Eine neue Möglichkeit
Sie nahm noch einen Schluck aus der Flasche. Ihre Kehle brannte von dem bitteren und zugleich sauren Geschmacks des Getränks, welches wohl weit mehr als 40 Prozent Alkohol beinhaltete. Sie war jung und schön gewesen und jetzt? War man denn mit 19 schon eine alte Schachtel?
Kein Mann der Welt sah sie mehr an, und wenn dann waren sie mit ihren Augen überall nur nicht in ihrem Gesicht, und die Frauen waren auch nicht viel besser. Sie entfernte sich etwas von dem Laden aus dem sie ihr Getränk gekauft hatte, die gelbe Neonröhre die das Geschäft als billig und qualitätsvoll anpries flackerte nur noch leicht und es war inzwischen Abend geworden, die Luft war Feucht und schwer. Linda dachte nach.
Darüber, dass mit der Schuljugend alle ihre Tugenden und auch ihre guten Noten verschwunden waren, als hätte sich das Leben gedacht: „Ach ja, hätte ich ja fast vergessen du hast doch das Abonnement gekündigt. Nein? Aber wenn ich doch schon mal da bin." Und von einem Tag auf den anderen hatte sie all das Glück der Welt verlassen und das Pech fand sich bei ihr ein. Gut, am Ende war sie alles selbst Schuld, jeder kann dass was er selbst nicht erreicht hat auf das Schicksal und Pech und so einen scheiß - wie ihre Mutter es zu sagen pflegt - schieben.
Es hatten sich so viele Türen für sie geöffnet, aber sich auch so einige andere für sie geschlossen und zwar die, welche sie unbedingt öffnen wollte. Und anstatt richtig zu Arbeiten hockte sie vor ihnen und wartete dass eine von ihnen, wie durch Zauberhand von selbst aufschwingen würde ohne dabei zu bemerken wie sich hinter ihr die damals offenen Türen leise, manchmal auch knarzend wieder schlossen.
Nun rüttelte sie verzweifelt an den damals silbernen Türen die nun aber schon zu Stein geworden waren, die Klinken waren heiß und fraßen sich in ihre Haut, wenn sie es wagte sie zu berühren. Ihre Hände und ihr Rücken waren wund vor Narben doch, auch nach Jahren der verzweifelten Anstrengung sie zu öffnen und hindurch zu gehen war es für sie unmöglich.
Sie setzte an um noch einen Schluck aus der Flasche zu nehmen hielt aber in der Bewegung innen senkte den Arm, nur um dann doch wieder anzusetzen. Das warme Getränk fand den Weg und ergoss sich in ihre Kehle, es war scheußlich, billig aber wirkungsvoll. Sie seufzte und blickte nach oben, sie war weiter gegangen, sie hatte es nicht mehr ausgehalten, Zuhause mit dem ekelhaften Zigaretten Gestank der in der Luft lag, weil ihre Mutter meinte dass es nicht nötig sei zum rauchen auf den Balkon zu gehen. Die junge Frau erinnerte sich dass sie sich einst geschworen hatte niemals so zu werden wie ihre Mutter, aber war ihr Alkohol so viel besser als die Zigaretten? Nein, sie schüttelte den Kopf sie wollte lachen aber es kam kein Ton ihr Körper wehrte sich dagegen, und schließlich gab sie es auf „Dann halt nicht." brabbelte sie unverständlich in sich hinein. Wie ihr Bruder das gehasst hatte. Sie wiederholte sich, dieses mal lauter „Dann halt nicht!" brüllte sie. Dann werde ich eben so wie ich nicht sein wollte, brüllte sie in ihrem Kopf weiter, werde ich halt Arbeitslos, werde ich eben so wie meine Mutter! Sie schleuderte die Flasche wahllos in eine Richtung. „Mir sind die scheiß Autofahrer egal! Können doch ausweichen! Oder haben die nichts gelernt!?" Sie hatte sich nach dem Wurf ein wenig gedreht und als sie wieder etwas beschwerlich zum stehen kam, lag die Flasche vor ihren Füßen. Sie kam zu sich und merkte erst jetzt, wie Kindisch sie sich benommen hatte hob die Flasche auf und suchte nach einem Mülleimer. Noch nicht mal werfen kann ich, dachte sie. Es war noch später geworden der große Zeiger kratzte bereits an der zwölf die Frau wünschte sich in einem Märchen zu sein, und um zwölf von einer Fee zu einer wunderschönen Prinzessin verwandelt zu werden. Doch ihr Leben war kein Märchen und das merkte sie auch ganz schnell wieder, als es zwölf schlug und es leider keinen Zauber, und keinen Prinzen auf einem weißen Pferd für sie gab.
Sie schlenderte weiter, fand einen Mülleimer und lies die Flasche hineingleiten. Sie erwischte sich bei dem Wunsch sie wieder herauszufischen um zu sehen, ob doch noch etwas Restflüssigkeit übrig geblieben war. Schnell ging Linda weiter.Was war in ihrem Leben falsch gelaufen, dass es hier Enden musste? Ihre Mutter und ihr Vater waren falsch gelaufen, die Hysterische, Paranoide Frau die sich selbst Verletzungen zufügte und sie auf ihren Mann schob, der die Familie gerade noch zusammen hielt und bei seiner Frau blieb, weil er sie liebte, seine Kinder liebte und wusste das Helena krank war. Doch das Endete damit das Helena ihn schlussendlich wegen Häuslicher Gewalt anzeigte, und Dominic am Ende des Prozesses noch nicht einmal mehr die Kinder sehen durfte. Lindas Bruder,Till war mit 18 direkt abgehauen, hielt die Kontrollsüchtige Mutter nicht mehr aus und verabschiedete sich von Linda mit einer Mail wo er sich entschuldigte, versprach zurück zu kommen. Doch er war nie zurück gekommen nicht ein mal in verdammten 6 Jahren! Dabei hatten sie sich so gut verstanden. Doch bisher hatten sie ja alle verlassen, und sie fand sich nur noch in der Sackgasse wieder in der sie umringt war von unzugänglichen Möglichkeiten. Sie hatte es wie ihre Mutter versucht, eine Frau oder einen Mann zu finden, der sie mit Geld vollstopfen würde, bis sie selbst nichts mehr hatten. Doch sie war nicht dafür gemacht und konnte es nie mit ihrem Gewissen vereinbaren, einen Menschen derartig auszunutzen. Sie wischte die Gedanken hinfort. Sie fröstelte, die Dunkelheit der Nacht war schwer und eiskalt geworden und beschwerte ihre Schultern zusätzlich.
Sie war nun auf einer Brücke gelandet, Linda war immer weiter gegangen, hatte schon längst keinen Plan mehr wo sie überhaupt war und im Dunkeln hätte sie keine Chance sich zurechtzufinden, also fügte sie sich der Situation und presste sich ans Geländer und sah flüchtig auf ihre Armbanduhr. Noch nicht mal zehn Minuten waren vergangen, witzig wie Zeit manchmal rast und dann wieder kriecht als hätte ihr jemand ins Bein geschossen. Sie steckte ihre Hand wieder zurück in ihre Jackentasche. Sie sog die kalte Nachtluft ein, ihre Gedanken fügten sich, so schwarz waren sie, perfekt in die Dunkle Umgebung ein.
Warum hatte sie ihr Studium nach noch nicht mal nach einem Semester aufgegeben? So wie alles bisher in ihrem Leben. Noch nicht einmal Hobbys hatte sie beibehalten können. Sie mochte es eben nicht an irgendetwas oder irgendjemanden gebunden zu sein, das war es, Studieren war eben zu Verantwortungsvoll. Zufrieden mit dem Gedanken war Linda zwar nicht, aber wie zur Bestätigung ihrer Antwort auf ihre Frage, stieß sie sich von dem Geländer wieder ab und lief weiter. Ihre Nase fing an zu laufen und ihre Zähne klapperten, die Temperatur war nochmals um ein paare Grad gefallen, Linda wünschte sich sie brüllende Hitze des Tages zurück, auch witzig wie man sich immer das Wünscht was man eben nicht hat.
Sie blieb stehen. Warte einmal, was?
War das etwa die Antwort auf ihre Frage?
Sie dachte noch einmal nach und sah sich erneut in ihrer Umgebung um, sie stand wieder vor dem Haus ihrer Mutter. Das musste es sein. Ihr ganzes Leben hatte sie nach dem gestrebt was sie nicht hatte, oder was sie eben nicht war! Sie war immer und immer wieder im Kreis gelaufen immer an den gleichen verschlossenen Türen vorbei. Aber das musste sie doch gar nicht! Es gab so viel mehr als nur das Studium, ihre Mutter den ekelhaften Alkohol. Es gab Möglichkeiten. Alle ihre Türen waren verschlossen? Nein, sie musste nur lernen sich neue zu schaffen, neue offene Tore durch die sie hindurch schreiten würde. Sie musste nicht auf ihren Prinzen warten, sie musste selbst zur Königin werden und der Prinz für andere sein. Sie sollte aufhören nur über das nachzudenken, was sie nicht konnte und dann würden sich die anderen verschlossenen Türen vielleicht auch wieder öffnen. Sie stand vor dem Haus und ging die Einfahrt hoch.
Mit neuem Mut öffnete sie die Haustüre, jetzt würde sie die gute Fee für ihre Mutter sein, und ihr Leben selbst in die Hand nehmen.
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