrieden. Jedenfalls sagte er sich das bei jedem Tier, bevor es angepasst wurde.

„Petrus, dieses anmutige Geschöpf gefällt mir so gut, dass ich glaube noch verschiedene Variationen machen zu müssen! Kleinere und größere."

„Schön, aber dann ist doch nicht mehr genug Fisch für alle vorhanden." Der Gedanke an eine ganze Armee aus gigantischen Wassertieren war beängstigend. Sie konnten sich so gut im Meer verstecken und man würde sie in den unendlichen Tiefen nie kommen sehen. Allerdings wüsste er immer noch, dass da etwas wäre. Unbewusst hatte er wohl gerade die Thalassophobie erfunden.

„Du hast recht", grübelte er und seine Augen Leuchteten erneut auf, „ aber wie wäre es, wenn die größte Art Borsten anstelle von Zähnen hätte. Dann frisst es Plankton oder andere kleine Krebse, was eh im Überschuss vorhanden ist. Die anderen gestalte ich dann etwas kleiner, sodass sie sich Futtertechnisch nicht in die Quere kommen."

„Oh Gott. Bei all den Versuchen, die wir für Tiere brauchen ist es schwer einen Überblick zu behalten."

„Den müssen wir auch nicht behalten. Wo wären wir denn, wenn wir uns für jedes Lebewesen irgendwelche komplizierten, lateinischen Wörter ausdenken müssten?! Anstelle von „Ambolucetus" kann man auch gleich „erster Vorläufer des Wals" oder „Urwal" sagen. Aber das wird ein Problem der späteren Zukunft werden."

Mit einem alleswissendem Zwinkern in Richtung Petrus ließ er die Sache somit fürs erste auf sich beruhen. „Außerdem musst du dir meinen Prototyp des neuen Tieres ansehen. Es ist zwar an allen Enden gefährlich und wirft alle bisherigen Naturgesetzte durcheinander, aber dafür gibt es ja Australien. Ich glaube ich werde es Schnabeltier nennen..."

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Das kommt dabei heraus, wenn der Biologielehrer eine kreative Aufgabe stellt...

Erinnert sich noch jemand, wie ich letztes Jahr meinte, dass "demnächst (in einem Jahr)" noch weitere Kapitel herauskommen? Tja, mein Randkommentar-Ich hatte scheinbar recht xD.

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